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Liebe

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Liebe hat verschiedene Facetten. Als erstes Versuchen wir den Sammelbegriff Liebe in seine verschiedenen Bedeutungen aufzuschlüsseln. Der Artikel betrachtet so Liebe als Gefühl, Liebe als Fähigkeit und Sexualität. Als Anarchist_innen sollten wir versuchen Liebe von seinen bürgerlichen Illusionen und Vereinnahmungen zu befreien. Einen solchen Versuch starten wir in Liebe in Zeiten des Kapitalismus [1]. In Liebe als Spandrel wird nach Precht [2] versucht den Ursprung der Liebe zu erklären. An dieser Stelle gehen wir auch auf Homosexualität und die Natürlichkeitsdebatte ein. Als letztes zeichnen wir noch verschiedene Arten der Beziehungsformen nach, da diese eng mit dem Begriff der Liebe und seinen vielen Facetten zusammenhängt.

Unter "Liebe als Gefühl" versuchen wir im weiteren Liebe in verschiedene Arten aufzuschlüsseln. Damit soll keine entgültige Trennung z.B. zwischen der Liebe zu Freund_inn oder Partner_innen vorgenommen werden, sondern eine hierarchiefreie Möglichkeit geschaffen werden, Liebe in ihren verschiedenen Formen beschreibbar zu machen [3]

Desweiteren ist Liebe nicht nur als Gefühl zu definieren, dem wir passiv ausgesetzt sind, sondern auch als Fähigkeit, die wir selbst ausbilden müssen. [4]. Eine ganz andere Sicht auf die Liebe, hier als dritte Angeführt, ist die von Niklas Luhmann. Er versucht Liebe "als symbolische[n] Code, der darüber informiert, wie man in Fällen, wo dies eher unwahrscheinlich ist, dennoch erfolgreich kommunizieren kann" [5].

Luhmann bildet zusammen mit Michel Foucault, auch wenn sich diese an gewissen Punkten widersprechen, die Möglichkeit einer dialektischen Aufhebung des Widerspruches von Liebe als Gefühl und Liebe als Fähigkeit. Dazu mehr in Kritik der Liebe als Fähigkeit. In dem Kapitel Liebe ist die Antwort auf welche Frage? geht es abschließend um den subversiven Charakter der Liebe. Wieviel revolutionäres Potenzial steckt wirklich in der Liebe bzw. anderen Formen der Beziehungsstruktur?

Liebe als Gefühl[edit]

Liebe[edit]

"Die Gefühle emanzipieren sich vom schlichten Reiz der Emotion." Richard David Precht [6]

Was ist ein Gefühl? Zu den Emotionen zählen Hunger, Durst, Kälteempfinden und Schmerzen. Gefühle wie Liebe gehen über das reine Reiz-Reaktionsschema von Emotionen weit hinaus und sind daher viel schwieriger zu erklären. Gefühle haben immer einen reflektierenden Teil: Ich selbst bemerke eine oder mehrere Emotionen bei mir die ich versuche einzuordnen und zu verstehen. Dazu noch einmal Precht:

"Der tatsächliche Vorgang des Liebens, aus dem >>die Liebe<< besteht, ereignet sich dagegen auf mehreren Ebenen: Ein anderer Mensch übt einen starken sinnlichen (und zwar nicht ausschließlich sexuellen) Reiz auf mich aus. Fast automatisch werde ich von diesem Reiz >>ergriffen<< - Eine Emotion. Im zweiten Schritt merke ich, dass etwas mit mir passiert - ein Gefühl. Ich reagiere nicht nur auf die von dem anderen Menschen ausgehenden Signale, sondern ich versuche sie zu begreifen, einschließlich der Gründe, die mich zu meiner Reaktion veranlassen. [...] In einem dritten Schritt versetze ich mich bewusst so weit in den anderen hinein, dass ich auf seine Wünsche und Bedürfnisse eingehen kann - ein reflektiertes Verhalten." [7]

Gefühle sind also hochkomplex, sich selbst reflektierend und stehen in einem Zusammenhang zu unseren Emotionen. Da Liebe als Gefühl einen bewussten Anteil hat (die Reflektion) ist der kulturelle Einfluss auf unser Gefühlsleben, gerade bei der Liebe, kaum hoch genug einzuschätzen. Dazu Fromm:

