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Difference between revisions of "Sacco und Vanzetti"

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Bartolomeo Vanzetti (links)& Ferdinando „Nicola“ Sacco (rechts)

Ferdinando „Nicola“ Sacco (* 1891 in Torremaggiore, Foggia, Italien) und Bartolomeo Vanzetti (* 1888 in Villa Faletto, Cuneo, Italien) waren zwei italienisch-stämmige Immigranten und Arbeiter in den USA, wo sie sich der anarchistischen Arbeiterbewegung angeschlossen hatten. Sie wurden in der Nacht vom 23. August auf den 24. August 1927 im Staatsgefängnis von Charleston, Massachusetts/USA auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Grund für die Hinrichtung war die Verurteilung für einen doppelten Raubmord. Die vom Gericht ausgesprochene Schuld der beiden Angeklagten an der Tat konnte nie vollständig geklärt werden und ist bis in die Gegenwart umstritten.

Das Todesurteil vom 14. Juli 1921 löste weltweit öffentliche Proteste aus. Bei verschiedenen internationalen Massendemonstrationen und in tausenden von Petitionen wurde der US-amerikanischen Justiz politische Voreingenommenheit vorgeworfen, unter anderem auch deshalb, weil der Schuldspruch auf fragwürdigen Indizien beruht habe und entlastende Hinweise unterdrückt worden seien.

1977 wurden sie posthum durch den Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, rehabilitiert.

Historisch-politische Hintergründe

Sowohl Sacco als auch Vanzetti waren 1908 aus Italien in die USA eingewandert. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war Sacco Schuhmacher in der Milford Shoe Company. Vanzetti, der eigentlich gelernter Konditor war, arbeitete als Fischverkäufer. Beide wandten sich in den USA dem Anarchismus zu und gehörten zu den Gruppen um Luigi Galleani und Carlo Tresca. Sie lernten sich 1917 kennen, kurz bevor sie nach Mexiko ausreisten, um sich dem Wehrdienst und damit einem möglichen Kriegseinsatz im 1. Weltkrieg in Europa zu entziehen. Wenige Monate später kehrten beide nach Massachusetts zurück.

1920, drei Jahre nach der Oktoberrevolution in Russland und ein bis zwei Jahre nach weiteren revolutionären Umwälzungen in Europa im Gefolge des 1. Weltkriegs, herrschte in den USA eine in den regierenden konservativen Kreisen verbreitete antikommunistische Stimmungslage vor, nachdem auch dort 1919 eine Kommunistische Partei gegründet worden war.

Der Fall Sacco und Vanzetti

Am 15. April 1920 erschossen zwei mit Handfeuerwaffen bewaffnete Männer in South Braintree, Massachusetts, den Lohnbuchhalter Frederick Parmenter und den Sicherheitsbeamten Alessandro Berardelli, zwei Angestellte der Slater & Morrill Shoe Company. Die Täter raubten dabei 15.776,51 $ Lohngeld, welches die Opfer bei sich trugen. Sie wurden von einem dunkelblauen Buick, in dem sich weitere Männer befanden, mitgenommen.

In Berührung mit der Polizei kamen Sacco und Vanzetti, als sie einen Wagen, der mit dem Raubmord in Zusammenhang stand, abholen wollten. Der Inhaber der Garage verständigte die Polizei, welche die beiden am 5. Mai 1920 in Bronton verhaftete. Beide trugen Waffen bei sich. Sacco hatte einen 32er Colt bei sich, der bei dem Raubmord benutzt worden sein soll, Vanzetti trug einen 38er Harrington & Richardson Revolver und hatte mehrere Patronen für eine Schrotflinte. Beide logen über ihren Erwerb der Waffen und leugneten, den Besitzer des Wagens, Mike Buda, und den Garagenbesitzer zu kennen.

Der Prozess fand vom 31. Mai bis zum 14. Juli 1921 statt. Der Anwalt der Angeklagten, Fred H. Moore, konzentrierte sich nicht nur darauf, die Unschuld der beiden an der Tat zu beweisen, sondern versuchte auch aufzuzeigen, dass Sacco und Vanzetti hauptsächlich wegen ihrer politischen Einstellung verhaftet wurden. Der Staatsanwalt und Ankläger Frederick Katzmann nahm diese Aussagen auf und versuchte Stimmung gegen die Angeklagten zu machen, indem er sie als Anarchisten, Atheisten, Ausländer und Wehrpflichtverweigerer darstellte. Richter Webster Thayer unternahm nichts gegen diese Vorgehensweise und zeigte sich im Laufe der Verhandlungen voreingenommen. So äußerte er gegenüber Kollegen: „Denen werden wir's schon zeigen und die Kerle aufhängen“.

