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− | Zwischen den zahlreichen Lügen, die die Herrschaft des Kapitals aufrechterhalten, steht die Idee, dass Eigentum Freiheit bedeuten soll. Die aufstrebende Bourgeoisie machte dieses Versprechen, als sie die Erde mit Zäunen jeglicher Art teilte – physikalische Zäune, gesetzliche Zäune, moralische Zäune, soziale Zäune, militärische Zäune... was immer sie als notwendig erachteten, um den ermordeten Wohlstand der Erde einzuschliessen und die grosse Masse, die, als Arbeitskraft ausgenommen, unerwünscht war, auszuschliessen. Diese von ihrem Land „befreite“ Masse war frei zu wählen zwischen dem Hungern und dem Verkauf ihrer Zeit an den/die MeisterIn, der/die sie kaufen würde. „Freie ArbeiterInnen“ wurden sie von ihren Meistern genannt, seit die MeisterInnen es anders als bei ihren Sklaven nicht nötig hatten, sich für ihr Leben verantwortlich zu fühlen. Es war vielmehr ihre Arbeitskraft, die die MeisterInnen kauften. Ihr Leben gehöre ihnen selbst, wurde ihnen gesagt, obwohl diese ihnen eigentlich gestohlen wurden, seit die kapitalistischen Meister das Land einschlossen und diese „freien ArbeiterInnen“ auf die Suche nach Ãœberlebensmöglichkeiten schickten. Dieser Prozess der Enteignung, welcher dem Kapitalismus seine Entwicklung ermöglichte, setzt sich an seinem Rande fort, aber ein anderer Trick erhält die bourgeoise Illusion im Zentrum. Uns wird gesagt, dass Eigentum eine Sache ist, die mit Geld zu erstehen sei. Der Lüge nach ist die Freiheit in den Dingen, die wir kaufen, und wächst folglich mit deren Anhäufung. Im Streben nach dieser Freiheit, die nie ganz erreicht wird, ketten sich die Menschen an Aktivitäten, welche sie nicht wählten, geben jegliche Spur einer realen Wahl auf, um das Geld zu verdienen, das zum Erstehen der Freiheit gedacht ist. Und wenn ihr Leben im Dienste der Projekte, die niemals ihre eigenen waren, konsumiert ist, geben sie ihre Einkünfte für Spielwaren und Unterhaltung her, für Therapien und Drogen, diesen Betäubungsmitteln, die garantieren, dass sie die Lüge nicht durchschauen. Eigentum ist eigentlich nicht das Ding, das besessen wird. Es sind die Zäune – die Zäune, die uns drin behalten, die Zäune, die uns draussen halten, all die Einzäunungen, wodurch uns unsere Leben gestohlen werden. Eigentum ist also hauptsächlich eine Einschränkung, eine Grenze von solcher Wichtigkeit, dass sie garantiert, dass niemensch sich vollständig verwirklichen kann, solange sie existiert. Um dies vollkommen zu verstehen, müssen wir Eigentum als eine soziale Beziehung zwischen Dingen und Menschen sehen, die durch den Staat und den Markt vermittelt wird. Die Institution des Eigentums könnte ohne den Staat, der die Macht in Institutionen der Herrschaft konzentriert, nicht existieren. Ohne Gesetze, Waffen, Polizei und Gerichte würde das Eigentum keine reale Basis und keine es unterstützende Kraft haben. Es kann eigentlich gesagt werden, dass der Staat selbst der Gründer von Eigentum ist. Was ist denn der Staat, wenn nicht ein Netzwerk von Einrichtungen, wodurch Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet und seine Ressourcen behauptet und aufrechterhalten wird? Schliesslich ist jegliches Eigentum staatlich, weil es nur auf Erlaubnis und unter dem Schutze des Staates existiert. Abhängig von der realen Macht des Staates, kann diese Erlaubnis und der Schutz jederzeit aus jeglichen Gründen widerrufen werden und das Eigentum geht zurück an den Staat. Dies soll nicht heissen, dass der Staat mächtiger sei als das Kapital, sondern dass die zwei genug miteinander verschlungen sind, um eine einzige soziale Ordnung der Herrschaft und Ausbeutung zu errichten. Und das Eigentum ist diejenige Einrichtung, die dieser Ordnung in unserem täglichen Leben seine Macht verleiht und uns zwecks ihrer eigenen Reproduktion zur Arbeit und zum Bezahlen zwingt. Das Eigentum ist also die Rasierklinge, das „Kein Durchgang“-Signal, die Preis-Etikette, der Bulle und die Sicherheitskamera. Die Aussage, die sie alle in sich tragen, ist dieselbe: mensch kann ohne Erlaubnis nichts benützen oder geniessen, und die Erlaubnis muss durch den