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Wehrpflicht
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Als Wehrpflicht bezeichnet man die Pflicht, für einen gewissen Zeitraum in der Armee oder einer anderen Wehrformation (z. B. Feuerwehr) eines Landes zu dienen. Ob und für wen eine Wehrpflicht besteht, ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt. Mit wenigen Ausnahmen erstreckt sich die Wehrpflicht nur auf die männliche Bevölkerung, dennoch wird häufig auch synonym von einer allgemeinen Wehrpflicht gesprochen.
Contents
- 1 Geschichte
- 2 Deutschsprachiger Raum
- 2.1 Bundesrepublik Deutschland seit 1956
- 2.2 Wer ist wehrpflichtig?
- 2.3 Erfassung
- 2.4 Erfüllung der Wehrpflicht
- 2.5 Ende von Wehrpflicht und Einberufbarkeit
- 2.6 Was bedeutet "Erfüllung der Wehrpflicht"?
- 2.7 Müssen auch Ungediente im Verteidigungsfall Wehrdienst leisten?
- 2.8 Wehrgerechtigkeit
- 2.9 Einberufungspraxis
- 2.10 Argumente für und gegen die Wehrpflicht
Geschichte
Heere, die aufgrund einer allgemeinen Aushebung aller wehrfähigen Männer aufgestellt wurden, gab es in der Geschichte immer wieder, etwa das Heer der römischen Republik oder Bürgergarden in Städten. Auch der preußische Staat befand sich mit dem Kantonssystem (Wehrfähige eines Gebietes waren für bestimmte militärische Einheiten enrolliert) auf dem Weg zu einer Wehrpflichtigenarmee.
Das Frankreich der großen Französischen Revolution war der erste europäische Staat, der seine Armee mit der Levée en masse fast ausschließlich aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht organisierte. (Daneben gab es noch Freiwillige.)
Preußen kopierte dieses Vorbild und führte im Zuge der preußischen Reformen auch die allgemeine Wehrpflicht ein. Damit war eine grundsätzliche Aufwertung des Soldatenstandes verbunden, galten Soldaten bisher doch als gesellschaftlich deklassiert - jetzt, wo auch Bürgersöhne zur Armee eingezogen wurden, galt Militärdienst als Ehrendienst. Entehrende Körperstrafen wurden folgerichtig abgeschafft.
Nach den Befreiungskriegen wurde die Wehrpflicht in Preußen konsequent beibehalten, mit der Ausnahme, dass Angehörige der „gebildeten Stände“ sich als so genannte „Einjährig-Freiwillige“ melden konnten. In den anderen deutschen und europäischen Staaten wurde unter den tauglich Gemusterten die erforderliche Anzahl von Rekruten durch Los bestimmt, der Ausgeloste konnte aber einen Ersatzmann stellen, weshalb in der Armee eher Männer aus ärmeren Schichten dienten.
Im Kaiserreich setzte sich das preußische gegen alle anderen Rekrutierungssysteme durch, hatte es doch seine Effizienz im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 eindrucksvoll bewiesen.
In der Weimarer Republik war die Wehrpflicht aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags abgeschafft, die Reichswehr war eine auf 100.000 Mann begrenzte Berufsarmee. Im Dritten Reich wurde die Wehrpflicht am 16. März 1935 wiedereingeführt, im Zuge der Volksgemeinschaft wurde aber der "Einjährige" abgeschafft und von den Offizieren wurde erstmals gefordert, auch die Mannschaften als Kameraden zu betrachten.
Während der Zeit der Teilung Deutschlands unterlagen Bürger von Berlin (West) nicht der Wehrpflicht.
Deutschsprachiger Raum
Bundesrepublik Deutschland seit 1956
Die Wehrpflicht wurde in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Inkrafttreten des Wehrpflichtgesetzes (WPlfG) am 21. Juli 1956 eingeführt.
Wer ist wehrpflichtig?
Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und
- ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder
- ihren ständigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben und entweder
- ihren früheren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten oder
- einen Pass oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben.
(§1 Satz 1 WPlfG)
Polizeivollzugsbeamte leisten keinen Wehrdienst. Ihre Wehrpflicht gilt mit dem Eintritt in die Polizei (Polizei der Länder und Polizei des Bundes) als abgegolten. Eine Ausnahme besteht, wenn das Dienstverhältnis in der Polizei vor dem Ende der Wehrpflichtigkeit beendet wird.