Am 14. Juli 1921 wurden Sacco und Vanzetti in Dedham, Massachusetts zum Tode verurteilt.

Der Anwalt Moore wurde 1924 von William Thompson ersetzt. Sacco und Vanzetti brachten bis 1926 acht Revisionsanträge ein. Der bekannteste davon beruht auf der Aussage Celestino Madeiros’, eines Portugiesen, der wegen Raubmordes zum Tode verurteilt war. Er ließ Sacco am 18. November 1925 einen Zettel zukommen, auf welchem stand: „Ich bekenne hiermit, an dem Verbrechen in South Braintree beteiligt gewesen zu sein, Sacco und Vanzetti sind dagegen nicht dabei gewesen“. Richter Webster Thayer hielt die Zeugenaussage für unglaubwürdig, da Madeiros’ Aussagen zum Tathergang lückenhaft gewesen seien und in Teilen den bekannten Fakten widersprachen. Das Oberste Gericht von Massachusetts stimmte 1926 Thayers Entscheidung zu.

Der Gouverneur von Massachusetts, Alvan T. Fuller, setzte die Lowell Commission ein, welche die Vorgänge untersuchen sollte und feststellen sollte, ob das Verfahren fair gewesen sei, ob die Angeklagten ein weiteres Verfahren bekommen sollten und ob die beiden unschuldig oder schuldig gewesen seien. In ihrem Bericht zwei Monate später kamen die drei Mitglieder zu dem Schluss, dass es keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten Sacco gebe, und insgesamt auch kein Zweifel an der Schuld von Vanzetti bestehe. („On the whole, we are of the opinion that Vanzetti was also guilty beyond a reasonable doubt.“)

Fuller stützte sich bei seiner Entscheidung auf jenen Bericht und lehnte eine Begnadigung ab.

In der Nacht vom 23. auf den 24. August 1927 wurden die Urteile vollstreckt. Zur gleichen Zeit wurde auch Madeiros hingerichtet.

Internationale Proteste

Bereits nach der Verurteilung kam es in vielen Städten auf der Welt zu Protesten. Die größten Demonstrationen fanden in Frankreich und Italien statt, bei denen Zehntausende von Menschen teilnahmen. In Paris explodierte eine Bombe vor der amerikanischen Botschaft, eine zweite Bombe in Lissabon konnte vor der Explosion entdeckt und beseitigt werden.

Die Proteste lebten nach der Bekanntgabe des Hinrichtungstermins nochmals auf. In Paris musste die US-amerikanische Botschaft mit Panzern geschützt werden, in Genf zerschlugen 5000 Demonstranten alles, was amerikanisch aussah. In Deutschland kam es zu sechs Todesfällen.

Hunderttausende von Gnadengesuchen aus der ganzen Welt trafen beim Gouverneur von Massachusetts ein.

Spätere Entwicklungen

Auch Jahrzehnte nach dem vollstreckten Urteil kamen eine Vielzahl von Spekulationen über den Fall auf, insbesondere über die Schuld oder Unschuld von Sacco und Vanzetti. So wurden von verschiedenen Seiten große Anstrengungen unternommen, den komplexen Sachverhalt neu zu erarbeiten, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Drei prinzipielle Strömungen sind auszumachen, die alle bis zum heutigen Tag eine mehr oder weniger große Anhängerschaft haben:

