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Freiwirtschaft

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Nazis demonstrieren für Zinsfreiheit

Freiwirtschaft ist eine zinskritische Wirtschaftstheorie, die im Wesentlichen von Silvio Gesell aus der Theorie der Physiokratie heraus entwickelt wurde. Die Physiokratie wiederum war eine Übertragung der Entdeckung des Blutkreislaufes auf Wirtschaftskreisläufe durch Francois Quesnay, dem Leibarzt von Ludwig XV. und Marquise de Pompadour. Gesell veröffentlichte seine wichtigsten Thesen erstmals im Jahre 1916 in dem Buch "Die natürliche Wirtschaftsordnung". Verbreitet wurde dieses Gedankengut nicht unwesentlich durch die Physiokratische Vereinigung, die unter dem Einfluß des Esoterikers Georg Blumenthal stand.

Die freiwirtschaftlichen Paradigmen

Die Freiwirtschaftliche Analyse des zeitgenössischen Systems von Silvio Gesell untersucht vorrangig die Auswirkungen, die Kapitaleinkommen auf eine Marktwirtschaft hat. Dazu verkürzt sie die kapitalistische Kritik auf eine reine Geldtheorie in der folgenden "Logik": Menschen benutzen Geld, weil sie angeblich ohne Tauschmittel keine Arbeitsteilung betreiben können, entsprechend herrscht an Geld immer Bedarf, und Versuche, Geld an ein wertgleiches Medium zu koppeln (z.B. Gold) würden einer wachsenden Wirtschaft zum Verhängnis.

Die frühe Freiwirtschaftliche Analyse der Kapitaleinkommen basiert vor allem auf der Beobachtung, dass der marktübliche Geldzins nicht unterhalb einer Schwelle fällt, die "Urzins" genannt wird, die darauf basiert dass Geld im gegensatz von Waren und Dienstleistung keine Durchhaltekosten besitzt. Diese Theorie wird später von Keynes aufgegriffen, und zur Liquiditätspräferenztheorie weiterentwickelt. Diese besagt, dass Geld als Tauschmittel einen höheren Preis erhält, weil es als liquides Mittel eine einzigartige Stellung unter allen erwerbbaren Dingen hätte, ein Monopol. Die Schlussfolgerung ist aber die gleiche, diese spezielle Eigenschaft von Geld verleiht ihm die Fähigkeit, einen besonderen Preis zu verlangen: Den Zins.

Geld kann zwar von einer autorisierten Nationalbank in beliebiger Menge gedruckt werden, aber bei unsorgsamen Verteilens von Geld würde eine Inflation entstehen. Dadurch ist Geld nicht in beliebiger Menge verfügbar, sondern muss von der Nationalbank in dem Verhältnis ausgegeben werden, mit dem die Wirtschaft wächst.


Eine ähnliche Beobachtung wird gemacht beim Boden: Kein Gut der Welt kann "Boden" ersetzen, jeder Mensch benötigt Boden um zu leben. Boden ist aber nicht beliebig vermehrbar. Das bedeutet, mit einem stetigen Bevölkerungszuwachs würde der Boden immer knapper werden.

Probleme, die sich daraus ergeben

Dadurch dass die beiden Produktionsfaktoren Geld und Boden nicht in beliebiger Menge hergestellt werden können, aber durch die auf Arbeitsteilung basierende Wirtschaftsform (welche die Grundlage allen wirtschaftlichen Wohlstands ist) konstant mit der Bevölkerung wachsende Nachfrage an Geld und Land, können Besitzer von Geld und Land ein Gegenleistungsloses Einkommen erzielen, sprich, der Zins und die Grundrente.

Dadurch vergrößert sich das Vermögen dieser Besitzer, und damit auch die Kapitaleinkommen, exponentiell. Gleichzeitig steigt die Nachfrage an Geld exponentiell, da jedes Verliehene Geld durch den Zinsmechanismus eine stetig höhere Geldschuld bewirkt. Geld wird durch die exponentiell steigende Nachfrage also immer knapper, was einen Preisverfall zur Folge hat, dem aber die Nationalbank durch eine ständige Vergrößerung der Geldmenge (Inflation) entgegen wirken kann. Beim Land wird das Land mit wachsender Bevölkerung immer knapper, was einen Preisanstieg bei Boden zur Folge hat, den sich die Landbesitzer mit höheren Landrenten bezahlen lassen.

Beim Geld ist das Problem nicht so misszuverstehen, dass der Zins an sich das Problem wäre - er dient als Allokationsmechanismus. Das Problem, auch das der Inflation, entsteht erst dann, wenn das Zinsniveau unterhalb der Liquiditätsprämie, bzw. des Urzinses fällt. In einer Wirtschaft in der immer weniger Knappheit herrscht, werden auch die Renditen immer kleiner. Sinkt nun aber die Rendite auf dem Markt unterhalb des Niveaus der Liquiditätsprämie, wird kein Geld mehr investiert, Gesell spricht hier vom "Horten" des Geldes, und Keynes präzisiert die Situation im Mathematischen Modell der Liquiditätsfalle. Die Folge sind Deflation und dadurch Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut. Um dem Problem teilweise vorzubeugen, kann ein ständiges Wachstum angestrebt werden, so dass die Wirtschaft mindestens so schnell wächst, wie sich das Vermögen der Reichen multipliziert. Leider lässt sich dies nicht als dauerhafte Lösung verstehen, denn die Kosten des erwzungenen, dauernden, wirtschaftlichen Wachstums sind immer stärker werdender Raubbau an Mensch und Natur.

