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Arthur Lehning
Die anarchosyndikalistische Bewegung, die im Gegensatz zum Individualanarchismus in der Arbeiterklasse den Träger der Revolution sieht, verdankt Arthur Lehning wichtige praktische und theoretische Beiträge.
Leben
1919 bis 1921
Geboren am 23.10.1899 in Utrecht, studierte A. Lehning nach Abitur und Militärdienst 1919 Wirtschaftswissenschaften in Rotterdam und später in Berlin. Im gleichen Jahr las Lehning, der sich schon früh für Literatur und Philosophie interessierte und 1924 in Paris die moderne Malerei der Expressionisten, Kubisten, Futuristen und Konstruktivisten entdeckte, zum ersten Mal ein Werk des russischen Anarchisten Michail Bakunin. In Berlin hörte er Vorlesungen von Werner Sombart und die des ersten Lehrstuhlinhabers für Sozialgeschichte in Deutschland, Gustav Mayer. Hier traf er den deutschen Anarchosyndikalisten Rudolf Rocker und die aus den Moskauer Gefängnissen entlassenen russischen Anarchisten Alexander Berkman und Emma Goldman. Er engagierte sich im Komitee für die Verteidigung von in der Sowjetunion verfolgten Anarchisten und Sozialrevolutionären. Ebenfalls in Berlin arbeitete Lehning seit 1922 als Korrespondent des Internationalen Antimilitaristischen Büros (IAMB), einer 1921 in Den Haag gegründeten und im wesentlichen auf Holland beschränkten Organisation zur Bekämpfung von Militarismus und Krieg.
1927 bis 1935
1927 bis 1934 redigierte Lehning mit Albert de Jong, Augustin Souchy und Helmut Rüdiger den Pressedienst der Internationalen Antimilitaristischen Kommission (IAK), die sich aus Vertretern der IAA und des IAMB zusammensetzte. Hier wurden Kriegsursachen und -ziele und die Abrüstungsverhandlungen in Genf diskutiert, Informationen über die antimilitaristische Bewegung gesammelt und an ca. 800 Zeitungen und Zeitschriften weitergereicht. Von 1932 bis 1935 war Lehning mit Augustin Souchy, Alexander Schapiro und Rudolf Rocker Mitglied im Sekretariat der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA), die Ende 1922 in Berlin als Zusammenschluß der wichtigsten anarchosyndikalistischen Organisationen der ganzen Welt gegründet worden war. Alexander Schapiro sah Arthur Lehning übriegens zeitlebens als seinen politischen Lehrmeister.
1934 bis 1936
1934 und 1935 legte Arthur Lehning, der sich als Ausländer in Holland nicht mehr politisch betätigen durfte, seine Funktionen bei der IAK, der IAA und innerhalb des holländischen Anarchosyndikalismus nieder. Sein letztes praktisches Eingreifen führte ihn im Oktober 1936 nach Spanien, wo er als inoffizieller Vertreter der IAA vergeblich versuchte, in Gesprächen mit führenden spanischen Anarchisten die Bürokratisierung und Zerschlagung der Sozialen Revolution zu verhindern. Vorallem kritisierte er die gerade laufenden Verhandlungen der spanischen Anarchisten über ihren Eintritt in die Volksfrontregierung. Er warb für die Fortsetzung der Revolution gegen Faschismus und Stalinismus.
1939 bis 2000
Seit 1939 baute Lehning in Oxford eine englische Filiale des IISG auf. Nach dem Ende seiner Internierung im Juni 1941 war er nacheinander in der niederländischen Abteilung der BBC, im britischen Außenministerium und für das US-Kriegsinformationsministerium in London tätig. 1947 erhielt er die britische Staatsangehörigkeit.
Im Februar 1952 fuhr er nach Indonesien, um in Jarkarta eine Bibliothek für Soziale Geschichte aufzubauen, deren etwa 15.000 Titel Lehning in Reisen durch ganz Europa erworben hatte. Von 1954 bis 1957 lehrte er an der Universität Jarkarta.
