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Eine wahre Utopie

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„Eine wahre Utopie“ handelt von einer Gesellschaft ohne Geld und ohne Hierarchien. Vom Zusammenleben ohne Diskriminierung (nach Geschlecht, Herkunft, Alter...). Die Automatisierung und der „Mangel“ an Arbeit bildet die Grundlage für eine besondere Kultur mit sozialem Wohlstand, mit hohem Maß an Selbst-Reflektion und nachhaltigem Umgang mit Ressourcen. In der Multigesellschaft macht jeder was er für wichtig hält. Raffinierte Technik ermöglicht jetzt schon längst die Versorgung aller (Einfach gelöst ist das Versorgungsproblem in den Wohlstandsländern). Anders als in der Konsumgesellschaft, in da man sich bedienen lässt und das Selbermachen auf das Hobby beschränkt, erlernen die Menschen wieder Fähigkeiten, die in einer Monokultur der vollen und spezialisierten Arbeitswelt verloren gegangen sind. Ausbildungszentren und moderne Bibliotheken ohne patentrechtlich geschützten geistigen Diebstahl verhindern Wissensvorteile und die Ausnutzung von Menschen, wie sie in einer Konsumgesellschaft erfolgt. Und das natürlich alles auf freiwilliger Basis mit jeder Menge der größten aller Freuden, wie Musik und Parties, Freundschaft, Sex, Abenteuer, Erfolgserlebnissen, Liebe, Reisen, Schlämmen und Ausschlafen das ganze Leben lang , bis ins hohe Alter.

Also, wenn jemand die Geschichte mit Leben füllen kann mit eigenen Erfahrungen beim Containern, Wissen über nachwachsende Rohstoffe, Beiträgen zu Geschlechterrollen, das Leben in Tansania oder einfach Tansania durch Äthiopien ersetzt und über Äthiopien schreibt. Reisen ohne Geld. Wie kommen die Figuren nach China? Was geht in den anderen Ländern. Welche Form nimmt die eigen Utopie an? Vielleicht weiß jemand Bescheid über Nullenergiehäuser, Krebszucht ... oder kennt einen passenden Liedtext um das Leben zwischen der Technik weiter zu spinnen. Wie baut man eine Werkstatt auf, ein Ausbildungszentrum und können Angestellte von Pharmakonzernen nur Medikamente herstellen, wenn sie bezahlt werden. Keine Ahnung, wie deine Utopie aussieht! Die hier ist hoffentlich niemals fertig.


Der Rabatz[edit]

Als die ersten Wasserwerke privatisiert wurden, gab es die üblichen Proteste. ...

Nachdem dann in Hamburg einige Hundertausende die Stadt verliessen um in Schleswig unter freiem Himmel zu leben und wieder Wasser zuhaben, aus natürlichen Quellen kam es zur Eskalation. ...

Nach dem Rabatz[edit]

Nach dem großen Rabatz hatten viele Monotarier erst mal gar nichts gemacht und waren dann aus Langeweile und mit schlechtem Gewissen wieder in ihren Alltag zurückgekehrt. Aber der Anteil der Bevölkerung, der schon lange darauf gewartet hatte endlich das zu tun was er schon immer wollte, war groß genug gewesen um schließlich durch ihr Beispiel in einer zweiten Welle noch mehr Monotarier von der neuen Gesellschafts- und Arbeitsform zu begeistern. Schließlich hatte sich der Anteil der Monotarier bei ca. 10% eingependelt, was bis jetzt so geblieben ist. Kein Tag verging anfangs ohne Propaganda von der einen oder anderen Seite, die meistens schnell in heißen Diskussionen weitergingen, die nicht selten ganze Nächte dauerten. Oft waren die anfangs kritischsten Gegner der neuen Multigesellschaft dabei plötzlich zu den schlagkräftigsten Befürworten geworden. Häufig entluden sich die geladenen Diskussionen in ausgelassenen Parties um sich immer weiter fortzusetzen. Viele Ideen wurden so weit gesponnen, dass sie praktische Formen annahmen und zahlreiche entstandene Gruppen und Grüppchen begannen sofort damit Nägeln mit Köpfen zu machen. Die ausgelassenen Treffen waren lange Zeit wichtiger Lebensbestandteil für die meisten Menschen geworden und alle 5 Tage zogen dafür Scharen von Menschen in die größeren Städte, manchmal auch aufs Land. Der Charakter der Treffen hatte sich dann schnell verändert und aus spontanen Workshops zu allen möglichen Handwerken, Kunst, Musik... waren schließlich dauerhafte Ausbildungsstellen und Märkte geworden.

In dieser Zeit hatte sich der Begriff "Monotarier" herausgebildet, für Leute, die sich überwiegend auf eine einzige Tätigkeit beschränkten. Oft waren das Leute, die am vorherrschenden Lohnsystem festhielten und auch als "Monetarier" (Moneten) bezeichnet wurden, wobei man versuchte Diskrimierung zu vermeiden.

Nach dem Motto Vielfalt statt Einfalt hatten sehr viele Leute an verschiedensten Veranstaltungen teil genommen und ganz besonders besucht waren die Musikworkshops in denen sich letztendlich wirklich Alle als Teil großartiger Konzerte wiedersahen, wo sie sich nur wenige Wochen früher nicht im Traum hätte sehen können. Viele Leute hätten nicht gewettet, dass die neuen Konzepte gänzlich aufgehen würden, allerdings waren sie sich einig, dass es sich schon jetzt gelohnt hatte und das sie neue Wünsche klar vor Augen hatten.

Das Basis-Demokratie-Teil[edit]

O (26, hübsch, intelligent und bis zu diesem Punkt der Geschichte noch ohne geschlechtliche Orientierung) schlurfte in die Küche. In der Couch hingen Karen, Urs und Remo (welche im Gegensatz zu Karen noch wichtige Rollen spielen werden). Es roch nach Kaffee und zwischen der Unordnung, welche die Bilder der letzten Nacht durch sein Hirn spulen ließ, entdeckte er Leckereien, die Ebba vermutlich vom Hof aus Lissow mitgebracht hatte. „Anarchie auf dem Küchentisch!“ rief er scherzhaft und knüpfte an eine Diskussion über Ordnung ohne Hierarchie und Definition ihres Contraparts, die „An-Anarchie“, an. „Diese Unordnung ist nicht hierarchisch – wir haben es mit der Form der unordentlichen Anarchie zu tun“, grinste Urs etwas verpennt. Remo warf Karottengrün an Os Ohr vorbei in Richtung Komposttonne. Dann stand er auf, tonnte das Grünzeug mit einem geschickten Wurf aus 30 cm Entfernung doch noch ein. „Reingebatzt! Ich geh gleich rüber in die Werkstatt und lass mir von Nathie zeigen, wie man die Jacke wachst“. „Da komm ich auch gleich“, meldete sich O. „Kannst Du meine Jacke mitwachsen, da fäll der Regen quasi direkt durch“, fragte Urs. „Da ist ja nicht viel dran zum wachsen“, sagte O. „Doch, ich hab neue Ärmel rangenäht; orangene Schlapperärmel mit grünen Ellbogen“, mein ganzer Stolz.

Urs holte ihr Basis-Demokratie-Teil aus der Tasche. Fünf neue Themen. Sie erinnerte sich daran, als es noch so viele waren, dass man Stunden gebraucht hatte um sich durch die Diskussions- und Entscheidungsthemen zu klicken. Das erste Thema lautete „Kaugummispuckverbot“. Soll das ein Scherz sein. Interessierte sie nicht besonders, betraf sie nicht persönlich, aber gegen Verbote war sie generell. Sie klickte die –1/4, was soviel bedeutete wie „schwach dagegen“ auf der Skala von –1 bis 1, 0 für Enthaltung und dann gab es noch V für Veto bei Unverhältnismäßiger persönlicher Gefährdung; dann mit einem Link zu den Begründungen. „Verbot“ bedeutete, dass durch Abstimmung nach ausführlicher Diskussion festgestellt worden war, dass die Mehrheit dagegen sei. Die Akzeptanz der Mehrheit, eigentlich ja sogar der allgemeinen Zustimmung (Konsens 90%) war groß. Es gab natürlich immer ein paar, die sich über das „Verbot“ hinwegsetzten. Vielleicht hatten sie sogar dafür gestimmt. Bei geringer moralischer Problematik wurde darüber i.d.R. kein Aufsehen erhoben. Die Zeiten waren längst vorbei, als gleich jeder bei kleinsten Verstößen vor einem Zusammensturz des Systems zitterte und daran dachte sozialen Druck ausüben zu müssen. Ein „Verbot“ war von extremer Stärke und musste darum sorgfältigst diskutiert und im Zweifelsfalle vermieden werden. Die Einschränkung der Freiheit Einzelner war das schlimmste vorstellbare Fehlverhalten des Systems, dass man sich vorstellen konnte. Könnte sich ein Einzelner nicht frei entfalten und wären die persönlichen Bedürfnisse und Vorlieben durch ein Verbot belastet, müsste sich die Person missverstanden, missbilligt oder ungerecht behandelt fühlen. Was dann die Person schädigen oder sogar zerstören konnte. Es würde zumindest einen starken Verlust an Lebensqualität bedeuten. Darum war die Diskussion so wichtig, an der sich jeder technisch beteiligen können musste und auch die wissensbasierte Fähigkeit dazu gegeben sein mussten. Oft genug genügte die Diskussion selber, um das Bedürfnis nach genereller Regelung verlöschen zu lassen und oft war die generelle Regelung nur ein nützlicher Mechanismus, der die diskussionsbasierte Meinungsbildung förderte. Natürlich änderten sich Sichtweisen ständig und mussten immer weiter diskutiert werden. Außerdem hatte man erst verstehen müssen, dass Kants kategorischer Imperativ zu theoretisch und falsch für die Bildung von Regelungen ausgelegt worden war. Wer die Frage stellt, was geschehen würde, wenn jeder dies oder jenes tun würde, der müsste sich zunächst fragen, wie viele überhaupt tatsächlich dies oder jenes tun wollten oder könnten. Eine Frage, die aufgrund von Rückkopplungen dynamisch ist und darum auch nicht zufriedenstellend z.B. durch Auszählung beantwortet werden konnte. Es gab nur eine Lösung: Jeder tat, was er tatsächlich tun wollte und dann konnte man sich im Notfall eine Regelung einfallen lassen. Es hatte sich allerdings herausgestellt, dass es fast immer technische oder auch soziale Lösungen gab, so dass die Diskussion und Befassung mit dem Thema allein schon eine zufriedenstellende Lösung darstellte. Ein Kaugummispuckverbot kam Urs blöd vor, als wollte jemand das System testen oder boykottieren. Jemand der sich nicht damit auseinandergesetzt hatte.

