Still working to recover. Please don't edit quite yet.
Wolfi Landstreicher/Das Netzwerk der Herrschaft/Warum wir alle im Gefängnis Leben
Warum wir alle im Gefängnis Leben: Knast, Gesetz und soziale Kontrolle
Es gibt einen Ort in dieser Gesellschaft, wo mensch sich unter ständiger Kontrolle befindet, wo jede Bewegung überwacht und kontrolliert wird, wo jedeR unter Verdacht steht ausser die Polizei und ihre AuftraggeberInnen, wo allen unterstellt wird, kriminell zu sein. Ich spreche natürlich vom Gefängnis... Aber diese Beschreibung trifft mit ständig beschleunigender Geschwindigkeit auch mehr und mehr für öffentliche Räume zu. Einkaufszentren und die Geschäftsviertel von Grossstädten werden videoüberwacht. Bewaffnete Wächter patroullieren in Schulen, Bibliotheken, Spitälern und Museen. Mensch wird an Flughäfen und Busstationen durchsucht. Polizei-Helikopter fliegen auf der Jagd nach Verbrechen über Städten und sogar Wälder. Die Methodik der Gefangenschaft, die eins ist mit der Methodik der Polizei, wird allmählich der ganzen sozialen Landschaft aufgezwungen. Dieser Prozess wird durch Angst ermöglicht, und die Autoritäten rechtfertigen ihn mit unserem Bedürfnis nach Schutz ? vor Kriminellen, TerroristInnen, Drogen und Gewalt. Aber wer sind diese Kriminellen und TerroristInnen, wer sind diese Monster, die unsere von Angst erfüllten Leben stets bedrohen? Ein kurzes, vorsichtiges Nachdenken genügt, um diese Frage zu beantworten. In den Augen der HerrscherInnen dieser Welt sind wir die Kriminellen, wir sind die Monster ? zumindest potentiell. Schliesslich sind wir diejenigen, die überwacht und kontrolliert werden. Wir sind diejenigen, welche von den Video-Kameras verfolgt und auf Bus-Stationen durchsucht werden. Wir können uns bloss fragen, ob es die Tatsache der so leuchtenden Offensichtlichkeit ist, die die Leute so blind macht. Die Angst ist so mächtig, dass die soziale Ordnung sogar um unsere Hilfe in unserer eigenen Überwachung bittet. Eltern registrieren die Fingerabdrücke ihrer Kleinkinder bei Polizei-Büros, die mit dem FBI verbunden sind. Ein in Florida ansässiges Unternehmen namens Applied Digital Solutions (ADS, zu deutsch ?Angewendete Digitale Lösungen?) erschuf den ?Veri-Chip? (aka ?Digital Angel?, zu deutsch ?Digital-Engel?), der persönliche, medizinische und andere Informationen enthalten kann, und ist zur Implantierung unter der Haut gedacht ist. Ihre Idee ist, für die freiwillige Nutzung dieses Chips zu werben, natürlich für Ihre eigene Sicherheit. Er mag bald mit dem Netzwerk des Satelliten des Globalen Positionierungs-Systems (GPS) verbunden sein, so dass alle, die ein solches Implantat besitzen, konstant überwacht werden könnten.* Zusätzlich gibt es Dutzende von Programmen, die Verrat und das Verpfeifen ermutigen ? ein ebenfalls an Gefängnisse erinnernder Faktor, wo die Autoritäten VerräterInnen aussuchen und belohnen. Natürlich haben die anderen Häftlinge diesem Abschaum gegenüber eine ziemlich andere Haltung. Aber all dies ist nur beschreibend, ein Bild des sozialen Gefängnisses, das um uns herum aufgebaut wird. Ein wirkliches Verständnis dieser Situation, das wir zum Kampf gegen diesen Prozess nutzen können, benötigt eine tiefer gehende Analyse. Eigentlich basieren der Knast und die Polizei auf der Idee, dass Verbrechen geschehen, und diese Idee basiert auf dem Gesetz. Das Gesetz wird als eine objektive Realität porträtiert, wodurch die Handlungen der BürgerInnen eines Staates gerichtet werden können. Das Gesetz kreiert eine Art Gleichheit. Anatole France hat dies ironisch ausgedrückt, indem er darauf hinwies, dass es nach dem Gesetz Bettlern und Königen gleichermassen verboten ist, Brot zu stehlen und unter Brücken zu übernachten. Hierbei wird deutlich, dass wir vor dem Gesetz alle gleich werden, und zwar nur weil wir alle StatistInnen werden, Nicht-Seiende ohne eigene Gefühle, Beziehungen, Wünsche und Bedürfnisse. Die Objektivität des Gesetzes dient der Regulierung der Gesellschaft. Die Notwendigkeit einer solchen Regulierung bedeutet, dass in