Staat gewährleistet und mit Geld bezahlt werden. Es ist nun keine Ãœberraschung mehr, dass die Welt des Eigentums, die durch den Markt und den Staat beherrscht wird, eine verarmte Welt ist, wo statt Zufriedenheit Mangel herrscht. Das Streben nach individueller Verwirklichung, die bei jeder Wende durch einen anderen Zaun gestoppt wird, ist durch den homogenisierenden, atomisierenden Wettbewerb um die Anhäufung von mehr Dingen ersetzt, weil das „Individuum“ in dieser Welt bloss in Bezug auf seinen/ihren Besitz gewertet wird, und die unmenschliche Gesellschaft der Preismarken strebt nach der Beerdigung der Singularität unter den in Shops gefundenen Identitäten. Das Eigentum der HerrscherInnen dieser Welt anzugreifen – Fensterscheiben von Banken einzuschmeissen, Polizeifahrzeuge abzubrennen, das Arbeitsamt zu sprengen oder Maschinerie zu zerstören - hat sicherlich seinen Wert. Wenn nichts anderes, dann verschafft es zumindest etwas Spass, und einige Aktionen dieser Art mögen sogar spezifische Projekte der herrschenden Ordnung hindern. Aber schliesslich müssen wir die Institutionen der Herrschaft angreifen, jeden psychischen, gesetzlichen, moralischen oder sozialen Zaun einreissen. Dieser Angriff beginnt beim Wunsch eines jeden Menschen, sein/ihr Leben zurückzuholen und es nach eigenen Bedingungen zu gestalten. Jeder Moment und jeder Raum, den wir von der Produktions- und Konsumgesellschaft zurück stehlen, gibt uns eine Waffe, um diesen Kampf auszuweiten. Aber, wie ein Genosse geschrieben hat: „...dieser Kampf muss breit gestreut sein, oder er ist nichts wert. Nur wenn Diebstahl eine breit angewandte Praxis wird, wenn sich das Geschenk gegen den Warenaustausch bewaffnet, wenn Beziehungen nicht mehr länger durch Gebrauchsartikel vermittelt werden und Individuen den Dingen ihren eigenen Wert geben, nur dann besitzt die Zerstörung des Marktes und des Geldes – dies ist alles eins mit der Zerstörung des Staates und aller Hierarchie – eine reale Chance. Die individuelle Revolte gegen die Eigentumswelt muss sich zu einer sozialen Revolution ausweiten, die alle Zäune herunterreissen und jede Möglichkeit zur individuellen Verwirklichung öffnen wird. | + | Zwischen den zahlreichen Lügen, die die Herrschaft des Kapitals aufrechterhalten, steht die Idee, dass Eigentum Freiheit bedeuten soll. Die aufstrebende Bourgeoisie machte dieses Versprechen, als sie die Erde mit Zäunen jeglicher Art teilte – physikalische Zäune, gesetzliche Zäune, moralische Zäune, soziale Zäune, militärische Zäune... was immer sie als notwendig erachteten, um den ermordeten Wohlstand der Erde einzuschliessen und die grosse Masse, die, als Arbeitskraft ausgenommen, unerwünscht war, auszuschliessen. Diese von ihrem Land „befreite“ Masse war frei zu wählen zwischen dem Hungern und dem Verkauf ihrer Zeit an den/die MeisterIn, der/die sie kaufen würde. „Freie ArbeiterInnen“ wurden sie von ihren Meistern genannt, seit die MeisterInnen es anders als bei ihren Sklaven nicht nötig hatten, sich für ihr Leben verantwortlich zu fühlen. Es war vielmehr ihre Arbeitskraft, die die MeisterInnen kauften. Ihr Leben gehöre ihnen selbst, wurde ihnen gesagt, obwohl diese ihnen eigentlich gestohlen wurden, seit die kapitalistischen Meister das Land einschlossen und diese „freien ArbeiterInnen“ auf die Suche nach Ãœberlebensmöglichkeiten schickten. Dieser Prozess der Enteignung, welcher dem Kapitalismus seine Entwicklung ermöglichte, setzt sich an seinem Rande fort, aber ein anderer Trick erhält die bourgeoise Illusion im Zentrum. |
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+ | Uns wird gesagt, dass Eigentum eine Sache ist, die mit Geld zu erstehen sei. Der Lüge nach ist die Freiheit in den Dingen, die wir kaufen, und wächst folglich mit deren Anhäufung. Im Streben nach dieser Freiheit, die nie ganz erreicht wird, ketten sich die Menschen an Aktivitäten, welche sie nicht wählten, geben jegliche Spur einer realen Wahl auf, um das Geld zu verdienen, das zum Erstehen der Freiheit gedacht ist. Und wenn ihr Leben im Dienste der Projekte, die niemals ihre eigenen waren, konsumiert ist, geben sie ihre Einkünfte für Spielwaren und Unterhaltung her, für Therapien und Drogen, diesen Betäubungsmitteln, die garantieren, dass sie die Lüge nicht durchschauen. | ||
