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Karl Korsch
Karl Korsch (* 15. August 1886 in Tostedt in der Lüneburger Heide; †21. Oktober 1961 in Belmont, Massachusetts, USA) gilt zusammen mit Antonio Gramsci und Georg Lukács als bedeutendster Erneuerer einer marxistischen Philosophie und Theorie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
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Jugend und Ausbildung[edit]
Als Sohn des Stadtschreibers besucht er von 1892-1898 die Volksschule in Tostedt und von 1898-1906 das Gymnasium in Meiningen (Thüringen). Zwischen 1906 und 1909 studiert Korsch Jura und Philosophie an den Universitäten München, Genf, Berlin und Jena, hier schloss er sich der Freien Studentenschaft an und war Redakteur der Jenaer Hochschulzeitung. 1909-1910 war er als Referendar in Meiningen tätig, leistete 1910/1911 in Meiningen seinen Wehrdienst und promovierte anschließend 1911 bei Heinrich Gerland an der Universität Jena. 1912 trat Korsch der SPD bei und begab sich für zwei Jahre zu philosophischen, politischen und ökonomischen Studien nach London, hier schloss er sich der Fabian Society an. 1914 kehrte Korsch zu Kriegsausbruch nach Deutschland zurück, nach drei Wochen an der Front weigerte er sich, eine Waffe in die Hand zu nehmen und äußerte sich pazifistisch, wofür er degradiert wurde.
Revolutionszeit und KPD-Mitgliedschaft[edit]
1918 gehörte Korsch zu den Mitbegründern des Arbeiter- und Soldatenrat in Meiningen, 1919 war er zeitweise Mitglied der Sozialisierungskommission für den Kohlenbergbau in Berlin, im Juni des Jahres schloss er sich der USPD an und gehörte hier bald zum linken Flügel, der sich 1920 für den Zusammenschluss mit der KPD auf dem Parteitag in Halle aussprach, Korsch artikulierte hierbei gewisse Vorbehalte bezüglich der 21 Aufnahmebedingungen der Komintern. Nebenbei habilitierte er sich im Oktober 1919 und nahm eine Tätigkeit als Privatdozent an der Universität Jena auf. Vom 16. Oktober bis zum 12. November 1923 war Korsch Justizminister der kurzlebigen Koalitionsregierung von SPD und KPD in Thüringen und musste nach deren Absetzung durch Reichspräsident Ebert zeitweise untertauchen. Diese Erfahrungen verarbeitend, tendierte Korsch immer mehr zum ultralinken Flügel der KPD.
Im Februar 1924 wurde Korsch in den Landtag Thüringens gewählt, im Juli rückte er in den Reichstag nach und gab daraufhin sein Landtagsmandat auf und wurde auch bei den Wahlen im Dezember 1924 wiedergewählt. Gleichzeitig übernahm er die Funktion des Chefredakteurs des KPD-Theorieorgans Die Internationale und nahm im Sommer 1924 am 5. Weltkongress der Komintern in Moskau teil. Die neue Landesregierung (DVP, DNVP, Thüringer Landbund) verweigerte ihm die Ausübung seines Lehrauftrages, beließ ihm aber offiziell Rechte und Titel eines ordentlichen Professors. Durch das im April 1933 erlassene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde Korsch offiziell entlassen.
Theoretiker der unabhängigen Linken[edit]
1925 begann Korsch zunehmend die Stalinisierung von Komintern und KPD zu kritisieren und zog sich aus der Redaktion der Internationale zurück; ab Herbst 1925 beginnende Versuche, die ultralinke Opposition in der KPD zu sammeln, diese mündeten in der Gründung der KPD-internen Fraktion Entschiedene Linke im Januar 1926 und der Monatszeitschrift Kommunistische Politik im Februar 1926, am 3. Mai des Jahres erfolgte daraufhin der Parteiausschluss, gemeinsam mit den beiden ebenfalls ausgeschlossenen Kommunisten Ernst Schwarz und Heinrich Schlagewerth formierte Korsch im Reichstag die Gruppe Internationaler Kommunisten und schloss sich im November 1926 der Gruppe der Linken Kommunisten im Reichstag an. Auf internationaler Ebene unterhielt Korsch Kontakte zu anderen linken KritikerInnen des Stalinismus wie Amadeo Bordiga in Italien und Timofej Sapronow in der Sowjetunion. 1927 kritisierte er als einziger Redner im Reichstag den deutsch-sowjetischen Handelsvertrag.
Unter anderem wegen Korschs Unterstützung der Erklärung der 700, eines Aufrufes der gemäßigteren KPD-Linken kam es zur Trennung von Ernst Schwarz und der Einstellung der Zeitschrift. In der Folge agierte die „Korsch-Gruppe“" bis 1933 eher als lockerer Zusammenschluss von Zirkeln; Kontakte wurden dabei u.a. zur SPD-Linken, zum Leninbund, zur KAPD und zur Widerstandsbewegung Rote Kämpfer gepflegt. Angestrebt wurde eine intensivere Zusammenarbeit der Linken. Eine enge Zusammenarbeit gab es zeitweise auch mit einer linken unabhängigen Gewerkschaft, dem Deutschen Industrie-Verband (DIV), für den Korsch Vorträge und Kurse v.a. zu arbeitsrechtlichen Themen veranstaltete und für dessen Zeitung Kampf-Front er mehrere Artikel verfasste. Ab 1931 schrieb und diskutierte er auch regelmäßig in der von Franz Jung und Harro Schulze-Boysen herausgegebenen Zeitschrift Der Gegner.
