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ÅŒsugi Sakae
ÅŒsugi Sakae war ein japanischer Anarchist.
Er war mit ItÅ Noe verheiratet.
Als Sakae fünf Monate alt war, wurde der Vater, bis dahin Angehöriger der kaiserlichen Garde, nach Shibata strafversetzt, nachdem sein Pferd in Gegenwart der himmlischen Majestät durchgegangen war. Der Vater wurde zu Beginn des chinesisch-japanischen Kriegs im Juli 1895 an die Front geschickt. Er nahm auch aktiv am Krieg 1904/05 teil.
Contents
Ausbildung[edit]
Ab April 1891 besuchte Sakae die Grundschule. Seit April 1897 die Mittelschule von Shibata. Im Sommer 1898 besuchte er Verwandte in Tokio, Nagoya und ÅŒsaka.
Im April 1899 trat er in die Kadettenschule (yÅnen gakkÅ) von Nagoya ein, die von Offizierssöhnen verringertes Schulgeld verlangte. Er entwickelte sich zu einem guten Studenten und Sportler, hatte jedoch Schwierigkeiten mit der Disziplin. April 1901 erhielt er 10 Tage Arrest und 30 Tage Ausgangssperre, wahrscheinlich wegen homosexueller Aktivitäten. Im November 1901 wurde er während einer von ihm provozierten Schlägerei mit einem Kommilitonen niedergestochen und daraufhin relegiert.
Ab Januar 1902 besuchte er, bei Verwandten wohnend, die Akademie in Tokio (TÅkyÅ Gakuin). Ab Oktober die 5. Klasse der zweitklassigen Junten-Mittelschule (Junten chÅ«gakko). Seit September 1903 studierte er an der Tokyo School of Foreign Languages (TÅkyÅ gaikokugo gakkÅ) von der er 1905 graduierte. In der Zeit bis 1905 kam er in Kontakt mit sozialistischen Ideen, besonders durch das Heimin Shimbun, der pazifistisch ausgerichteten Zeitung der Heimin-sha (Template:lang) um KÅtoku ShÅ«sui. 1908-09 las er Werke bedeutender russischer Autoren.
Sozialist[edit]
Als er am 15. März 1906 als Folge einer Demonstration gegen massive Fahrpreiserhöhungen bei der Trambahn, so für die einfache Fahrt von 3 auf 5 sen erstmals verhaftet wurde, erfolgte seine endgültige Zuwendung zur sozialistischen Bewegung und Mitgliedschaft in der sozialistischen Partei (Nippon shakai tÅ). Zu dieser Zeit betrugen Tageslöhne etwa für Papiermacher 37 sen, für Küfner bis 75 sen und für Steinmetze 1,47 Yen.[1]Im Juni wurde er gegen Kaution freigelassen. Die Verhaftung beendete alle Aussichten auf eine bürgerliche Karriere.
Im September heiratete er Hori Yasuko (Template:lang; †1923) und nahm eine Tätigkeit als Esperanto-Lehrer auf. Nachdem er im November begonnen hatte Kattei zasshi herauszugeben, folgten bald Anklagen wegen verschiedener Verstöße gegen das Presserecht. Von Mai-November 1907 saß er deshalb im Sugamo-Gefängnis ein. Dorthin kehrte er bereits Januar-März 1908 in Folge des Rooftop incidents (Yane-jŠjiken) zurück. Er nutzte seine Gefängnisaufenthalte zu weiteren Sprachstudien.
Im Juni erfolgte die nächste Verhaftung wegen des Rote-Fahne-Vorfalls (Template:lang, akahata jiken) vom 22. Juni. Er wurde zu 2½ Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 25 Yen verurteilt.
In den zehn Jahren nach seiner ersten Verhaftung entwickelte er sich zum bedeutendsten Aktivisten, Publizisten und Theoretiker des japanischen Sozialismus, der besonders nach dem Hochverrats-Vorfall (Taigyaku jiken) 1910-11 kurz vor der Vernichtung stand. Bei diesem Vorfall wurden 11 bedeutende Sozialistenführer hingerichtet. Jegliche „radikale“ Publikation unterdrückt.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Chiba im November 1910 – wo er sich auch mit Tuberkulose infizierte – beschränkte er sich darauf, zu gewerkschaftlichen Themen zu publizieren. Er vermied von da an direkte Angriffe auf Sicherheitskräfte.