  • Sacco und Vanzetti sind beide schuldig, der Prozess kann als fair bewertet werden und die Kritik daran habe meist mit „linker Propaganda“ zu tun, um die Verurteilten als Märtyrer erscheinen zu lassen. Die Argumentation für diese These stützt sich auf die Beweisaufnahme des Verfahrens und die Ergebnisse der von Gouverneur Fuller eingesetzten Kommission.
  • Teilschuld: Sacco ist schuldig, Vanzetti nicht, doch war dieser vermutlich an der Planung des Ãœberfalls beteiligt. Auftrieb erhielt diese Darstellung insbesondere durch die Bücher des Schriftstellers Francis Russell: Unter anderen Indizien zitiert er darin einen führenden Anarchisten aus der Zeit, Carlo Tresca („Sacco war schuldig, Vanzetti war nicht schuldig“), und neue ballistische Untersuchungen.
  • Beide sind unschuldig und wurden Opfer der damaligen hetzerischen Stimmung gegen politisch Andersdenkende und Ausländer. Vertreter dieser Darstellung verweisen unter anderem auf fremdenfeindliche Äußerungen des Richters sowie des Geschworenensprechers Ripley („Man sollte sie auf jeden Fall aufhängen!“), die vielen Alibi-Zeugen und auf die Annahme, dass die wenigen Beweisstücke gefälscht wurden.

Eine wesentliche Rolle in allen Theorien spielt die tödliche „Kugel 3“, die angeblich aus Saccos Colt stamme. So wurden 1961 auf Betreiben von Francis Russel erneut ballistische Tests an Saccos Waffe durchgeführt, nachdem die entsprechenden Tests von 1920/21 keine eindeutige Beweislage geliefert hatten. 1961 schienen die Tests laut Protokoll eher darauf hinzuweisen („suggested“), dass es sich um die Tatwaffe gehandelt haben könnte. Dem wird von anderer Seite entgegengehalten, dass einerseits der über die Jahre angelagerte Rost das Ergebnis verzerren würde, und andererseits Indizien vorlägen, dass die Kugel, die den Tests zugrunde lag, seinerzeit vertauscht wurde, um Sacco schuldig erscheinen zu lassen.

Im Juli 1977 gab Michael S. Dukakis, damals Gouverneur von Massachusetts, eine Ehrenerklärung für Sacco und Vanzetti und deren Familien ab.

„Heute ist der Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti Gedächtnistag. Die Atmosphäre ihres Verfahrens und ihrer Revisionen war durchdrungen von Vorurteilen gegen Ausländer und Feindlichkeit gegenüber unorthodoxen politischen Ansichten. Das Verhalten von vielen der Offiziellen in diesem Fall wirft einen ernstlichen Zweifel auf ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit, die Verfolgung und das Verfahren fair und unvoreingenommen durchzuführen. Schlichter Anstand und Mitgefühl, wie auch Respekt vor der Wahrheit und eine vordauernde Verpflichtung zu den höchsten Idealen unserer Nation, erfordern, dass das Schicksal von Sacco und Vanzetti von allen bedacht wird, die Toleranz, Gerechtigkeit und menschliches Verständnis wertschätzen.“
(“Today is the Nicola Sacco and Bartolomeo Vanzetti Memorial Day. The atmosphere of their trial and appeals were permeated by prejudice against foreigners and hostility toward unorthodox political views. The conduct of many of the officials involved in the case shed serious doubt on their willingness and ability to conduct the prosecution and trial fairly and impartially. Simple decency and compassion, as well as respect for truth and an enduring commitment to our nation's highest ideals, require that the fate of Sacco and Vanzetti be pondered by all who cherish tolerance, justice and human understanding.”)

Der Fall in Literatur, Film, Musik, und bildender Kunst

Das Thema von Sacco und Vanzettis Verurteilung wurde mehrfach literarisch verarbeitet:
John Dos Passos schrieb 1927 ein Buch mit dem Titel Facing the chair: the story of the americanization of two foreignborn workmen.
Kurt Tucholsky widmete im Jahr 1927 das Gedicht 7,7 („Sieben Jahre und sieben Minuten mußten zwei Arbeiterherzen bluten ...“) den beiden Hingerichteten.
Erich Mühsam veröffentlichte 1928 das Drama Staatsräson (ein Denkmal für Sacco und Vanzetti).
Upton Sinclair bearbeitete den Fall in seinem Buch Boston.
Anna Seghers schildert in der 1930 erschienenen Erzählung Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft die Ereignisse um eine Demonstration gegen die Verurteilung Saccos und Vanzettis.