Das Basisdemokratische Konsensprinzip hatte sich erst 2 Jahre nach Reform der Erwerbstätigkeitsgesellschaft durchgesetzt. Kurz danach begann die Abschaffung der Gesetzgebung. Die lang gepflegte Angst vor der Anarchie saß tief und löste eine Diskussionswelle aus, die innerhalb kürzester Zeit eine Fülle von Diskussionsbeiträgen aus allen Disziplinen und über das damals noch sehr lange Spektrum von hohem bis tiefem sogenanntem Bildungsstand, hervorbrachte, wie sie durch kein anderes Thema zu Toppen war. Ein Großteil der Diskussionen befasste sich mit der Frage der Moral. Dabei einigte man sich bald, dass der Begriff „Straftat“ durch den Begriff „Unmoralische Handlung“ bedenkenlos ersetzt werden könne. Wobei allerdings auch von vielen Seiten, nicht zuletzt von ehemaligen Richtern, darauf hingewiesen wurde, dass Straftaten bisweilen sogar moralischen Charakter hatten. Die Frage, ob Erhalt von Moral allein durch moralisches Verständnis, erhöhte Verantwortung durch Wegfall von Gesetzen, sowie soziale Kontrolle bewerkstelligt werden könne, wurde besonders von Leuten mit hoher Machtposition bzw. monetär wohlhabenden Leuten aufs Äußerste verneint. Als jedoch aus den selben Reihen die Möglichkeit erwähnt wurde eigene Gesetze straffrei durchzusetzen, wurden die Gegenstimmen plötzlich weniger. Schließlich entschied man sich mit 95 % der abgegebenen Stimmen für eine Probezeit von einem Jahr und einer jederzeitigen Wiederrufungsmöglichkeit mit 20 %.

Obwohl in den ersten Wochen nach Abschaffung der Gesetzgebung viele Gegenstände den Besitzer wechselte, was wiederum oft mit leichter bis selten auch schwerer Gewalt vergolten wurde, erreichten die Gegenstimmen in Stoßzeiten gerade mal 11 %. Ein paralleles System zur Bewertung der eigenen Stimme gab es damals noch nicht. Außerdem zweifelten bis heute noch einige Leute sämtliche Entscheidungen vor 2004 an, weil viele Leute, v.a. Monotarier nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten.

Der nächste Punkt auf Urs Basis-Demokratie-Teil war “Außenpolitische Stellungnahme zu Folter“. Es war ein Diskussionsthema, noch kein Abstimmungsthema und bestand schon seit 5 Tagen. Ein Klick. „161 neue Wörter. Davon ein Absatz. Zwei Einzelsätze. 12 Einzelwörter.“ Sie war mit dem 10-seitigen Text und dem Film, die in den letzten Tagen unter Zusammenarbeit aller Interessierten entstanden waren, ganz zufrieden gewesen und hatte viele der interessanten Links gelesen. Jetzt überflog sie die kleinen Änderungen und klickte dann erneut „Entscheidungsthema“. Vermutlich wird das Material sich nicht noch mal ändern und Übermorgen beim Besuch der USA-Präsidentin vorgelesen und gezeigt werden und dann als Diskussionsthema weiter verfügbar sein. Die meisten Nationen fingen gerade erst an, nach anfänglicher Weigerung, die nicht nationale Multigesellschaft, trotz Fehlens einigermaßen mächtiger Repräsentaten, zu akzeptieren. Der nächste Punkt war „Mindestlohn“, sie klickte 0. Für die Debatten der Monotarier bzw. Monetarier hatte sie wenig Sinn. Sie brauchten nicht für Geld zu arbeiten, wenn sie nicht wollten...

Dach muss sein[edit]

Urs füllte den Bottich im Hof mit Kompost, ging dann auf das Dach des 6-stöckigen Gebäudes, was im Zentrum der Stadt gelgen war, und kurbelte die Last am Flaschenzug nach oben. Obwohl sie nicht gerade an einem Überfluss an Muskelmasse litt, machten ihr die 20 kg mit der neuen Vorrichtung kein Problem. Die Automatisierung hatten sie erst mal wieder auf Eis gelegt, weil unnötig. Irgend jemand war sowieso immer auf dem Dach und interessierte sich, was sich bei den Pflanzen tat. Bei den Kürbissen stand die Stickstoffanzeige auf dem Minimum, außerdem war fast das ganze organische Material in den Beeten verbraucht. Es nieselte leicht und angenehm in ihr verschwitztes Gesicht und sie wischte sich die nassen Locken aus der Stirn. Und strich sich mit dem Handrücken an ihrer juckenden Nase. Im Nachbardachgarten bastelte gerade Micha. Urs winkte ihm grüßend nach drüben. Sie verteilte den Kompost im Beet. Dann goss sie mit dem Schlauch aus dem Regenspeicher die vertikalen Gärten, die an der Wand 2 Stockwerke nach unten hingen. Als sie fertig war pflückte sie sich eine Tomate und genoss die Aussicht, welcher sie noch kaum Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Die meisten Dächer waren grün, dazwischen sah man überall Windschutzwände und Gewächshäuser. In der Ferne war der Himmel weniger grau und sogar ein blauer Streifen wurde sichtbar. Schräg gegenüber hatte jemand einen schwarzen Rahmen an die große weiße Wand montiert, um die gelegentlich dort projizierten Filme stärker hervorzuheben und um den daneben rankenden Hopfen von der Fläche fernzuhalten- Als sie von der Konzerthalle her Musik hörte, fiel ihr wieder ein, dass sie ja mit Karen und Olivier noch ein Stück lernen und sie außerdem fragen wollte, ob sie mit ihr nach Lissow aufs Land fahren mochten. Dort waren jetzt bestimmt viele Leute, viel zu tun und bestimmt auch eine optimale Stimmung.

modern containering[edit]

Als sie wieder rein ging, traf sie O, Remo und Nathie. Nathie sah gut aus. Die halblangen Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden, die frech nach hinten abstanden und sie lachte sie über das ganze Gesicht an. O gab Urs die Jacke. „Wir wollen gleich zum Containern, willst Du mit?“ „Ich will gleich ins Musikhaus", antwortete Urs, "aber habt ihr Lust demnächst mit nach Lissow zu fahren? Vielleicht morgen oder so?“ „Klingt verlockend!“, sage O. „Ich will Karen und Oliver noch fragen. Wir wollen gleich noch ein Stück üben.“ „Ich denk, ich komm mit; was ist mit Euch?“, fragte O zu Remo und Nathie gewendet. Die drei rockten ihre Räder nach Wilmasburg, der Bezirk mit den meisten Monotariern. Früher hatten sie manchmal nachts bei den Supermärkten containert, als Protest gegen die Wegwerfgesellschaft. Es gab immer jede Menge Lebensmittel, voll in Ordnung, die einfach weggeworfen wurden, weil das Verfallsdatum abgelaufen war oder eine Frucht von einer ganzen Packung zermatscht war. Jetzt schmeckte ihnen das Zeug nicht mehr. Die eigenen Sachen waren zehnmal leckerer und man wusste wie sie angebaut waren. Jetzt waren sie auf der Suche nach Schrott. Den brauchten sie eigentlich auch nicht, weil sie das Material der meisten Gegenstände wieder verwendeten. Vieles war aus Metall und man konnte die Sachen einfach reparieren oder erneuern. Aber es war einfach auch ein Spaß.

Es war völlig still in Wilmasburg. Kitschige Ziergärten mit kurzgeschorenem Rasen, Blumenrabatten und weiß gekalkten Steine; angebaut wurde hier nichts. „Sieht irgendwie ganz wunderschön einsam hier aus“, meinte O. Remo kannte die Gegend schon, weil er manchmal Rasenschnitt für die eigene Biogasanlage holte. Die Monos bauten das Gras an und er braucht es nur abzuholen und Strom daraus zu produzieren. Am Anfang wollten kaum Leute den Rasenschnitt einfach so weggeben. Es gab einige Multis, die das selbe Prinzip verfolgten und man hatte sich überlegt, ob man anbieten solle, den Rasen selber zu mähen und war dann auf eine viel bessere Idee gekommen. Man verlangte ein Gebühr dafür, dass man den Rasen abholte. Plötzlich funktionierte es hervorragend und einige Monos beschwerten sich sogar, wenn der Rasen nicht rechtzeitig abgeholt wurde. Das war das einzige Geld was die Multis verdienten. Gewissermaßen zwangsweise. Man hatte überlegt, ob man es spenden sollte. Aber da Geld z.B. in der Entwicklungshilfe genauso umstritten war, wie in der eigenen Gesellschaft, wollte man es lieber loswerden. Man konnte es z.B. umnutzen und Gebrauchgegenstände daraus machen, wie z.B. Klopapier, wozu es aber ziemlich schlecht geeignet war. Manche machten sich einen Spaß daraus und schmissen es einfach in eine Menge von Monotariern. Mo hatte neulich eine Volksverköstigung gemacht und im Monoviertel eine Geldsuppe verteilt.

Seit einiger Zeit sind die Mülltonnen alle abgeschlossen. „Die sind so geizig, die teilen nicht mal ihren Müll“, hatte man früher aus unverständnis gesagt. Aber so was sagte man heute nicht mehr-sowas wäre ja Monotaismus (also Feindlichkeit gegen Monotarier), schließlich kann jeder sein Leben so führen wie er will. O hatte ja selber mal als Monotarier gelebt, nach dem großen Rabatz, und Karen und Lars aus der WG waren ja auch Monotarier. Die würden allerdings nie ihre Mülltonen absperren. Remo sprang über einen Zaun, schnitt eine Tonne mit dem selbstgebauten Tonnenöffner am Boden auf und leerte den Inhalt in die Wanne, dann schweißte er sie so schnell wieder zu, wie er sie geöffnet hatte.