Eine Freistellung vom Grundwehrdienst ist auch bei einer mindestens sechsjährigen Verpflichtung zum Dienst im Katastrophenschutz möglich, der beim Technischen Hilfswerk, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Deutschen Roten Kreuz geleistet wird.
Erfassung
Der Begriff Erfassung bezeichnet den Vorgang, mit dem die Bundeswehr von den Personendaten der Wehrpflichtigen Kenntnis erlangt. Dies geschieht mit der quartalsweisen Übermittlung der Daten männlicher Jugendlicher, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, durch das Einwohnermeldeamt – was zur Folge hat, dass beim Einwohnermeldeamt vor diesem Zeitpunkt und bis zum Erreichen der Einberufbarkeitsgrenze von in diesem Fall 23 Jahren nicht gemeldete Personen zwar weiterhin wehrpflichtig und einberufbar sein können, aber der Bundeswehr unbekannt bleiben. Das Abmelden vom tatsächlichen Wohnsitz stellt allerdings eine Ordnungswidrigkeit dar.
Die erfassten Personen werden benachrichtigt und aufgefordert, eventuelle Korrekturen zu ihren Daten dem zuständigen Kreiswehrersatzamt mitzuteilen.
Erfüllung der Wehrpflicht
Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 durch den Zivildienst erfüllt. Die Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes beträgt heute neun Monate.
Grundausbildung
Die Allgemeine Grundausbildung (AGA) dauert drei Monate. Sie beinhaltet die Themen Formalausbildung, Gefechtsdienst, ABC-Dienst, Theorie, Sanitätsdienst aller Truppen, Leben im Felde usw. Daneben werden zahlreiche Übungen (Märsche, Biwaks, Hindernisbahn) durchgeführt. In begrenztem Umfang wird auch Sport getrieben. Gegen Mitte der AGA wird das Gelöbnis abgelegt. Die AGA endet mit der Rekrutenbesichtigung, einer mehrtägigen Prüfung, in der die Rekruten die erwiesenen Fähigkeiten nachweisen müssen. Den Absolventen wird der Allgemeine Tätigkeitsnachweis (ATN/ATB) Sicherungssoldat (Wachausbildung) zuerkannt.
Je nach Verwendung schließt sich eine Spezialausbildung an das Ende der AGA an. Dem Soldaten wird am Ende dieser Ausbildung ein weiterer ATN (Erstverwendungs-ATN) verliehen, z. B. Panzergrenadier, Fallschirmjäger, Stabsdienstsoldat usw.
Ende von Wehrpflicht und Einberufbarkeit
Die Wehrpflicht endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 45. Lebensjahr (bei Offizieren und Unteroffizieren das 60. Lebensjahr) vollendet. Im Spannungs- und Verteidigungsfall endet die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet.
Davon zu unterscheiden ist allerdings die in § 5 WPflG geregelte Einberufbarkeit Ungedienter, die in Friedenszeiten (unvollständiger Auszug):
- in der Regel bis zum 23. Geburtstag andauert
- bis zum 25. Geburtstag andauert unter anderem bei
- genehmigungspflichtigen, aber ungenehmigten Auslandsaufenthalten
- Zurückstellungen, die eine Einberufung bis zum 23. Geburtstag verhindern
- bis zum 30. Lebensjahr, wenn wegen einer Verpflichtung im Katastrophenschutz eine Einberufung vor Vollendung des 23. Lebensjahres nicht möglich war
- bis zum 32. Geburtstag andauert bei Personen, die aufgrund ihrer Berufsausbildung während des Grundwehrdienstes vorwiegend militärfachlich verwendet werden (z. B. Ärzte).
Was bedeutet "Erfüllung der Wehrpflicht"?
Die Pflicht zur Dienstleistung umfasst
- den Grundwehrdienst (§ 5 WPflG)
- Wehrübungen (§ 6 WPflG)
- im Verteidigungsfall den unbefristeten Wehrdienst
Müssen auch Ungediente im Verteidigungsfall Wehrdienst leisten?
Auch ungediente Wehrpflichtige gehören zur Ersatzreserve. Wehrpflichtige, die in der Bundeswehr gedient haben, gehören zur Reserve. Die übrigen gedienten Wehrpflichtigen gehören zur Reserve, sobald über ihre Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der Wehrpflicht entschieden ist.
