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Wolfi Landstreicher/Das Netzwerk der Herrschaft/Die Maschinerie der Kontrolle

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Das Netzwerk der Herrschaft
  1. Die Macht des Staates
  2. Der Preis des Ãœberlebens
  3. Von Proletarisch zu Individuell
  4. Arbeit: Raub des Lebens
  5. Die Maschinerie der Kontrolle
  6. Eigentum
  7. Religion
  8. Eine Familienangelegenheit
  9. Warum wir alle im Gefängnis Leben
  10. Die Zivilisation zerstören?

Die Maschinerie der Kontrolle: Ein kritischer Blick auf die Technologie

„Technologie zu kritisieren (...) bedeutet, ihren allgemeinen Aufbau zu betrachten, sie nicht nur als eine simple Maschinerie-Assemblage, sondern als eine soziale Beziehung, ein System zu sehen; es bedeutet zu verstehen, dass ein technologisches Instrument die Gesellschaft, welche es produziert, wiederspiegelt, und dass ihre Einführung die Beziehungen zwischen Individuen verändert. Technologie nicht zu kritisieren bedeutet, die Unterordnung menschlicher Aktivität gegenüber dem Profit zu verweigern.“ -aus At Daggers Drawn


Technologie entfaltet sich nicht in einem Vakuum, unabhängig der sozialen Beziehungen der Ordnung, die sie entwickelt. Sie ist das Produkt eines Kontextes, und spiegelt somit unvermeidlich diesen Kontext wieder. Die Aussage, dass Technologie neutral sei, hat also somit keine Basis. Es ist nicht möglich, dass sie neutraler als die anderen Systeme ist, welche die Reproduktion der gegenwärtigen sozialen Ordnung garantieren – Regierung, Warenaustausch, Heirat und Familie, Privateigentum... Eine ernsthaft revolutionäre Analyse muss folglich eine kritische Einschätzung der Technologie beinhalten.

Mit Technologie meine ich nicht einfache Werkzeuge, Maschinen oder sogar „eine Maschinerie-Assemblage“ als individuelles Dasein, sondern ein integriertes System von Techniken, Maschinerie, Menschen und Materialien, die entworfen wurden, um diejenigen sozialen Beziehungen zu reproduzieren, die ihre Existenz verlängern und verbessern. Um von Beginn an Missverständnisse zu vermeiden: Ich sage nicht, dass Technologie soziale Beziehungen produziert, aber dass sie dafür entworfen ist, sie in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen des herrschenden Systems zu reproduzieren.

Bevor der Kapitalismus dazu kam, soziale Beziehungen zu dominieren, wurden Werkzeuge, Techniken und sogar eine Anzahl von Maschinen für spezifische Aufgaben geschaffen und angewendet. Es gab sogar einige systematische Anwendungen von Techniken und Maschinerien, welche im wahrsten Sinne des Wortes als technologisch betrachtet werden können. Es ist interessant zu erwähnen, dass sie dort am präzisesten eingesetzt wurden, wo die Macht strikte Ordnung verlangte – in Klöstern, in Folterkammern der Inquisition, in Galeeren, bei der Erschaffung von Monumenten der Macht, in den bürokratischen, militärischen und polizeilichen Strukturen der mächtigen Reiche wie der chinesischen Dynastie. Aber sie blieben grösstenteils nebensächlich für das tägliche Leben der Mehrheit der Menschen, welche dazu neigten, Werkzeuge und Techniken zu nützen, die sie selbst als Individuen oder in ihren kleinen Gemeinschaften erschufen.

Mit dem Erstarken des Kapitalismus führte die Notwendigkeit der grossangelegten Gewinnung und der Entwicklung von Ressourcen zu blutigen und unbarmherzigen Enteignungen von allem, was bisher gemeinschaftlich geteilt wurde. Diese wurden von der sich neu entwickelten, herrschenden kapitalistischen Klasse (ein Prozess, der sich durch das Errichten kolonialer Reiche international ausdehnte) und der Entwicklung eines mehr und mehr integrierten technologischen Systems, welches eine maximale Effizienz im Gebrauch der Ressourcen - Arbeitskräfte inbegriffen – ermöglichte, durchgeführt. Die Ziele dieses Systems waren gesteigerte Effizienz in der Gewinnung und Entwicklung von Ressourcen sowie verstärkte Kontrolle über die Ausgebeuteten.