„Gut getrennt“, wirklich nur „Restmüll“. Eine Tasse ohne Henkel, darauf steht: „Heute bist Du der Boss“, eine Puppe ohne Arme, an den Schultern hängen die Drähte raus. Remo lässt sie wackelnd am Gartenzaun lang marschieren „Uii, wu sind muine Orme.“ Plötzlich zuckt Remo zusammen. „Himmel auch, der Zaun ist ja geladen. Das war der vorhin noch nicht.“ Er fischt noch ein neuwertig aussehendes Radio aus dem Müll und schüttet den Rest in eine Tüte, die er neben die Mülltonne stellt. „Da kommen schon die bezahlten Schlägertypen. Bloß weg hier!.“ Die Grünbejackten waren noch ein Relikt aus alten Zeiten. Natürlich kam es nie zu Gewalttaten (schließlich ist dies hier eine Utopie, oder?). Sie dienten lediglich dazu das Spiel etwas spannender zu gestalten. Remo zögerte, über den elektrischen Zaun zu kletter. Als es schon fast zu spät war sprang er mit einem beherzten Sprung auf die Strasse und lief sofort los. Trotzdem holte ihn einer der Verfolger ein und stellte ihm von hinten ein Bein, so dass er der länge nach hinfiel. Mit einem gewissen Stolz merkte er wie er geschickt abrollte und sofort wieder aufstand. Dann gab er ordentlich Fersengeld und entkam gerade noch mal mit einem blauen Fleck auf dem Hüftknochen.

Ökospießer hassen Autos[edit]

Auf dem Rückweg vom Musikhaus musste Urs einen Moment an der vierspurigen Strasse warten. Nachdem der Verkehr stark abgenommen hatte, waren viele Straßen teilweise abgebaut worden. Man hatte kanalisierte Bachläufe wieder ans Licht gebracht. Und einige ehemalige Straßen schlängelten sich als grüne Bänder durch die Stadt. In einige Straßen wuchs Gemüse an vertikalen Wänden. Besonders eindrucksvoll waren die 3 m hohen Salatwände. Jetzt stand Urs allerdings an einer der immer noch zu zahlreichen Autostraßen. „Es kann doch nicht sein, dass Autofahrer immer noch mehr Rechte haben, als Leute ohne Auto. Hier stehen 10 Leute, dort drüben auch und ein Stück weiter noch mal das Gleiche. Wegen 6 Personen, die jeweils einzeln in ihren Schlitten sitzen. Ist auch so ungerecht, dass wir hier den Dreck atmen müssen, den Lärm und Stress ertragen und uns überfahren lassen müssen, nur weil die es bequem haben wollen.“ Sie hatte sich schon länger Gedanken gemacht und wollte ihre Ideen mal ins Netz stellen. Sie setzte sich zu Hause gleich an den Rechner und geht ins Wikinovia. VERKEHR, suchte sie. Da ist ein Artikel über „Gleichberechtigung von Wartezeiten verschiedener Verkehrsteilnehmer“ nach Gepart et al (2008) und Verkehrsausnutzung 2007 beträgt die Ausnutzung von Autos nur 0,29 der verfügbaren Sitzplätze. Sie klickte auf den Link. „Die Studie erfasste insgesamt 400 000 Viersitzer, diese umfassen derzeit 74% aller Pkws. Die Studie wurde innerhalb von 2h durchgeführt, weshalb angenommen wird, dass nur wenige Fahrzeuge mehrfach erfasst wurden.... Ergebnis der Studie war, dass Fahrzeuge überwiegend einfach besetzt sind...“. Sie klickte zurück.

„Gleichberechtigung der Wartezeiten verschiedener Teilnehmer wird erreicht durch ein modernes Zählsystem. Dadurch erhält jeder Teilnehmer pro Kopf eine einheitliche Wartezeit. Ein 4-fach besetztes Auto erreicht dadurch mindestens ein halb jedoch im optimalen Fall bis ein viertel so lange Wartezeiten (siehe Modelle 1 und 2, Anlage 1), je nach Verkehrsaufkommen und Besetzung der anderen Fahrzeuge. Ein Fahrzeug erhält den Hinweis zum Stop, wenn die Gruppe der Wartenden die Anzahl der Vorbeigefahrenen übertrifft. Baupläne für das senderlose, infrarotbasierte Zahlsystem befinden sich im Link.“ Nicht schlecht! Das war besser als was sie sich überlegt hatte. Urs klickte auf einen Link in dem man sich eintragen konnte, wenn man beim Bau der Zählsystem helfen wollte. Schon ziemlich viele Freiwillige! Sie trug sich trotzdem ein. Die Gehäuse könnte man aus Raps-Hanföl-Kunststoff machen. Sie hatte sich mehrere Jahre mit der Fertigungstechnik beschäftigt und war mit O sogar ein halbes Jahr in Brasilien gewesen um die Technologie weiterzugeben und dafür die dort angewandte Technik von Dämmstoffen aus Erdöl auf das Pflanzenöl anzuwenden. Sie machte eine Anmerkung und erstellte einen Link zu den Kunststoffseiten und schloss das Wikinovia.

Ohne Hierarchie natürlich keine Gewalt[edit]

Einige hatten in Lissow den ganzen Tag ziemlich gewerkelt, andere sich einfach erholt. Abends saßen sie am Lagerfeuer. Klaus, der das erste Mal in Lissow war erzählte von seiner Zeit in der Faschosekte. „Ich muss gestehen, es war ein starkes Gefühl. Wir haben alles gemacht, was die Gruppenführer befohlen haben. Es war völlig klar, dass die meisten Sachen einfach nur Schwachsinn waren, darum musste man nicht darüber nachdenken. Es ging darum zu zeigen, dass man die Spielregeln und zu gehorchen verstand . „Reiß die Knöpfe ab! Alle! Bis zum Training sind sie wieder angenäht, ist das klar!“ Klaus sprach in brutalem Befehlston. Die anderen hatten interessiert zugehört und starrten jetzt verlegen ins Lagerfeuer. „Es ging einfach darum zu gehorchen, und genauso haben wir uns Sachen für die Neuankömmlinge ausgedacht. Wir haben alle zusammengehört. Also irgendwie auch über die Hierarchien hinweg. ... Dann kam der Befehl für meine Gruppe. Zum Loyalitätsbeweis sollten wir ein paar Leute zusammenschlagen und die Gärten zerstören und alles... Sind dann zu einem Haus gegangen on x-beliebigen Multis. Wir haben’s einfach gemacht. Haben uns vorher maskiert, damit uns nachher keiner erkennt. Die waren so sauer, als wir die Beete vom Dach geworfen haben. Die hatten überhaupt keine Angst. Ich bin nur froh, dass wir niemanden umgebracht haben. Zuerst haben wir total gefeiert. Und dann ging’s mir echt dreckig. Bin zum Gruppenführer gegangen und habe ihm gesagt, dass das totaler Schwachsinn war, dass er erst mal selber irgendwas an- und aufbauen soll. Er hat mich behandelt, als wäre es total unmoralisch so was zu sagen. Ich bin dann zu den Leuten gegangen, die ich überfallen habe, um mich zu entschuldigen. Die haben mich natürlich rausgeschmissen. Hab ihnen dann einen Brief geschrieben und ein selbstgebautes Gewächshaus hingestellt. Das haben die zuerst stehen gelassen. Aber beim nächsten Besuch haben sie mich reden lassen. Ich hab mich so geschämt, wollte alles wieder aufbauen.

Nathie bricht das schweigen. „ Wie bist du eigentlich überhaupt zu der Gruppe da gekommen? Ich meine, wenn Du vorher mit anderen Multis zusammengelebt hast. Die Freunde und die WG - da könnte ich nicht so einfach verschwinden.“ „Na ja, die waren halt echte Idioten. Alle älter als ich. Die haben das mit dem Respekt und Hierarchielosigkeit nicht so mitgeschnitten. Werner hat mich nur rumkommandiert. Liss fand das auch noch komisch und Paulo Coelho war ständig besoffen, die alte Sau, und hat immer nur rumgejammert.

Urs stand auf um Holz nachzuholen. Dieser Klaus ging ihr ein bisschen auf den Geist. Aber vielleicht konnte er ja nichts dafür? Manche Leuten haben einfach den falschen Umgang. Der Vollmond spiegelte sich im Teich und sie hörte einen Sprosser. Zwischen den Strophen aus, ihrer Meinung nach, schönem Gesang folgten immer die Rätsch und Schnalztöne. "Komisches Gemisch", dachte sie. Die Luft fühlte sich angenehm frisch an nach der Hitze des Feuers. Sie lud sich mit Holz voll und ging zurück in die Runde der orange beleuchteten Gesichter.

„Auf jeden Fall kann ich mir nicht vorstellen, wie man sich wie ein Sklave befehlen lassen kann, was man zu tun hat und was nicht. Irgendwer spielt den Vorgesetzten und fühlt sich toll dabei und andere spielen auch noch mit und gehorchen immer schön ohne Sinn und Vertand“ sagte jemand, den sie noch nicht kannte. Als alle schwiegen sagte sie: „ In Brasilien, als ich an der Raps-Hanföl-Kunststoffsache gearbeitet habe, da gab es in dem Betrieb bestimmt 5 Hierarchiestufen. Aber die Kommunikation hat in beide Richtungen erstaunlich gut funktioniert. Zum Beispiel wollten viele Männer keine gelben, sondern lieber schwarze Stulpen. Die mussten sie anziehen, weil der Sicherheits-Gesundheitsmensch das vorschrieb; gegen Schlangenbisse und Kletten. „ Waren es immer gerade die Männer, die die schwarzen Stulpen wollten?“, erkundigte sich der, den sie noch nicht kannte. „Ja, also Sirlei, der Engenheiro da Securanca, hat gesagt, die Männer wollen lieber schwarze, die Frauen lieber gelbe. Auf jeden Fall hat er das dann nach oben gemeldet und hat den Männern dann beim nächsten Mal schwarze Stulpen gebracht. Oder einmal hat jemand sich beschwert, dass die Bustür nicht schließt. Von einem von den Bussen, mit denen die Leute jeden Morgen auf der riesigen Fazenda verteilt wurden. Das wurde dann wieder irgendwo nach oben gemeldet und dann repariert. Ziemlich aufwendiger Verwaltungsapparat. Hätten sie ja selber reparieren können. Aber auf jeden Fall haben die sich miteinander unterhalten und schnell was gemacht und die „Sklaven“ konnten sich auch beschweren. Aber es war komisch, weil die Rapsarbeiter haben den ganzen Tag in der prallen Sonne gearbeitet und die Vorarbeiter fuhren nur in ihren Autos über die Felder und haben überall geguckt ob alles läuft oder ob man was verbessern könnte. Wenn ich da mitgefahren bin, oder im Büro war, war ich Mittags immer in der Kantine mit fettem Menü. Mit Salat und Nachtisch, frisch gepresstem O-Saft und Kaffee. Und wenn man auf dem Feld war, dann hatte man das Selbe, wie mir versichert wurde in einer Tubebox. D. h. das Hauptmenü aus Reis und Bohnen und ein Stück Fleisch zusammengemantscht und schon kalt ohne den anderen Firlefanz. Die auf dem Feld haben genauso lang gearbeitet wie die anderen und waren abhängig von den Bussen. Die anderen konnten selbst bestimmen wann sie gingen, hatten Telefon und Wasser und alles. Die Leute auf dem Feld haben im Schutzanzug bei 40°C die Pflanzen gespritzt und haben dafür viel weniger Geld bekommen. Und alle dachten, das sei normal!“