"Jedenfalls entwickelt sich das Gefühl der Verliebtheit gewöhnlich nur in Bezug auf solche menschlichen Werte, für man selbst entsprechende Tauschobjekte zur Verfügung hat. Man will ein Geschäft machen; [...] So verlieben sich zwei Menschen ineinander, wenn sie das Gefühl haben, das beste Objekt gefunden zu haben, das für sie in Anbetracht des eigenen Tauschwerts auf dem Markt erchwinglich ist. [...] in einer Kultur, in der die MArketing-Orientierung vorherrscht, in welcher der materielle Erfolg der höchste Wert ist, darf man sich kaum darüber wundern, daß sich auch die menschliche Liebesbeziehung nach den gleichen Tauschmethoden vollziehen, wie sie auf dem Waren- und Arbeitsmarkt herrschen." [8]

Wir sehen also dass Liebe nicht nur als Fähigkeit, sondern auch als Gefühl betrachtet immer kulturellen Normen unterliegt. Weitere Beispiele dafür finden wir in den verschiedensten Arten von Beziehungsstrukturen, je nachdem in welchen Kulturkreis wir blicken. Natürlich ist die Pluralität an verschiedenen Beziehungsformen nicht nur mit dem kulturellen Aspekt der Liebe zu erklären. Beziehungsformen sind in vielen Kulturen und Zeitaltern kein Produkt der Liebe, sondern rationalen Erwägungen. Dazu Fromm:

"Im Viktorianischen Zeitalter war die Liebe [...] kein spontanes persönliches Erlebnis, das hinterher vielleicht zu einer Heirat führte. Ganz im Gegenteil: [...] Der [Heirats]Abschluß erfolgte aufgrund gesellschaftlicher Erwägungen unter der Annahme, daß sich die Liebe nach der Heirat schon einstellen werde." [9]

In diesem Falle gibt es noch einen Zusammenhang zwischen Liebe und Beziehung, wenn auch im Verhältnis zur romantischen Zweierbeziehung mit umgedrehten Vorzeichen. In anderen Kulturepochen gibt es Beziehungsformen die ganz ohne Liebe auskommen. So beschreibt Engels:

"Vor dem Mittelalter kann von individueller Geschlechtsliebe nicht die Rede sein. Daß persönliche Schönheit, vertrauter Umgang, gleichgestimmte Neigung etc. bei Leiten verschiedenen Geschlechts das Verlangen zu geschlechtlichem Verkehr erweckt haben, daß es den Männern wie den Frauen nicht total gleichgültig war, mit wem sie in dies intimste Verhältnis traten, das ist selbstredend. Aber von da bis zu unsrer Geschlechtsliebe ist noch unendlich weit. [...] Das bißchen eheliche Liebe, das das Altertum kennt, ist nicht etwa subjektive Neigung, sondern objektive Pflicht, nicht Grund, sondern Korrelat der Ehe" [10]

Die romantische Liebe, d.h. Liebe als Erfüllung spielt nach Engels in der Antike höchstens außerhalb der Ehe, also als Ehebruch eine Rolle. In dieser Rolle steht sie auch wieder im Mittelalter. [11]

In der Moderne und vor allem der Postmoderne wird Liebe zu einem festen Bestandteil der Biopolitik.

"Wie andere Gefühle (Trauer, Freude, Wut) ist [Liebe] ein - in einem gesellschaftlichen Kontext eingebundenes - subjektives Erleben. In der Wechselwirkung zwischen Erleben und Handeln ist die Liebe eine Grundlage für das Handeln der Subjekte. Sie befinden sich damit auch im Zentrum machtpolitischer Interessen. In diesem Zentrum bildet Liebe zwischen den gesellschaftlichen Ensembles von Sexualität, Freundschaft, Solidarität und Glauben ein Dispositiv."Schroedter / Vetter, [12]

Zusammenfassend bleibt zu sagen: Als Gefühl ist Liebe nur zu fassen innerhalb eines kulturellen Kontextes. So ist aller Biologisierungsversuche zu trotz klar, das Liebe sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder gewandelt hat und auch wandelt. Was als Liebe gewertet wird und was nicht unterliegt kulturellen Codes, einem kulturellen Diskurs.

Im weiteren werden wir Liebe als Gefühl unterteilen in Verschiedene Arten der Liebe. Diese haben verschiedene Überschneidungspunkte, können manchmal deckungsgleich sein und stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der Sinn hinter dieser Ausführung ist es einmal, soziologische Studien welche sich dieser Trennung bedienen, mithilfe der folgende Liste verstehen zu können. Zweitens werden wir auch in diesem Artikel diese Unterteilung nutzten.

Die Unterscheidung in verschiedene Arten der Liebe wird uns im weiteren Helfen mit dem Begriff der Liebe konstruktiv umzugehen.

