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Eine wahre Utopie

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Nach dem Rabatz

Nach dem großem Rabatz hatten viele Monotarier erst mal gar nichts gemacht und waren dann aus Langeweile und mit schlechtem Gewissen wieder in ihren Alltag zurückgekehrt.. Aber der Anteil der Bevölkerung, der schon lange darauf gewartet hatte endlich das zu tun was er schon immer wollte, war groß genug gewesen um schließlich durch ihr Beispiel in einer zweiten Welle noch mehr Monotarier von der neuen Gesellschafts- und Arbeitsform zu begeistern. Schließlich hatte sich der Anteil der Monotartier bei ca. 10% eingependelt, was bis jetzt so geblieben war. Kein Tag war am Anfang vergangen ohne Propaganda von der einen oder anderen Seite, die meistens schnell in heißen Diskussionen weitergingen, die nicht selten ganze Nächte dauerten. Oft waren die anfangs kritischsten Gegner der neuen Multigesellschaft dabei plötzlich zu den schlagkräftigsten Befürworten geworden. Häufig entluden sich die geladenen Diskussionen in ausgelassenen Parties um sich immer weiter fortzusetzen. Viele Ideen wurden so weit gesponnen, dass sie praktische Formen annahmen und zahlreiche entstandene Gruppen und Grüppchen begannen sofort damit Nägeln mit köpfen zu machen. Die ausgelassenen Treffen waren lange Zeit wichtiger Lebensbestandteil für die meisten Menschen geworden und alle 5 Tage zogen dafür Scharen von Menschen in die größeren Städte, manchmal auch aufs Land. Der Charakter der Treffen hatte sich dann schnell verändert und aus spontanen Workshops zu allen möglichen Handwerken, Kunst, Musik... waren schließlich dauerhafte Ausbildungsstellen und Märkte geworden. Nach dem Motto Vielfalt statt Einfalt hatte jeder an verschiedenen Veranstaltungen teil genommen und ganz besonders besucht waren die Musikworkshops in denen sich letztendlich wirklich jeder als teil großartiger Konzerte wiedersah, wo er sich nur wenige Wochen früher nicht im Traum hätte sehen können. Viele Leute hätten nicht gewettet, dass die neuen Konzepte gänzlich aufgehen würden, allerdings waren sie sich einig, dass es schon jetzt gelohnt hatte und das sie neue Wünsche klar vor Augen hatten.