Technokratengeflüster[edit]

Viel später lagen sie alle in ihren Schlafsäcken eingekuschelt, im Halbdunkeln unterm Vollmond. Nathie lag neben Urs. Sie schauten sich an und rückten ein bisschen näher zusammen. Neben dran öffnete jemand das Verdeck vom Cabriobett. Das hatten sie letzten Sommer gebaut, als sie gesponnen hatten, dass man eigentlich im Sommer ganz draußen leben könnte. Nur trocken liegen müsste man dann können, aber bei klarem Himmel die Sterne sehen. Also hatten sie das Cabriobett gebaut, so mit dicker Matratze und Daunendecken. „Ich wusste gar nicht, dass Du in Brasilien warst, flüsterte Nathie.“ „ist schon 6 Jahre her; O war auch dort. Ich wollte rausfinden, wie man Dämmmaterial herstellt. O hat hauptsächlich die Chemie und ich die Technik gemacht. Die Geräte stehen hier in Lissow. Ich kann sie dir morgen zeigen, wenn Du willst. „Ich möchte auch gern ins Ausland. Reisen. Was neues sehen.“ „Brasilien war echt schön; wir sind noch etwas rumgetrampt“, sie lachte in der Erinnerung. „Es hat uns kaum jemand mitgenommen. Die fahren alle mit dem Bus und du musst bezahlen“. „Meinst Du, man kann in einem Konsumland ohne Geld reisen? Ich hatte schon überlegt eine Zeit lang eine Gelderwerbstätigkeit zu machen.“ „Wir haben Leute getroffen, die sind mit Geld gereist und waren ganz neidisch. Sie meinten, sie würden auch gerne lieber den Leuten ein bisschen mit irgendwas helfen, aber sie würden einfach nicht so gut in Kontakt mit den Leuten kommen und könnten auch nichts Praktisches. Ich glaube ja, es ist am einfachsten in einem Land, in dem es schon nicht-monetäre Strukturen gibt. Die suchen ja eh ständig Leute für Bildungsaustausch. Am einfachsten kommt man mit einem Transportunternehmen hin. Die können auch immer Leute gebrauchen. Man kann einen LKW hinfahren. Man braucht nur einen internationalen LKW-Führerschein. Den kann Marie einem beibringen.

Mir gefällt es hier auch gerade super. Hab gerade vor so einige Sachen auszuprobieren. Und in den Ausbildungszentren macht es auch richtig Spaß. Es gibt immer so viele wissenshungrige Leute. Die wollen alles lernen. Wenn die alle die Maschinen für die Dämmstoffproduktion nachbauen und das ganze Pflanzenöl verbasteln, dann laufen bald noch Holzvergaser und Motoren ohne Treibstoff. Ich bin so froh, dass sich das Zeug wieder verflüssigen lässt. Auf jeden Fall, abends, die Stimmung ist auch so schön. Ich mein, ich hab nicht Lust jeden Tag zu feiern, aber Du hättest neulich da sein sollen. Eine Gruppe von Leuten aus der rumänischen Gegend hat angefangen Musik zu machen und nachher haben insgesamt 30 Leute mitgespielt und es klang richtig genial.“ Sie schweigen eine Weile. „Ich werde jetzt richtig müde.“ „Träum was süßes“, flüsterte Nathie zurück und aneinandergekuschelt schliefen sie ein.

Omi und Opi Lissow[edit]

Nachdem sie den ganzen Tag ziemlich geackert hatten, freuten sich alle tierisch auf den See. Besonders die ältere Fraktion war wieder mal als erstes im Wasser. Omi und Opi Lissow, die alle einfach nur so nannten; außerdem Tolle und Torsten, Omis Mann.

„Herrlich!“, rief Opi als er wieder rauskommt. „Dämlich“, kommentierte Omi und lachte dann schallend. Während er sich abtrocknete sang er im Gebetston: „ich habe schon wieder konsumiert. Ich bin eine reicher Bonze- sozialer Reichtum- genusssüchtig“. Er küsste Tolle auf die Schulter. Dann rupfte er mit einem Siegesruf Omi den Schlüpfer aus der Hand, den sie sich gerade anziehen wollte und lief damit weg. „Hahah“ rief er im Piratenstil. Omi krapschte sich seelenruhig seine Klamotten und sagte mit gekonnt grimmiger Stimme: „Her damit, oder ich probier mal ob das Zeug hier schwimmen kann.“ Opi gab sich geschlagen.

Die Kinder waren friedlich dagegen. Im Moment waren nur die Zwillinge Uli und Motz von Ebba und der Sohn von Klaus da. Sie fingen Wassertierchen am flachen Ufer. Sie zeigten sie Omi Lissow: „Wir haben eine Libellenlarve und 2 Köcherfliegenlarven.“ „Dann sind das dort wohl die Köcherfliegenlarven". Sie zeigte auf die Würmer, von denen es zwei gab. Sie hatten vorne 6 Beine und steckten jeweils in einem Klumpen aus Nadeln und Aststücken. "Wie sehen den die Köcherfliegen nachher aus?“, fragte sie. „Ich weiß nicht. Aber- aber wir können sie ja ausschlüpfen lassen und sie uns dann anschauen.“ sagte Uli. „Ja, das könnt ihr, aber dann müsst ihr sie auch füttern.“ „Was fressen die denn?“ „Ja, das weiss ich auch nicht. Hab die Tiere ja gerade das erste Mal gesehen. Wir können zu Hause nachlesen. Oder ihr guckt ihnen hier zu, was sie fressen.“ Die Anderen sind mittlerweile auch aus dem Wasser zurück und legten sich in die abendlich gelbe Sonne.

„Ich denk mir oft wie es geworden wäre ohne den Rabatz“, sagte Opi Lissow. „Ich hatte echt mit 40 schon ne Art Midlifecrisis, wie man es damals nannte. Aber kein Wunder. Man zog immer so mit seiner Altersgruppe durch das Leben. Erst waren alle um mich rum so 16, das war so ungefähr als ich 16 war, dann 25, das war so mit 25... Die Älteren schienen immer so langweilig und dann kamen noch so wehleidige Sprüche über das Altern. Auf jeden Fall haben wir toll was erlebt und nachher wurde es dann weniger. Bin manchmal mit Erz und Mech zappeln gegangen. Aber so richtig der Hit war das meistens auch nicht. Hatten uns nicht so viel zu sagen. Jeder hat die Woche über voll gearbeitet und auch nicht so richtig was erlebt. Wir haben auf der Arbeit schon rumgealbert, aber so richtig was erleben konnte man da nicht. Abends vor der Klotze. Dann hab ich im Sommer immer noch den Kajakkurs gegeben; mit ner Woche Paddelcamp. War schon so ein Highlight. Aber ein bisschen wurde ich da auch schon wie ein altes Eisen behandelt. Mit 40! Manche von meinen Freunden hatten Kinder. Hab die ab und zu besucht, aber sie mich immer seltener. Fühlte mich dann da auch nicht mehr so wichtig. Vorher hatte man ständig was zusammen unternommen. War zusammen in den Urlaub gefahren und plötzlich haben wir unsere Leben nicht mehr so geteilt. Klingt vielleicht krasser als es war. - Und irgendwie hatte man fast verlernt mit Leuten anderen Alters zu reden, glaub ich. Na ja, mit denen vom Kajakcamp ging es schon, aber irgendwie war man schon der Erwachsene oder so – Ältere kannte ich eigentlich gar nicht.

Chef baut Felswandhaus[edit]