Die frühesten Anwendungen industrieller Techniken fanden an Bord von kaufmännischen und Flotte-Schiffen sowie auf den Pflanzungen statt. Letzteres war eigentlich ein neues System von im grossen Stil auf Profit angelegter Landwirtschaft, die sich mit der Zeit auf Grund der Enteignung der Bauern in Europa – insbesondere in England – entwickeln konnte, eine Vielzahl von unter Vertrag stehenden Dienern und zu harter Arbeit verurteilter Krimineller mit sich brachte und die Entwicklung des afrikanischen Sklavenhandels, der die Menschen aus ihrem Zuhause riss und sie zur Dienerschaft zwang, ankurbelte. Ersteres basierte auch grösstenteils auf der Enteignung der ausgebeuteten Klassen – viele fanden sich entführt und zur Arbeit auf einem Schiff gezwungen. Das in diesen Fällen aufgezwungene industrielle System hatte seine Basis nicht so sehr in einer Assemblage von verarbeitenden Maschinen, wie dies bei der Methode der Koordination der Arbeit der Fall ist, wo die ArbeiterInnen die Räder der Maschine darstellen und wo das Versagen einer Einzelperson die gesamte Arbeitsstruktur gefährdet. Aber es gab auch gewisse spezifische Aspekte, welche dieses System bedrohten. Das System der Pflanzungen, wo verschiedene enteignete Gruppen mit unterschiedlichem Wissen und Erfahrung zusammen kamen, erlaubte eine gegenseitige Beeinflussung, die ihrerseits die Basis für illegale Vereinigungen/Verbände und geteilte Revolten darstellte. Seemänner, die auf dem Schiff unter sklaven-ähnlichen Verhältnissen lebten, beschafften die Mittel der Kommunikation zwischen den verschiedenen Orten, wodurch sie eine Art von Internationalismus der Enteigneten kreierten. Die Höchstleistungen der illegalen Vereinigungen und Aufstände um die nordatlantische Küste vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, wobei alle Rassen der Enteigneten kaum Hinweise auf Rassismus vorweisen, sind inspirierend, aber sie zwangen den Kapitalismus auch zur Weiterentwicklung seiner Techniken. Eine Kombination von rassischer Ideologie und Arbeitsteilung wurde benützt, um die schwarzen Sklaven und die vertraglichen Diener europäischer Ahnen zu spalten. Zusätzlich, weil das Kapital ohne den Transport von Waren und Ressourcen zu nichts fähig ist, begann es sich aus wirtschaftlichen wie auch sozialen Gründen mit Nachdruck auf die Bearbeitung von Ressourcen zu verschieben, um sie im grossen Stil zu Verkaufsgütern zu verarbeiten.

Die Abhängigkeit von kleinen Handwerkern für die Güterverarbeitung war für das Kapital auf unterschiedlichen Ebenen gefährlich. Wirtschaftlich gesehen war es langsam und ineffektiv und brachte nicht genügend Profit in die Taschen der herrschenden Klasse. Aber ausschlaggebender war, dass die Handwerker durch ihre relative Unabhängigkeit schwierig zu kontrollieren waren. Sie bestimmten ihre Arbeitszeiten, ihr Tempo selbst u.s.w. Also wurde das Fabriksystem, welches sich auf Schiffen und Pflanzungen bereits als ziemlich effizient erwiesen hatte, auch auf die Herstellung von Gütern übertragen.

Das industrielle System war also nicht nur (oder sogar hauptsächlich) deshalb entwickelt worden, weil es zur Güterverarbeitung ein effektiverer Weg ist. KapitalistInnen sind an der Verarbeitung von Gütern nicht sonderlich interessiert. Sie sehen dies vielmehr als einen unabdingbaren Teil des Prozesses der Ausbreitung des Kapitals, des Schaffens von Profit und der Aufrechterhaltung ihrer Kontrolle über Wohlstand und Macht. Das Fabriksystem – die Vereinigung von Techniken, Maschinen, Werkzeugen, Menschen und Ressourcen zur Technologie, wie wir sie kennen - wurde also als Mittel zur Kontrolle des unbeständigsten Teils des Produktions-Prozesses entwickelt – des menschlichen Arbeiters. Die Fabrik ist eigentlich wie eine riesige Maschine ausgebaut, wo jeder Teil – die menschlichen Teile inbegriffen – mit jedem anderen Teil vollkommen vernetzt ist. Obwohl dieser Prozess weiter perfektioniert wurde, weil der Klassenkampf über die Zeit die Schwächen des Systems aufzeigte, war das grundsätzliche Ziel in der industriellen Technologie von Beginn an innewohnend. Die LudditInnen bemerkten dies, und dies war denn auch der Grund ihres Kampfes.