Wehrgerechtigkeit
Die politische Diskussion, die Bundeswehr in eine reine Berufsarmee umzuwandeln, stellt die Wehrpflicht in Frage. Da immer weniger junge Männer eines Jahrgangs tatsächlich zum Wehrdienst eingezogen werden, beklagen Kritiker die mangelnde Wehrgerechtigkeit bei der Auswahl der Rekruten.
Einberufungspraxis
Mit dem Zivildienständerungsgesetz wurden die Regelungen zur Einberufung geändert:
- Absenkung der Heranziehungsgrenze für den Grundwehrdienst vom 25. auf das 23. Lebensjahr.
- Keine Heranziehung von verheirateten oder in eingetragenen Lebenspartnerschaften lebenden Männern oder Wehrpflichtigen mit dem Sorgerecht für mindestens ein Kind.
- Der Tauglichkeitsgrad T3 ist entfallen. "T3er" gelten nun als ausgemustert.
- Wehr- und Zivildienstpflichtige, die nach dem Erreichen der allgemeinen Hochschul- oder Fachhochschulreife eine betriebliche oder eine Beamtenausbildung aufgenommen haben, werden auf Antrag zurückgestellt.
- Wehr- und Zivildienstpflichtige können sich von der Dienstpflicht befreien lassen, wenn mindestens zwei Brüder ein ziviles oder militärisches Dienstjahr geleistet haben.
Im Vorgriff auf die neue Regelung wurde dies bereits seit dem 1. Juli 2003 so praktiziert. Die Pflicht zur Dienstleistung im Verteidigungsfall bleibt von den Regelungen 1 u. 2 unberührt.
In der Praxis haben von den 440 000 erfassten Männern des Jahrganges 1980 (die ab 2004 nicht mehr eingezogen werden können) 137 500 (31,25%) den Wehrdienst geleistet, 152 000 (34,54%) Zivildienst oder einen anderen Ersatzdienst geleistet und 150 500 (34,2%) aus verschiedenen Gründen überhaupt keinen Dienst geleistet. Diese Zahlen stammen aus dem Bericht des Wehrbeauftragten im Jahre 2004, der dort prognostiziert, dass in Zukunft noch weniger Männer überhaupt den Dienst leisten werden.
Argumente für und gegen die Wehrpflicht
Die Diskussion unterscheidet ethische und juristische Argumente. Während die auf ethischen Begründungsmodellen fußenden Argumente zum Rechtfertigungsproblem der Ethik führen, müssen sich die juristischen Argumente national zumindest an den ersten vier Artikeln des Grundgesetz messen lassen und international an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen. Zwar verstößt die Männer-Wehrpflicht in Deutschland grundsätzlich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes, jedoch wurde vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies nicht zur Ungültigkeit der Wehrpflicht führt, da der Gesetzgeber die "Männer-Wehrpflicht" nachträglich in das Grundgesetz aufgenommen habe. Somit sei eine "lex specialis" bezüglich der Wehrpflicht gegenüber der "lex generalis" des Gleichbehandlungsgrundsatzes geschaffen worden.
Die Diskussion über die Wehrpflicht ist nicht gleichbedeutend mit der Diskussion über das Für und Wider einer Armee, hängt aber mit ihr zusammen.
Generalinspekteur Bagger 1996 zur Allgemeinen Wehrpflicht
Am 16. Juli 1996 veröffentlichte der damalige Generalinspekteur Hartmut Bagger im Generalinspekteurbrief 1/96 seine Stellung zur Diskussion über die Allgemeine Wehrpflicht. "Für viele scheint das stärkste Argument für eine Berufsarmee die damit verbundene Professionalisierung zu sein. Wehrpflicht und Professionalität schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Wehrpflicht schafft darüber hinaus die Möglichkeit, das gesamte Potential an Intelligenz, Fähigkeiten und beruflicher Ausbildung unserer jungen Bürger zu nutzen. Wir profitieren von diesem Potential nicht nur bei den Wehrpflichtigen, wir gewinnen aus ihm auch die Hälfte unseres Führernachwuchses an Offizieren und Unteroffizieren. Qualität und Kultur der Führung in der Bundeswehr, aber auch Professionalität werden wesentlich von der Wehrpflicht abhängen. Der mit einer Freiwilligenarmee häufig verbundene Verzicht auf Pluralität kann zu einem Verlust an geistiger Vitalität führen." Bagger sah deshalb auch keinen Zweifel, dass die Wehrpflichtarmee nicht nur unter dem Aspekt der Qualität ihres Personals, sondern auch aus gesellschaftspolitischer Sicht die "intelligentere Armee" sei. Zudem mache sie die Verteidigung von Recht und Freiheit zur Sache aller Bürger und beuge der Tendenz vor, Streitkräfte als "Dienstleistungsagentur für Verteidigung" misszuverstehen.
