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Studentenbewegung i.d. BRD (68)

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Die deutsche Studentenbewegung der 60er-Jahre war eine vielschichtige politische Bewegung, die die "herrschenden Verhältnisse" in der Bundesrepublik radikal kritisierte und bekämpfte. Sie war Teil der von den USA ausgehenden Internationalen Studentenbewegung, aber auch von der Frankfurter Schule inspiriert. Ihr Selbstverständnis war zunächst emanzipatorisch, großenteils antiautoritär-marxistisch gegen die "Herrschaft von Menschen über Menschen" gerichtet. Später wandten sich viele Teilnehmer dem dogmatischen Kommunismus zu, und sympathisierten teilweise mit bestehenden, staatssozialistischen Systemen.

Verlauf[edit]

Treibende Kraft der Studentenbewegung in der Bundesrepublik war der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), der den Kern der so genannten Außerparlamentarischen Opposition bildete. Sie formierte sich nach dem Zustandekommen der Großen Koalition aus SPD und CDU/CSU 1966. Nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg 1967 und dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke 1968 eskalierten die Unruhen. In der Folgezeit zerfiel die Studentenbewegung in zahlreiche zum Teil sektiererische kommunistische Gruppierungen, die unterschiedliche Vorstellungen über die Verwirklichung der politischen Ziele hatten. Damit war der Bewegung die Massenwirksamkeit entzogen. Eine Minderheit entschied sich für den bewaffneten Kampf gegen den Staat und glitt in den Terrorismus ab (siehe dazu: Rote Armee Fraktion), die Mehrzahl hoffte auf gesellschaftliche Veränderungen.

Vorgeschichte[edit]

Keimzellen der Studentenbewegung in Deutschland waren an zahlreichen Universitäten bemerkbar. Auffällig war die 1963 gegründete Gruppe Subversive Aktion oder die Kommune 1. Ab 1966/1967 entstand, verursacht durch die Restauration der Nachkriegs-Fünfziger-Jahre und die Große Koalition (ohne eine einflussreiche Opposition innerhalb des Bundestages), unter der Führung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) die außerparlamentarische Opposition (APO).

SDS und die Antiautoritären[edit]

Im Antiautoritäre Flügel des SDS exestierten neben maoistischen und trotzkistischen auch rätekommunistische und anarchistische Strömungen.[1]

Forderung nach Reformen in der Hochschulpolitik[edit]

Die an den Universitäten entstandene politische Bewegung forderte zunächst Hochschulreformen, ehe der Kampf für gesellschaftliche Veränderungen in den Vordergrund trat, der schließlich in ein allgemeines Aufbegehren der Jugend gegen die Gesellschaftsstrukturen der westlichen Staaten mündete. Die Studentenbewegung ging von den USA aus und breitete sich schnell auch in Europa aus. Auslöser des politischen Protests war die Verwicklung der USA in den Vietnamkrieg. In Frankreich erhielten die Studenten Unterstützung von Arbeitern und Intellektuellen und lösten die so genannten Mai-Unruhen aus.


Springer-Kampagne[edit]

Die Wurzeln der Kampagne Enteignet Springer entwickelten sich schon Anfang 1967, als die Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Hochschulbundes im Hinblick auf die Machtstellung des Springer-Verlags ein Gesetz gegen die Konzentration im Pressewesen forderte.

Die Forderung gewann an Nachdruck infolge des 2. Juni 1967, als in West-Berlin eine Demonstration gegen den Besuch des persischen Schahs von der Polizei mit unverhältnismäßig brutalen Mitteln aufgelöst (Jubelperser), und im Laufe dieser Aktion der Student Benno Ohnesorg erschossen worden war. Der Großteil der Berliner Presse, insbesondere aber die Publikationen des Springer-Verlags, interpretierte die Ereignisse des 2. Juni zunächst als skandalöse Ausschreitungen der Studenten, die die Polizei korrekt beendet habe.

Dieses Ereignis bestätigte die Meinung der Studentenbewegung, die sich nun zunehmend von einer „systematischen Hetze“, der „gezielten Diffamierung einer Minderheit“ durch den Springerkonzern verfolgt fühlte. Unterstützt wurde die im September 1967 vom SDS schließlich beschlossene Kampagne Enteignet Springer unter anderem von der in den 1950er Jahren entstandenen „Kampagne für Abrüstung“, die ihr Engagement damit begründete, dass nur so die Meinungsfreiheit in Deutschland noch gerettet werden könne.