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+ | Um dies vollkommen zu verstehen, müssen wir Eigentum als eine soziale Beziehung zwischen Dingen und Menschen sehen, die durch den Staat und den Markt vermittelt wird. Die Institution des Eigentums könnte ohne den Staat, der die Macht in Institutionen der Herrschaft konzentriert, nicht existieren. Ohne Gesetze, Waffen, Polizei und Gerichte würde das Eigentum keine reale Basis und keine es unterstützende Kraft haben. | ||
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+ | Es kann eigentlich gesagt werden, dass der Staat selbst der Gründer von Eigentum ist. Was ist denn der Staat, wenn nicht ein Netzwerk von Einrichtungen, wodurch Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet und seine Ressourcen behauptet und aufrechterhalten wird? Schliesslich ist jegliches Eigentum staatlich, weil es nur auf Erlaubnis und unter dem Schutze des Staates existiert. Abhängig von der realen Macht des Staates, kann diese Erlaubnis und der Schutz jederzeit aus jeglichen Gründen widerrufen werden und das Eigentum geht zurück an den Staat. Dies soll nicht heissen, dass der Staat mächtiger sei als das Kapital, sondern dass die zwei genug miteinander verschlungen sind, um eine einzige soziale Ordnung der Herrschaft und Ausbeutung zu errichten. Und das Eigentum ist diejenige Einrichtung, die dieser Ordnung in unserem täglichen Leben seine Macht verleiht und uns zwecks ihrer eigenen Reproduktion zur Arbeit und zum Bezahlen zwingt. Das Eigentum ist also die Rasierklinge, das „Kein Durchgang“-Signal, die Preis-Etikette, der Bulle und die Sicherheitskamera. Die Aussage, die sie alle in sich tragen, ist dieselbe: mensch kann ohne Erlaubnis nichts benützen oder geniessen, und die Erlaubnis muss durch den Staat gewährleistet und mit Geld bezahlt werden. | ||
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Latest revision as of 22:40, 30 September 2006
Eigentum: Die einschliessenden Zäune des Kapitals
Zwischen den zahlreichen Lügen, die die Herrschaft des Kapitals aufrechterhalten, steht die Idee, dass Eigentum Freiheit bedeuten soll. Die aufstrebende Bourgeoisie machte dieses Versprechen, als sie die Erde mit Zäunen jeglicher Art teilte – physikalische Zäune, gesetzliche Zäune, moralische Zäune, soziale Zäune, militärische Zäune... was immer sie als notwendig erachteten, um den ermordeten Wohlstand der Erde einzuschliessen und die grosse Masse, die, als Arbeitskraft ausgenommen, unerwünscht war, auszuschliessen. Diese von ihrem Land „befreite“ Masse war frei zu wählen zwischen dem Hungern und dem Verkauf ihrer Zeit an den/die MeisterIn, der/die sie kaufen würde. „Freie ArbeiterInnen“ wurden sie von ihren Meistern genannt, seit die MeisterInnen es anders als bei ihren Sklaven nicht nötig hatten, sich für ihr Leben verantwortlich zu fühlen. Es war vielmehr ihre Arbeitskraft, die die MeisterInnen kauften. Ihr Leben gehöre ihnen selbst, wurde ihnen gesagt, obwohl diese ihnen eigentlich gestohlen wurden, seit die kapitalistischen Meister das Land einschlossen und diese „freien ArbeiterInnen“ auf die Suche nach Überlebensmöglichkeiten schickten. Dieser Prozess der Enteignung, welcher dem Kapitalismus seine Entwicklung ermöglichte, setzt sich an seinem Rande fort, aber ein anderer Trick erhält die bourgeoise Illusion im Zentrum.
Uns wird gesagt, dass Eigentum eine Sache ist, die mit Geld zu erstehen sei. Der Lüge nach ist die Freiheit in den Dingen, die wir kaufen, und wächst folglich mit deren Anhäufung. Im Streben nach dieser Freiheit, die nie ganz erreicht wird, ketten sich die Menschen an Aktivitäten, welche sie nicht wählten, geben jegliche Spur einer realen Wahl auf, um das Geld zu verdienen, das zum Erstehen der Freiheit gedacht ist. Und wenn ihr Leben im Dienste der Projekte, die niemals ihre eigenen waren, konsumiert ist, geben sie ihre Einkünfte für Spielwaren und Unterhaltung her, für Therapien und Drogen, diesen Betäubungsmitteln, die garantieren, dass sie die Lüge nicht durchschauen.
