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Kriegsdienstverweigerung

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Kriegsdienstverweigerung (KDV) ist die Weigerung, am Kriegsdienst teilzunehmen.

Geschichte der Kriegsdienstverweigerung[edit]

Infolge der Erfahrungen mit zwei Weltkriegen wurde im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland das Grundrecht verankert, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf (Grundgesetz-Artikel 4, Absatz 3) und erhielt somit Verfassungsrang. Die Bundesrepublik Deutschland war die erste Nation der Welt, die dieses Recht verankerte.

In der ehemaligen DDR gab es hingegen kein Grundrecht zur Wehrdienstverweigerung. Durch einen Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates am 7. September 1962 wurde jedoch die Bildung von sogenannten Baueinheiten angeordnet. Diese "Bausoldaten" mussten keinen Waffendienst leisten , sondern wurden unter anderem als Gärtner, Krankenpfleger oder in Großbetrieben eingesetzt, hatten jedoch mit Repressalien nach ihrer Dienstzeit zu rechnen. Eine Totalverweigerung hatte eine Gefängnisverurteilung zur Folge. 1987 wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung durch die Vereinten Nationen mit nur zwei Gegenstimmen (Irak, Mozambique) als internationales Menschenrecht anerkannt.

Mit der Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland wurde allerdings die Ausübung dieses Grundrechts dadurch erschwert, dass die Berechtigung zur Verweigerung einer behördlichen Überprüfung ("Gewissensprüfung") durch ein Antragsverfahren unterzogen wird.

(Un)möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung in anderen Staaten[edit]

Auch in vielen anderen demokratischen Staaten mit einer Wehrpflichtigen-Armee gibt es rechtlich die Möglichkeit, den Militärdienst zu verweigern. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wird in den verschiedenen Ländern unterschiedlich liberal oder streng gehandhabt, und ausgelegt. Manchmal dieses Rechts nur auf bestimmte Gruppen (mit bestimmten religiösen oder moralischen Überzeugungen) beschränkt, oder sie ist verbunden mit der Überwindung von mal mehr, mal weniger hohen rechtlichen Hürden.

In vielen totalitären Ländern ist Kriegsdienstverweigerung rechtlich nicht möglich; jeder kann dort zum Dienst an der Waffe gezwungen werden. Kriegsdienstverweigerung wird in solchen Staaten in der Regel als Fahnenflucht (Desertion) verfolgt und ist mit teilweise harten (Gefängnis)Strafen verbunden. Zumindest im Kriegszustand kann die Ahndung von Kriegsdienstverweigerung bzw. Desertion bis zur Todesstrafe führen.

Zusammenfassung für Deutschland[edit]

Zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gibt es in Deutschland zur Zeit das schriftliche Antragsverfahren. Über Form und Inhalt wird bei Experten zwar gerne gestritten, aber ein ehrlicher, selbst geschriebener Antrag eines Pazifisten kann auch nur eine einzige Seite umfassen. Nur in seltenen Fällen (also wenn der Antrag mehrmals fehlschlägt) wird heute noch eine mündliche Anhörung verlangt. Für Kriegsdienstverweigerer, die bis zum 30. Juni 1983 ihren Antrag stellten, war das die Regel. Es gibt auch Vorschläge, diese mündliche Anhörung, hauptsächlich aus Kostengründen, ganz abzuschaffen.

Eine Kriegsdienstverweigerung kann in Deutschland von jedem und jederzeit eingereicht werden, aufschiebende Wirkung hat aber nur ein Antrag vor der Einberufung. Wer nach der Einberufung verweigert, kann in Friedenszeiten dennoch zur Bundeswehr gezogen werden, bis über den Antrag entschieden wurde. Beratung für Kriegsdienstverweigerer bieten in vielen deutschen Städten die jeweils örtlich Beauftragten der christlichen Kirchen und die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner).

Kritik an den Verfahren[edit]

Mangelhafte Annahmeverfahren[edit]

Kritisiert wird oft, dass die Annahmeverfahren, die früher durch das Kreiswehrersatzamt und heute durch das Bundesamt für den Zivildienst durchgeführt werden, ob der großen Anzahl von Anträgen (etwa 30% eines Jahrgangs verweigern) sehr mangelhaft sind. So kann es sein, dass zwei gleiche Anträge von verschiedenen Antragsstellern zu gegensätzlichen Ergebnissen führen. Ebenfalls sind eindeutig rechtswidrige Anerkennungen bekannt, in denen der Antragsteller keinerlei Bezug auf Art. 4.3 GG nahm. Ein Fall wurde gar auf Basis ökologischer Gewissensgründe anerkannt, da Militärfahrzeuge im Gelände die Natur schädigen würden. Als noch in den ersten beiden Instanzen die Kreiswehrersatzämter entschieden, wurde zudem bemängelt, dass die Ausschüsse und Kammern naturgemäß parteiisch sein müssten. Diskutiert wurde daher immer wieder, ob nicht besser unabhängige Richter über die Anträge entscheiden sollten.