Das Basis-Demokratie-Teil

O schlurfte in die Küche. In der Couch hängten Karen, Urs und Remo, es rocht nach Kaffee und zwischen der Unordnung, welche die Bilder der letzten Nacht durch sein Hirn spulen ließ, entdeckte er Leckereien, die Ebba vermutlich vom Hof aus Lissow mitgebracht hatte. „Anarchie auf dem Küchentisch!“ rieft er scherzhaft und knüpft an eine Diskussion über Ordnung ohne Hierarchie und Definition ihres Contraparts, die „An-Anarchie“, an. „Diese Unordnung ist nicht hierarchisch –wir haben es mit der Form der unordentlichen Anarchie zu tun“, grinst Urs etwas verpennt. Remo wirft Karottengrün an Os Ohr vorbei in Richtung Komposttonne. Dann stand er auf, tonnte das Grünzeug mit einem geschickten Wurf aus 30 cm Entfernung doch noch ein. „Reingebatzt! Ich geh gleich rüber und lass mir von Nathie zeigen, wie man die Jacke wachst“. „Da komm ich auch gleich“, meldet sich O. „Kannst Du meine Jacke mitwachsen?“, fragt Urs. „Da ist ja nicht viel dran zum wachsen“, meinte O. „Doch, ich hab neue Ärmel rangenäht; orangene mit grünen Ellbogen“, mein ganzer Stolz. Urs holte ihr Basis-Demokratie-Teil aus der Tasche. Fünf. Sie erinnerte sich daran, als es noch so viele waren, dass man Stunden gebraucht hatte um sich durch die Diskussions- und Entscheidungsthemen zu klicken. Das erste Thema lautete „Kaugummispuckverbot“. Soll das ein Scherz sein. Interessierte sie nicht besonders, betraf sie nicht persönlich, aber gegen Verbote war sie generell. Sie klickte die –1/4, was soviel bedeutete wie „schwach dagegen“ auf der Skala von –1 bis 1, 0 für Enthaltung und dann gab es noch V für Veto bei Unverhältnismäßiger persönlicher Gefährdung; dann mit einem Link zu den Begründungen. „Verbot“ bedeutete, dass durch Abstimmung nach ausführlicher Abstimmung festgestellt worden war, dass die Mehrheit dagegen sei. Die Akzeptanz der Mehrheit, eigentlich ja sogar der allgemeinen Zustimmung (Konsens 90%) war groß. Es gab natürlich immer ein paar, die sich über das „Verbot“ hinwegsetzten. Vielleicht hatten sie sogar dafür gestimmt. Bei geringer moralischer Problematik wurde darüber i.d.R. kein Aufsehen erhoben. Die Zeiten waren längs vorbei, als gleich jeder bei kleinsten Verstößen vor einem Zusammensturz des Systems zitterte und daran dachte sozialen Druck ausüben zu müssen. Ein „Verbot“ war von extremer Stärke und musste darum sorgfältigst diskutiert und im Zweifelsfalle vermieden werden. Die Einschränkung der Freiheit Einzelner war das schlimmste vorstellbare Fehlverhalten des systems, dass man sich vorstellen konnte. Könnte sich ein/E/_ Einzelne/R/_ nicht frei entfalten und wären die persönlichen Bedürfnisse und Vorlieben durch ein Verbot belastet, müsste sich die Person missverstanden, missbilligt oder ungerecht behandelt fühlen. Was dann die Person schädigen oder sogar zerstören konnte. Es würde zumindest einen starken Verlust an Lebensqualität bedeuten. Darum war die Diskussion so wichtig, an der sich jeder technisch beteiligen können musste und auch die wissensbasierte Fähigkeit dazu gegeben sein mussten. Oft genug genügte die Diskussion selber, um das Bedürfnis nach genereller Regelung verlöschen zu lassen und oft war die generelle Regelung nur ein nützlicher Mechanismus, der die diskussionsbasierte Meinungsbildung förderte. Natürlich änderten sich Sichtweisen ständig und mussten immer weiter diskutiert werden. Außerdem hatte man erst verstehen müssen, dass Kants kategorischer Imperativ zu theoretisch und falsch für die Bildung von Regelungen ausgelegt worden war. Wer die Frage stellt, was geschehen würde, wenn jeder dies oder jenes tun würde, der müsste sich zunächst fragen, wie viele überhaupt tatsächlich dies oder jenes tun wollten oder könnten. Eine Frage, die aufgrund von Rückkopplungen dynamisch ist und darum auch nicht zufriedenstellend z.B. durch Auszählung beantwortet werden konnte. Es gab nur eine Lösung: Jeder tat, was er tatsächlich tun wollte und dann konnte man sich im Notfall eine Regelung einfallen lassen. Es hatte sich allerdings herausgestellt, dass es fast immer technische oder auch soziale Lösungen gab, so dass die Diskussion und Befassung mit dem Thema allein schon eine zufriedenstellende Lösung darstellte. Ein Kaugummispuckverbot kam Urs blöd vor, als wollte jemand das System testen oder boykottieren. Jemand der sich nicht damit auseinandergesetzt hatte. Das Basisdemokratische Konsensprinzip hatte sich erst 2 Jahre nach Reform der Erwerbstätigkeitsgesellschaft durchgesetzt. Kurz danach begann die Abschaffung der Gesetzgebung. Die lang gepflegte Angst vor der Anarchie saß tief und löste eine Diskussionswelle aus, die innerhalb kürzester Zeit eine Fülle von Diskussionsbeiträgen aus allen Disziplinen und über das damals noch sehr lange Spektrum von hohem bis tiefem sogenanntem Bildungsstand, hervorbrachte, wie sie durch kein anderes Thema zu Toppen war. Ein Großteil der Diskussionen befasste sich mit der frage der Moral. Dabei einigte man sich bald, dass der Begriff „Straftat“ durch den Begriff „Unmoralische Handlung“ bedenkenlos ersetzt werden könne. Wobei allerdings auch von vielen Seiten, nicht zuletzt von ehemaligen Richtern, darauf hingewiesen wurde, dass Straftaten bisweilen sogar moralischen Charakter hatten. Die Frage, ob Erhalt von Moral allein durch moralisches Verständnis, erhöhte Verantwortung durch Wegfall von Gesetzen, sowie soziale Kontrolle bewerkstelligt werden könne, wurde besonders von Leuten mit hoher Machtposition bzw. monetär wohlhabenden Leuten aufs Äußerste verneint. Als jedoch aus den selben Reihen die Möglichkeit erwähnt wurde eigene Gesetze straffrei durchzusetzen, wurden die Gegenstimmen plötzlich weniger. Schließlich entschied man sich mit 95 % der abgegebenen Stimmen für eine Probezeit von einem Jahr und einer jederzeitigen Wiederrufungsmöglichkeit mit 20 %. Obwohl in den ersten Wochen nach Abschaffung der Gesetzgebung viele Gegenstände den Besitzer wechselte, was wiederum oft mit leichter bis selten auch schwerer Gewalt vergolten wurde, erreichten die Gegenstimmen in Stoßzeiten gerade mal 11 %. Ein paralleles System zur Bewertung der eigenen Stimme gab es damals noch nicht. Außerdem zweifelten bis heute noch einige Leute sämtliche Entscheidungen vor 2004 an, weil viele Leute, v.a. Monotarier nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten. Der nächste Punkt auf Urs Basis-Demokratie-Teil war “Außenpolitische Stellungnahme zu Folter“. Es war ein Diskussionsthema, noch kein Abstimmungsthema und bestand schon seit 5 Tagen. Ein Klick. „161 neue Wörter. Davon ein Absatz. Zwei Einzelsätze. 12 Einzelwörter.“ Sie war mit dem 10-seitigen Text und dem Film, die in den letzten Tagen unter Zusammenarbeit aller Interessierten entstanden waren, ganz zufrieden gewesen und hatte viele der interessanten Links gelesen. Jetzt überflog sie die kleinen Änderungen und klickte dann erneut „Entscheidungsthema“. Vermutlich wird das Material sich nicht noch mal ändern und Ãœbermorgen beim Besuch der USA-Präsidentin vorgelesen und gezeigt werden und dann als Diskussionsthema weiter verfügbar sein. Der nächste Punkt war „Mindestlohn“, sie klickte 0. Für die Debatten der Monotarier bzw. Monetarier hatte sie wenig Sinn. Sie brauchten nicht für Geld zu arbeiten, wenn sie nicht wollten...