Von 1961 bis 1981 gab er im Auftrag des IISG in sieben Bänden das "Archives Bakounine" heraus, eine nach Themen geordnete Sammlung der wichtigsten Werke Bakunins in der jeweiligen Originalsprache und einer französischen Übersetzung.
Das Ende seines aktiven anarchosyndikalistischen Engagements 1936 fiel zeitlich mit dem Scheitern der spanischen Revolution bzw. der größten anarchosyndikalistischen Organisation, der spanischen CNT im spanischen Bürgerkrieg zusammen. Danach war Lehning als Historiker tätig und focht auf wissenschaftlichen Kongressen, in Vorlesungen und Vorträgen auf der ganzen Welt bzw. seinen Veröffentlichungen weiter für das Ziel einer libertären Gesellschaft, für deren Etablierung er nun - statt des Generalstreiks - das Mittel des zivilen Ungehorsams vorschlug.
Arthur Lehnings Haltungen
zum Krieg
Schwerpunkt seiner regen publizistischen Tätigkeit in der Zeit nach dem 1.Weltkrieg bildete das Aufzeigen der erneuten Kriegsgefahr. Bereits 1924 legte er in seiner historischen Studie „Die Sozialdemokratie und der Krieg“ die grundsätzliche Haltung der Anarchisten und Anarchosyndikalisten im Falle eines Kriegsausbruchs dar: Die Arbeiter aller Länder sollten zum Mittel des Generalstreiks greifen, wie es schon in einer Resolution des Brüsseler Kongresses 1868 von der 1. Internationalen Arbeiter-Assoziation gefordert worden war. In den folgenden Jahren präzisierte Lehning diese Strategie. Er schlug die Bildung von Fabrikkomitees vor, die die Umstellung der Produktion für die Erfordernisse des Krieges untersuchen und entsprechende Maßnahmen dagegen vorbereiten sollten. Schon in Friedenszeiten sollten die Arbeiter aus Protest gegen die Kriegsproduktion die Arbeit niederlegen. Sie sollten damit ihre Fähigkeit und Entschlossenheit demonstrieren, bei Kriegsausbruch in den Generalstreik zu treten.
zur Verteidigung einer siegreichen Revolution
Im Pressedienst der IAK wurde Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre eine für die anarchistische Theoriebildung bedeutende Diskussion über die Methoden der Verteidigung einer siegreichen Revolution geführt. Lehning und sein Mitstreiter Albert de Jong lehnten für den Fall einer bewaffneten Intervention von Außen jede gewaltsame Verteidigung der Revolution - etwa durch den Aufbau revolutionärer Milizen oder eines roten Heeres wie in der Sowjetunion - ab. Stattdessen plädierten sie für gewaltfreie Aktionen wie Streik, Boykott, Steuerverweigerung, passiven Widerstand und Verweigerung jeder Zusammenarbeit mit den Aggressoren. In der Bildung einer Roten Armee und der damit einhergehenden Zentralisierung und Hierarchisierung sahen de Jong und Lehning die Gefahr eines Wiederaufbaus der gerade abgeschafften Staatsmacht. Auch wenn diese Theorie der gewaltsamen Verteidigung der Revolution mit dem anarchistischen Anliegen, die Ziele in den Mitteln vorwegzunehmen, übereinstimmt, blieben ihre Verfechter innerhalb der IAA in der Minderheit, da die Mehrheit angesichts des Faschismus in Deutschland und Italien die Bewaffnung des Proletariats erwog.
