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Ethik als Strategie
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Grundbedingungen[edit]
Tu, was du willst, aber bedenke die Folgen. Damit die Taten für andere wie für dich vertretbare Folgen haben, lohnt es sich, etwas Philosophie zu betreiben, in diesem Falle Ethik. Ich will einen Ansatz vorstellen, der Ethik als Strategie betrachtet. Damit sich eine Ethik gesamtgesellschaftlich durchsetzen kann, muss sie folgende Mindestbedingungen erfuellen:
- Produktivitaet: Sie hat das Potential, sich von einer kleinen Population her auszubreiten.
- Stabilitaet: Sie ist, wenn ein mal etabliert, relativ (oder absolut) stabil gegenueber alternativen Strategien.
- Universalitaet: Sie ist auch dann stabil, wenn alle sie anwenden.
Da jeder Mensch sich seine eigene Ethik machen muss, wird sich nie eine einzige Ethik durchsetzen, sondern allenfalls ein Pool vergleichbarer Ethiken. Aber es ist nicht anders als mit einer biologischen Art -- eine biologische Art ueberlebt als Ganzes, obwohl jedes Einzelwesen der Art genetisch einmalig ist.
Wenn ich aber diese Vorbedingungen kenne, kann ich mir ueberlegen: Was will ich? (Beduerfnis-Optimalitaet)
Und dann: Wie kann ich eine Ethik daraus machen, die die uebrigen Kriterien erfuellt?
Es zeichnet sich also ab:
- Jeder Mensch will ein gutes (angenehmes) Leben fuehren.
- Daher hat jeder Mensch ein Interesse daran, frei zu sein und fair (ethisch) behandelt zu werden.
- Daher hat jeder reflektierende Mensch ein Interesse daran, fair (ethisch) zu handeln, um fair behandelt zu werden.
- Ein Mensch in einer uebermaechtigen Position kann sich allerdings der Fairness entziehen und (letztendlich biologische) Vorteile daraus ziehen.
- Ein Mensch in einer schwachen Position hat daher ein Interesse daran, zu vermeiden, dass andere uebermaechtige Positionen besetzen.
Jeder Mensch wird, je nach seiner Lebenssituation und Reflektiertheit, über das, was er will, eine andere Antwort finden.
Eine beguenstigte Minderheit wird natuerlicherweise den Status Quo bevorzugen, sofern sie die Form ihrer Beguenstigung als ihren Beduerfnissen und Vorstellungen gemaess akzeptiert. Ein Teil dieser Minderheit wird die Situation unreflektiert akzeptieren und spielt die Rolle eines natuerlichen Reproduzenten des Elite-Weltbildes. Die Reflektierenden innerhalb der Elite, die die Gesamtsituation als wuenschenswert anerkannt haben, werden eine eher aktive Rolle spielen, und fleissig fuer Propaganda sorgen. Die Reflektierenden innerhalb dieser Oberschicht, die ihre Situation nicht akzeptieren und etwas veraendern wollen, sind dagegen seltener und weniger einflussreich; insbesondere aber haben sie zu verlieren, was bestechlich/ erpressbar macht.
Dann existiert eine befriedigte Mittelschicht, die vom Status Quo nicht unmittelbar profitiert, aber beim aktiven Kampf gegen den Status Quo zu verlieren haette. Die Lebenssituation dieser Mittelschicht erscheint insgesamt annehmbar, daher gibt es hier aehnliche Rollen wie in der Oberschicht. Die Reflektierenden der Mittelschicht erkennen jedoch, dass der "Weg nach oben" nicht fuer alle Angehoerigen ihrer Schicht eine gangbare Loesung ist und dass alternative Gesellschaften denkbar sind, in denen die Lebenssituation aller potentiell besser als die der Mittelschicht ist.
Die Unterschicht dagegen hat wenig zu verlieren und erlebt eine geringe Lebensqualitaet und hat daher klar anders definierte Interessen als die Oberschicht. Da der Weg nach oben nur einer verschwindenden Minderheit offensteht, ist das Hauptinteresse fuer reflektierende Angehoerige dieser Schicht von vorn herein: andere gesellschaftliche Verhaeltnisse.