Anarchist[edit]
Im Gefängnis hatte er sich mit radikalen Schriften befassen können, die er im Original lesen musste, da Übersetzungen stärker kontrolliert wurden. Insbesondere durch die Ideen Kropotkins beeinflusst kam es zu seiner Hinwendung zum Anarchismus. Später beeinflussten ihn die Ideen Georges Sorels und Henri Bergsons.
Ab 1911[edit]
Seinen Lebensunterhalt verdiente er durch Ãœbersetzungen für Baibunsha. Im Oktober 1911 begann er mit Freunden mit der Herausgabe der Literatur-Zeitschrift Kindai shisÅ. Seit seiner Entlassung stand er unter dauernder polizeilicher Beobachtung, wobei es dabei durchaus zu einem gewissen Verständnis im Sinne des bushidÅ zwischen beiden Seiten gekommen ist. [2]
Affäre (1915/16)[edit]
Von Dezember 1915 bis November 1916 praktizierte ÅŒsugi Sakae seine Art von „freier Liebe“ dessen Ideen dazu, die auf gegenseitiger Nicht-Interferenz und ökonomischer Unabhängigkeit aller Beteiligten basierten, er bereits in Artikeln 1906 DÅbutsu no ren'ai und 1913 Shuchi to teisÅ dargelegt hatte, als er neben seiner Frau noch offene Affären mit der feministischen Journalistin Kamichika Ichiko – Mitglied der der radikalen SeitÅ-sha – und gleichzeitig mit ItÅ Noe (*1895), zu dieser Zeit Chefredakteurin der feministischen SeitÅ, unterhielt. Die Genossen missbilligten diesen Zustand. ItÅ, die seine zweite Frau werden sollte, hatte ÅŒsugi 1914 kennengelernt, obwohl die Affäre wohl erst im Februar 1916 begann. Sie hatte im August 1915 ihr zweites Kind von ihrem einen Monat zuvor geheirateten Mann, ehemals ihr Schullehrer, Tsuji Jun bekommen. Die Dreiecksbeziehung endete, als Kamichika ihm am 8. November 1916 ein Kurzschwert in den Hals rammte und die Luftröhre traf. Sie wurde im März 1917 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. In der Berufung wurde die Strafe auf zwei Jahre reduziert. Seine Frau Hori trennte sich von ihm, wobei sie die Trennung in einem Zeitungsartikel öffentlich machte. Er wurde allgemein auch von seinen Mitstreitern kritisiert und er geriet vorübergehend in Isolation. Sakae und Noe lebten nun bis zu ihrer Ermordung zusammen. Sie gebar ihr drittes Kind, die Tochter Mako im September 1917. Zeitweise praktizierten sie einen anarchistisch-kommunalen Lebensstil durch Aufnahme von Proleten in ihren Haushalt im Tokioter Arbeiterviertel Kameido.
Ōsugi, der häufig seine Wohnsitze wechselte, konnte lebenslang schlecht mit Geld umgehen, jedoch war ihm bei der Beschaffung eine gewisse Chuzpe nicht abzusprechen. So brachte er 1916 den Innenminister des Terauchi-Kabinetts, GotŠShimpei (1857-1929) dazu, ihm 300 Yen für die Gründung eines neuen Magazins zu leihen. Seine Begründung lautete: nachdem die Regierung sein Geschäft behindere, könne er auch die Regierung um Unterstützung anbetteln. Der Minister verstehe das doch wohl? Dieser Kredit trug ihm 1922 den Vorwurf der Korrumpierbarkeit ein.
1918/19[edit]
In seinem Versuch die arbeitenden Klassen direkt zu erreichen, schaffte er sich ab 1918 eine Basis innerhalb der Gruppen Hokufūkai (Template:lang, Nachfolgeorganisation der Kenkyūkai), Shin'yukai (Template:lang, eine Schriftsetzergewerkschaft) und Seishinkai (Template:lang, Dezember 1919 gegründete Organisation von Zeitungsangestellten). In einem im August 1918 erschienen Essay[3] äußerte er sich selbstkritisch zu seinem eigenen kleinbürgerlichen Hintergrund und Denken, obwohl Bescheidenheit sonst nicht seine Stärke war. Anti-Intellektuelle Tendenzen hatte er schon vorher gezeigt.
Nachdem er vom 16. bis 26. August 1918 während der Reisunruhen in Schutzhaft genommen worden war, kam es in der ersten Jahreshälfte von 1919 zu mehreren Provokationen seitens der Polizei, in deren Folge Ōsugi mehrmals kurzzeitig in Haft genommen wurde. Im Sommer dann ließ er sich zu einem Faustschlag in das Gesicht eines Polizisten hinreißen, was ihm erneute drei Monate Gefängnis einbrachte.