Eros

Unter Eros verstehe man eine Liebe die sich an idealen Schönheitsbildern orientiert. Dieser "Liebesstil" ist geprägt von der Suche nach einem_einer perfekten Geliebten [13]

Ludus

Der Begriff Ludus wird genutzt um eine spielerische Liebe zu beschreiben, in Abgrenzung zu einer ernsthaften Liebe.

Storge

Bezeichnet geschwisterliche Liebe, oder die Liebe zwischen sehr alten Freund_innen.

Manie

Manie ist die bezeichnung für jede Art der Zwanghaften oder Paranoiden Art der Liebe

Agape

Agape ist die selbstlose Liebe, die "Nächstenliebe" das Neuen Testaments und die Mutterliebe

Pragma

Bezeichnet Vernunft-Ehen (bzw. Vernunft-Beziehungen), besonderns zu beginn der Aufklärung ein Ideal des Bürgertums, dessen kleinbürgerliche Familie von den "Romantikern" bedroht wurde.

Die in unserem Artikel vorgenommene Trennung zwischen Gefühl und Fähigkeit ist nicht zu verstehen als zwei sich gegenseitig ausschließende Sichtweißen auf Liebe. Viel mehr sehen Precht sowie Fromm Liebe als Gefühl und Fähigkeit an.

"[Die Liebe] ist ein Bedürfniss und eine Versammlung von Vorstellungen. Sie ist als Verlangen angeboren und als Fähigkeit durch Erfahrungen genährt und geprägt" Precht [14]

"Vielleicht sollte man besser sagen, daß die Wahrheit weder in der einen, noch in der anderen Auffassung zu finden ist." Fromm [15]

Mehr zur Überwindung des Widerspruchs zwischen Liebe als Fähigkeit und Liebe als Gefühl in diesem Artikel unter der Überschrift Kritik der Liebe als Fähigkeit

Verlieben[edit]

"Drei Jahre Verliebtheit gilt als das Maximum der Gefühle, drei bis zwölf Monate als der Durchschnitt. Bei vier Jahren partnerschaftlicher Bindung legt laut internationaler Statistik die durchschnittliche Scheidungszeit. Die Schmetterlinge im Bauch verwandeln sich wieder in Raupen" Precht [16]

In Abgrenzung zu Liebe ist verlieben eher als Emotion zu betrachten. Bestimmte biochemische Vorgänge sorgen für die Ausschüttung von verschiedenen Hormonen, unter anderem von Oxytocin und Vasopressin. Diese sorgen für ein Hochgefühl, nicht nur wenn der_die Partner_innen oder Objekt(e) unserer Liebe anwesend ist_sind. Auch das "Verliebt sein" ist nicht zu reduzieren auf biochemische Vorgänge. Kulturelle Codes, Normen, Erziehung, frühkindliche Prägungen und Umwelteinflüsse prägen was für Gerüche, Körper, Gesten und Berührungen wir attraktiv finden. Während Liebe aber durch den reflexiven Akt auch eine bewusste Komponente hat, ist der Akt des verliebens wesentlich stärker durch unbewusste Vorgänge geprägt.

Auf die, für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen oft fatalen Folgen der Verwechslung von Liebe und verliebt sein gehen wir im Kapital Liebe als Gefühl und vor allem in Liebe in Zeiten des Kapitalimus genauer ein.

Kritik der Liebe als Gefühl[edit]

"In diesem Sinne ist das Medium Liebe selbst kein Gefühl, sondern ein Kommunikationscode, nach dessen Regeln man Gefühle ausdrücken, bilden, simulieren, anderen unterstellen, leugnen und sich mit all dem auf Konsequenzen einstellen kann, die es hat, wenn entsprechende Kommunikation realisiert wird." [17] Niklas Luhmann

Etwas leichter verständlich drückt sich Precht in dieser Hinsicht aus:

"Stimmt das, [das Liebe keine Gefühl ist, Anmerkung von Lila_Fee] dann ist der Satz >>ich liebe dich!<< keine Gefühlsäußerung wie etwa der Satz >>ich habe Zahnschmerzen!<<. Gemeint ist ein ganzes System von Versprechen und Erwartungen. Wer seine Liebe versichert, verspricht, dass er sein Gefühl für zuverlässig hält und dass er für den Geliebten Sorge trägt. Dass er also bereit ist, sich wie ein Liebender zu verhalten mit all dem, was dies in den Augen des anderen in unserer Gesellschaft bedeutet." [18] Richard David Precht

In diesem Sinne ist Liebe also nicht ein Gefühl, sondern ein Versprechen bzw. mehrere Versprechen.

