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Freiwirtschaft

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Kurzer Ãœberblick

Freiwirtschaft ist eine Wirtschaftstheorie nach Silvio Gesell. entwickelte seine Theorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und veröffentlichte seine wichtigsten Thesen erstmals im Jahre 1916 in dem Buch "Die natürliche Wirtschaftsordnung". Die Freiwirtschaftslehre distanziert sich dabei sowohl vom Kapitalismus als auch vom Sozialismus oder Anarchismus. Das Ziel der Freiwrtschaft ist eine Marktwirtschaft, aber ohne Zinsen.

Den Mangel verteilen?

Eine knapper Exkurs in das Wirtschaften. Genaueres findet sich unter Wirtschaft. Grundsätzlich wird zwischen zweierlei Gütern unterschieden:

  1. Freie Güter: heißen auch unwirtschafliche, stehen in unausschöpfbarer Menge zur Verfügung. Das Paradebeispiel ist Luft. Sie sind unwirtschaftlich, weil sie sich nicht verkaufen lassen und weil damit nicht gehaushaltet werden muß.
  2. Knappe Güter: heißen auch wirtschaftliche Güter. Sie heißen wirtschaftlich, weil aufgrund ihrer Knappheit mit ihen Gewirtschatet werden muß und sie sich verkaufen lassen.

Wirtschaft befasst sich, wie der Name vermuten lässt, mit der Verteilung von Gütern, an denen Mangel besteht. Es wird auch gesagt: Wirtschaften heisst den Mangel verteilen. In kapitalistischen Systemen wird der Mangel über Wettbewerb verteilt. Menschen müssen um knappe Gütter in den Wettstreit treten. Manche haben dabei mehr Glück, und ergattern Güter. Anderen bleiben sie versagt. Der Wettstreit erfolgt auf einem Markt auf dem der Wert der Güter mittels Angebot(bzw. Knappheit) und Nachfrage in Vergleich ermittelt wird. Typischer Markt ist die Börse. Menschen die nicht mit Gütern in den Wettstreit treten können, müssen sich selbst anbieten oder neue Güter produzieren. Vorteilhaft ist es möglichst viele und möglichst knappe Güter auf sich zu vereinen um im Wettbewerb zu bestehen. Das führt zur sog. Neigung zur Konzentration in Kapitalistischen Systemen. Die, die Güter haben können leichter weitere Anhäufen(Akkumulieren). Konzentrieren sich Güter zu stark auf wenige, können beliebige Bedingungen am Markt gesetzt werden. Die Notwendigkeit des Wettbewerbs entfällt. Der Kern eines kapitalistischen Systemes wird angegriffen und es bricht zusammen. Es wird daher gesagt: kapitalistische Systeme neigen zur Selbstzerstörung. "Soziale Marktwirtschaft" bezeichnet Systeme mit Maßnamen gegen die Selbstzerstörung. Ein Staat greift ein um die Selbstzerstörung zu verhindern. Fast alle kapitalistischen Systeme heutzutage sind so gestaltet. So weit der Exkurs.

Den Mangel beseitigen?

Schon Proudhon und auch sein Schüler Marx erkennen die grundlegende Bedeutung des Mangels. Wäre der Mangel beseitigt, so wären alle Güter frei und die Notwendigkeit zu wirtschaften entfiele. Der Kapitalismus löste sich auf, der Staat auch. Genau das passierte bei der grossen Wirtschaftskrise. Eine Übersättigung des Marktes mit Gütern( Autos, Photoapparate... und das auch noch im isolationistischen Amerika) machte diese Güter zeitweilig frei. Mit dem sofortigen Wirtschaftszusammenbruch zur Folge. Die Börse als Puffer konnte das auch nur verzögern aber nicht verhindern. Darauf setzten Sozialisten lange auf: mittels Überproduktion einen Überfluss erzeugen und damit die Selbstauflösung des Kapitalismus herbeizuführen. Das Problem, daß Knappheit außer von der Produktion auch von Resourcen abhängt wurde lange ignoriert. Diese Thematik kommt erst in den letzen Jahzehnten auf. Proudhon(Aufforderung zum freiwilligen arbeiten) und Marx(Diktatur,Arbeitszwang) waren noch der Ansicht, es hinge nur an der Produktion. Heute kommt die Suche nach alternativen Resourcen hinzu um Mangel beizukommen. Die Idee ist also nicht durch die Geschichte überholt. Sie ist lediglich erweitert.

