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Kanun (Albanien)

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Aus Wikipedia

Beim Kanun (albanisch auch Kanuni) handelt es sich um ein mündlich überliefertes altes Gewohnheitsrecht der im Norden Albaniens und im Kosovo lebenden ethnischen Albaner.

Formen[edit]

Wenn von Kanun die Rede ist, meint man meist den Kanun des Lek Dukagjin, da dieser am besten dokumentiert wurde und als erster schriftlich festgehalten wurde. Es gab aber diverse regionale Varianten wie zum Beispiel Kanun von Skanderbeg (albanisch: Kanuni i Skënderbeut), Kanun i Arbërisë, Kanun der Labëria (Kanuni i Labërisë) und Kanun der Malësia e Madhe (Kanuni i Malësisë së Madhe).

Kanun des Lek Dukagjin[edit]

In den nordalbanischen Bergen waren die Bewohner durch die dortigen geografischen Gegebenheiten so von der Außenwelt abgeschottet, dass sich hier ein aus dem Mittelalter stammendes, möglicherweise sogar vorrömisches Gewohnheitsrecht bis in die Neuzeit erhalten hat. Dieses wird in seiner meistzitierten Fassung als Kanun des Lek Dukagjin (albanisch: Kanuni i Lekë Dukagjinit) bezeichnet, nach einem zu Skanderbegs Zeiten lebenden mächtigen Fürsten. Dass Lek (Alexander) Dukagjin (1410-1481) nicht nur Namensgeber, sondern auch Urheber dieser Gesetzessammlung war, ist unwahrscheinlich.

Grundlage des Kanuns ist das Leben in der Großfamilie, wo in der Regel drei Generationen unter der Anführerschaft des ältesten Mannes unter einem Dach wohnten. Die Gesetzessammlung regelt die Bereiche Schuldrecht, Ehe- und Erbrecht, Strafrecht sowie Kirchen-, Landwirtschafts-, Fischerei- und Jagdrecht ziemlich umfassend. Im Strafrechtsbereich ist der Kanun noch von der Ehrverletzung und der Blutrache geprägt, wobei der Begriff des Gottesfriedens (Besa) bereits bekannt ist. Da der Kanun bis heute tief im Denken der nordalbanischen Gegen verwurzelt ist, entsteht oft ein Konflikt zwischen modernen Gesetzen und dem Kanun. Die Frauen spielen im Kanun eine marginale Rolle und haben kaum Rechte. Sie gelten als Schlauch (shakull), in dem die Ware transportiert wird, sind aber auf der anderen Seite unverletzlich, wenn es zu Ehrverletzungen kommt.

Die Nordalbaner erkannten keine zentrale Herrschaft an. Streitigkeiten wurden auf Versammlungen der Familienoberhäupter eines Dorfes oder Stammes geregelt, einer Art Landsgemeinde resp. Thing. Einzige weltliche Autorität war der Kapedan ("Kapitän"), der jeweils vom Oberhaupt der Familie Gjonmarku gestellt wurde. Er war Anführer der Mirditen und letzte Instanz in Entscheidungen und Streitfragen. Die Rechte der privilegierten Familie und die Rolle des Kapedan waren im Kanun genau umschrieben. Jeder Mirdite, der jemanden tötete, musste den Gjonmarku eine Abgabe zahlen.

Kanun i Papazhulit[edit]

Im Süden des Landes bestand ein nur in Details verschiedener Kanun i Papazhulit, der auf die unterschiedlichen sozialen, religiösen und gesellschaftlichen Umstände Rücksicht nimmt. Im weniger abgeschiedenen Südalbanien waren die Bedeutung und die tiefe Verwurzelung in der Bevölkerung aber viel geringer.

Geschichte[edit]

In den unzugänglichen nordalbanischen Gebirgen hatten die Osmanen, die das Land rund 500 Jahre lang besetzten, nie wirklich die Macht erlangt. Somit konnten sie dort auch nicht ihre Gesetze einführen. Mangels anderer staatlicher Macht konnte sich der Kanun deshalb bis in die Neuzeit erhalten.

Das immer nur mündlich überlieferte Gesetzeswerk wurde erstmals vom Franziskanerpater Shtjefën Gjeçovi (1874-1929) am Ende des 19. Jahrhunderts in der Version des Kanun des Lek Dukagjin gesammelt und in der Folge in Teilen publiziert. Die erste vollständige Publikation erschien 1933 in Shkodra.

Während der kommunistischen Diktatur in Albanien war der Mechanismus der Blutrache sistiert; denn der Staat konnte seine Rechtshoheit landesweit durchsetzen. Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus anfangs der 1990er Jahre hat sich insbesondere die Blutrache wieder etabliert. Der junge demokratische Staat war zu schwach, um diese Dynamik der Selbstjustiz regulieren zu können. Erst das Erstarken des albanischen Staates nach den Unruhen von 1997 führte zu einem langsamen Rückgang der Blutrache-Konflikte. Heute sollen – je nach Quelle – wieder bis zu 15'000 albanische Familien in Blutrache-Konflikte verstrickt sein, die zum Teil auf Vorfälle vor dem Zweiten Weltkrieg zurückgehen. Dabei werden die regulierenden Bestimmungen des Kanun aber meist nicht eingehalten, so dass auch Kinder und Frauen bedroht werden und in ärmlichen Verhältnissen zu Hause gefangen sind.

Die katholische und die islamische Geistlichkeit in Nordalbanien sprechen sich konsequent für die Achtung des bürgerlichen Rechts und damit für die Sistierung des Kanuns aus. Ihr Einfluss auf die Gläubigen und vor allem auf die religiös nicht Gebundenen ist allerdings begrenzt.

Literatur[edit]

Quellen[edit]

  • Leonard Fox (Hrsg. und Ãœbersetzer): Kanuni i Leke Dukagjinit/The Code of Lekë Dukagjini. Gjonlekaj Publishing Company, New York 1989, ISBN 0-9622141-0-8
  • Marie Amelie Freiin von Godin: Das albanische Gewohnheitsrecht. in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (ZVR), Band 56, 1ff, Band 57, 5ff sowie Band 58, 121ff.

Darstellungen[edit]

  • Robert Elsie (Hrsg.): Der Kanun. Dukagjini Publishing House, Peja 2001

Weblinks[edit]

Kategorie:albanischsprachige Regionen Kategorie:Rechtsgeschichte