Gesell's Lösung: Freiwirtschaft

Um eine stabile Wirtschaft, in der wenig Knappheit herrscht, also niedrige Renditeraten vorherrschen, zu erhalten, muss also die Liquiditätsprämie neutralisiert werden, damit weiter investiert wird, auch wenn die Renditen immer weiter sinken. Gesells Vorschlag beim Geld ist das der Umlaufgesicherten Währung, die er Freigeld nennt: Sie zu "horten" verursacht dauernde kosten, weswegen es ökonomisch vorteilhaft ist, sie auch dann zu investieren, wenn die Kapitalmarktrenditen nahe Null sind.

Um weiter die Aufspaltung in Arm und Reich zu stoppen und eine weitere Quelle Gegenleistungslosen Einkommens zu eliminieren, muss die Landrente neutralisiert werden. Die einfachste Lösung wäre eine Steuer nach dem Modell von Henry George, die Freiwirtschaftlichen Modelle sehen aber Freiland als weitergehendes Konzept: Verstaatlichung des Landes und Vergabe von Bau- und Nutzrechtverträgen durch die Gemeinden vor. Durch diese Massnahme würde der Landpreis sinken, und die Leistungslosen Einkommen an die Allgemeinheit abgeführt werden. (Gesell sprach von einer Mutterrente)

Als Letztes Element der Freiwirtschaft gilt der Freihandel, der Ländergrenzen niederreissen soll, und den Handel mit allen Produkten rund um die Welt erlauben soll. Freihandel gilt als das einzige Ziel der Freiwirtschaftlichen Bewegung, das - ohne ihr zutun - im Begriffe ist, realisiert zu werden, durch Organisationen wie die WTO.

Kritik

Antisemitismusvorwürfe

Aufgrund ihrer starken Zinskritik wird der Freiwirtschaft und Silvio Gesell vor allem durch das linke Spektrum oft vorgeworfen, "strukturell antisemitisch" zu sein. Bei genauerer Betrachtung ist es zwar offensichtlich, dass Silvio Gesell selbst ein ausgesprochener Gegner des Antisemitismus war, aber es haben sich bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten natürlich auch viele Antisemiten unter der damaligen Freiwirtschaftern getummelt. Das allerdings ist ein Umstand, der in den 1920er-Jahren auch auf die Kommunistischen und Sozialdemokratischen Parteien zutraf. Auch gab es genügend Juden, die der Freiwirtschaftlichen Bewegung angehörten.

Gesells Theorie wirft den Bänkern und den damit assoziierten Juden kein unmoralisches Verhalten vor, denn seine Theorie greift nicht das Banken- und Finanzssystem an sich an, sondern das Geld als Tauschmittel selbst. In seiner Analyse versucht Gesell Ursache und Wirkung des Zinswesens zu beschreiben, und findet die Ursache für überhöhte Zinsen im Geldmittel selbst.

Natürlich steht diese Lehre der üblen Zinsen im Deutschland der 1920er Jahre nicht im luftlehren Raum, sondern in einer Gesellschaft, in der die Juden als die Inhaber der Banken betrachtet werden.

Auch Georg Feder, ein Nationalsozialistischer Ökonom bediente sich Zinskritischer Rethorik. Beispielsweise mit dem Satz "Brechung der Zinsknechtschaft", wobei aber seiner Wirtschaftsanalyse nicht auf Gesell fußte, sondern eine personalisierte Verschwörungstheorie war, in der die Juden, in ihrer Funktion als Bänker, sich verschworen hatten, das deutsche Volk durch den von ihnen geschaffenen Zinsmechanismus auszubeuten. Im Gegenteil griffen die Nationalsozialisten die Freiwirtschaftsbewegung scharf an.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Antisemitismusvorwürfe gegen die Freiwirtschaftliche Theorie komplett haltlos sind, und hauptsächlich von arschverletzten und ideologisch verblendeten Rotfaschisten stammen, die überhaupt kein Interesse daran haben, Gesells Theorie zu verstehen, und stattdessen lieber versuchen, alle von der Marxistisch-Leninistischen Linie abweichenden Kapitalismuskritiken zu diffamieren.

Situation heute

In den 1950er Jahren hatten die Freiwirtschafter ihren größten Zulauf in den "Liberalsozialen" Parteien. Bis zu den 90er Jahren wurden die Liberalsozialen allerdings immer kleiner, und ging schliesslich in die "Initiative für eine Natürliche Wirtschaftsordnung" über. Bis auf den Freihandel konnte die Freiwirtschaftliche Bewegung keines ihrer Ziele wirklich durchsetzen.

Wichtige Vertreter dieser Richtung sind die INWO, die nationalsozialistische Humanwirtschaftspartei und angebliche Anarchisten aus dem Umfeld der Bibliothek der Freien.

Referenzen, Quellen

  1. Gesell, Silvio; Die Natürliche Wirtschaftsordnung, ISBN 3879984212, online-version
  2. Bernd Senf, die Blinden Flecke der Ökonomie, ISBN 978-3-87998-452-7

Siehe auch

Bioregionalismus, Silvio Gesell

Weblinks

Kategorie:Antagonistische Theorie Kategorie:Kapitalismus Kategorie:verkürzte Kapitalismuskritik