Produziert wird wenn ...

Im Kapitalismus wird bis zur Deckung der Fixkosten(d.h. arbeitsunabhängig) auch unter Verlust produziert. Variable(d.h. arbeitsabhängige) Kosten werden gescheut, wenn sie den Gewinn nicht vermehren. Fixkosten können nicht durch weniger Arbeit vermieden werden.

Standortwahl und Freiland

Zu Lebzeiten Gesells gingen Menschen in andere Länder, steckten dort ein Stück Land ab und eigneten es sich so an. Gesell nennt Land, das auf diese Weise angeeignet werden kann Freiland. Freiland als Spezialfall des freien Gutes mit dem nicht gehaushaltet werden muß. Er stuft dabei in drei Kategorien ab. Land das einfach genommen werden kann(Kategorie 1). Land, daß sich schon jemand angeeignet hat aber nicht vermarktbar ist - Analog Luft, die auch wenn sie in einem Sack eingefangen wurde, freies Gut bleibt(Kategorie 2). Schließlich Land das durch zusätzliche Nutzung entsteht. Gesells Beispiel ist ein mit einem Haus bebautes stück Land, daß selber nicht frei ist, aber für weitere Stockwerke freies Gut darstellt oder ein Feld dessen Ertrag gesteigert werden kann(Kategorie 3).

Antisemitismus-Vorwurf

Aufgrund ihrer starken Zinskritik wurde der Freiwirtschaft und Silvio Gesell oft vorgeworfen antisemitisch zu sein. Bei genauerer Betrachtung scheint es so, das Silvio Gesell selbst zwar kein Antisemit war, die Theorie heute und seine Anhänger jedoch sehr wohl. Denn gerade im rechten Spektrum genießt diese Lehre viele Anhänger.

Zunächst Gesell: Bei genauerer Betrachtung ist Gesells Lehre antisemitisch. Natürlich muß die Zeit und daß er sich gegen Verfolgung ausgesprochen hat respektiert werden aber das kann höchstens relativieren, nicht den Umstand ändern. Seine Lehre beschäftigt sich lediglich mit den Zinsen, die das Grundübel aller wirtschaftlichen Probleme sein sollten. Diese Lehre der üblen Zinsen steht nicht im luftlehren Raum sondern in einer Gesellschaft, in der die Juden als die Inhaber der Banken betrachtet werden und so als Grundübel. Damit richtet sie sich in dieser Gesellschaft genau gegen Juden. Wer diese beiden Dinge trennt (Lehre und die Gesellschaft für die sie gedacht war), macht einen Fehler, weil damit die Lehre aus dem Kontext gerissen würde. Selbst diesen Fehler ignorierend wäre die Lehre zumindest in ihrer Struktur antisemitisch, denn dann wäre die Frage, wer anstelle der Juden treten solle. Diese Letzte Frage ist aber recht hypothetischer Natur, weil sie nie von Gesell aufgeworfen wurde. In einer Gesellschaft, in der sein gesagtes deutlich mit Juden in Verbindung gebracht wurde, hat er ie wiedersprochen um ein eventuelles Missverständnis auszuräumen(Phänomenologisch ist es ja ohnehin antisemitisch).

Was die Anhänger betrifft: Wie so oft, ist das eine bunte Mischung von Leuten, die gerne mal mitlaufen, wenn es sich nett anhört. Die meisten Freiwirtschafts-Tauschringe sind in ihrer Größe wirtschaftlich nicht ernst zu nehmen und eher charakterisiert durch die Nachbarin, die für Frau Maier einkaufen geht und dafür drei Gutscheine bekommt, die dann verfallem, weil anderes doch wichtiger war. Darin Antisemitismus auszumachen fällt mir schwer, auch wenn die Leute auf Gesell und Ihren Tauschring schwören(Z.B. Weil die Kaffekränzchen ihnen gefallen). Tauschringe selber sind auch nicht unbedingt antisemitisch. Die zugrundeliegende Freiwirtschaft ist es, die aber bei den meisten Tauschringen ob der Größe gar keine Rolle spielt(kein Markt, Sozialversicherung und Unterhalt wird nicht über Tauschring bestritten, ...). Natürlich fühlen sich Antisemiten sehr schnell mit dieser Lehre zurecht.