Am nächsten Tag, als die Arbeit voll im Gange war, kam jemand auf dem Rad vorbei. Man sah ihm gleich an, dass er Monotarier war. Ortlieb-Packtaschen, Sigg-Trinkflasche, sein Fahrrad glänzte nagelneu, irgendeine Markenummer stand längs auf der Stange. „Ich heiß Ortwin. Kann ich bei Euch mitarbeiten? Ich war neulich schon mal hier; ein paar Leute sagten, ich soll einfach wiederkommen.“ „Klar, wenn Du erst mal was essen willst, es ist noch was da.“ Remo zeigte zu der Küchenstelle. „Hab gerade ein paar Stullen verschlungen, bin papp-satt“- „Du kannst mir helfen die Steine auf die Hebebühne zu packen.“ „Das ist ja die reinste Felswand.“ „Genau.“ Man konnte Ortwin ansehen, wie er überlegte dann fragte er doch. „Für was?“ „Ein Kindheitstraum vom Chef. Jetzt tun wir es“ sagt Remo voller Ernst und Nathie, Urs und Omi Lissow lachen. „Nein, im Ernst. Hast Du schon mal im Winter bei –10°C an einer sonnenbeschienen Felswand gesessen?“ „Nicht gerade bei –10°C, aber ja, war schon mal im Winter klettern.“ „Kuschelig warm, oder? Das super Kleinklima. Das ganze wird auch noch verglast. Also die andere Wand dann.“ „Und was macht ihr an nicht-sonnigem Wetter bei –10°C?“ „Licht ist auch schon Energie“ erklärte Nathie. „Es muss nicht die Sonne scheinen. Außerdem speichert die Wand ziemlich viel Wärme. Hier haben wir im Winter ziemlich gutes Wetter. Weiter im Westen haben schon welche was ähnliches probiert, mit weniger gutem Wetter und es funktioniert. Dabei ist die Doppelverglasung jetzt viel besser.“ „Wieso habt ihr trübes Glas?“ „Das kann man viel einfacher herstellen als klares Glas. Wir haben es selbst gemacht, zu Hause in der Glasherstellung.“ Nathie fährt die Hebebühne hoch und sie füllen die Drahtkörbe auf der Wand. „Ihr wohnt hier nicht?“ „Doch oft, aber die Hälfte der Leute wohnt meistens in Arlin. „Ich würd ja gern mal die Glasherstellung sehen.“ „Kein Problem. Demnächst läuft sie wieder. Das größte Problem ist die optimale Energieausnutzung. Die Glasherstellung braucht total viel Energie. Meistens läuft die Anlage eine ganze Zeit lang und ruht dann wieder. Meistens wird sie von ein paar Gruppen betrieben, die gerade viel Glas brauchen. Die machen dann meistens viel mehr als sie brauchen und jedes Mal hat jemand Ideen, wie man sie verbessern kann oder sie stellen noch ein neues Produkt her.“ Und jedes Mal andere Leute?“ „Ja, die Einarbeitung ist nicht so langwierig. Manchmal kommen am Anfang ein paar Sonderstücke heraus oder es gibt Pannen, aber daher kommen oft die Ideen.“ Sie zeigt auf einen Stapel von gelbem Glas. „Unsere ersten Versuche. Wir dachten das gäbe ein super warmes Licht in den Räumen und haben ein paar mehr davon gemacht.“ „Und die klaren Scheiben, wo bekommt ihr die her?“ „Da hab ich auch mal eine Zeitlang mitgemacht. Ist ne größere Anlage, wo die Leute meistens über längeren Zeitraum arbeiten, dafür jeder meistens nur ein paar Stunden am Tag oder in der Woche. Die Absprache klappt gut. In der kleinen Anlage zu Hause ist der Enthusiasmus immer so groß, dass immer keiner genug haben kann, auf jeden Fall war das bei uns so. Dabei wird Tag- und Nacht durchgeglast. Aber meistens sind auch viel mehr Leute da, als man braucht und immer wenn einer von den Freunden vorbeikam, dann wollte der auch mal probieren. In der großen Fabrik läuft es schon etwas routinierter.“ „Und jeder muss da arbeiten, wenn er Scheiben will?“ „Nein, wer Scheiben braucht, der holt sich welche und wenn nicht genug da sind, kann man ein bisschen Arbeiten, bis welche da sind oder wenn ständig Knappheit herrscht kann man mithelfen die Anlage zu vergrößern. Oder man kommt später noch mal wieder.“ „Ich hab den anderen dort erzählt, was wir bauen, und ihnen die Bilder von der Eigerwand gezeigt- also von dem anderen Felswandgebäude. Stoffel wollte mir gleich die Scheiben herfahren und alle wollten mich überreden gleich genug Klarscheiben für das ganze Teil mitzunehmen. Aber ich hab ihnen gesagt, dass wir schon einige haben. Außerdem, wenn das noch mehr Leute bauen wollen, wollen wir ja gleich mal ausprobieren, ob es mit den trüben Scheiben klappt.“ „Was macht ihr eigentlich im Sommer. Wird man da nicht gekocht?“ „Doch, wie an der Felswand“, meint O, der oben die Drahtkörbe befestigt, „obwohl man zwei Wände komplett entfernen kann. Aber es gibt ja noch das Untergeschoss. Haben die an der Eigerwand auch. Ziemlich gute Kombination. Wir haben das noch etwas geräumiger gemacht. Außerdem ist bei schönem Wetter ja eh jeder draußen. Das Büro kommt ins Untergeschoss.“

„Stell ich schon zu viele Fragen?“ „Fragen sind gut.“ „Es interessiert mich nur so, weil ich Architekt bin und so was habe ich noch nicht gesehen.“ Meinst Du, wenn Du kein Architekt wärst würde es dich nicht interessieren?“ fragt Omi Lissow. „Das wundert mich oft. Wohnen ist ja eine der Hauptbeschäftigungen, die man so sein Leben lang nebenbei macht. Aber früher habe ich mir nicht so viel Gedanken gemacht. Eher, wie man das, wo man dann halt drinnen haust noch ein bisschen verschönern kann; eigentlich eher verzieren als verschönern; schon gar nicht verbessern. Wo man wohnt - na gut, das war mir auch früher wichtig. An einer verglasten Felswand in der Stadt muss ich nicht wohnen.“ „Ich schon!“ melden sich Nathie und O wie aus einem Munde und lachen. „Oben auf dem Dach, stell ich mir cool vor“, meinte Nathie. „Gib doch zu Omi, Dir hat es bei uns auch immer ziemlich gefallen.“ „Wie wär es eigentlich mit einer Kaffeepause?“ “Ihr alle mit eurem dauernden Kaffee. Hat sich schon mal einer Gedanken gemacht, wie wir Kaffee anbauen können?“ Alle klettern lachen von der Wand. Omi fährt lieber die Hebebühne runter.

Ich brauche Chef und Arbeit[edit]

„Wer ist eigentlich Chef?“, fragt Ortwin. „Wir sind Anarchisten, Junge, hier gibt’s keinen Chef“, rief Omi, die die Frage ernst nahm. „Aber eigentlich immer der, der fragt: Chef.“ „Wie haltet ihr den Keller trocken?“ fragt der neugetaufte Chef und holt in der Kanne Wasser. „ Verhält sich gar nicht wie’n Mono“, meinte Omi laut zu O. „Der neulich stand immer da, als wollte er einem gleich die Arbeit aus der Hand reißen, hat aber nie gewusst, was er machen könnte. Bis Du zu ihm gesagt hast: „Ganz locker mal. Du wirst schon merken, wenn was für dich dabei ist. Ist genug Arbeit für alle da.“ In dem Moment kam Opi total verdreckt an, er hat den Kaffee gerochen, bevor er fertig war und sang seine Lieblingsoper: „Wir brauchen driiiiingend mehr Aaaaaaaarbeit. Wir mu-ssen mehr arbeiten um Arbeit zu schaffen. Hilfe! Hilfe! Ich habe keine Arbeit! Verloren! Wo? Wo?“ „Ihr könntest das Theaterstück wieder mal aufführen“, lachte O mit vollem Mund, während er ein Marmeladenbrot mampfte. „Was heißt hier ihr? Du machst gefälligst mit“, antwortete Opi. „Wir machen die Musik, sagte Karen und schaute Urs und Olivier fragend an. Die drei sind genauso verdreckt wie Opi Lissow. „Was für ein Stück?“ Es geht um die Krise vorm Rabatz, um Arbeit, um Konsum, aber mit jeder Neuaufführung bekommen die Multis mehr ihr Fett ab.“ „Klingt gut! – Also das Thema, zu den Multis hab ich ja noch nicht so viel zu sagen“ –eigentlich wollte Chef sagen: „Ich würd da gern mitmachen.“ „Wie ist das mit deiner Architektur?“, fragte Remo. „Ich bin Arbeitslos“ und dann im Stil von Opi Lissow: Ich habe keine Aaaarbeit.“ Es klingt aber nicht so verzweifelt und kläglich wie bei Opi. „Was macht ihr gerade?“, fragte Nathie Urs. „Wir machen noch einen Weiher. Opi meint, wir würden alle zu Tieressern. 150kg Krebse waren letztes Jahr weg wie nichts.“ „Dafür werden manche von den Karpfen alt und moosig“, ergänzte Opi. „Ist schon ein bisschen Überflussmentalität, wenn man seine Lebensmittel erst an Tiere verfüttert, um sie dann erst zu essen, dabei produzieren Krebse noch nicht mal Dünger. Ökospießertum hin, Ökospießertum her. Aber ist ja nur für die erste Zeit, bis die Erlen Außenrum groß genug sind um genügend Nährstoffe zu liefern.“

Schnulzkram bleibt[edit]

Am Abend sah es aus, als ob es gleich regnete. Urs und Nathie gingen trotzdem zum See. Gerade als sie ankamen, fing es an zu wehen. Sie wickelten ihre Klamotten in die Wachsjacken und sprangen ins Wasser. Gerade rechtzeitig als es anfing zu Schütten. Unten nass, oben nass, überall plätscherte es und der See fühlte sich wärmer an als gestern. Jiiieeehuuu! Jauchzte Nathie und planschte um sich, als könnte es ihr nicht nass genug sein. Sie schwammen eine große Runde und als sie wieder rauskommen hatte der Regen aufgehört und die Sonne strahlte durch ein blaues Loch, so stark, wie sie es nur direkt nach Regen tat. Urs setzte sich zitternd ganz nah zu Nathie. Sie lehnte ihre Schläfe an Nathies. Sie bleiben eine Weile so sitzen, dann drehte Nathie ihren Kopf und küsste Urs zärtlich auf den Mund.

Die Tauschmeile und Umsonst ist gefährlich[edit]

Sie fuhren mit dem Rad zurück in die Stadt und ließen sich dabei mächtig Zeit. Chef war natürlich auch dabei. Omi wollte auch ne Weile in die Stadt, aber sie fuhr per Anhalter. Eigentlich hätte sie mit Stoffel mitfahren können. Aber es war ihr Lieblingslaster, wie sie es nannte, sich von älteren Herren mitnehmen zu lassen; i.d.R. Monos oder Monos in Rente, falls sie schon über 68 waren. Und dann konnte sie sie missionieren zum Leben statt Konsumieren. Sie hatte sich außerdem in den Kopf gesetzt die ältere Fraktion auf dem Hof noch zu vergrößern. Ein Ziel, dass theoretisch alle teilten. Manchmal tauchten die dann tatsächlich auf. Aber nicht selten texteten die ehrenwerten Herren dann alle zu, wussten alles besser, stellten kaum eine Frage ohne rhetorischen Charakter, fühlten sich aber trotzdem gut dabei. Man konnte sie natürlich nicht berechtigterweise alle über einen Kamm scheren; jeder hatte seine Besonderheiten und die meisten waren anders als die meisten anderen.