Prüfung des Gewissens?[edit]

Ein genereller Kritikpunkt an den in Deutschland in der Vergangenheit und heute gegebenen Anerkennungsverfahren von Kriegsdienstverweigerern war die Fraglichkeit der Prüfbarkeit eines Gewissens. Bei den bis in die achtziger Jahre des 20. JH. üblichen mündlichen Verfahren, die als Gewissensprüfung bezeichnet wurden, wurden teilweise ungewöhnliche Szenarien konstruiert, zu denen der Antragsteller eine seinem Gewissen konforme Stellungnahme abgeben sollte. Ein solches Szenario war, dass man versehentlich als Autofahrer jemanden tötet. Ein Antrag wurde abgelehnt, da sich der Antragsteller weigerte, seinen Führerschein abzugeben. Die Folge war, dass eine Reihe Zivildienstleistender im Fahrdienst Fahrten verweigerten. De facto wurden die Antragsteller jedoch von Organisationen, die Kriegsdienstverweigerer unterstützten, sowie von ihren Rechtsbeiständen darauf trainiert, rechtmäßig einwandfreie Antworten zu geben, sodass spätestens in dritter Instanz vor einem Verwaltungsgericht eine Anerkennung erstritten wurde.

Es ist kritisierbar, dass das Verfahren (auch in der heutigen Form) der Lüge Vorschub leistet. Wer den Zivildienst für wesentlich sinnvoller hält als den Kriegsdienst, ohne den Kriegsdienst prinzipiell aus Gewissensgründen abzulehnen, der hat einen starken Anreiz zu lügen – mit stillschweigender Billigung der meisten Beteiligten.

Verhalten der vernehmenden Personen[edit]

Die Art und Weise der Interaktion der Gewissensprüfer mit den Antragstellern wurde ebenfalls erheblich kritisiert. Antragsteller, die alleine ohne Beistand in die Verhandlungen gingen, berichteten regelmäßig von Voreingenommenheit, Beleidigungen und Provokationen. Teilweise wurde in Frage gestellt, ob ein Verfahren im Einzelfall noch der Menschenwürde gerecht würde.

Unglaubwürdige Szenarien[edit]

Die konstruierten Szenarien in den mündlichen Verhandlungen waren ein dauerhafter Streitpunkt. Bevorzugt wurden hoch interpretierbare Szenarien vorgestellt, die teilweise jenseits jeder Wahrscheinlichkeit lagen. Ein Beispielszenario war, dass man sich nach dem Untergang eines Schiffes dank eines Stückes Treibholz über Wasser halten konnte. Ein anderer Schiffbrüchiger schwimmt heran, aber das Treibholz reicht nicht aus, um beide zu tragen. Was tut der Antragsteller? Weist er den anderen zurück, so konnte er offensichtlich doch die Tötung eines anderen Menschen akzeptieren. Sagte er aus, er würde sich opfern und das Treibholz dem anderen überlassen, so war die Antwort offensichtlich unglaubwürdig. Sagte er, es käme zu einem Kampf, so versuche der Antragsteller entweder einer Antwort auszuweichen, oder aber er sollte Stellung beziehen, ob er im Rahmen des Kampfes die Tötung des anderen in Kauf nahm.

Umstritten war, ob die Kreiswehrersatzämter informell Anerkennungsquoten hätten und somit die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern in den mündlichen Anhörungen eher von der Anzahl der benötigten Wehrpflichtigen bestimmt wurde, als von der Argumentation des Antragstellers. Dieselbe Frage wurde gestellt, als mit Abschaffung der mündlichen Anhörungen die Dauer des Zivildienstes von 16 auf 20 Monate erhöht wurde (Wehrdienst damals 15 Monate). Dabei wurde argumentiert, dass die Dauer des Wehrdienstes inklusive späterer Wehrübungen durchaus 20 Monate erreichen könne, was aber nur ausnahmsweise der Fall war. Mit derselben Argumentation wurde zuletzt auch die Verkürzung des Zivildienstes auf 9 Monate vertreten.

In Teilen der Gesellschaft fand man es stets bedenklich, dass ein Kriegsdienstverweigerer nachweisen musste, dass er irreparablen seelischen Schaden erleiden würde, sollte er gegen sein Gewissen Kriegsdienst an der Waffe leisten (und bei dieser Gelegenheit einen anderen Menschen töten) müssen. Dagegen wurde postuliert, dass ein normaler Soldat keinen solchen Schaden erleiden müsste, was allerdings der Gefechtsrealität widersprach. Einige Gruppierungen regten daher in den siebziger und frühen achtziger Jahren immer wieder eine analoge Prüfung für Soldaten an, in denen die angehenden Rekruten glaubhaft darlegen sollten, dass sie ohne irgendwelche psychischen Probleme Menschen töten könnten, da sie sonst zum Kriegsdienst mit der Waffe nicht geeignet seien. Der Vorschlag wurde jedoch politisch niemals aufgegriffen.

Anerkennungsgründe (Deutschland)[edit]

Basis für die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sind ausschließlich Gewissensgründe nach Art. 4.3 GG.