Eigentum ist eigentlich nicht das Ding, das besessen wird. Es sind die Zäune – die Zäune, die uns drin behalten, die Zäune, die uns draussen halten, all die Einzäunungen, wodurch uns unsere Leben gestohlen werden. Eigentum ist also hauptsächlich eine Einschränkung, eine Grenze von solcher Wichtigkeit, dass sie garantiert, dass niemensch sich vollständig verwirklichen kann, solange sie existiert.
Um dies vollkommen zu verstehen, müssen wir Eigentum als eine soziale Beziehung zwischen Dingen und Menschen sehen, die durch den Staat und den Markt vermittelt wird. Die Institution des Eigentums könnte ohne den Staat, der die Macht in Institutionen der Herrschaft konzentriert, nicht existieren. Ohne Gesetze, Waffen, Polizei und Gerichte würde das Eigentum keine reale Basis und keine es unterstützende Kraft haben.
Es kann eigentlich gesagt werden, dass der Staat selbst der Gründer von Eigentum ist. Was ist denn der Staat, wenn nicht ein Netzwerk von Einrichtungen, wodurch Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet und seine Ressourcen behauptet und aufrechterhalten wird? Schliesslich ist jegliches Eigentum staatlich, weil es nur auf Erlaubnis und unter dem Schutze des Staates existiert. Abhängig von der realen Macht des Staates, kann diese Erlaubnis und der Schutz jederzeit aus jeglichen Gründen widerrufen werden und das Eigentum geht zurück an den Staat. Dies soll nicht heissen, dass der Staat mächtiger sei als das Kapital, sondern dass die zwei genug miteinander verschlungen sind, um eine einzige soziale Ordnung der Herrschaft und Ausbeutung zu errichten. Und das Eigentum ist diejenige Einrichtung, die dieser Ordnung in unserem täglichen Leben seine Macht verleiht und uns zwecks ihrer eigenen Reproduktion zur Arbeit und zum Bezahlen zwingt. Das Eigentum ist also die Rasierklinge, das „Kein Durchgang“-Signal, die Preis-Etikette, der Bulle und die Sicherheitskamera. Die Aussage, die sie alle in sich tragen, ist dieselbe: mensch kann ohne Erlaubnis nichts benützen oder geniessen, und die Erlaubnis muss durch den Staat gewährleistet und mit Geld bezahlt werden.
Es ist nun keine Überraschung mehr, dass die Welt des Eigentums, die durch den Markt und den Staat beherrscht wird, eine verarmte Welt ist, wo statt Zufriedenheit Mangel herrscht. Das Streben nach individueller Verwirklichung, die bei jeder Wende durch einen anderen Zaun gestoppt wird, ist durch den homogenisierenden, atomisierenden Wettbewerb um die Anhäufung von mehr Dingen ersetzt, weil das „Individuum“ in dieser Welt bloss in Bezug auf seinen/ihren Besitz gewertet wird, und die unmenschliche Gesellschaft der Preismarken strebt nach der Beerdigung der Singularität unter den in Shops gefundenen Identitäten. Das Eigentum der HerrscherInnen dieser Welt anzugreifen – Fensterscheiben von Banken einzuschmeissen, Polizeifahrzeuge abzubrennen, das Arbeitsamt zu sprengen oder Maschinerie zu zerstören - hat sicherlich seinen Wert. Wenn nichts anderes, dann verschafft es zumindest etwas Spass, und einige Aktionen dieser Art mögen sogar spezifische Projekte der herrschenden Ordnung hindern. Aber schliesslich müssen wir die Institutionen der Herrschaft angreifen, jeden psychischen, gesetzlichen, moralischen oder sozialen Zaun einreissen. Dieser Angriff beginnt beim Wunsch eines jeden Menschen, sein/ihr Leben zurückzuholen und es nach eigenen Bedingungen zu gestalten. Jeder Moment und jeder Raum, den wir von der Produktions- und Konsumgesellschaft zurück stehlen, gibt uns eine Waffe, um diesen Kampf auszuweiten. Aber, wie ein Genosse geschrieben hat: „...dieser Kampf muss breit gestreut sein, oder er ist nichts wert. Nur wenn Diebstahl eine breit angewandte Praxis wird, wenn sich das Geschenk gegen den Warenaustausch bewaffnet, wenn Beziehungen nicht mehr länger durch Gebrauchsartikel vermittelt werden und Individuen den Dingen ihren eigenen Wert geben, nur dann besitzt die Zerstörung des Marktes und des Geldes – dies ist alles eins mit der Zerstörung des Staates und aller Hierarchie – eine reale Chance. Die individuelle Revolte gegen die Eigentumswelt muss sich zu einer sozialen Revolution ausweiten, die alle Zäune herunterreissen und jede Möglichkeit zur individuellen Verwirklichung öffnen wird.
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