Eine neue publizistische Eskalationsstufe der ohnehin schon scharfen Auseinandersetzung kann auf Seiten des Springer-Konzerns und einiger Politiker im Februar 1968 diagnostiziert werden. Das Einwerfen einiger Scheiben von Berliner Filialen des Springer-Verlags wurde mit der sogenannten Reichskristallnacht 1938 verglichen. Aber auch die APO hantierte mit Vergleichen zur Nazizeit – so stellte ein Flugblatt Axel Springer in eine Reihe mit dem Herausgeber des Stürmers, Julius Streicher.

Antifaschismus[edit]

Ein weiterer Schwerpunkt der Bewegung war, die Kritik an der mangelnden Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Die Elterngeneration hatte was geschehen war meist schamhaft verdrängt, die meisten Täter waren (und sind) nie zur Rechenschaft gezogen worden. So kam es z.B. dazu, dass viele 68er von Richtern verurteilt wurden, die bereits während des Nationalsozialismus tätig gewesen waren.

Legendär wurde der CDU-Parteitag 1968, als Beate Klarsfeld den damaligen Kanzler Georg Kiesinger ohrfeigte, um auf seine frühere NSDAP-Mitgliedschaft aufmerksam zu machen.

Attentat auf Rudi Dutschke[edit]

Eine weitere Radikalisierung der Studentenbewegung, nicht nur in Bezug auf das Thema Springer, lässt sich eindeutig auf den Anschlag auf ihre Symbolfigur Rudi Dutschke, am Gründonnerstag, den 11. April 1968, festlegen. Dutschke wurde in Berlin auf offener Straße von dem Hilfsarbeiter Joseph Erwin Bachmann niedergeschossen, überlebte den Anschlag jedoch schwer verletzt. Die Studenten machten den Springer-Verlag dafür verantwortlich. An folgenden Ostertage ereigneten sich „Straßenschlachten, wie es sie Westdeutschland seit der Weimarer Republik nicht mehr gekannt hatte“ (Der Spiegel). Die Verhinderung der Auslieferung der Zeitungen des Springer-Verlags in nahezu allen Großstädten der Bundesrepublik stand dabei im Kern der Auseinandersetzungen.

Die APO diskutierte derweil über die „Gewaltfrage“: einerseits in Hinblick darauf, welche Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ziele zukünftig sinnvoll und legitim seien, andererseits im Hinblick darauf, welcher Gewalt man selbst und die Bevölkerung insgesamt eigentlich ausgesetzt sei. Bei letzterem Punkt wurde festgestellt, dass es sich bei der Gewalt „von oben“ nicht nur um die Polizeiknüppel auf der Straße handele, sondern zum Beispiel auch eine parteiische Presse als Gewaltinstrument genutzt werde.

Verabschiedung der Notstandsgesetze[edit]

Nur einen Monat nach dem Attentat auf Dutschke wurden die lange geplanten Notstandsgesetze endgültig verabschiedet. Die Anti-Notstandskampagne, die seit 1966 sukzessive größeren Einfluss nicht nur unter der Studentenschaft, aber nicht im Parlament, gewonnen hatte, gipfelte im Mai 1968 in einem Sternmarsch auf Bonn, ohne das Gesetz noch verhindern zu können. Die Furcht davor, dass man mit der Einführung der neuen Paragraphen ein neues Ermächtigungsgesetz wie im Jahr 1933 erlebe, war weit verbreitet. Hans-Jürgen Krahl vom SDS sah unmittelbar vor der Verabschiedung der Notstandsgesetze „die Bundestagsabgeordneten entschlossen, die letzten spärlichen demokratischen Rechtsansprüche in diesem Land auszulöschen“. Ein Flugblatt weiter: „Es gibt nur eine praktische Antwort auf die Faschisierung der Gesellschaft: Die Organisation des Widerstandes.“

Jürgen Habermas wies (in einer Aufarbeitung der Osterunruhen) allerdings darauf hin, dass eigentlich doch jedes Anzeichen einer revolutionären Lage in der Bundesrepublik fehle. Er warnte die Studentenbewegung vor einer folgenschweren Fehleinschätzung der Situation – und wurde dafür scharf kritisiert.