Der dreifache Frieden[edit]
Haetten wir also in Mittel- und Unterschicht einen hohen Reflexionsgrad (sprich: hohen Aufklaerungsstand) erreicht, waeren gesellschaftliche Veraenderungen sehr wahrscheinlich -- zumindest, wenn die Reflexionen mit einbeziehen, dass dafuer eine auch eine geeignete Kommunikationsstruktur noetig ist, etwa in Form von Syndikaten, Raeten und Foederationen, oder modern-technologisch, mit Internet-Foren u.ae.
Die Oberschicht hat also ein Interesse daran, die Reflexionen der Mittel- und Unterschicht zu verhindern, durch:
- "Brot" -- heutzutage: Sozialhilfe, so dass die Probleme nie allzu akkut werden
- "Spiele" -- heutzutage: Fernsehen, so dass der Geist abgelenkt ist. Varianten: Drogen, insbes. Alkohol
- "divide et impera" (lateinisch fuer "Teilen und Herrschen") -- z.B. Androhung von Sozialhilfe-Entzug, generelle Kriminalisierung durch Gesetzes-Flut, moralische Aechtung etc., kuenstliche Unterscheidungen (z.B. Nationalitaeten), teilweise auch Desinformation (Diskreditierung)
- Desinformation -- verzerrte Darstellung der gesamtgesellschaftlichen Verhaeltnisse, Diskreditierung der Unterschicht
- Konditionierung -- z.B. die schulische Erfahrung, dass Denken ermuedet und die Welt wahnsinnig kompliziert ist; ablenken auf weniger relevante Lerninhalte (z.B. Jahresdaten von Kriegen, Hauptstaedte von Laendern, Gedichte) (die nebenbei der sozialen Selektion (="divide et impera") dienen), Einueben gesellschaftlich stabilisierender Denkmuster etc.
"Brot und Spiele" haben u.a. die Funktion der Ruhigstellung. Desinformation und Konditionierung entfernen das Denken von der Reflektiertheit. Sie zusammen sorgen fuer die Verdumpfung der Unterschicht. Desinformation wird gelegentlich auch eingesetzt, um reflektierende Widerstaendler als "dumpfe Masse" zu diskreditieren. "Teilen und Herrschen" fungiert als der aktive Part der Unterdrueckung: Wer der Verdumpfung widerstehen konnte, wird nun durch andere Druckmittel zum Stillhalten gezwungen.
Auf diese Weise existiert ein "dreifacher Frieden" in unserer Gesellschaft;
- eine beguenstigte Oberschicht
- eine befriedigte Mittelschicht
- eine befriedete Unterschicht
Die Abgrenzung zwischen Mittel- und Oberschicht geschieht dabei z.B. nach oekonomischen Gesichtspunkten: die "relative Oberschicht" besteht aus denjenigen Menschen, die ueberdurchschnittlich beguetert sind, denn sie sind materielle Nivellierungs-Verlierer -- in Deutschland z.Z. etwa ein Drittel der Bevoelkerung. Die "absolute Oberschicht" besteht noch mal aus wesentlich weniger Personen, da grosse Teile der relativen Oberschicht ihren materiellen Wohlstand nur unter hohem Aufwand aufrechterhalten koennen: Am Endpunkt einer gelungenen Entwicklung wird sowohl der Gesamtwohlstand mehr als auch der Erhaltungsaufwand fuer einen durchschnittlichen Wohlstand wesentlich geringer sein. Der absoluten Oberschicht gehoeren insbesondere Personen an, die allein vom Verleihen (Zinsen, Pacht) leben koenn(t)en. Die Abgrenzung zwischen Mittel- und Unterschicht liesse sich daran festmachen, ob es den Schichtangehoerigen gelingt, Ruecklagen zu bilden, oder ob die unmittelbaren Beduerfnisse zur voelligen Aufzehrung des Lebensunterhaltes fuehren.