Preise
- 1963 - Sonderpreis der Jan Campert-Stiftung
- 1976 - Ehrendoktor der Universität von Amsterdam
- 1992 - Gouden Ganzenveer für seinen besonderen Beitrag zur holländischen Kulturarbeit
- 1999 - P.C. Hooftprijs für sein Gesamtwerk
Werke
Prosa
- De vriend van mijn jeugd: herinneringen aan H. Marsman, (Der Freund meiner Jugend: Erinnerungen an H. Marsman) (1954)
- Marsman en het expressionisme, (Marsman und der Expressionismus) (1959)
- H. Marsman, de vriend van mijn jeugd, (Neuauflage von 'De vriend van mijn jeugd: herinneringen aan H. Marsman') (1975)
Historische Werke
- Arthur Müller Lehning: Die Sozialdemokratie und der Krieg. Der revolutionäre Antimilitarismus in der Arbeiterbewegung, Verlag Der Syndikalist, Berlin. 1924
- De feiten en de betekenis van de zaak Sacco en Vanzetti, (Die Fakten und die Bedeutung der Sache Sacco und Vanzetti) (1927)
- Anarcho-syndicalisme ( Anarcho-Syndikalismus ) (1927)
- Arthur Müller-Lehning: Die IAA und der Kampf gegen Militarismus und Krieg http://www.fau.org/texte/anarcho-syndikalismus/art_041211-082418
- Politiek en cultuur, (Politik und Kultur) (1930)
- Arthur Müller Lehning: Der Weg zur faschistischen Diktatur in der demokratischen Republik, in: "Die Internationale (Zeitschrift)", August 1931. Organ der FAUD, Verlag Der Syndikalist, Berlin 1931.
- Estado y marxismo, (Staat und Marxismus) (1935)
- The International association. A contribution to the preliminary history of the First International (Die Internationale Assoziation. Ein Beitrag zur vorläufigen Geschichte der Ersten Internationalen) 1855-1859 (1938)
- From Buonarrotti to Bakunin. Studies in international socialism, (Von Buonarrotti bis Bakunin. Studium des internationalen Sozialismus) (1970)
- Michael Bakunin. Over anarchisme, staat en dictatuur, (Michael Bakunin. Zu Anarchismus, Staat und Diktatur) - zusammengestellt und mit einer Einleitung versehen durch Arthur Lehning (ursprünglich erschienen beim Verlag L.J.C. Boucher in der Reihe 'Manifesten', 1970); 1976 wiederaufgelegt in veränderter Fassung beim Verlag Kritiese Bibliotheek / Van Gennep, ISBN 90-6012-325-5
- Michel Bakounine et les historiens, (Michael Bakunin und die Historiker) (1979)
Tagebuch
- Spaans dagboek, aantekeningen over de revolutie in Spanje, (Spanisches Tagebuch, Notizen zur Revolution in Spanien).(1996)
- "Spanisches Tagebuch & Anmerkungen zur Revolution in Spanien", Edition TranvÃa, Verlag Walter Frey, Berlin 2007. ISBN 978-3-938944-04-2. [Mit einer Einleitung und Anmerkungen von Toke van Helmond-Lehning].
Übersetzungen ins Niederländische
- (Arthur Lehning) : Krieg von Ludwig Renn (1929)
- Arthur Lehning (Hrsg.und Übersetzer) Michael Bakunin : Het verzameld werk, (Michael Bakunin : Sammelwerk; 7 Bände) Archives Bakounine (1961-...)