Allgemeine Systemkritik[edit]

Insgesamt verlagerte sich die Diskussion in der Folge zunehmend von der Kritik einzelner Probleme wie der Notstandsgesetzgebung oder der Pressekonzentration hin zu einer generellen Kritik am System der BRD. Aus der Phase der Provokation war man endgültig heraus, die antiautoritären Hedonisten, etwa der Berliner Kommune 1, wurden zurück gedrängt. Ihr Frontmann Dieter Kunzelmann: „Stadtguerilla und maoistische Parteigründungen [entstanden erst] im Herbst 1969. Ihre Geburtsstunde kündigte sich aber bereits Ostern 1968 an.“

Ironischerweise noch zur Verschärfung der Radikalisierung trug 1969 die Bildung der sozialliberalen Regierungskoalition bei. Nunmehr stellte sich die Frage „Reform oder Revolution?“ viel konkreter. Die Reformierung der Bundesrepublik wurde nun, unter dem brandtschen Diktum „Mehr Demokratie wagen“, zu einem Markenzeichen der Regierung. Wenn man weiterhin die Regierung bekämpfen wollte, musste man nun das ganze System als solches angreifen, um noch die Deutungshoheit besitzen zu können. Es blieb für die außerparlamentarische Opposition quasi nur der Begriff „Revolution“ übrig, den Begriff „Reform“ hatte ihnen Willy Brandt weggenommen. Folgerichtig wurde bald die Beschimpfung der SPD als „Sozialfaschisten“ wieder aus der Versenkung geholt.

Zersplitterung des SDS[edit]

Seit dem Herbst 1968 änderte sich das Gefüge der außerparlamentarischen Opposition grundlegend. Der SDS konnte nun nicht mehr wie bisher die Jugend- und Studentenbewegung als Ganzes oder auch nur in seinen wesentlichen Teilen repräsentieren. Zahllose neue Gruppierungen entstanden, die bald mehr untereinander um Anerkennung und Machtpositionen als nach außen hin für ihre eigentlichen Ziele kämpften. Die (zugebenermaßen berechtigte) Kritik der Frauen auf der Delegiertenkonferenz im September 1968 über ihre Unterdrückung im SDS zeigte bereits deutlich die Widersprüche und Machtverhältnisse im SDS zu diesem Zeitpunkt. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Zersplitterungen und Abspaltungen auch an anderen Themen.

Der SDS hatte 1967/68 eine Art Bewegungscharakter angenommen, nachdem sich Basisgruppen gebildet hatten, die aufgrund ihrer jeweils speziellen Ausrichtung bald zu Sammelorganisationen wuchsen und sich schließlich von der Mutterorganisation lösten. Es dauerte noch bis Februar 1970, bis sich der Sozialistische Deutsche Studentenbund auflöste. Der nach dem Attentat auf Rudi Dutschke zum theoretischen Vordenker des SDS avancierte Hans-Jürgen Krahl war einige Tage zuvor nach einem Unfall gestorben – quasi auf der Beerdigung Krahls wurde auch der SDS zu Grabe getragen. Damit war allerdings beileibe kein Ende der Bewegung gekommen, sondern vielmehr erst die echte „Gründungszeit“ der zahllosen Zirkelorganisationen. Ende 1968 hatte Horst Mahler mit seiner Formulierung in gewissem Sinne recht, dass die Krise des SDS nur durch dessen Wachstum entstanden sei. Dazu muss angemerkt werden, dass dieses Wachstum nicht nur quantitative (Zustrom von Sympathisanten), sondern eben vor allem qualitative (starke inhaltliche Differenzierungen) Ausmaße hatte. Jede programmatische Festlegung der einzelnen Gruppen musste fortan gleichbedeutend sein mit Fraktionierung und Abgrenzung.