Konstruktive Störung des dreifachen Friedens[edit]
Aufgabe der Aufklaerung ist nun also, diesen dreifachen Frieden konstruktiv zu stoeren. Hauptangriffspunkte muessen dabei m.E. sowohl Mittel- als auch Unterschicht sein, die am Endpunkt einer gelungenen Entwicklung unmittelbar gewinnen koennen. Besonderes Hindernis dabei sind die Befriedungsmassnahmen, die zur Ruhigstellung der Unter- und Mittelschicht eingesetz werden und u.a. auch von Teilen der Mittel- und Unterschicht ausgefuehrt werden, teils aus oekonomischem Zwang, teils aus mangelnder Reflektiertheit.
Die Befriedungsmassnahmen sind also zu untersuchen:
- Brot: zusaetzliche Unterstuetzung zu haben, kann nicht schaden. Daher ist die staatliche Unterstuetzung nicht zu vernachlaessigen -- allerdings muss man sich der Bestechlichkeit bewusst sein.
- Spiele (Fernsehen, Drogen etc.): Menschen wollen Vielfalt erfahren. Die leichte Konsumierbarkeit der "Spiele" lenkt daher von aktiv erfahrener Befriedigung ab. Dies ist eines der schwereren Hindernisse, koennte allerdings durch Kultur-Treffpunkte angegangen werden (z.B. Jugendhaus-Arbeit)
- Teile und Herrsche: das haerteste Hindernis, denn Menschen lassen sich nicht gerne in ihren Grundbeduerfnissen bedrohen. Hier koennen Synergien (gemeinsam genutzte Gebrauchsgueter) und Partnerschaften Milderung verschaffen -- die Antwort darauf heisst Solidaritaet.
- Desinformation: Abhilfe koennte eine dezentral- foederale, nicht-kommerzielle Medienstruktur schaffen; wg. "Teile und Herrsche" muessen die Kommunikationswege aber auch im Verborgenenen, sprich: verschluesselt, stattfinden koennen. In einer solchen Medienstruktur werden eher Informationen verbreitet, die die Leute fuer wichtig halten, statt Informationen, die sie fuer besonders gut verkaeuflich halten.
- Konditionierung: Ideal waere der Aufbau eigener Schulen, die anstelle der staatlichen Schulen agieren. Ein guter Anfang waere allerdings schon, die Kultur-Treffs zur geistigen "Entgiftung" einzusetzen.
Sowie diese Angriffspunkte bekannt sind, kann die eigentliche Aufklaerung ansetzen, folgende Fragen zu stellen:
- Was willst du?
- Was liegt deinen Wuenschen zugrunde?
- Was wollen andere?
- Wie kannst du deine (essentiellen) Ziele erreichen?
- Welche Grenzen sind dabei zu beruecksichtigen?
Ein Aufklaerer muss sich dabei bewusst sein, dass er niemanden aufklaeren kann -- das koennen die Menschen nur sich selbst. Wir koennen nur Aufklaerung begleiten. Die Antworten auf diese Fragen sind durch meine ersten beiden Auflistungen in diesem Artikel schon grob umrissen.
Ebenfalls wichtig ist, sich die Fiktionen klar zu machen, die uns beim Denken oft im Weg stehen, und zu erkennen, dass Staat, Gesetz, Geld, Eigentum, Landesgrenzen etc. nur deswegen existieren und funktionieren, weil wir sie anerkennen.
Veränderung ist machbar: Ein (realistisches?) Szenario[edit]
Im Falle eines hohen Aufklaerungsstandes innerhalb der Gesamt-Bevoelkerung ist etwa folgendes Szenario realistisch:
Teile der Oberschicht werden ihren Wohlstand als relativ betrachten, da sie begreifen, dass es nicht die Dinge sind, die gluecklich machen. Andere Teile der Oberschicht werden allerdings Widerstand gegen die anstehenden Veraenderungen aufbringen wollen.