Liebe als Fähigkeit[edit]

"Hinter der Einstellung, daß man nichts lernen müsse, um lieben zu können, steckt [...] die Annahme, es gehe bei dem Problem der Liebe um ein Objekt und nicht um eine Fähigkeit." Erich Fromm [19]

Fromm sieht Lieben als Fähigkeit an. Damit will er Liebe nicht zu etwas erklären das gänzlich unter der Kontrolle unseres Bewusstseins steht. Aber er sieht durchaus die Möglichkeit durch das Erkennen unserer Gefühle und dem Ergründen ihres Ursprungs Einfluss zu nehmen. Dieser Schluss führt ihn dazu, das wir die "Kunst des Liebes" nur erlernen können, wenn wir einige andere Disziplinen beherrschen.

Als Grundlage unsere Liebesfähigkeit auszuschöpfen sieht Fromm Disziplin an. Ohne diese sei es uns nicht möglich in irgend einer Kunst den Meistergrad zu erreichen. Desweiteren sieht er Geduld und Konzentration als notwendig an. Er unterscheidet dabei zwischen autoritärer Disziplin, die uns von außen aufgenötigt wird um uns zu entfremden (Lohnarbeit), und Selbstdisziplin um uns die Möglichkeit zu geben die ihn uns schlafenden Potentziale zu wecken [20]

Erich Fromm sieht die Fähigkeit zu Lieben also in Abhängigkeit zu der Charakterentwicklung des jeweiligen Menschen. Daher gibt es bei einem Menschen der sich noch nicht voll entfaltet hat eine ganze Reihe an Pseudolieben auf die wir am Ende des Kapitals eingehen werden.

Gerade die Unterscheidung von verliebt sein und Lieben auf die wir näher eingehen im Kapital Liebe als Gefühl, spielt auch bei der falschen Einschätzung von Liebe als Fähigkeit eine Rolle.

"Der [...] Irrtum, der zu der Annahme führt, das Lieben müßte nicht gelernt werden, beruht darauf, daß man das Anfangserlebnis >>sich zu verlieben<<, mit dem permanenten Zustand >> zu lieben<< verwechselt. " Fromm [21]

Die fehlende Bereitschaft von Menschen langfristige Bindungen einzugehen, wenn die Phase der Verliebtheit vorbei ist, wird uns noch in Liebe in Zeiten des Kapitalismus näher beschäftigen. An dieser Stelle bleibt zu sagen, das alle Fähigkeiten des Menschen innerhalb des konsumorientierten Kapitalismus verkümmern oder gar nicht erst ausgebildet werden. Der Mensch wird passiv und verliert seine Fähigkeit zur produktivität. Er entfremdet sich von sich selbst [22] Dieser passive Charakter bringt auch einen Hedonismus mit sich, der dem bürgerlichen Individuum als Weltanschaung in die Hände spielt. Der Hedonismus rechtfertigt moralisch jede Art der Trägheit und der sofortigen Lustbefriedigung, die einer Emanzipation des Menschen und ein Herausbilden seiner Fähigkeiten im Weg steht. Somit ist der Hedonismus, definiert er sich auch als "Lehre der sinnlichen Lust, ein Hemmnis bei der Herausbildung der Liebesfähigkeit.

Liebe als Fähigkeit wird nach Fromm durch vier Eigenschaften gekennzeichnet:

- Fürsorge - Verantwortungsgefühl - Achtung vor dem Anderen - Erkenntnis

Pseudolieben[edit]

Die von Fromm genannten Arten der "Pseudoliebe" lassen sich auch als Manie definieren.

Der Sadismus, der einen anderen Menschen vereinnahmt. Das eigene Ego wird aufgebläht, schluckt das andere Individuum. Fromm sieht das in Abgrenzung zu einer reifen Liebe in der sich die Liebenden gegenseitig als Eigenständige Wesen begreifen.

Der Masochismus, der einen anderen Menschen von sich Besitz ergreifen lässt. Er ist nicht der Gegensatz, sondern die andere Seite des Sadismus. Zumeist neigen Masochist_innen zu Sadismus gegenüber Menschen die sie als "Tieferstehend" begreifen, sowie Sadist_innen zu Masochismus neigen bei Führungspersonen etc.