Neugründungen kommunistischer Parteien[edit]

Schon im September und Dezember 1968 wurden die DKP beziehungsweise KPD/ML gegründet – Gründungen, die keineswegs nur aus dem SDS entstanden, jedoch ohne die Situation, die die APO hervorgerufen hatte, nicht denkbar gewesen wären. Das Ziel einer echten Mobilisierung des (zunächst einmal wiederzuentdeckenden) Proletariats konnten dabei weder diese Parteien noch die anderen Organisationen erreichen. Daran änderte auch nichts, dass sich ein Teil der Bewegung nun zunehmend den klassischen „linken“ Theoretikern zuwandte, die erstmals in der Geschichte vollständig verfügbar waren. Im scharfen Kontrast zu der ja eigentlich antiautoritären Ausrichtung der Bewegung verehrte dieser Teil nun ernsthaft und nicht nur in popkultureller Spiegelung, wie es ein Jahr zuvor mehrheitlich noch der Fall gewesen war, die Großen des Kommunismus als Heroen.

Theoretisierung und Militarisierung[edit]

Die stattfindende Zersplitterung und Radikalisierung löste sich im Laufe der Zeit immer mehr von den realen politischen und gesellschaftlichen Vorgängen. Hatten etwa die Proteste gegen die Notstandsgesetze noch einen direkten Anlass, handelte es sich bei den meisten Streitpunkten der Bewegung ab dem Herbst 1968 eigentlich um abstrakte Politkonzepte und häufig persönliche Interna. In und mit der Öffentlichkeit wurde kaum mehr diskutiert, da es theorieschwanger kaum Verständigungsmöglichkeiten über die sektiererischen, z.B. trotzkistischen Ideen gab.

Im weitgehend internen Diskurs der APO wurde währenddessen die Frage nach der Legitimität der Gewalt zunehmend offensiv beantwortet: Der Grad der geforderten und auch der praktizierten Gewaltsamkeit nahm nach dem Dutschke-Attentat deutlich zu. Ein Höhepunkt der Auseinandersetzung stellte die „Schlacht am Tegeler Weg“ in Berlin im November 1968 dar. Die sich eher spontan entwickelnde Militanz dieser Demonstration wurde von einigen als Beweis interpretiert, dass es möglich sei, Gewalt dosier- und planbar machen zu können; sie standen damit nicht mehr in der teilweise gewaltfreien und häufig akademischen Traditionen der Frankfurter Schule oder den Theorien über Macht und Gewalt von Hannah Arendt.

Die heiter-antiautoritären Strömungen im SDS bis 1968 verschwanden, die Spaßguerilla wurden von den Stadtguerillas abgelöst, die nicht mehr zu Scherzen aufgelegt waren. Schon im Winter 1968/69 wurden in der Kommune 1 Brandbomben gefunden. In anderen, neuen Kommunen wurde der radikale Spruch „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ erstmals zum ernsthaften Motto erhoben. Der Weg einiger in den Terrorismus und hin zu RAF und 2. Juni wurde geebnet durch Ereignisse wie 1969 einem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum am symbolischen 9. November. Der Anschlag diente als eine Art Wasserscheide: Eine radikale Minderheit machte sich bereit, alle Brücken – eben auch diejenigen zur zersplitterten außerparlamentarischen Opposition, die den Anschlag ziemlich einmütig ablehnte – abzubrechen und in die Illegalität und hin zum Terrorismus zu gehen. Andere versuchten durch Pudding-Attentate (Kommune 1) und Hausbesetzungen weiter Spaß und Politik zusammen zu bringen.

Aufnahme des Protests durch die SPD[edit]

Der quantitativ wohl größte Teil der Studentenbewegung wandte sich unter Willy Brandts Kanzlerschaft jedoch der SPD zu. Manche mögen ursprünglich mit dem Ziel eingetreten sein, die Partei zu unterwandern. Die meisten dürften zumindest manche Veränderungen in der behäbigen Volkspartei angestrebt haben. Dies führte insbesondere in der Zeit der Regierung Schmidt zu einer tiefen Kluft innerhalb der SPD, verhinderte auf lange Sicht jedoch nicht die Integration des größten Teils der Jugendlichen, von denen einige später als „Enkel“ die Führung der Partei übernehmen würden.

Nachweise[edit]

  1. Günter Bartsch: "Anarchismus in Deutschland, Band 2 1965-1973" (vgl.: "Die Fraktionierung des SDS")

siehe auch[edit]

Kommune 1

Kategorie: 68er