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Charles Fourier
Charles Fourier (1772–1837) war ein französischer Frühsozialist und Feminist.
Leben[edit]
Charles Fourier wird am 7. April 1772 in Besançon von Marie Fourier geboren, die mit seinem Vater, einem wohlhabenden Tuchhändler, verheiratet ist. Dieser stirbt, als Charles neun Jahre alt ist. Er besucht ein humanistisches Gymnasium, kann sich aber dann dem Wunsch der Mutter, die in ihm einen Kaufmann sehen will, nicht entziehen, und beginnt - nachdem er als Nichtadeliger nicht für den Staatsdienst zugelassen wird - eine kaufmännische Lehre in Lyon und Rouen.
In den Jahren der Französischen Revolution und der Herrschaft des Konvents verliert er auf verschiedene Weise sein gesamtes ererbtes Vermögen. Er muss sich praktisch bis zu seinem Lebensende als Handlungsreisender, Kaufmannsgehilfe, Makler und Kassier durchschlagen. Alle seine Versuche, sich ganz den Wissenschaften zu widmen, scheitern - aus Geldmangel, aber wohl auch aus ökonomischer Ungeschicklichkeit.
1803-1804 veröffentlicht er eine Artikelserie, in der das erste Mal seine Ideen von der "Universalen Harmonie", der "Berechnung der sozialen und erotischen Anziehungen"; darstellt.
1808 erscheint sein ersten größeres Werk, die Theorie der vier Bewegungen (»Théorie des quatres Mouvements«).
1815-1816 zieht sich Fourier nach Talissieu (Bugey, Dptm.) zurück und beginnt, seine zahlreichen Manuskripte zu redigieren. Ein erster "Schüler", Just Muiron, nimmt mit ihm Kontakt auf. 1819 vollendet er den »Grand traité« (Große Abhandlung, 8 Bände), den er, stark gekürzt und von den erotischen Passagen befreit, 1821 herausbringt. Das Werk wird von der Öffentlichkeit kaum beachtet.
Nach einer finanziell drückenden Phase und einem unsteten Leben zwischen Besançon, Paris, Lyon und dem Jura erscheint 1829 die klarste Formulierung der Ökonomischen Aspekte seiner Theorie in Die neue Welt der Industrie und Vergesellschaftung (Le nouveau monde industriel et sociétaire).
Gegen Ende seines Lebens legt er sich mit Robert Owen und mit den Anhängern von Claude Henri de Rouvroy de Saint-Simon an, zerstreitet sich mit seinen Schülern, wartet täglich um 12 Uhr Mittags in seinem Haus auf einen Mäzen, der ihm sein erstes Phalansterium finanzieren wird, wird aber auch langsam bekannt und teilweise sogar gefeiert. 1835-1836 erscheint als letztes Werk zu Lebzeiten, La fausse industrie ("Die falsche Industrie").
Am 10. Oktober 1837 stirbt Fourier in Paris in seiner Wohnung, die er, wie alle anderen zuvor, in ein Gewächshaus voller Blumen und Pflanzen verwandelt hatte.
Politisches Wirken[edit]
Charles Fourier wird dem Frühsozialismus, dem Vorläufer von Anarchismus und Marxismus zugerechnet. Das libertäre Denken Fouriers ist in vielen Bereichen dem anarchistischen Gedankengut näher als den sozialistischen Ideen. Der Sozialist August Bebel nennt ihn in seinem Fourier-Buch den "Vater des Anarchismus". Wichtigste Themen Fouriers waren Freie Liebe, sexuelle Emanzipation und Feminismus.