Gewerkschaftarbeit[edit]
In den Jahren 1919 und 20 unternahm er mehrere Versuche seinen Einfluss in die gelben Gewerkschaften auszudehnen. Dabei trat er bei Versammlungen als Zwischenrufer auf. Die Störung der Ordnung sollte zur Zerschlagung der Klassenstruktur, wie sie auch innerhalb von Gewerkschaften besteht, dienen. Er behauptete, die absolute Notwendigkeit der Erweiterung des Ego durch Willenskraft sei eine Voraussetzung zur Befreiung. Gleichzeitig kritisierte er marxistische Theorien der Arbeiterbewegung. Anfang 1920, als der Sieg der russischen Bolschewiki im russischen Bürgerkrieg hochgradig gefährdet war. Seit April 1920 lebte er wieder in Kamakura. Die Jahre 1920-22 waren die Hochzeit des japanischen Syndikalismus, jedoch wurde er durch die 1920 beginnende Depression und ideologische Differenzen mit den Sozialisten geschwächt.
ÅŒsugi beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Arbeiterbewegung, sondern versuchte auch eine Kultur der Massen zu etablieren. „Massen“ waren für ihn die einfachen Arbeiter (heimin rÅdÅsha, minshÅ« geijutsu). Diese Kunst von Arbeitern für Arbeiter hätte eine ähnliche Funktion wie eine gute Gewerkschaft.
Shanghai 1920 und die Bolschewiki[edit]
Im Oktober 1920 reiste er gegen den Willen seiner Genossen mit geliehenem Geld nach Shanghai, um Repräsentanten der Komintern zu treffen. Zu dieser Zeit war er noch bereit, zum Wohle der Bewegung mit nicht-syndikalistischen Kräften zusammenzuarbeiten. Die Angriffe Lenins gegen die Anarchisten fanden erst beim Parteitag der KPR(B) vom 8.-16. März 1921 statt. [4] Kurz nach seiner Rückkehr kam es am 10. Dezember zur Gründung der Nippon shakaishugi dÅmei einem Zusammenschluss verschiedenster radikaler Gruppen, wobei die Anarcho-Syndikalisten dominierten. ÅŒsugi hatte eine Sitz im 30-köpfigen Vorstand. Die Gruppe hatte etwa 1000 Mitglieder. Sie folgte am 29. Mai 1921 einer Auflösungsverfügung der Regierung. Ende 1920 vollendete er die Ãœbersetzung von Kropotkins Autobiographie ins Japanische.
Im Juni 1921 kam es zum endgültigen Bruch mit den japanischen Bolschewiki, teilweise auch weil diese mit ihm aufgrund der Affäre von 1915/16 nicht zusammenarbeiten wollten. 1922, als ihn vermehrt Informationen aus Russland erreichten, veröffentlichte er mehrere kritische Artikel gegen die leninistische Diktatur des Proletariats. Im September nahm er in ÅŒsaka als Beobachter an einer Konferenz teil, die die Gründung einer landesweiten Gewerkschaft zum Ziel hatte. Dieses Projekt scheiterte an ideologischen Differenzen (ana-buro ronsÅ). Im Vorfeld hatte er auch Trotskis Volksfrontideen heftig kritisiert.
Europareise 1923[edit]
Am 20. November 1922 erreichte ihn eine Einladung, am 2. Internationalen Anarchistenkongress im Februar 1923 in Berlin teilzunehmen. Nachdem er sich von dem Schriftsteller Arishima Takeo und anderen die nötigen 1000 Yen Reisekosten geborgt hatte, entschlüpfte er seinen Bewachern und erreichte am 13. Dezember Shanghai. Dort verhalfen ihm Genossen zu einem falschen chinesischen Pass. Mit einem französischen Schiff landete er am 13. Februar in Marseille an. Es gelang ihm nicht, in Lyon die nötige Ausländer-Kennkarte ausgestellt zu bekommen. Trotzdem reiste er nach Paris. Zwischenzeitlich sammelte er Material über die Machno-Bewegung. Von den Lebensbedingungen des französischen Proletariats und der mangelnden Hygiene war er entsetzt. Im April gab er seine Pläne auf, nach Berlin zu reisen. Als er zum 1. Mai in einer Pariser Vorstadt eine Rede hielt, wurde er von Zivilpolizisten verhaftet, die von seiner möglichen Anwesenheit in Europa wussten. Wegen Passvergehens wurde er zu einer dreiwöchigen Gefängnisstrafe sowie Abschiebung verurteilt. Am 2. Juni bestieg er die Hakone-maru, die am 11. Juli in Kobe anlegte.