Liebe als Spandrel[edit]

"Der Begriff Spandrel (englisch für Spandrille, Bogenwinkel) als Bezeichnung für ein evolutionsbiologisches Phänomen wurde 1979 durch Stephen Jay Gould und Richard C. Lewontin geprägt. Der Begriff stammt aus der Architektur, wo er eine dekorierte Fläche zwischen einem Rundbogen und seiner rechteckigen Umrandung bezeichnet. Gould benutzt diese Baumerkmale als Metapher für biologische Phänomene: Er bezeichnet damit Eigenschaften von Phänotypen, die seiner Theorie zufolge im Laufe der Evolution als Nebenprodukte echter Anpassung entstanden sind." [23] Wikipedia

Richard Lewontin und Stephen Jay Gold gehen davon aus, das bestimmte Phänomene nicht direkt als evolutionäres Produkt zu betrachten sind, sondern als Reaktion auf andere Eigenschaften. Anhand des Menschen versuchen sie so die Religion zu erklären. Die Ausbildung eines immer differenzierteren Sozialverhaltens brachte uns eigenschaften wie die Empathie und Einfühlungsvermögen. Durch die wachsende Fähigkeit zur Selbstreflexion enstehen allerdings auch Ängste: Einsamkeit, Todesfurcht, etc. Als Spandrel, als Reaktion auf diese (nützliche) Anpassung schaffte der Mensch die Religion

Precht wendet dieses Prinzip nun an um die Liebe zu erklären:

"Doch wenn es richtig ist, dass die Fähigkeit zu lieben aus der Mutter-Kind-Beziehung entspringt, dann wäre jeder andere Gebrauch möglicherweiße ebenfalls ein Spandrel. Sensibilität und Intelligenz könnten Menschen dazu gebracht haben, ihren emotionalen Wirkungskreis über die engste Familie hinaus auszudehnen. Ansätze dazu gibt es nach Jane Goodall bereits bei Schimpansen und anderen Menschenaffen: Die Tiere pflegen zueinander individuelle Beziehungen. Die Liebesfähigkeit weitete sich aus auf andere Hordenmitglieder, auf >>Freunde<< und eben auch auf das andere Geschlecht. Trifft dies zu, so wäre die Liebe zwischen Mann und Frau nur ein >>logisches Abfallprodukt<< der Mutter-Kind-Beziehung in sensiblen und intelligenten Familien- und Hordenverbänden.[...] In diesem Sinne wäre unsere Fähigkeit zur Liebe zwischen den Geschlechtern zwar das Ergebnis einer Anpassung, aber einer Anpassung, die nicht zwingend notwendig war. Im genetisch-evolutionären Sinne bleibt die geschlechtliche Liebe eine >>harmlose Überflüssigkeit<<. Denn ohne Liebe geht es zwischen Mann und Frau auch!" [24]

Precht geht es bei seiner Theorie der Liebe als Spandrel vor allem darum, zu zeigen das die romantische Liebe eine Bündelung von Liebe, Verliebheit, Lust und Sex vornimmt, die nicht biologisch bedingt ist. Sollte Liebe, wie populär angenommen, ein Gefühl sein das evolutionär entstanden ist um die geschlechtliche Liebe zu befördern, liegt diese Bündelung nahe. Schnell wird die romantische Liebe zu einem natürlichen Gefühl erklärt, biologisiert und damit unkritisierbar. Prechts Spandreltheorie hingegen schafft die Möglichkeit aus einer biologischen Sicht die romantische Liebe als Diskurs zu sehen. Dazu noch einmal Precht:

"Die zweite Folge ist: Es gibt keine Neurochemie der geschlechtlichen Liebe, kein romantisches >>Modul<< im Gehirn. Da geschlechtliche Liebe allen Anschein nach weder biologisch notwendig noch sinnvoll ist, hat sich unser Gehirn auch nicht evolutionär daran angepasst. Die Chemie der körperlichen Lust, die Chemie der seelischen Erregung und die Chemie von Geborgenheit, Zuneigung und Vfertrauen begegnen sich in unserem Gehirn nur flüchtig im Hausflur. Diese Erkenntnis durchzieht die Geschichte der abendländischen Kultur als >>stummes Wissen<< bis zum Beginn des bürgerlichen Zeitalters. Erst hier kommt es zum >>universelen Experiment<<, alles in allem haben zu wollen - die Erfindung der >>Romantik<<. Die Romantik bringt die ordentlich getrennten Bereiche Lust, Leidenschaft und Bindung auf unordentliche Weise zusammen - eine Quadratur unserer Hirnschaltkreise und die bio-psychologische Generalüberforderung der Moderne" [25] Precht

Precht selbst geht in seinem Buch kaum auf Homosexualität ein. Dabei ist seine Spandrel Theorie gerade auch in diesem Zusammenhang spannend. Zwar ist der Mensch zwar als Kulturwesen so oder so nicht alleine auf seine Biologie oder evolutionäre Entwicklungen zu reduzieren. Ist die erotische Liebe aber auch evolutionär nie entstanden, um die Paarung zu erleichtern, führen sich alle christlich-konservativen Argumentationen der Widernatürlichkeit der Homosexualität ad absurdum.