Volkswirtschaftliche Argumente
Aus volkswirtschaftlicher Sicht hindert die Wehrpflicht junge Männer während ihres Wehrdienstes daran, den Beruf, für den sie am besten qualifiziert sind, auszuüben. Gerade junge Männer, die gerade ihre Schullaufbahn beendet haben, könnten aber mit ihrem Wissen die Volkswirtschaft formen. Während der Wehrpflicht, die einen nicht unerheblichen Teil der Lebensarbeitszeit ausmacht, haben sie dazu keine Gelegenheit. Potenzielle Berufssoldaten werden in andere Berufe gedrängt, ihre potenzielle berufliche Qualität als Soldat geht der Volkswirtschaft somit verloren. Kritiker befürchten sogar, Wehrpflichtige könnten ihre in der Schule erworbenen Fähigkeiten zu einem Teil während der Dienstzeit wieder verlernen. Somit ist die Wehrpflicht in zweifacher Hinsicht ein Standortnachteil.
Gegener des Einsatzes von Zivildienstleistenden sind der Meinung, dass diese oftmals eine weit geringere Entlohnung erhielten, als auf dem freien Markt durch Mindestgehälter möglich wäre. Obwohl das Gesetz es verbiete, übernähmen Zivildienstleistende oft Arbeiten, die sonst von Arbeitnehmern, die nicht unter Zwang arbeiten, erledigt würden. Sie blockierten so Arbeitsplätze und schwächten die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer.
Ethische Argumente
Wehrpflichtgegner können sowohl für als auch gegen eine Armee sein, während Wehrpflicht-Befürworter folglich auch gleichzeitig für eine Armee sind.
Als ethisches Argument für die Wehrpflicht könnte man einbringen, dass die Hemmschwelle, Kriege zu führen, bei der Berufsarmee viel niedriger ist. Die USA führten beispielsweise nach dem von der amerikanischen Bevölkerung weitgehend abgelehnten Vietnamkrieg eine Berufsarmee ein.
Ethische Argumente für die Wehrpflicht findet man auch in Immanuel Kants Schrift "Zum ewigen Frieden": Hier argumentierte der Philosoph, stehende Heere (also Berufsarmeen) würden nur zu Wettrüsten und in weiterer Folge zu Kriegen führen. Im Gegensatz dazu stehe der defensive Charakter der Wehrpflichtigenarmee. Kant sieht es sogar als ethische Pflicht an, Berufsheere durch freiwillige periodische Wehrübungen der Staatsbürger zu ersetzen (vgl. "Zum ewigen Frieden", BA 8f.).
Außerdem wird argumentiert, die Wehrpflicht sei wichtig, damit jeder Mann zumindest einmal im Leben etwas direkt für den Staat und die Gesellschaft leisten müsse, außer Steuern zu zahlen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob die Leistung von Männern für Staat und Gesellschaft - von der Wehrpflicht einmal abgesehen - wirklich nur im Steuernzahlen besteht. Befürworter dieser These können zudem nicht plausibel erklären, warum Frauen - zumal, wenn sie kinderlos bleiben - nicht zu einer solchen Dienstleistung verpflichtet sind.
Ethische Argumente gegen die Wehrpflicht gibt es auch: Niemand hat das Recht einen Menschen zu gewissen Arbeiten zu zwingen, denn dies käme Zwangsarbeit gleich. Und wenn man absolut unmotiviert und nicht aus freien Stücken das Land verteidigen muss, ist dies weder ethisch vertretbar noch besonders effizient.
Juristische Argumente
Die Diskussion über die Wehrgerechtigkeit leitet sich aus Artikel 3 des Grundgesetzes ab.