ihr die Bedürfnisse aller nach der Erfüllung ihrer Wünsche nicht befriedigt werden. Sie existiert vielmehr als eine Bürde der Mehrheit. Natürlich kann eine solche Situation nur dort existieren, wo Ungleichheit der signifikantesten Art herrscht ? die Ungleichheit im Zugang zu den Mitteln, um das eigene Leben nach eigenen Bedingungen zu gestalten. Für diejenigen, die die Oberhand besitzen, hat dieser Staat der sozialen Ungleichheit den doppelten Namen Eigentum und Macht. Für diejenigen, die unten sind, heisst er Armut und Unterwerfung/Abhängigkeit. Das Gesetz ist die Lüge, die diese Ungleichheit in eine Gleichheit verwandelt, die den HerrscherInnen dieser Gesellschaft dient. In einer Situation, wo alle vollen und gleichen Zugang zu allem, was zur eigenen Erfüllung und zur Gestaltung ihres Lebens nach eigenen Bedingungen notwendig ist, besitzen würden, würde eine Fülle an individuellen Unterschieden blühen. Ein weites Feld von Träumen und Wünschen würde sich ausdrücken und ein scheinbar unendliches Spektrum von Leidenschaft, Liebe und Hass, Konflikten und gemeinsamen Neigungen schaffen. Diese Ungleichheit, wo weder Eigentum noch Macht existieren würden, würde also beängstigende und wunderschön unhierarchische Ungleichheit der Individualität zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz dazu werden dort, wo ein ungleicher Zugang zu den Gütern existiert, die zum Aufbauen eines eigenen Lebens notwendig sind ? d.h. wo die weite Mehrheit der Menschen ihres eigenen Lebens enteignet wurde -, alle gleichwertig, weil jedeR ein Nichts wird. Dies trifft sogar auf diejenigen zu, die Eigentum und Macht besitzen, denn ihr Status basiert nicht darauf, was sie sind, sondern darauf, was sie haben. Eigentum und Macht (die immer einer Rolle und nicht einem Individuum zueigen sind) sind alles, was in dieser Gesellschaft Wert besitzt. Die Gleichheit vor dem Gesetz dient den HerrscherInnen, weil ihr Ziel die Bewahrung der von ihnen beherrschten Ordnung ist. Die Gleichheit vor dem Gesetz versteckt soziale Ungleichheit hinter dem, was sie aufrechterhält. Aber das Gesetz erhält die soziale Ordnung natürlich nicht durch das Wort. Das Wort des Gesetzes würde ohne die physische Kraft dahinter bedeutungslos sein. Und diese physische Kraft existiert in den Zwangs- und Bestrafungssystemen: Polizei, Gerichts- und Gefängnissysteme. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist eigentlich ein sehr dünnes Furnier, um die Ungleichheit beim Zugang zu den Existenz-Bedingungen, den Mitteln, um unser Leben nach eigenen Bedingungen zu gestalten, zu verstecken. Die Realität bricht konstant durch dieses Furnier, und seine Kontrolle kann nur durch Zwang und Angst aufrechterhalten werden. Aus der Perspektive der HerrscherInnen dieser Welt sind wir in der Tat alles (zumindest potentielle) Kriminelle, alles Monster, die ihren ruhigen Schlaf gefährden, weil wir alle potentiell fähig sind, durch den Schleier des Gesetzes durchzusehen und uns zu entscheiden, es zu ignorieren und die Momente unseres Lebens nach eigenen Bedingungen zurückzuholen, wann auch immer wir es können. Das Gesetz selbst (und die soziale Ordnung von Eigentum und Macht, die seiner bedürfen) ist es also, das uns durch unsere Kriminalisierung gleich macht. Es ist also eine logische Auswirkung des Gesetzes und der sozialen Ordnung, die es produziert, dass Inhaftierung und Überwachung universell werden, Hand in Hand mit der Entwicklung des globalen Supermarktes. In diesem Licht sollte es klar sein, dass kein Sinn darin besteht, Gesetze gerechter zu gestalten. Es macht keinen Sinn, die Überwachung der Polizei zu ersuchen, weil jede Reform unweigerlich dem System wiedergegeben würde mit zahlenmässig ansteigenden Gesetzen, ansteigendem Level von Überwachung und Kontrolle, was die Welt noch mehr wie ein Gefängnis gestalten würde. Es gibt nur einen einzigen Weg, auf diese Situation zu reagieren, wenn wir unser Leben wieder für uns selbst haben wollen. Diese Gesellschaft anzugreifen, um sie zu zerstören.
- REDIRECT Vorlage:license ccl