Weitere Belege das 'Homosexualität nicht als reines Kulturprodukt zu werten ist die ausgeprägte Homosexualität bei verschiedenen Menschenaffen u.a. den Bonoboaffen. Siehe dazu auch Homosexualität

Sexualität[edit]

Liebe in Zeiten des Kapitalismus[edit]

Beziehungstrukturen[edit]

Das die Liebe als Gefühl auch als Grundlage für eine Ehe dienen kann ist eine historisch junge Erscheinung [26]. Erst das aufkommende Bürgertum des 18. Jahrhunderts brachte die Vernunftehe auf. Durch diese Vorarbeit war es den Romantikern möglich eine "romantische" Ehe anzustreben, in der die Liebe als unbändige Leidenschaft (die Betonung liegt hier auf dem passiven Character den der_die Liebende_r einnimmt gegenüber dieser Leidenschaft die ihn umfängt) Grundlage einer Bindung sein sollte. In Form der modernen "Romantischen Zweierbeziehung" ist die Liebe zur Grundlage eines Großteils der erotischen Beziehung in der Moderne geworden (Zumindest innerhalb Europas). Ausgenommen ist die bis heute existierende Prostitution, so wie postmodernen Lebensformen wie der Polyamorie, die sich zwar nicht zwangsläufig von einem romantischen Liebesbild verabschieden müssen, aber sich davon emanzipieren können

Die klassische Zweierbeziehung im Westen ist zum großen Teil aufgebaut auf der Propaganda der Katholischen Kirche, die sich nach dem Verlust der weltlichen Macht und dem Auflösen größerer gesellschaftlicher Zusammenhänge auf ein letztes Rückzugsgebiet zurückggezogen hat. So hatte die Paarbeziehung in früheren Jahrhunderten nicht die herausragende Stellung in der westlichen Gesellschaft, wie sie sie heute hat. Die gemischtgeschlechtliche Paarbeziehung wird hier als Ausgangs- und Bezugspunkt für alles Glück gesehen und somit auch mit Erwartungen überfrachtet. Nicht zuletzt hat sich in den letzten Jahren der Druck vermehrt, dass gemischtgeschlechtliche Paarbeziehungen Kinder kriegen. Dafür ist mensch nun teilweise auch bereit, die Ehe als Voraussetzung aufzugeben. Erst seit kurzem werden gesellschaftlich auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften einigermaßen toleriert, die noch in den 1990er Jahren illegalisiert wurden. Somit stellt sich die Liebe in der Partnerschaft vielerorts als Schlachtfeld für eine Vielzahl an gesellschaftlichen Konflikten dar, nicht zuletzt auch die lange Zeit seitens der Gesellschaft verweigerte Emanzipation der Frauen.

Liebe ist die Antwort auf welche Frage?[edit]

Wenn die Geschichte der erotischen Beziehungsformen zu Rate gezogen wird, ist klar erkennbar das die patriarchale Familie im römischen Imperium, das Clansystem in Teilen des alten China wie auch die bürgerliche Ehe zu sehr geringen Teilen von der Liebe geprägt waren. Sie waren im besten Falle Zweckbündnisse zwischen Individuuen, zumeist eher unterdrückerische Institutionen zur Machtsicherung und fertige Rollenmuster zu Aufteilung unterschiedlicher Wirtschaftsaufgaben anhand der Geschlechter. Bis heute ist die untergeordnete Rolle der Arbeiten die als weiblich klassifiziert wurden zu merken. So ist jegliche reproduktive Arbeit, ob Kinder erziehen, putzen o.ä. immer noch nicht oder sehr viel schlechter bezahlt als andere Arbeit.

Ist der subversive Charakter der Liebe also das Interesse drängt sich eine Frage auf: Welche Beziehungsformen werden überhaupt durch die Liebe geprägt und haben diese einen besonders subversiven Charakter?