Darstellung der Ideen Gesells

Gesell und vor ihm schon Proudhon erklären den Kapitalismus, d.h. das Problem der Ausbeutung bzw. der ungerechten Einkommensverteilung, nicht wie die klassische Theorie. Für die klassische Nationalökonomie, zu der auch Marx zählt, ist Geld neutral. Es hat keine Auswirkungen auf die Einkommensverteilung einer Volkswirtschaft. Gesell sieht dagegen gerade im monetären Bereich eine der Hauptursachen des Kapitalismus. Seine abweichende Einschätzung der Rolle des Geldes ergibt sich daraus, daß sich Geld durch eine besondere Eigenschaft von den anderen Waren abhebt. Geld unterliegt nicht wie alle anderen Waren einem natürlichen Wertverlust, bzw. Geld kann ohne irgendwelche Kosten problemlos gelagert werden. GeldbesitzerInnen können also andere WirtschaftsteilnehmerInnen, die Geld benötigen, erpressen. Nur gegen einen Preis, den Zins, geben die GeldbesitzerInnen ihr "Erspartes" her. Erscheint ihnen der angebotene Zins zu niedrig, geben sie ihr Geld nicht für den Wirtschaftskreislauf frei. Sie warten bis ein "angemessener" Preis winkt. Ihr Warten wird auch bald belohnt, da sich durch die Geldhortung das Geldangebot verringert. Bei gleichbleibender Nachfrage sind dann wieder mehr NachfragerInnen bereit, höhere Zinsen zu zahlen. Die Freigeldtheorie möchte durch die Einführung einer Umlaufsicherungsgebühr die Geldhortung unterbinden. Durch diese Umlaufsicherungsgebühr verliert jeder Geldschein mit der Zeit einen Teil seines Wertes. Geldhortung wird zum Verlustgeschäft und unterbleibt.

Gesell's Freigeld erinnert an das deutsche Mittelalter, an die Zeit der Brakteaten. Dies waren einseitig geprägte, sehr dünne Hohlmünzen aus Silber, die eine nur zeitlich begrenzte Gültigkeit hatten. Der jeweilige Fürst ließ nach dem Ablaufdatum alle ausgegebenen Münzen einsammeln und gab neue heraus aus (z.B. gegen 4 alte, 3 neue Münzen). So geschah es, daß niemand das Geld hortete, sondern es so schnell wieder ausgab, wie es verdient worden war. Auf diese Weise war die Tauschfunktion des Geldes vorherrschend und in der Folge gab es einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Das hörte erst auf, als von den Fürsten Münzen ohne Ablaufdatum - und mit Zinsfunktion! - ausgegeben wurden. Ab dann versumpfte - wie heute - das Tauschmittel, das im Grunde genommen öffentlich zu sein hat, in privaten Geldsäckeln, woraus wirtschaftliche Stagnation und anhaltende Kriege resultierten.
(Aus anarchistischer Sicht müßte beim Geld die asoziale Hortungsfunktion des Geldes bekämpft und die soziale Tauschfunktion gefördert werden)
(Schöne Anekdote. Hat allerdings nichts mit Anarchismus zu tun: aus anarchistischer Sicht muss Geld abgeschafft werden und nicht durch andere Tauschäquivalente ersetzt werden. Der Wertverlust durch das Brakteatengeld wurde übrigens von den Münzherren - den Fürsten - eingesackt, die ihrerseits mit normalem Geld (Gulden) Geschäfte machten).

Der Zins ist für Gesell die Ursache der ungerechten Vermögensaufteilung, da die GeldbesitzerInnen durch den Zinseszinseffekt exponentiell wachsendes leistungloses Einkommen beziehen, das von der gesamten Volkswirtschaft erwirtschaftet werden muß. Durch den Wegfall des Zinses könne jedes Wirtschaftssubjekt nur noch soviel sparen, wie er selbst erarbeitet hat. Mit der Zeit würden sich die Vermögen angleichen. Diese Analyse steht im Widerspruch zur These, daß die Ursache des Kapitalismus im Privateigentum an Produktionsmitteln zu suchen sei.

Als weiteren Effekt der Umlaufsicherungsgebühr erhofft sich die Freiwirtschaft eine konstante Einkommenskreislaufgeschwindigkeit des Geldes. Durch diese "Entstörung" des Geldkreislaufes, erhoffen sie sich eine bessere Kontrolle der Geldmenge.