Lebensende[edit]
Nach seiner Rückkehr von Geldnöten geplagt, übersetzte er ein 2-bändiges Werk des französischen Entomologen Henri Fabre und verfasste Nippon dasshutsu ki (Bericht meiner Fluchten aus Japan). Weiterhin erschien seine Autobiographie JijÅden.
Am 1. September 1923 kam es zum großen KantÅ-Erdbeben. In den nachfolgenden Feuern wurde ein Großteil Tokios vernichtet. Die hastig gebildete Regierung unter Admiral Yamamoto GonnohyÅe rief am 2. September das Kriegsrecht aus. Nachdem es bereits am 4. September im Polizeirevier von Kameido zur Ermordung von neun Gefangenen gekommen war (Gewerkschafter und Vigilanten), wurden ÅŒsugi und ItÅ, auf Besuch bei ihrer jüngeren Schwester, am 16. September von einem Trupp unter Kommando von Hauptmann Amakusa verhaftet. Ein 1976[5] an die Öffentlichkeit gelangter Autopsiebericht zeigt, dass alle drei stranguliert worden waren, die beiden Erwachsenen waren aufs heftigste misshandelt worden. Amakusa wurde zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, nach drei Jahren begnadigt und zur Militärpolizei in die Mandschurei versetzt. 1931 war er an der Vorbereitung des Mukden-Zwischenfalls beteiligt, eine Tatsache, die dazu Anlass gibt, die Behauptung, dass ÅŒsugi auf höheren Befehl hin beseitigt wurde, für glaubhaft zu halten.
Werke[edit]
ÅŒsawi Masamichi; ÅŒsugi Sawae zenshÅ«, TÅkyÅ 1968 (DÅseisha), 14 Bde. [gesammelte Werke]
Zeitschriften[edit]
Insgesamt war ÅŒsugi (oft zusammen mit Arahata Kanson) an der Herausgabe von neun Zeitschriften wesentlich beteiligt:
- Katai zasshi
- Kindai shisÅ (Okt. 1912 bis Sept. 1914, 23 Nummern erschienen)
- Heimin Shimbun (Okt. 1914 - März 1915, 6 Nummern erschienen, alle bis auf eine von der Zensur beschlagnahmt)
- Kindai shisŠ(Neue Folge, bis 1916; alle Nummern außer der ersten von der Zensur beschlagnahmt)
- Bummei hihyÅ (Jan.-Apr. 1918, 3 Nummern erschienen)
- RÅdÅ shimbun (Apr.-Juli 1918, 4 Nummern, alle beschlagnahmt. Da ÅŒsugi nur im Hintergrund wirkte, wurde er nicht wie der Rest der Redaktion verhaftet.)
- RÅdÅ undÅ (1. Folge, Okt. 1919-Juni 1920, aus Geldmangel eingestellt)
- RÅdÅ undÅ (2. Folge, finanziert von der Kommunistischen Internationale, Jan.-Juni 1921)
- RÅdÅ undÅ (3. Folge ohne bolschewistische Beteiligung, Dez. 1921 bis Juli 1923)
Literatur[edit]
- ÅŒsugi Sakae; Marshall, Byron K.; The autobiography of ÅŒsugi Sakae; Berkeley 1992; ISBN 0-520-07759-8
- ÅŒsugi Sakae; Die freie Liebe, nach der ich mich sehne. Geschichte, wie ich einen Geist gesehen habe; in: Ito Noe; Kamichika Ichiko; Lenz, Ilse; Frauen in der Revolution; Berlin 1978 (Kramer)
- Stanley, Thomas A.; Ōsugi Sakae, anarchist in TaishŌ Japan: the creativity of the ego; Cambridge (Mass.) 1982; ISBN 0-674-64493-X
- Worm, Herbert; Studien über den jungen Ōsugi Sakae und die Meiji-Sozialisten zwischen Sozialdemokratie und Anarchismus unter besonderer Berücksichtigung der Anarchismusrezeption; Hamburg 1981; Sert. Mitteilungen [d. Dt.] Ges. f. Natur- u. Völkerkunde Ostasiens, 88
- Stephen S. Large; The Romance of Revolution in Japanese Anarchism and Communism during the TaishÅ Period; Modern Asian Studies, Vol. 11, No. 3. (1977), S 441-467.