Der "romantische Zweierbeziehung",die im Westen Europas die prägende erotische Beziehungsform geworden ist, kann kein subversiver Charakter unterstellt werden. Auf ihren systemstabilisierenden Charakter wurde an vielen Stellen hingewiesen. Die durch sie geförderte "Wir zwei gegen den Rest der Welt" Mentalität ist mit verantworlich für die soziale Verrohung. Das Schaffen eines kleinen "Heile-Welt" Kosmos ist förderlich für die Reproduktion der Arbeitskraft und schafft in ihrer sauberen Einteilbarkeit in "Freizeit" und "Arbeit" die Grundlage für den modernen Kapitalismus. Die RZB, als die unsere Gesellschaft prägende Beziehungsform die auf Liebe basiert, zeigt also das Liebe zumindest prinzipiell keinen subversiven Charakter hat. [27]

"Die Subversivität einer freien Liebe, die noch weit über die von Susanne Rau formulierte <<Partnerwahl>> hinausgeht, war für die Machtverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft eine Bedrohung, da sie eine Infragestellung patriarchaler Strukturen darstellte und die Familie als Ort der Reproduktion zerstört hätte" [28] Thomas Schroedter / Christina Vetter

Andere erotische Beziehungsformen die auf Der Liebe basieren sind für unsere Fragestellung interessanter. Die Polyamorie sowie Kommunegeflechte können subversives Potenzial entwickeln. Dazu mehr unter Polyamorie

Allgemein sehen wir keinen Zusammenhang zwischen Subversivität und Liebe. Carol Hanischs "Das Persönliche ist politisch" ist nach wie vor die Losung

Die Zukunft der Liebe?[edit]

"Was aber von der Monogamie ganz entschieden wegfallen wird, das sind alle die Charaktere, die ihr durch ihr Entstehn aus den Eigentumsverhältnissen aufgedrückt wurden, und diese sind erstens die Vorherrschaft des Mannes und zweitens die Unlösbarkeit. [...] Was wir also heutzutage vermuten können über die Ordnung der Geschlechtsverhältnisse nach der bevorstehenden Wegfegung der kapitalistischen Produktion ist vorwiegend negativer Art, beschränkt sich meist auf das, was wegfällt. Was aber wird hinzukommen? Das wird sich entscheiden, wenn ein neues Geschlecht herangewachsen sein wird: ein Geschlecht von Männern, die nie in ihrem Leben in den Fall gekommen sind, für Geld oder andre soziale Machtmittel die Preisgebung einer Frau zu erkaufen, und von Frauen, die nie in den Fall gekommen sind, weder aus irgendwelchen anderen Rücksichten als wirklicher Liebe sich einem Mann hinzugeben, noch dem Geliebten die Hingabe zu verweigern aus Furcht vor den ökonomischen Folgen. Wenn diese Leute da sind, werden sie sich den Teufel darum scheren, was man heute glaubt, daß sie tun sollen; sie werden sich ihre eigene Praxis und ihre danach abgemeßene öffentliche Meinung über die Praxis jedes einzelnen selbst machen - Punktum" [29]

Liebe sollte nicht besitzergreifend sein und der Partnerin bzw. dem Partner immer Freiraum einräumen. Problematisch sind dabei sicher oft gesellschaftliche Konzepte in unseren Köpfen oder Gefühle der Eifersucht. Hier kann uns auch die Psychologie helfen zu ergründen, was tatsächlich in uns angelegt i(dem wir auch immer Raum geben sollten), und was in uns lediglich ein verqueres gesellschaftliches Konzept (das wir bemühen sollten abzulegen) ist.

In der Liebe sind Regeln tödlich, denn sie töten das unmittelbare Gefühl ab. Deswegen lehnen AnarchistInnen auch Schwüre wie die Ehe ab. Die Vielzahl an Ehescheidungen deutet auch darauf hin, dass das Konzept ewiger Treue dem Menschen nicht gerecht wird und eher zu mehr Leiden führt.

Nicht jede/r ist aber auch bereit zur absolut freien Liebe. Wir suchen in Beziehungen auch oft ein Stück Sicherheit, gerade in Zeiten, in denen nichts mehr sicher scheint (Arbeitsplatz, Gesundheitssystem, Rente). Aber auch hier werden Beziehungen sehr oft mit Erwartungen überfrachtet, die aus einem allgemeinen Unsicherheitsgefühl oder Minderwertigkeitskomplexen erwachsen.

Die Liebe hat immer auch etwas Suchendes. Deswegen bringt es wenig, die Liebe an irgendeiner Theorie oder Ideologie auszurichten, an der gemessen mensch dann nur wieder ein Minderwertigkeitsgefühl entwickelt, weil es nicht gelingt, irgendeiner idealisierten Liebe gerecht zu werden. Wir lieben, weil (oder obwohl?) wir Menschen sind und weil wir Menschen sind, machen wir Fehler (auch in der Liebe). Die Liebe kann helfen uns selbst zu befreien und kann somit einer echten, gelebten Anarchie Bahn brechen. Aber nur dann, wenn wir nicht versuchen sie in ein enges Korsett aus Konzepten zu stecken!