Korsch widmete sich in diesem Jahren intensiven theoretischen Studien und Diskussionen. Er diskutierte u.a. mit Alfred Döblin, Isaak Steinberg, sowie auch mit Erich Mühsam, Augustin Souchy und war 1931 als Gast auf dem Kongress der anarchosyndikalistischen CNT in Madrid zugegen.
Exil[edit]
1933 nach dem Machtantritt der NSDAP tauchte Korsch zunächst unter, emigrierte im Herbst des Jahres dann nach Dänemark, danach nach Großbritannien und schließlich 1936 in die USA. Im Exil arbeitete er u.a. mit Bertolt Brecht, Mitgliedern der SAPD und rätekommunistischen Gruppen, z.B. mit dem Kreis um Paul Mattick in den USA zusammen, daneben widmete er sich intensiven theoretischen Studien (beispielsweise über Karl Marx, Michail Bakunin und soziologische Themen). 1935 wurde Korsch zeitweise von der KPD als „trotzkistischer Hitleragent“ verleumdet. In den USA erhielt Korsch mehrere Lehr- und Forschungsaufträge und Gastprofessuren an Universitäten u.a. in Seattle und New Orleans, viele seiner Bewerbungen für Lehrstühle wurden aus politischen Gründen abgelehnt. Ab 1956 machte sich bei Korsch eine schwere Erkrankung (Zersetzung von Hirnzellen) bemerkbar, seine letzten vier Lebensjahre musste er in Krankenhäusern und Sanatorien verbringen.
Theoretische Ansätze und Wirkung[edit]
Als Rechtsprofessor, der kaum lehren durfte, war er Sozialphilosoph mit einem engagierten Zwischenspiel als Politiker und Parlamentarier. Er war 1923 Mitbegründer des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main. Dabei nahm er im Unterschied zur Kritischen Theorie stärker eine Vermittlerrolle zwischen dem Wissenschaftsanspruch des Positivismus und der sozialistischen Theorie und Praxis der materialistischen Dialektik nach Karl Marx ein.
In der 1923 erschienen Schrift Marxismus und Philosophie, die neben Georg Lukács Geschichte und Klassenbewußtsein zu den bedeutendsten Schriften des kritischen Marxismus zählt, wendet Korsch zum ersten Mal die materialistische Geschichtsauffassung auf den Marxismus selbst an[1] und untersucht die Frage, warum die deutsche Sozialdemokratie der 2. Internationale in der Revolution von 1918 so versagt hat. Zunächst als Aktualisierung der Marxschen Theorie im Sinne der Leninschen Schrift Staat und Revolution intendiert, enthält Marxismus und Philosophie schon die Elemente für die fundamentale Kritik des Leninismus in der zweiten Auflage 1930.
Bertolt Brecht betrachtete Karl Korsch als seinen Lehrer in Sachen Marxismus. Weitere wichtige Schüler von Karl Korsch waren Kurt Mandelbaum, Kurt Brandis, Heinz Langerhans und Erich Gerlach. Eine bedeutende Rolle spielten die Ideen von Karl Korsch in der theoretischen Debatte des SDS in den frühen und mittleren 1960er Jahren.
Seit 1978 wird im Auftrag des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam und des Instituts für Politische Wissenschaft der Universität Hannover von Michael Buckmiller die Korsch-Gesamtausgabe im Offizin-Verlag in Hannover herausgegeben. Karl Korsch war seit 1913 mit der Reformpädagogin Hedda Korsch (geborene Gagliardi), einer Enkelin der Feministin Hedwig Dohm verheiratet.
Literatur[edit]
Richard Albrecht, Die Kritik von Korsch an Pannoekoek. In: Das Argument, vol. 14 (1972) 74, pp. 586-625, ISSN 0004-1157 Michael Buckmiller (Hrsg.): Zur Aktualität von Karl Korsch. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-434-00449-1 Douglas Kellner (Hrsg.): Karl Korsch. Revolutionary Theory. University of Texas Press, Austin 1977 , ISBN 0-292-74301-7 (Volltext als PDF) Claudio Pozzoli (Hrsg.): Über Karl Korsch. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-436-01793-0 Wolfgang Zimmermann: Korsch zur Einführung. Soak-Verlag, Hannover 1978, ISBN 3-88209-011-1. Volltext als PDF: http://www.scribd.com/doc/29477851/Wolfgang-Zimmermann-Karl-Korsch
Einzelnachweise[edit]
↑ David Rjazanov wandte zuvor schon 1922 in einer Vortragsreihe die Methode des historischen Materialismus auf das Leben Marx und Engels an. Vgl. Rjazanov, Marx und Engels - nicht nur für AnfängerInnen. Aufstand der Vernunft, Nr.4. Der Funke: Wien, 2005. Seite 181.
Weblinks[edit]
Literatur von und über Karl Korsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Karl Korsch Gesamtausgabe Karl Korsch Archiv im Marxists Internet Archive