Bis in die Gegenwart hinein haben sich auch immer wieder Autoren mit der Frage nach der Schuld oder Unschuld der Angeklagten befasst.
1927 erschien Felix Frankfurters Buch, The Case of Sacco and Vanzetti: A Critical Analysis for Lawyers and Laymen. Felix Frankfurter stellte in diesem Buch dem Richter Thayer und der Staatsanwaltschaft ein verheerendes Zeugnis ihrer Arbeit aus.
Danach folgten Osmond K. Fraenkel, The Sacco-Vanzetti Case (1931) und Louis G. Joughin und Edmund M. Morgan, The Legacy of Sacco and Vanzetti (1948). Beide Bücher stellten eine Unschuld der Angeklagten fest und beklagten die Unfairnis der Prozessführung.
1960 erschien Sacco-Vanzetti: The Murder and the Myth von Robert H. Montgomery, in welchem der Autor sich überzeugt von der Schuld beider Angeklagter zeigte und den Prozess als fair bewertete.
Francis Russell brachte 1962 mit Tragedy in Dedham: The Story of the Sacco-Vanzetti Case und 1986 mit Sacco and Vanzetti: The Case Resolved eine andere Sichtweise an die Öffentlichkeit. Er hielt Sacco für schuldig, Vanzetti aber für unschuldig am Mord selbst.
In ihrem 1977 erschienen Buch Justice Crucified. The Story of Sacco and Vanzetti (deutsch 1979) untersucht Roberta Strauss-Feuerlicht den Fall im Kontext der puritanischen Tradition Amerikas.

Der Maler Ben Shahn widmete dem Urteil das Bild The Passion of Sacco & Vanzetti (1931/32).

Die Geschichte von „Sacco und Vanzetti“ wurde 1971 von Giuliano Montaldo verfilmt. Aus dem Soundtrack dieses Films stammt das bekannte Lied Here's to you (Text: Joan Baez, Komposition: Ennio Morricone), das später vor allem von Georges Moustaki als Kanon in verschiedenen Sprachen in Frankreich und anderen Ländern Europas Verbreitung fand. Eine deutsche Version/Interpretation des Liedes mit gleicher Melodie, aber ausführlicherem Text stammt vom politisch motivierten Liedermacher und Lyriker Franz Josef Degenhardt.

Der amerikanische Dramatiker Louis Lippa verarbeitete in seinem Stück Sacco & Vanzetti – A Vaudeville (Premiere 1999) den Justizmord in eine bitter-ironische Farce: Sacco und Vanzetti spielen zwei Stunden vor ihrer Hinrichtung die Geschichte ihrer Verurteilung im Stil einer amerikanischen Nummern-Revue der damaligen Zeit durch. 2005 erlebte das Stück als Sacco & Vanzetti: Eine anarchistische Komödie seine deutschsprachige Erstaufführung.

Literatur

  • Marion Denman (ed.): The Letters of Sacco and Vanzetti, New York 1971
  • Felix Frankfurter: The Case of Sacco and Vanzetti: A Critical Analysis for Lawyers and Laymen, 1927. ISBN 0-44800-110-1
  • Osmond K. Fraenkel: The Sacco-Vanzetti Case, 1931.
  • Edmund M. Morgan, Louis Joughlin: The Legacy of Sacco and Vanzetti. New York, Verlag Harcourt, Brake & Co., 1948.
  • Robert H. Montgomery, Sacco-Vanzetti; the murder and the myth, 1960. ACIN B00005WQBE
  • Francis Russell, Tragedy in Dedham;: The story of the Sacco-Vanzetti case, 1962. ISBN 0-07054-342-9
  • Francis Russel, Sacco & Vanzetti: The Case Resolved, Harpercollins, 1986. ISBN 0-06015-524-8
  • Augustin Souchy: Sacco und Vanzetti. Berlin 1927, Ãœberarbeitet: Frankfurt 1977.
  • Eugene Lyons: Sacco und Vanzetti. Unionsverlag, Zürich 1980. ISBN 3-293-00016-9
  • Helmut Ortner: Fremde Feinde: der Fall Sacco & Vanzetti. Steidl-Verlag, Göttingen 1996. ISBN 3-88243-430-9
  • Frederik Hetmann: Freispruch für Sacco und Vanzetti. Baden-Baden, 1978.
  • Roberta Strauss-Feuerlicht: Sacco und Vanzetti, Europa Verlag, Wien 1979, ISBN 3-203-50702-1

Weblinks


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