Hauptideen[edit]
Fourier lehnt eine staatliche Vereinheitlichung in jeder Hinsicht ab. Er kritisiert die Tendenz vieler sozialrevolutionärer Modelle zu einer einzigen Kultur nicht nur im Gesellschafts- und Arbeitsleben, sondern auch in der Gefühls-, Beziehungs- und Gedankenwelt. Seiner Überzeugung nach entsteht gesellschaftliche Harmonie nicht durch Unterdrückung von (ökonomischen, nach Herrschaft strebenden, sexuellen usw.) Trieben, sondern durch das Ausleben der verschiedenen, in jedem Individuum anders konzentrierten, das Talent, die geistigen Fähigkeiten, das emotionale Leben usw. betreffenden Anziehungs- oder Assoziationskräfte. Er sieht den glücklichen Menschen als ein durch Leidenschaften bewegtes und gesteuertes Wesen; und er ist weit davon entfernt, die Leidenschaften verändern zu wollen, glaubt er doch, dass sie durch "gegenlaufende" Leidenschaften zu sozialen Triebfedern in einem harmonischen, dem »Aufflug« (essort) des Menschen förderlichen Ganzen integriert werden können.
Zur Illustration dieses Gedankens lässt sich Isaac Newtons Theorie der universalen Schwerkraft und der Anziehung der Gestirne heranziehen (tatsächlich hat diese Theorie auf Fouriers eigene Entdeckung einen entscheidenden Einfluss ausgeübt): wie die Sterne und Planeten, deren Gravitation ja eigentlich bewirken müsste, dass alles, was in ihr Schwerefeld gerät, hineingezogen und verschlungen wird, durch den Ausgleich der Gegengewichte in harmonischem Kreisen gehalten werden, so bewirke auch die leidenschaftliche Anziehung unter den Menschen, frei gelassen und in ihrem Zusammenspiel, die selbsttätige Ordnung zu einem gesellschaftlichen Kosmos.
»Ordnung« ist für Fourier also immer »zusammengesetzte Ordnung«, und insofern diese ideale Ordnung von ihm als umsetzbares, sozial und emotional revolutionäres Modell ins Auge gefasst wird, nennt er es Phalansterium (frz. Phalanstère, aus gr. Phalanx, »Kampfeinheit«, und lat. Monasterium, »klösterliche Gemeinschaft«). Diese genossenschaftliche Ordnung, die Fourier meist »Harmonie« nennt, ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Liebesgemeinschaft. Die asketische, z.T. durch christliche, speziell protestantische Theologie, »geadelte« Arbeitsmoral des Kapitalismus (Max Weber: Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus), die die körperliche Liebe zu einer Form der Belohnung degradiert habe, und die sich letztlich auch in den revolutionären Programmen der Sozialdemokratie und des Marxismus durchgesetzt hat, wird hier in ihrer »Zerstückelung« (frz. morcelage) einer radikalen Kritik unterworfen. Dies ist der wichtige Beitrag von Fourier zur Geschichte des libertären Sozialismus: eine Befreiung der Arbeit ist ohne eine Befreiung der Sexualität nicht möglich - und umgekehrt.
Fourier ist der Vater des Begriffs Feminismus. Er beschäftigte sich massiv mit der der Gleichberechtigung von Mann und Frau. In seinem Werk Aus der neuen Liebeswelt schrieb er "Die Harmonie entsteht nicht, wenn wir die Dummheit begehen, die Frauen auf Küche und Kochtopf zu beschränken. Die Natur hat beide Geschlechter gleichermaßen mit der Fähigkeit zu Wissenschaft und Kunst ausgestattet."
Werke[edit]
- Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen Charles Fourier, u. a. (1966)
- Pamphlet gegen das Goldene Kalb der Händler. Charles Fourier (1970)
- Aus der neuen Liebeswelt Charles Fourier (1977)
- Die harmonische Erziehung Charles Fourier, Walter Apelt (1958)
Literatur[edit]
- August Bebel: Charles Fourier. Sein Leben und seine Theorien ISBN 3801210065
- Francois Dagognet: Trois philosophies revisitees: Saint-Simon, Proudhon, Fourier (1997) ISBN 3487102668
- André Breton, Jean Gaulmier: Ode à Charles Fourier (1961) ISBN B0000BGTXO
- Anfré Breton, Ode an Charles Fourier (Karin Kramer Verlag Berlin 1982) ISBN 3-87956-136-2
- August Bebel: Charles Fourier. Sein Leben und seine Theorien (1978) ISBN 3876824419