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Neomarxismus
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Mit der Bezeichnung Neomarxismus werden unterschiedliche, sich ab den 1920er Jahren bildende wissenschaftliche Denkschulen und davon ausgehend auch vereinzelte politische Strömungen zusammengefasst, die an das Werk von Karl Marx anknüpfen, sich aber von einer dogmatisierenden Auslegung (z.B. der auf Friedrich Engels zurückgehende "Wissenschaftlicher Sozialismus", die von Karl Kautsky formulierte "Marxistische Orthodoxie", Marxismus als "Proletarische Weltanschauung" usw.) abgrenzen, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg bereits in den wichtigsten sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Parteien auftrat und sich nach der Oktoberrevolution im Realsozialismus zur Staatsideologie des Marxismus-Leninismus (ML) verfestigte.
Hintergrund für die Entstehung des Neomarxismus waren verschiedene politische Entwicklungen und Probleme, für die der "Wissenschaftliche Sozialismus" keine hinreichenden Erklärungen bzw. Antworten zu haben schien: die Auflösung der 2. Internationalen als Folge der Unterstützung der national organisierten sozialistischen/sozialdemokratischen Parteien für ihre jeweiligen Staat im Ersten Weltkriegs; das Scheitern bzw. völlige Ausbleiben der Revolution, obwohl eine "revolutionäre Situation" diagnostiziert wurde; der Aufstieg faschistischer Bewegungen. Hinzu kamen Probleme innerhalb der marxistischen Theorie. Eine neue Sicht auf das Werk von Marx wurde auch angestoßen durch die Veröffentlichung bisher nicht zugänglicher Frühschriften wie die Ökonomisch-Politischen Manuskripte (1932). Eindringliche Kommentare schrieb dazu seinerzeit Herbert Marcuse.
Da es keine geschlossene neomarxistische Bewegung, keine Organisationen und nur selten Personen, die sich neomarxistisch nennen, gibt, ist eine eindeutige Eingrenzung der Zugehörigkeit zum Neomarxismus schwierig, bisweilen ist die Verwendung des Begriffs willkürlich; in der tagespolitischen Debatte werden auch oft allgemein gesellschafts- oder kapitalismuskritische Positionen unspezifisch - dann meist als negative Wertung gemeint - als neomarxistisch bezeichnet. Auch eine einheitliche Theorie existiert nicht, man kann nur allgemeine Merkmale angeben. Eine gewisse Strömung im neomarxistischen Umkreis bildet der praxisphilosophische Marxismus, dessen Bezeichnung bis auf den italienischen Marxismusdenker Antonio Labriola zurückverweist.
Der Neomarxismus verwirft das deterministische Geschichtsbild des traditionellen Marxismus, nach dem eine quasi naturgesetzliche Entwicklung zu Revolution und Sozialismus führe. Betont wird hingegen die Bedeutung des sozialen Handelns der realen Menschen (Subjekte), die gesellschaftliche Praxis. Auch weicht die Auffassung, dass alle Erscheinungen aus wirtschaftlichen Faktoren abgeleitet werden können ("Ökonomismus"), einer differenzierteren Betrachtungsweise. Einige neomarxistische Richtungen greifen weniger auf die Ergebnisse der Marx'schen Analyse als auf seine Methoden zurück um die veränderten sozioökonomischen Verhältnisse entwickelter kapitalistischer Gesellschaften zu analysieren.
Wichtige theoretische Anstöße für den Neomarxismus kamen nach dem Ersten Weltkrieg von Georg Lukács, Karl Korsch und Antonio Gramsci. Aus dem 1923 gegründete Institut für Sozialforschung in Frankfurt ging als eine wichtige gesellschaftswissenschaftliche Forschergruppe die Frankfurter Schule hervor, deren Kritische Theorie besonders nach dem Ende der Emigration des Instituts während der Zeit des Nationalsozialismus in Westdeutschland Einfluss gewann.
Herbert Marcuse setzte seine wissenschaftliche Tätigkeit in Amerika fort. Durch seine theoretische Orientierung und die Suche nach einer Verbindung mit den neuen sozialen Bewegungen steht er eher dem praxisphilosophischen Ansatz und dem Philosophen Ernst Bloch nahe.
Weiter dem Neomarxismus zugerechnet werden der französische Theoretiker Henri Lefebvre und der Philosoph und Historiker Lucien Febvre. Mit seinem Versuch, Marxismus und Existenzialismus zu verbinden, schloss sich auch Jean Paul Sartre dem neomarxistischen Diskurs an.
Da in den Ländern des "real existierenden Sozialismus" die Staatsparteien das Interpretationsmonopol am Marxschen Werk beanspruchten, konnte sich der Neomarximus zunächst nur in den westlich-kapitalistischen Ländern entwickeln ("Westlicher Marxismus"), hauptsächlich als akademische Disziplin an Universitäten außerhalb der westlichen kommunistischen Parteien.
Mit der jugoslawischen Praxis-Gruppe bildete in der Mitte der 1960er Jahre offen eine neomarxistische Theorieschule in einem sozialistischen Land. Deren internationale Tagungen und die Zeitschrift PRAXIS (1965-1974) wurden zu einem Kistallisationspunkt unorthodoxen Marxismusdenkens in Europa.
Gelegentlich wird auch der Austromarxismus als neomarxistisch bezeichnet, ist aber von seinem politischen Programm her eine Variante des sozialdemokratischen Revisionismus.
Ãœber die Kritische Theorie sowie Ernst Bloch und Herbert Marcuse hatte neomarxistisches Denken nachhaltigen Einfluss auf die 68er Studentenbewegung in Deutschland.
Literatur[edit]
- Perry Anderson: Ãœber den westlichen Marxismus. Frankfurt/Main 1978, ISBN 3810800740
- Hans Heinz Holz: Strömungen und Tendenzen im Neomarxismus. Carl Hanser Verlag, München 1972, ISBN 3446116508
- Horst Müller: Praxis und Hoffnung. Studien zur Philosophie und Wissenschaft gesellschaftlicher Praxis von Marx bis Bloch und Lefebvre. Germinal Verlag, Bochum 1986, ISBN 3886635090
- Andreas von Weiss: Neomarxismus. Die Problemdiskussion im Nachfolgemarximus der Jahre 1945 bis 1970. Karl-Alber-Verlag, Freiburg/München 1970, ISBN 3495472126
Operaismus, Postmarxismus, Rätekommunismus, Situationismus, Sozialphilosophie, Trotzkismus, Wertkritik Kategorie:Marxismus