Das Radfahrgrüppchen kam verwegen sonnengebräunt und voll Lebensenergie in den Trubel der Stadt zurück. „Lasst und doch gleich mal durch die Tauschmeile.“ Die Tauschmeilen hatten sich aus den früheren Einkaufsmeilen gebildet und waren mehr Zeitvertreib als Warentausch. Meistens wurden eher Ideen und „Patente“ verteilt und getauscht. Leute demonstrierten ihre Erfindungen und Ideen an mitgebrachten Beispielen oder Vorträgen, verschenkten Prototypen und ließen die Leute vor Ort Dinge unter Anleitung selber herstellen. Dafür bekamen sie selber gute Tipps, wurden zum Essen eingeladen oder hatten einfach nur Spaß an der Sache. Besonders lustig war v.a. der Umgang mit den Touristen, die überwiegend aus Unglaube an der Sache versuchten Waren mit Geld zu kaufen.

„Cool, Zuckerwatte!“ Die war ihnen seit der Kindheit nicht mehr über den Weg gelaufen. „Habt ihr Zucker dabei“, sagte die alte Frau im Circusstil. „Ihr könnt von uns was ab haben, sagten zwei kleine Mädchen, die offensichtlich extra Zucker besorgt hatten. „Kraffe Komwiwspenz!“, sagte Remo mit dem Gesicht in seiner Zuckerwatte zu den Mädchen. Sie lachten. Ein Mann mit einem Schweißgerät reparierte nebenan den Leuten ihre Sachen. „Wieso tut er das?“ stellte sich Chef etwas blöd. „Na, weil es Sinn macht. Macht doch ein Monoschweißer auch. Sogar 45 h die Woche.“ „Ja, aber der Mann hier bekommt nichts dafür.“ „Aber wenn er irgendetwas braucht helfen ihm die Leute genauso. Er braucht nur zu fragen.“ „Ach so, weil sie ihn dann kennen.“ „Nein, wenn irgend jemand fragt: Hallo kennt sich hier wer mit dem und jenem aus, dann melden sich Leute um zu helfen, auch wenn sie den gar nicht kennen. Findest Du das komisch?“ „Nö, eigentlich nicht, macht ja Spaß Leuten zu helfen und ihnen was zu zeigen. – Und wenn er essen will?“ „Wir kochen z.B. immer etwas mehr und rufen dann draußen: „ will noch jemand etwas mitessen, 2 Leute!? Und dann kommt meistens jemand, manche kennt man, manche nicht. Ist auch nicht jedens Ding so aufs Geratewohl Leute einzuladen. Aber nur ganz selten sind nervige Leute dabei. Meistens ist es nett. Und dann gibt es noch die VoKüs. Dort bringen auch immer schon Leute Zutaten vorbei. Das schwierigste ist zu koordinieren, dass man nachher nicht zu viel Zeug dort hat. „ Und wenn bei Euch einer isst, dann fragt er Euch nachher z.B. ob er was reparieren kann?“ „Nee, der arbeitet doch schon die ganze Zeit. Er fragt, ob er noch ein Verdauungskäffchen haben kann.“ „Und wenn jemand die ganze Zeit gar nichts tut?“ „Wer will den schon die ganze Zeit gar nichts tun? Vielleicht einen Zeit lang. Dann fällt einem wieder was ein und man ist doppelt dabei. Es gibt vielleicht ganz wenige , aber denen geht es nicht gut. Das sind keine Schmarotzer, sondern die können nicht anders. Und um gleich die nächste Frage zu beantworten: Künstler bekommen nichts oder nur Wasser und Brot, weil man Kunst nicht essen kann; Architekten bekommen übrigens auch nichts. „Urs lacht- „Das war ein Scherz, setzt sie dann besser hinzu, weil Chef so ernst blieb. „Es gibt doch gar keine reinen Künstler oder Architekten unter den Multis“, wendeteer ein. „ Na ja, vielleicht machen sie ja nebenbei noch was anderes. Außerdem gibt es auch Monos, die keine Monotarier sind. Sie machen die ganze Zeit nur eine Sache. Besessen!! Hat jeder mal. Aber das dauert selten das ganze Leben lang, sondern meistens nur ein Jahr oder so und geht dann allmählich zurück. Und ansonsten sind ja bei weitem genug Ressourcen für alle da, bisher war es noch nie so, dass plötzlich jeder nur noch monocreativität war und dazu alle im kulturellen Sektor was gemacht haben. Und sicher wird kein Sänger Millionär, wie es bei den Monetarier der Fall sein kann. Aber genauso wenig kann ein technischer Erfinder Millionär werden. Bei den Monetariern verwundert es ja auch Niemanden, dass keiner verhungern muss und manche sogar genug Geld haben um ein ganzen Dorf zu ernähren, wenn man Geld den essen könnte. Und denk nicht, dass das an irgendwelchen marktechnischen Mechanismen liegt. Viele Leute arbeiten nicht um ihr nötiges Geld zu verdienen, schon gar nicht um nicht zu verhungern. Es gibt Ausnahmen, auch in den Konsumländern, aber genug Menschen wissen nicht wohin mit dem Geld und ein Mangel an irgendetwas gibt es immer. Man verkauft den Leuten Produkte indem man ihnen vorspielt sie hätten dann mehr Freunde, mehr Sex, mehr Entspannung, wären attraktiver, ein einfacheres Leben oder sogar ein konsumverweigerndes Leben mit Abenteuer, wenn man Marlboro raucht... alles Anreize, die man sowieso nur gratis bekommt und sonst gar nicht. Ich könnte mich über die Werbung totlachen, wenn alle Leute mitlachen würden. Hi Mo! Sie gingen zu einem langhaarigen Typen mit langem, zu einem Zopf geflochtenem Bart. Vor ihm saß ein Drache, der so eine Vitalität ausstrahlte, dass man sich zwingen musste näher zu kommen. Er war nur etwa 80 cm lang und aus Metall gefertigt. Also der Drache war aus Metall, nicht Mo. Bei näherem hinsehen sah man, dass die Schuppen aus Buchstaben und Wörtern bestanden. Auf seinem Schwanz saß eine Friedenstaube. Krasses Teil, sagten O und Nathie mal wieder gleichzeitig. „Hat aber nichts mit dem goldenen Drache der Weisheit von Jim Knopf zu tun, oder?“ „Nur so am Rande. Weise ist er schon, aber nicht so gebrochen und gefangen, wie der bei Jim Knopf. Ich wollte mir ein paar Meinungen anhören und ihn dann viel größer mit ein paar Leuten zusammen auf Den Platz im Antimoneeviertel setzen.“ „Hat ne starke Wirkung das Vieh. Ich fänds super“, meinte O. „Du könntest eine Liste mit den wertvollsten Worten sammeln, für die Schuppen“, sagt Nathie. „Z.B. Liebe“. „Freundschaft“, ergänzte O. „Geld“, scherzte Chef. „Tot“, sagte Remo um soviel Positivismus was entgegen zu setzen....Mo lachte über die Wirkung die sein Drachen hat. „Komm mal wieder vorbei, Mo“, sagte O. „Eine Zahnärztin“, stellte Chef fest. „Mo?“, fragte Nathie. „Nein dort. Stell ich mir ja nicht so toll vor, hier draußen.“ „Die macht vermutlich nur Voruntersuchungen.“ „Das könnte ich auch mal wieder“, überlegte Chef, „mir tut zur Zeit immer ein Backenzahn weh.“ Als der Junge vor ihnen aufgestanden war schaute die Zahnärztin die Gruppe erwartungsvoll an und Chef setzte sich in den Stuhl. „Ist ja vorsintflutartig“, sagte die Frau. Alles gut versiegelt. Könnte höchstens was unter der Plombe sein. Bei den Goldplomben kann ich leider keine MRT-C-Aufnahme machen, das ergibt auf den Bildern ein einziges Artefakt.“ „Was meinen sie mit vorsintflutartig?“ „Alle, die ich kenne verwenden seit Jahren Keramik. Mit der Hilfe der MRT-Aufnahmen wird automatisch ein passender Splint gefräst, den man dann einsetzt. Sogar Karies kann man automatisch entfernen, aber das geht nur unter Vollnarkose, weil der Patient ganz still sein muss. Ich passe dann nur auf, dass das Gerät keinen Fehler macht.“ „Ich habe die Zähne an der Zahnklinik von Studenten machen lassen, ist immer billiger weil die Opfer brauchen. Die haben gesagt, das die Goldplomben immer noch das Beste seien.“ „Einwandfrei gearbeitet, aber das sagen die meiner Meinung nach nur, weil sie sich die Technik nicht leisten können, dabei ist sie bestimmt schon 20 Jahre alt. Nach dem Rabatz hat ein Bekannter von mir so ein Teil erst mal nachgebaut: Ein Informatiker, ein Techniker, ein bisschen Zeit. Hätten sie einen Prototypen gehabt wäre es schneller gegangen, aber so hatten sie eigene Lösungen. Vorher konnte ich mir so ein Gerät auch nicht leisten, trotz zahlender Privatpatienten, absurde Situation. Begründet wurden die Kosten mit der teuren Forschung. Der Bekannte von mir hat die Baupläne natürlich im Netz veröffentlicht, das gab gewaltig Ärger. Da kamen ein paar von der Kapitalistenmafia, haben ihn erpresst und bedroht. Weil er nicht wollte, haben sie ihm dann alles zerstört und weiter gedroht.“ „Was hat er gemacht?“ „Er ist nach Antimonee gegangen. Hatte sich gerade entwickelt. Da durfte sich kein Monetarier blicken lassen. Eine Ansammlung von lauter Verfolgten. Wer was unmoralisches gemacht hat, der fand da auch keinen Schutz. War voll das Neudenkerghetto und ne richtige Wissenschaftsstadt. Was da alles erfunden wurde, was irgendwelchen Wirtschaftsdinos gegen den Strich ging. Da waren lauter Experten, die vorher auf der anderen Seite waren. Als ein ganzen Wissenschaftsteam Asyl gesucht hat, was vorher für und jetzt gegen biologische Waffen forschen wollte, haben wir doch ganz schön Angst gehabt vor den Luftangriffen. Man wurde in der internationalen Presse teilweise wie psychopatische Terroristen behandelt. Darum gibt es dort noch immer so viele unterirdische Gebäude.