Wenn wir feststellen, dass die im Kapitalismus entwickelte Technologie genau zur Aufrechterhaltung und Verstärkung der Kontrolle der herrschenden Klasse über unser Leben entwickelt wurde, ist es nicht mehr überraschend, dass die technischen Fortschritte, die nicht spezifische Antworten auf den Klassenkampf der Arbeitsplätze waren, meist für militärische und polizeiliche Zwecke verwendet wurden. Kybernetik und Elektronik besorgen die Mittel, um Informationen auf bisher unbekanntem Level zu sammeln und zu speichern, was eine weitaus umfassendere Überwachung über eine immer ärmer werdende und potentiell rebellische Weltbevölkerung zulässt. Sie ermöglichen auch die Dezentralisation der Macht, ohne jegliche Herrschafts-Kontrolle einzubüssen – die Kontrolle sitzt genau in den entwickelten technologischen Systemen. Natürlich bedeutet diese Streckung des Kontroll-Netzwerkes auch, dass es sehr zerbrechlich ist. Zerbrechliche Verbindungen sind überall, und kreative Rebellen finden sie auch. Aber die Notwendigkeit einer Kontrolle, welche so umfassend wie möglich ist, zwingt die Herrscher dieser Ordnung dazu, diese Risiken zu akzeptieren, in der Hoffnung, dass schwache Verbindungen schnell genug repariert werden können.

Technologie wie wir sie kennen, dieses industrielle System integrierter Techniken von Maschinerie, Menschen und Ressourcen, ist folglich nicht neutral. Es ist ein spezifisches Werkzeug, welches gemäss den Interessen der herrschenden Klasse erschaffen wurde und das niemals dafür gedacht war, unsere Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen, sondern um die Kontrolle der herrschenden Ordnung zu erhalten und auszuweiten. Die meisten AnarchistInnen erkennen, dass der Staat, Privateigentum, das Warensystem, die patriarchale Familie und organisierte Religion grundsätzlich dominante Institutionen und Systeme sind, welche zerstört werden müssen, wenn wir eine Welt erschaffen wollen, wo wir alle frei sind, um unser Leben nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Es ist deshalb merkwürdig, dass für das industrielle technologische System nicht dasselbe Verständnis angewendet wird. Sogar in dieser Zeit, wo Fabriken keinen Platz für jegliche Art individueller Initiative mehr zulassen, wo Kommunikation von riesigen Systemen und Netzwerken, die für jede polizeiliche Geschäftsstelle einsehbar ist, dominiert werden, und die bestimmen, wie mensch sie nutzen kann, wenn das technologische System als Ganzes vom Menschen nur ein bisschen mehr als Hände und Augen benötigt, ArbeiterInnen und Kontroll-InspektorInnen erhält, gibt es noch immer AnarchistInnen, die zur „Übernahme der Produktionsmittel“ rufen. Aber das technologische System, wie wir es kennen, ist selbst Teil der Herrschafts-Struktur. Es wurde kreiert, um die durch das Kapital ausgebeuteten Menschen effizienter zu kontrollieren. Wie der Staat, wie das Kapital selbst, muss dieses technologische System zerstört werden, damit wir unsere Leben zurückgewinnen können. Was dies im Hinblick auf spezifische Werkzeuge und Techniken bedeutet, wird im Laufe unseres Kampfes gegen die Welt der Herrschaft klar werden. Aber genau um den Weg für die Möglichkeit der Realisierung unserer freien Wünsche zu ebnen, muss die Maschinerie der Kontrolle zerstört werden.

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Kategorie:Das Netzwerk der Herrschaft