Da sich nunmehr Schwankungen im monetären Bereich verhindern ließen, dürfte es nicht mehr zu Krisenerscheinungen kommen. Der Umlaufzwang des Geldes bewirkt eine fortgesetzte Nachfrage. Die Vermehrung von Realkapital (Sachgütern) würde nicht mehr durch Krisen gestört werden. Als Folge verschwände unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Sobald die Bildung von Realkapital ihren Sättigungspunkt erreicht, würde es nur noch qualitatives Wachstum geben: Verbesserung der Technik und Organisation. Arbeitszeitverkürzungen werden mit der Zeit möglich, weil eine Umverteilung des Mehrwertes in Form der Geld- Kapital- und Bodenzinsen erfolgte (Klaus Schmitt: "Trotz dem Geld. Do-it-yourself-Keynesianism", Sklaven Nr. 89, Berlin 1995).

Situation heute

Eine Geldhortung läßt sich auch heute noch beobachten, sie führt aber nicht mehr zu den damaligen Deflaationskrisen (Nachfragerückgang, Preisverfall). Heutzutage ist der permanente Wertverlust des Geldes, auch Inflation genannt, zur Normalität geworden. Deshalb sind alle bestrebt, ihre Transaktions- und Spekulationskassen niedrig zu halten. Bei sinkenden Zinsen- und/oder Inflationsraten kommt es allerdings weiterhin zu Geldhortungen. Warum aber bleibt die Krise aus? Gehortet wird meist durch den Entzug von Geld aus den laufenden Einkommen. Dies ist heute noch genauso wie zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Allerdings gehen heutzutage Einkommen auf Girokonten ein. Bei massierten Geldabhebungen muß die Geschäftsbank sich bei der Notenbank neues Geld besorgen. "Das heißt, der Aufbau von Hortungen, ob langfristig angesammelt oder kurzfristig angehoben, wird also mit Hilfe der Notenpresse ermöglicht" (Helmut Creutz [INWO]: "Das Geldsyndrom", München 1993). Die Auswirkung der Hortung auf die Zinsen bleibt unverändert. Der Druck auf einen Wiederanstieg der Zinsen wird verstärkt. Nur dass heute keine Deflationsgefahren entstehen, sondern Inflationsgefahren, wenn das angesammelte Geld wieder in den Kreislauf gegeben wird.

Inflation wird heutzutage bewußt vom Staat erzeugt. Dieses Verhalten ist auf Erfahrungen während der Weltwirtschaftskrise zurück zu führen. Die Weltwirtschaftskrise war eine Deflationskrise. Es war nicht zuviel Geld vorhanden, wie bei einer Inflation, sondern zu wenig Geld verhinderte einen wirtschaftlichen Aufschwung. Weil diese Krise so verherrend war, nimmt die Geldpolitik bewußt Inflation in Kauf, als eine Deflation zu riskieren. Zudem profitiert der Staat von Inflation. Der Staat ist der größte Schuldner einer Volkswirtschaft. Jeder Schuldner profitiert von einer Geldentwertung, da seine Schulden real immer geringer werden. Die durch die Geldhortung verursachten Deflationskrisen werden heutzutage künstlich verhindert. Da die Gefahr besteht, daß die Inflation außer Kontrolle gerät, müssen die Zinsen hochgehalten werden. Dadurch wird die ungleiche Einkommensverteilung noch verstärkt.

"Es sind gar nicht primär Konsumsucht und Gewinnsucht, die den Kapitalismus rastlos vorwärtstreiben, sondern die durch Zins und Zinseszins lawinenartig wachsenden Geldvermögen und ein unerbittlicher Zwang, unter dem die Schuldner stehen, nähmlich mit jeder Produktion auch den Zins erwirtschaften zu müssen" (Josef Hüwe: "Freiwirtschaft und Zinswirtschaft heute", Der Dritte Weg, November 1991). Der Zins wirkt negativ auf die Investitionstätigkeit. Da eine Investition nur durchgeführt wird, wenn deren Rendite größer sein wird, als der Kapitalzins, der bei einer Geldanlage realisiert würde. Somit lohnen sich nur kapitalintensive Produktionen. Ökologische und sozialverträgliche Investitionen sind nicht finanzierbar, da sie die erforderliche Rendite nicht erwirtschaften.


Referenzen, Quellen

  1. Gesell, Silvio; Die Natürliche Wirtschaftsordnung, ISBN 3879984212
  2. Wöhe, Günter; Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. z.B. ISBN 3800614723

Siehe auch

Antisemitismus, Bioregionalismus, Silvio Gesell

Weblinks

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