Arbeite oder stirb[edit]

Zum Abendessen war Mo gekommen und er hatte noch einen Freund mitgebracht. Jemand hatte Auflauf gemacht mit dem Gemüse aus Lissow. Und süße Eierkuchen gab es zum Nachtisch. „Wieso bist Du eigentlich Monetarier?“, fragt Nathie Chef. Ich bin in Schweden aufgewachsen und dann mit 14 hier hergezogen. Mein Vater ist Atomphysiker. Als er mal gesehen hat, das Multis die Baupläne von Atombomben im Netz veröffentlicht haben, ist er schier ausgerastet. Diese hirnlosen Affen, haben selber keine Fachleute und denken das sei Spielzeug. Verantwortungslose Bauern ohne Bildung sind das.“ Na ja, das war nicht der Grund weswegen wir hierher gezogen sind, sondern wegen seinem Job. Dann musste ich neben der Schulausbildung immer noch bei meinem Onkel im Hotel arbeiten. „Dass ich sehe, wie es ist sich sein Geld zu verdienen.“ Und dann habe ich studiert, an der Akademie für Architektur in Madrid. Ziemlich strenges Programm. Es gab alles auf dem Campus. Hat sich alles dort abgespielt. Hat aber auch viel Spaß gemacht. In der vorlesungsfreien Zeit hatten wir immer mehrwöchige Exkursionen. Immer in ein anderes Land. Ist ja in allen Akademien so. Oft sind wir auch mit den Bauingenieuren zusammen gefahren. Selbst wenn ihr sie Monos nennt- total engstirnig lebt man da ja auch nicht. Es wurde auch gern gesehen, wenn man ein Sprachtrimester oder sogar mehrere machte. Aber es hieß z.B. auch: schau, bei den Anarchisten könntest Du keine Architektur studieren. Die sind damit Beschäftigt zu überleben. Lebensmittel anzubauen. Die können auch nicht über ihren Tellerrand rausschauen und mal einfach so ins Ausland. „Pfff“, sagt Mo. Und Nathie setzt hinzu: „Wir haben die größte Bibliothek der Welt! Und die Netzbibliothek, die jeder überall nutzen kann.“ „Ich weiß“, sagte Chef. „Die Netzbibliothek haben wir natürlich auch genutzt und gefüttert. Den legalen Teil zumindest.“ „Was ist illegal?“ „ Na, alles was patentrechtlich geschützt ist und unrechtmäßig entwendet wurde. So nennen die das. Die WTO und die internationale Marktschutzorganisation sperren die Baupläne und alles wofür eigentlich noch Abgaben gezahlt werden müssen. Kann man natürlich knacken, v.a. für Musik und Filme, Software, Onlinebücher... Sie wollen verhindern, dass der Markt verzerrt wird. Dass teure Forschung nicht mehr bezahlt werden kann. Dass jeder Leben kann, der was produziert und damit sein Geld verdienen will, dass Ideen geschützt werden und Qualität gesichert wird.“ „Ha, sagte Urs entrüstet, „die kopieren doch selber alles von uns.“ Gegenseitiger Nutzen“, sagte Mos Freund, „ist ja auch ein Vorteil Sonst wäre dieser sogenannten illegale Teil der Netzbibliothek längs zerstört, wird ja auch so ständig sabotiert. Aber es gibt mächtige Interessen, sie zu erhalten. Ich hab übrigens mal gelesen, dass von allen Hochkulturen unsere die Vergänglichste ist. Nach ein paar Jahren entdeckst Du auf keinem Datenträger noch irgendwas. „ „Nur gut, dass Omi Lissow immer so viel ausdruckt“, witzelte O. „Bitte keinen Gerontismus, junger Mann!“, erwiderte Omi witzelnd aber auch nicht ganz unernst.

„Aber hier machen doch die Multis 90% der Bevölkerung aus. Ich kann nicht verstehen, wenn Du sagst, dass du irgendwie nicht mit Multis in Kontakt gekommen bist“, knüpfte Nathie ungläubig an Chefs Erzählung an. „Aber das gibt es doch überall“, meinte Urs, „in vielen Ländern gibt es einen kleinen Teil stinkreiche Leute und die wissen nichts über den Lebensstil der Armen. Sie können es nicht nachvollziehen. Wollen nicht.“ „Aber wir sind ja nicht die Armen, sondern vielleicht eher die Reichen.“ „Oder umgekehrt halt- ist auf jeden Fall voll getrennt. Gibt es ja auch mit Religionen.“ „Wieso hast Du gesagt, dass du „arbeitslos“ seist“, fragte Omi, „man sagt bei Euch doch längst „ein Arbeitserwartender“. Sie kicherte. Chef lachte. „Ein Freund hat mir ein Buch gegeben. Es spielt in der Zeit, in der man als Arbeisterwartender fast so was wie ein Aussätziger ist. Also nicht wirklich. Jeder muntert sie auf, dass der Zustand irgendwann wieder besser wird. Jeder kann „arbeitslos“ werden. 10% der Bevölkerungen sind es da in dem Buch, glaub ich. Bei uns gibt es das ja nicht. Jeder bekommt Arbeit. Also der Zustand gilt als schrecklich und wird geächtet. Wir, also ein paar Leute vom Studium und ich, haben eine Zeitlang so ein Spiel gehabt, dass wir Arbeitslose wären; Sklaven die kontrolliert werden. Also, Du wurdest in dem Buch weiter vom Staat bezahlt, aber Du musstest alle mögliche Arbeit annehmen. Es gibt da so einen Mann, der ist dabei eine ganz große Erfindung zu machen. Ein Fahrzeug, das mit Verstärkter Photosynthese betrieben wird oder so ähnlich. Er findet damit keine Arbeit, aber er will weiter forschen. Ein paar Leute machen mit. Dann gibt es da die Leute von der Arbeitsagentur. Sie wollen wissen, wie Du lebst, kontrollieren ob du noch was wertvolles besitzt, ob Du mit anderen Leuten zusammen wohnst, einen Partner hast. Ob du zu Hause bist, damit du sofort loslegen kannst, wenn sie dir eine Arbeit geben. Und dann musstest Du sofort die Taschen packen und weit wegziehen, wenn es dort Arbeit gab. Das war mit Freunden der Hauptperson passiert. Ein Freund von mir konnte immer die Rolle der Arbeitsagenten gut: „Sie müssen nicht arbeiten, wenn Sie nicht wollen. Sie können gern Ihren Spinnereien nachgehen. Aber erwarten Sie nicht , dass wir einen Finger für Sie krumm machen, dass wir Sie durchfüttern. Die Steuerzahler. Ihnen eine Wohnung bezahlen – schon gar nicht diese hier. Sie bekommen ohnehin schon viel zu viel. Sie leben nämlich in einer Zweckgemeinschaft, Sie leben mit einer Frau zusammen. Wir haben die zweite Zahnbürste gefunden. Sie werden schon sehen, dass Sie sich nicht auf dem Rücken der Gesellschaft ausruhen können. Wir müssen alle die Gürtel enger schnallen.“ Boss sprach wie aus tiefster Überzeugung zu Mo, den er kurzerhand zu dem Erfinder gemacht hatte und dem zusehends unwohler wurde. „Sie werden sehen, wie es ist, wenn sie dort die Treppe runterfallen und sich beide Beine brechen und sie kein Geld für das Krankenhaus haben. Ich meine es doch nur gut. Seien Sie vernünftig.“ Die anderen applaudieren: „Du musst unbedingt bei dem Theaterstück mitspielen.“ „Wie ging es weiter?“ „Der Erfinder denkt er sei schon fast am Ziel seiner Erfindung und weigert sich. Sein Team verlässt ihn. Ihm wird der Strom abgeschaltet und er arbeitet bei Kälte im Winter und Kerzenlicht nachst. Er hustet immer, isst kaum, ist wie besessen. Irgendwann taumelt er auf die Strasse zu einem Lebensmittelhändler. Er will was kaufen, aber er hat kein Geld mehr. Die Leute mit den engen Gürteln kaufen Lachs und legen noch einen DVD-Player aus dem Angebot in den Korb. Der Erfinder versucht ein Brot zu klauen, wird erwischt und mit einem Fußtritt auf die Strasse befördert. Dort findet ihn zufällig ein ehemaliger Freund mit einem engen Gürtel: „Warum hast du nichts gesagt!?“ „Was hätte ich sagen sollen“, sagt er schwach. „Füttert mich durch, ich muss meine Erfindung fertig machen? - Ich bin doch fast am Ziel!“ Der Mann bringt ihn ins Krankenhaus. Er stirbt fast an der Lungenentzündung. Die Ärzte und Schwestern reden abfällig über den „Penner“. Als es ihm besser geht wird er in eine Obdachlosenheim geschickt, Eine schockierende Stimmung. Hoffnungslose Menschen. Von den Betreuern wird er wie senil behandelt. Am besten versteht er sich noch mit einem Mann, der selber Erfinder ist und dort nur aus Zwang arbeitet für 1 €. Zusätzliche Arbeit, die sonst keiner machen würde, damit er niemandem seinen Arbeitsplatz durch ihn verliert. Als der Erfinder sich umbringt, hat er die Baupläne für seine Erfindung an die Wand gemalt, mit Blut und „Arbeits-Los!“ darunter geschrieben. Der 1-Euro Jobber erkennt sofort was es ist. Er zeichnet den Bauplan später ab. Irgendwann, Wochen später ruft ihn sein Chef zu sich: Sie stehen immer nur rum, kritzeln wie besessen in ihr Heft. So läuft das hier nicht. Sie können sich was anderes suchen. Der neue Erfinder denkt dann: Arbeits-Los!“...

Am Tisch sind alle ganz still. Bis Omi Lissow jedes Wort betonend sagt: „Ja, genau so war es.“ Da brechen alle in Lachen aus.

Kein Verbrechen ohne Gesetz[edit]

Nach dem Essen hingen alle auf dem Sofa oder machten es sich in der Liegeecke gemütlich. Mo baute ein Tütchen. „Mir ist noch was für Euer Felswandhaus eingefallen.“ „EUER, sag einfach DAS“, verbesserte Nathie. „Auf jeden Fall: man könnte den Fußboden mit Sand auffüllen.“ „Das haben schon einige Leute probiert“, sagte O, “aber der Sand wird immer staubig. Man könnte natürlich ab und zu die beiden Wände rausnehmen und durchlüften, dann fliegt der Staub weg, wie auf’m Strand. Aber Sand fällt dann auch immer in das Untergeschoss.“ „ Dann eben vielleicht Kies?! „Wär auch ein weiterer Wärmespeicher, oder?“ „Ja, man könnte ja mal einen Teil mit Kies auffüllen, aus dem Steinbruch! Der Boden muss stark genug bemessen sein.“ „Gäb es kein Untergeschoss könnte man noch total viel machen. Den Boden bepflanzen; einen Baum oder einen Teich.“ „Ich find ja eigentlich die Bäume und Teiche außerhalb vom Gebäude genug“, meinte Omi, „aber lustig wär es natürlich schon.“...