Zitate[edit]

  • Wenn man Liebe nicht bedingungslos geben und nehmen kann, ist es keine Liebe, sondern ein Handel. Emma Goldman
  • Die Liebe ist eine Verächterin aller Gesetze, aller Vorschriften (...). Wenn die Welt jemals Gleichheit und Einigkeit hervorbringen wird, wird es nicht mehr die Ehe, sondern nur noch Liebe geben! Emma Goldman

siehe auch[edit]

Freie Liebe, Polyamorie, Sexualität

Einzelnachweise und Anmerkungen[edit]

  1. Diese Überschrift ist angelehnt an die Vorlesungsreihe Eva Illouz zu Adorno, erschienen im Suhrkampverlag unter dem Titel Gefühle in Zeiten des Kapitalismus
  2. Precht, Richard David (2010): Liebe, München
  3. Die weitere Einteilung der Liebe in Eros, Ludus, Storge, Manie, Agape und Prage übernehmen wir von John Alan Lee (1976): The Clors of Love. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall, mit den Änderungen von Thomas Schroedter / Christina Vetter in (2010): Polyamorie. Stuttgart
  4. Fromm, Erich (1956); Die Kunst des Liebens
  5. Luhmann, Niklas (1994): Liebe als Passion, Frankfurt am Main
  6. Precht, Richard David (2010): Liebe, München Seite. 188
  7. Precht, Richard David (2010): Liebe, München Seite. 192
  8. Fromm, Erich (1949): Die Kunst des Liebens, Berlin S.13f
  9. Fromm, Erich (1949): Die Kunst des Liebens, München. Seite 12
  10. Engels, Friedrich (1884): Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats", zitiert nach MEW 21, Seite 78
  11. "[...] finden wir im "Nibelungenlied, daß Kriemhild zwar im stillen nicht minder in Siegfried verliebt ist als er in sie, daß sie aber dennoch auf Gunthers Anzeige, er habe sie einem Ritter zugeschworen, den er nicht nennt, einfach antwortet: "Ihr braucht mich nicht zu bitten; wie ihr mir gebietet, so will ich immer sein; den Ihr, Herr, mir gebt zum Mann, dem will ich mich gern verloben." Es fällt ihr gar nicht in den Sinn, daß ihre Liebe hier überhaupt in Betracht kommen kann. (Engels, Friedrich (1884): Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats", zitiert nach MEW 21, Seite 79)
  12. Thomas Schroedter / Christina Vetter in (2010): Polyamorie. Stuttgart Seite 21
  13. Engels wiederrum nutzt den Begriff "Eros" als das "einfache[] geschlechtliche[] Verlangen" (Engels, Friedrich (1884): Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats", zitiert nach MEW 21, Seite 78) in Abgrenzung zur Geschlechtsliebe.
  14. Precht, Richard David (2010): Liebe, München Seite. 191f
  15. Fromm, Erich (1956); Die Kunst des Liebens, Seite 68
  16. Precht, Richard David (2010): Liebe, München, Seite 168
  17. Luhmann, Niklas (1999): Seite 198
  18. Precht, Richard David (2010): Liebe, München. Seite 283
  19. Fromm, Erich (1956); Die Kunst des Liebens, Seite 12
  20. "Aber als Reaktion auf [die autoritäre Disziplin] besteht heute in zunehmenden Maß die Tendenz, jeder Art von Disziplin mit Argwohn zu begegnen und in einem undisziplinierten, trägen sich-gehen-lassen einen Ausgleich für die Routine zu suchen, du uns während unseres achstündigen Arbeitstages aufgezwungen wird". Fromm, Erich (1956); Die Kunst des Liebens, Seite 122
  21. Fromm, Erich (1949): Die Kunst des Liebens, München, S14
  22. siehe hierzu auch: Karl Marx, Ökonomisch-Philosophische Manuskripte.
  23. http://de.wikipedia.org/wiki/Spandrel_%28Biologie%29
  24. Precht, Richard David (2010): Liebe, München, Seite 166f
  25. Precht, Richard David (2010): Liebe, München, Seite 166f
  26. siehe hierzu Thomas Schroedter / Christina Vetter in (2010): Polyamorie. Stuttgart ab Seite 104
  27. Interessant wäre an dieser Stelle ob die RZB vielleicht nur eine bestimmte Interpretation von Liebe folgt, und ob es in Abgrenzung dazu einen Subversiven Liebescode gibt?
  28. Thomas Schroedter / Christina Vetter in (2010): Polyamorie. Stuttgart, Seite 112
  29. Engels, Friedrich (1884): Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats", zitiert nach MEW 21, Seite 83

Weblinks[edit]

Kategorie:Liebe Kategorie:Leben