Die reine Behauptung, dass das Gewissen den Kriegsdienst verbietet, reicht nicht aus. Ebenfalls sind religiöse Gründe unzureichend, beispielsweise der Glaube und die Furcht, auf Grund eines im Krieg getöteten Menschen in die Hölle zu kommen. Dagegen kann die Religion für den Gewissensbildungsprozess, der im Rahmen des Antrags dargestellt werden muss, durchaus wichtig sein.

Zu Zeiten der deutschen Teilung wurde auch nicht akzeptiert, dass man eigenen Verwandten gegenüber stehen könnte, und diese gegebenenfalls töten müsste.

Für eine Anerkennung muss der Antragsteller glaubhaft darlegen, dass er irreparablen seelischen Schaden erleiden und die Persönlichkeit zerbrechen würde, sollte er als Soldat einen Menschen töten müssen. Dagegen ist persönliche Notwehr (die von der kollektiven Notwehr unterschieden wird, in die ein Soldat gezwungen wird) akzeptabel. Sowohl in persönlicher Notwehr (Angriff auf das eigene Leben) als auch in persönlicher Nothilfe (z.B. Angriff auf Freundin/Freund) kann die Tötung des Angreifers in Kauf genommen werden, ohne dass die eigene Persönlichkeit zerbrechen muss. Dasselbe gilt, wenn man als Zivilist im Kriegsfall einen feindlichen Soldaten tötet, der sich rechtswidrig verhält (Genfer Konventionen). - Irrelevant dabei ist letztendlich die tatsächliche Gewissenslage. Die Ablehnung persönlicher Notwehr oder der Unwillen, das Leben eines Täters höher als das des Opfers zu bewerten, wurde im Einzelfall so ausgelegt, dass der Antragsteller unglaubwürdig sei.

Da heute in der Regel eine schriftliche Verweigerung zur Anerkennung ausreicht und es einen sinkenden Bedarf an Wehrdienstleistenden bei steigendem Bedarf an Zivildienstleistenden gibt, sind solche "Spitzfindigkeiten" kaum noch relevant.

Kriegsdienstverweigerungen von Frauen in Deutschland[edit]

Seit dem 1. November 2003 können auch Soldatinnen den Kriegsdienst verweigern.

Davon abgesehen verweigern auch Frauen, die nicht in der Bundeswehr dienen, gelegentlich den Kriegsdienst, was aber oft nur zu Verwirrung bei den Ämtern führt. Basis ist hierbei Art. 12a Absatz 4 GG: Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. Eine Frau, die, ohne der Bundeswehr anzugehören, diesen Dienst verweigert, tut das ohne Rechtsgrundlage und könnte mit einem Totalverweigerer gleichgesetzt werden. Rechtliche Konsequenzen aus Frauen-KDV sind nicht bekannt.

Wehrpflicht, Kriegsdienstverweigerer und Soziales System[edit]

Derzeit findet in Deutschland eine Diskussion um die Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht statt, die letztendlich auch die Abschaffung des Zivildienstes mit sich brächte. Eine Kriegsdienstverweigerung beträfe im gesetzten Fall nur Berufssoldaten, die sich im Nachhinein auf Gewissensgründe berufen.

Da jedoch eine Reihe von sozialen Einrichtungen in erheblichen Maße auf Zivildienstleistende als engagierte und billige Arbeitskräfte angewiesen sind, würde dies zu finanziellen Problemem oder Personalengpässen bei diesen Einrichtungen führen. Diskutiert wird derzeit ein soziales Pflichtjahr oder die Förderung freiwilligen Sozialdienstes, sollte die Wehrpflicht abgeschafft werden. Insofern wird die Zukunft der Wehrpflicht, der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes in Deutschland vom Gesetzgeber eher als eine politische Frage diskutiert, etwa angesichts des Problems, wie soziale Interessengruppen und die Finanzierung des Sozialstaats berücksichtigt werden können.

Die Frage der nationalen Verteidigungsfähigkeit und die Forderungen vieler Politiker und militärischer Kreise nach neuen Aufgaben der Bundeswehr nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und des Kalten Krieges, die deren Flexibilität und internationale Einsatzfähigkeit ermöglichen soll, wird mit einer Umstrukturierung der Armee beantwortet. Der Artikel 4 Absatz 3 in seinem moralischen Ursprung spielt bei diesen Diskussionen derzeit nur eine untergeordnete Rolle.

Literatur[edit]

  • Oberschachtsiek, Bernd. Aktiv gegen oliv. Leitfaden für Kriegsdienstverweigerer. 2., überarbeitete Auflage. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1998. ISBN 3-462-02535-X. Sehr guter Ratgeber um eine Kriegsdienstveweigerung zu verfassen
  • PDF-Download von: Rosenke, Jens, Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung in Artikel 4 Absatz 3 im Spannungsverhältnis mit der Landesverteidigung, FU Berlin SoSe 1999 (www.leistungsschein.de)

Siehe auch[edit]

Weblinks[edit]

Kategorie:Kriegsdienstverweigerung Kategorie:Pazifismus