Essays
- Politiek en cultuur, (Politik und Kultur) (1930)
- De draad van Ariadne - Essays en commentaren, (Der Draht von Ariadne - Essays und Anmerkungen) (1966)
- Ithaka - Essays en commentaren 2, (Ithaka- Essays und Anmerkungen 2) (1980) (ISBN 902939725X)
- Prometheus en het recht van de opstand, (Prometheus und das Recht zum Aufstand) (1987)
- De tocht naar Ithaka - Beschouwingen over politiek en cultuur, (Die Reise nach Ithaka - Betrachtungen zu Politik und Kultur; Blütenlese durch Toke van Helmond) (1999) (ISBN 90-290-6581-8)
Blütenlese
- De internationale avant-garde tussen de twee wereldoorlogen. Een keuze uit de internationale revue 'i10' (Die internationale Avantgarde zwischen den beiden Weltkriegen. Eine Auswahl aus der internationalen Revue 'i10'; zusammen mit Jurriaan Schrofer) (1963)
Blütengelesen
- 1 Geschichte: 'Berlijn revisited' in In de broek van de vijand. Waarom wij niet woedend zijn ("Berlin wieder besucht" in "In der Hose des Feindes. Warum wir nicht wütend sind") , red. August Hans den Boef (1994)
- Het Hollandse geestesleven is een Danaïdenvat, (Das holländische Geistesleben ist ein Danaidenfass) Briefe von J.J. Slauerhoff an Arthur Lehning (aus: 'Brieven van Slauerhoff', Briefe von Slauerhoff) in: Een reservaat van pekelharingen, Nederlandse schrijvers over hun verre vaderland, (Ein Reservat aus eingelegten Heringen, niederländische Schreiber über ihr fernes Vaterland) zusammengestellt und mit einer Einleitung versehen durch Onno Blom (1996)
Zeitschriften
- Ende Januar 1927 war Lehning Mitherausgeber der internationalen Zeitschrift i10 (1927-1929). Dies war eine tonangebende avantgardistische Zeitschrift, welche ein Auge auf die Integration von Kunst im täglichen Leben warf und zu der unter anderem Piet Mondriaan, Wassily Kandinsky, Kurt Schwitters, Menno ter Braak, Slauerhoff und Marsman Beiträge lieferten. (i10 ist vollständig nachgedruckt in zwei Teilen und einem losen Teil mit den Einbänden)
- Arthur Lehning war von 1932 bis 1935 Redakteur der Zeitschrift Grondslagen.
- 1937 veröffentlicht Lehning (soeben zurück aus Spanien) 'Aantekeningen over de revolutie in Spanje' (Notizen zur Revolution in Spanien) in der Zeitschrift De Stem (Die Stimme).
- Nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht Arthur Lehning unter anderem in der Zeitschrift De Vlam' (Die Flamme), Libertinage und De Nieuwe Stem (Die neue Stimme).
- "Sozialgeschichte des Antimilitarismus: 'Keine Frau, keinen Mann, keinen Pfenning für Staat und Krieg!", Sonderheft der Zeitschrift "Graswurzelrevolution", Heft 117/118, Hamburg 1987. (Hrsg.: von der GWR-Teilredaktion West Berlin unter maßgeblicher Beteiligung von Arthur Lehning.) Von A.L. sind volgende Aufsätze enthalten: Der revolutionäre Antimilitarismus in der Arbeiterbewegung; Industrielle Dienstverweigerung; Die spanische Tragödie; Der sozialistische Staatsbegriff und der staatenlose Sozialismus; Kleine Geschichte des Anarchismus; [zusm. mit Albert de Jong:] Die soziale Revolution und die antimilitaristische Taktik.
- 1990 stand en ganzseitiger Artikel über Lehning in Neues Deutschland mit der Überschrift: 'Ein Interview mit dem letzten großen Anarchist'.
- In einem Brief an die Zeitschrift 'De Groene Amsterdammer' von 1994 stellte Arthur Lehning fest, dass er in 140 verschiedenen regelmäßig erscheinenden Blättern publiziert hat.
Diverses
- Arthur Lehnings Johan Huizinga-Vorlesung von 1976, erschienen in: Over vrijheid en gelijkheid, (Ãœber Freiheit und Gleichheit). herausgegeben durch "Het Wereldvenster", Baarn, 1976. ISBN 90-293-9641-5
- Marcel van der Linden: Vorläufiges zur vergleichenden Sozialgeschichte des Syndikalismus, in: "Anarchismus in Kunst und Politik. Zum 85.Geburtstag von Arthur (Müller) Lehning", (Hg.: Heribert Baumann, Francis Bulhof, Gottfried Mergner), Verlag: Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, Oldenburg 1985
- Voor Arthur Lehning (Für Arthur Lehning), (Arthur Lehning zum 90.Geburtstag) (1989)