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Biopolitik

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Der Begriff der Biopolitik hat eine über einhunderjährige Geschichte und hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. "Das Spektrum seiner Verwendungsweisen reicht inzwischen von der Asyl-Politik über die AIDS-Prävention bis hin zu Fragen des Bevölkerungswachstum. Er bezeichnet die Unterstützung landwirtschaftlicher Produkte ebenso wie die Förderung medizinischer Forschung, straftechtliche Bestimmungen zur Abtreibungn und Patientenverfügungen zum Lebensende" (Lemke 2007, 9).

Bio-Macht/Bio-Politik bei Michel Foucault[edit]

Für den französischen Philosophen Michel Foucault entstand die Bio-Macht/Bio-Politik in der Mitte des 19 Jahrhunderts als Reaktion auf das „Auftreten der ‚Bevölkerung’ als ökonomisches und politisches Problem: die Bevölkerung als Reichtum, die Bevölkerung im Gleichgewicht zwischen ihrem eigenen Wachstum und dem ihrer Ressourcen“ (Foucault 1983, 37f). Diese neue Aufmerksamkeit, die auf die „Bevölkerung“ gerichtet ist, bildete neue regulierende Kontrolltechnologien heraus, die die Fortpflanzung, die Geburten- und Sterblichkeitsrate, das Gesundheitsniveau, die Lebensdauer, die Langlebigkeit mit allen ihren Variationsbedingungen zum Gegenstand hat. Foucault analysiert jenen historischen Prozess, in dem das "Leben" als Einsatz politischer Strategien auftaucht und spricht deshalb von einer „Bio-Politik der Bevölkerung“ als eine spezifisch moderne Form der Machtausübung: die Bio-Macht. Die Politik des Lebens bei Foucault ist explizit keine Politik der Anwendung oder Verwirklichung des biologischen und gentechnischen Wissens, sondern ist bewusst ein „Bruch, mit dem Versuch politische Prozesse und Strukturen auf biologische Determinanten zurückzuführen“ (Lemke 2007, 47). Bei der Biopolitik im Sinne von Foucault handelt sich um die philosophisch-politische Frage nach der Möglichkeit und dem Modus einer Regierung des Lebens.

Neben der Medizin, der Hygiene und dem Städtebau ist die Sexualität zu einem Feld von strategischer Bedeutung für die Bio-Macht/Bio-Politik geworden. Dies hat ihre Gründe in der „privilegierten Position der Sexualität zwischen Organismus und Bevölkerung, zwischen dem Körper und den globalen Phänomen“ (Foucault 1999, 290). Die Sexualität ist einerseits ein streng „körperliches Verhalten, aus einer individualisierenden Disziplinarkontrolle in der Form permanenter Überwachung“ (Foucault 1999, 290) und andererseits fügt sie sich durch die Zeugungseffekte in die biologischen Prozesse der „Bevölkerung“ ein. Damit befindet sich die Sexualität genau „an der Kreuzung von Körper und Bevölkerung. Folglich gehört sie zur Disziplin, aber auch zur Regulierung“ (Foucault 1999, 291). Hierin sieht Foucault unter anderem die Gründe für die Vermehrung der Diskurse des Sexes seit dem 18. Jahrhundert. Durch die privilegierte Position der Sexualität findet auch eine medizinische Aufwertung derselben statt.


Literatur:[edit]

  • Michel Foucault: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit, Band 1, Frankfurt am Main 1983
  • Michel Foucault: In Verteidigung der Gesellschaft, Vorlesungen am Collège de France 1975-1976, Frankfurt am Main 1999
  • Michel Foucault: Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II. Vorlesung am Collège de France 1978-1979, Frankfurt am Main 2006
  • Thomas Lemke: Biopolitik zur Einführung, Hamburg 2007
  • Maria Muhle: Eine Genealogie der Biopolitik. Zum Begriff des Lebens bei Foucault und Canguilhem, Bielefeld 2008