Groessere Teile der Mittelschicht und der groesste Teil der Unterschicht wird eine Nivellierung der oekonomischen Verhaeltnisse ("Gleichheit") anstreben, unter Beibehaltung oder Erweiterung der Handlungsmoeglichkeiten ("Freiheit") und Verhinderung neuer Macht-Konzentrationen (auch "Freiheit", Anarchie, Abschaffung aller Privilegien).
Der aufwendigere Teil am Ende der gesellschaftlichen Transformation ist die Aufrechterhaltung von Aufklaerung und Solidaritaet, da sie zusaetzliche Arbeit bedeuten; diese Mehrarbeit rechtfertigt sich jedoch vor dem Hintergrund, dass sie opportunistisches Verhalten (Konzentration von Macht und Wohlstand unter geringem Arbeitseinsatz) verhindern. Aufklaerung und Solidaritaet stehen aber auch am Anfang der Entwicklung.
Mittel- und Unterschicht werden nun geeignete Kommunikationsformen aufbauen und Kooperationseffekte nutzen, um noch vor der Transformation der Verhaeltnisse eine reale Verbesserung zu erreichen.
Die so gewonnenen Freiraeume koennen dann Schritt fuer Schritt ausgedehnt werden. Wenn die Fiktionalitaet der bisherigen Verhaeltnisse allgemein klar ist und die Buendnisse innerhalb der Bevoelkerung abgesichert sind, koennen sowohl untergrund-foermige Aktionen (konstruktive Subversion) als auch offener Widerstand gegen die bisherigen Verhaeltnisse greifen.
Ein anderes Mittel ist der Aufbau alternativer gesellschaftlicher Strukturen im Rahmen der alten Verhaeltnisse. Wenn diese stabil zu funktionieren beginnen, koennen sie nach und nach die alten Wirtschaftsstrukturen verdraengen -- vorausgesetzt, sie sind gegen opportunistisches Verhalten abgesichert. Sie dienen auch dem Zwecke, als positives Beispiel zu fungieren, um noch mehr Anhaenger zu gewinnen.
Zu guter Letzt ist das bestehende System so weit verdraengt, dass es beginnt, bedeutungslos zu werden, wie einst in der Ukraine unter der Machno-Bewegung. Auf diese Weise ist es prinzipiell moeglich, ein opportunistisches System mit seinen menschenverachtenden Momenten durch ein beduerfnisgemaesseres System zu ersetzen.
Schlußbetrachtungen[edit]
Dennoch ist der Weg nicht ohne Hindernisse. Vor 5000 Jahren etwa waren solche Gedanken noch nicht noetig (und dementsprechend auch noch nicht reif), dann aber wurde zunehmende Monopolisierung von Infrastruktur, Produktionsmitteln, Wehrtechnik und Informationen moeglich, die nach und nach zur Verarmung und Unterdrueckung von Bevoelkerungsteilen fuehrte, waehrend andere ihre Hochkulturen feierten. In der heutigen Zeit schaft die Automatisierung nicht unbedingt mehr Wohlstand -- aber unter kapitalistischen Produktionsbedingungen immer mehr Arme. Die wirtschaftliche Monopolisierung der heutigen Zeit hat also ihren Gipfel noch nicht erreicht.
Ihr Gegengift ist die Aufklaerung: Wissen in den Haenden weniger ist Macht -- in den Haenden vieler ist es Freiheit. Dazu ist aber ein Medium notwendig, das eine einfache und billige Verbreitung von Informationen ermoeglicht. Nach dem Buchdruck bieten die weltweiten Kommunikationsnetze von heute gute Voraussetzungen, die dazu noetige Kommunikation voranzutreiben. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kontrolle ueber die Kommunikation nicht, wie im Falle des Rundfunkts, wieder in die Haende von Monopolisten zurueckfaellt. Daher sind Verbindungs- und Kommunikationsformen notwendig, die eine dezentrale, unzensierte und nicht einseitig abhoerbare Kommunikation moeglich machen.