„Das mit dem Weglassen des Possessivpronomens“, sagte Chef zu Nathie, „also das Felswandhaus statt Eurer Felswandhaus, erinnert mich an eine anarchistische Science Fiction, die ich kürzlich gelesen habe. Ist schon vor dem Rabatz entstanden. Ist aber eher eine anarchistisch-sozialistische Gesellschaftsform.“ „Ich kenn das: Mit den Siedlern die den Planeten Urras verlassen um eine Anarchistische Gesellschaft auf dem Wüstenplanet Anarres zu gründen. Planet der Habenichtse.“ „Ja, und in ihrer Sprache gibt es noch nicht mal en Possessivpronomen.“ „Also ich find es nicht schlimm zu sagen, das ist meins. Ich nehm es ja trotzdem nicht so genau. Wenn es sich jemand leihen will, gebe ich es gerne. Oder zeige ihm, wie man es selber baut. Die wichtigsten Sachen kann man eh nicht Besitzen oder verleihen.“ „Aber wenn jetzt ein paar Leute kommen und einfach das Feldwandhaus besetzen?“ „Wir würden sie erschießen! - rattatttattta!“, brüllet Remo, der immer gerne schockierte. „Die hätten keine Chance“, sagte Urs, „jeder wüsste, dass sie im Unrecht wären, die selber auch.“ „Müssten Monotarier sein.“ „Hej, kein Monotarismuss“, sagte Karen, die selber teilweise bezahlte Arbeit machte. „Wir würden einfach ein paar Leute organisieren und sie rausschmeißen.“ „Und, wenn sie alles kaputt machen; wenn sie jemanden umbringen, den ihr gerne habt, vor Euren Augen?“ „Nehmen wir an, sie bringen O um“, sagte Remo. „Hee!“, protestierte O.“ „Ich wollte doch nur sagen, dass wir dich gern haben.“ „Ich will aber nicht, dass ihr euch vorstellt, dass ich umgebracht werde!“ „Na gut, dann eben jemand virtuelles, den wir so gen haben wie O.“ „Ich würde der Person weh tun“, sagte Nathie, die sich voll in die Lage versetzt hat. „Ich würde sie anbrüllen, auf sie einschlagen, ihr weh tun, mit dem was gerade da wäre. Sie sollte verstehen, was sie gemacht hat, sie sollte es sich bewusst werden, dass der ermordete für immer tot ist, dass er eine Person war und wir ihn geliebt haben. Sie sollte leiden unter der tat. Und das wär noch nicht genug.“ „Und wenn der Mörder oder die Mörderin gar nicht leidet, sondern lacht“ provoziert Remo. „Die Person muss psychisch völlig kaputt sein.“ „Klar.“ „Aber wenn ich sie umbringen würde, würde das Opfer auch nicht mehr lebendig“, sagte Nathie wieder etwas sachlicher. Das allgemeine Interesse an der Vorstellung war schon abgeschwächt. Die meisten hatten es schon x-mal durch diskutiert. „So was wird ja immer individuell im Netz verhandelt“, sagte O zu Chef. „Jeder kann sich äußern. Die Zeugen. Bekannte des Verbrechers. Bekannte des Opfers. Der Angeklagte selbst. es gibt immer eine unheimlich große Verteidigung, weil sehr viele Leute peinlich genau aufpassen, dass das System nicht schief läuft. Dass keine Hetze betrieben wird, sich kein Lynchjustiz entwickelt. Meistens kommen die Verbrecher etwas zu gut weg, bezüglich Argumentationen, was zu ihrem Motiv geführt haben könnte und so weiter. Dafür bereuen nach der ausführlichen Diskussion viele Verbrecher. Klagen sich selber fast an: nein, der und jener mildernde Grund trifft nicht zu. Da muss wieder aufgepasst werden ,dass solche, die sehr einsichtig sind nicht zu schlecht wegkommen. Andere denken sie sind voll im Recht. Das kann sich auch wieder gegen sie wenden. Ziemlich Komplex. Urteile über andere sind nie fair,. das ist bei den Monos kein bisschen besser, im Gegenteil, dort spielt das Geld, der Familienhintergrund, Bildung, der einzelne Anwalt, der jeweilige Richter, die speziellen Zeugen noch eine ganz große Rolle. Meistens entschuldigen sich die Verbrecher, es geht nicht nur um Psychopaten, sondern allgemein. Sie überlegen sich meistens selber, wie sie den Schaden wieder gut machen können oder nehmen einen Vorschlag an. manchmal streiten ja auch nur welche um das Recht und keinem war vorher klar wer im Recht ist, und hinterher wissen sie es oft. Oder es gibt einen Kompromiss. Echte Verbrecher gibt es ja kaum. Wenn von mir aus einer mit Absicht ein Auto kaputt macht, dann ärgern sich 30 Leute, die es genutzt haben und erwarten, dass die Person es wieder repariert. Keiner gibt ihr Recht und die Person selber weiß auch, dass sie ihm Unrecht ist.. Vielleicht gibt es einen anderen grund, der dann rauskommt und geändert wird. Aber das spielt sich meistens im kleinen kreis ab und muss nicht öffentlich diskutiert werden.“ „Und die Psychopathen?“ Psychopathische Vergewaltiger und Mörder gibt es leider. Ich hör eigentlich immer nur, dass sie sich selber melden für die Psychotrie. Als nicht wie die Psychiatrien in anderen Ländern. Für Leute, die sich gegenseitig helfen wollen oder zurückziehen wollen gibt es Rückzugsräume. Die Psychotrien dagegen sind kleine Welten für sich. Ähnlich wie außerhalb. Nur das jeder alarmiert ist, notfalls isoliert. Darüber gibt es schon sehr viel im Netz. Ist immer noch ein heißes Thema.

„Tolle Abendstimmung“, nickt Mo mit dem kopf Richtung Fensterwand. Wollen wir uns nicht draußen hinfläzen?“ Die Küche ist direkt in einem Anbau neben bzw. unterm Dach. Einige machen mit und legen ein paar Matratzen nach draußen. Die Sonne ist noch nicht sehr tief, aber das Licht hat schon einen warmen Gelbton. Im Gegenlicht erkennt man die Facetten der Dächer schemenhaft. An manchen stellen bricht sich das glitzernde Licht. Die Kletterpflanze mit den pumuckelhändeförmigen Blühten verströmt einen süßen Duft in der warmen Luft. Chef läuft runter zum Klo. Die Klos sind im Erdgeschoss. Nachdem die Kompostierung so gut soll aber auch eins auf dem Dach gebaut werden. „In nur 3 Tagen ist das der beste Kompost, im Winter dauert es etwas länger.“ Es gibt ein extra Klo für Leute die Medikament oder Hormone nehmen. Da ist die Abbaurate länger und eine Messsonde ist installiert. Eins von den Klos ist super kitschig, bei einem sitz man direkt an einem begrünten Fenster, ein anderes ist komplett mit Liedtexten tapeziert. „ Hätt ich das in den andren Klos gehabt, dann wüsste ich jetzt sämtliche Texte auswendig“, dachte Chef. Außerdem waren das alles WCs. Die 10 L Wasser am Tag pro Person verwenden die hier viel sinnvoller für die gärten.

Konsumsum[edit]

„Auf jeden Fall bräuchte man mal eine anderes Wort für Konsumenten“, sinniert O gerade. „Die gibt es auch in der Ökologie. Das sind glaub ich die, die nicht Carnivore, also Räuber sind und nicht Destruenten, die abgestorbenes Material abbauen.“ „Containerer also“ wirft Remo ein. „da bleiben noch die, die hauptsächlich Pflanzen fressen und ich fühl mich hauptsächlich als Konsument, selbst wenn Remo Destruent ist.“ „Konsumieren soll ja auch heißen „bloßes Konsumieren“, sagte Urs, „ohne es selbst anzubauen, es zu entwickeln oder es zu bauen.“ „Aber das muss ja hier auch nicht jeder. In einpaar Stunden am tag produzieren wir alles was wir brauchen und den Rest der Zeit verwenden wir um das noch zu automatisieren. manche Leute beschäftigen sich hauptsächlich mit gesellschaftlicher Reflektion, und das sind alles andere als Konsumenten.“ „Dann nenn sie Monos.“ „Das kann z.B. auch ein Reflektierer sein, der so lebt wie die anderen auch.“ „Mein Onkel nennt deine Konsumenten „Spießer“ oder „Prolls“. Die reichen oder die, die sich für gebildet halten eher Spießer, die anderen „Prolls“. „Und was ist er selber?“ „Ein Mensch, der sein Leben lang hart gearbeitet und dabei schon viel gesehen hat“, sagte Chef mit verstellter Stimmen und man merkt, dass er seinen Onkel bildlich vor Augen hat. „Konsumieren ist ja auch nicht schlimm“, greift Nathie Os Gedanken auf. Nur wenn man sich keine Gedanken macht, ob dafür jemand ausgebeutet wird. Einer in der Mine schuftet, einer 14h am Fließband sitzt, was kaputt gemacht wird und wo das Zeug nachher rumgammelt, wenn man es nicht repariert sondern einfach wegschmeißt. „Naive Konsumenten“. „Etwas herabblassen, wir haben auch unsere Leichen im Keller außerdem zu entlastend: Bescheuerte Konsumenten.“ „Einfach nur „Bescheuerte“ find ich gut. Will noch einer einen bescheuerten Kaffee?“ fragte Remo und setzt noch einen Gedanken hinzu: Wir wollen ja auch keine Idealisten sein, aber auch nicht einfach unsere Ideale verraten, und die beruhen nicht auf Konsumgütern: „Unideelle“, „Materielle“. Chef nimmt einen Stapel Geschirr und geht mit Remo rein. „Euer Abwaschsystem ist genial!“ „Eigentlich sollte die Küche auch ganz unten sein, weil man da viel Wasser braucht, was dann nicht so hoch gepumpt werden muss.“ „Habt ihr eigene Pumpen?“ „Ne, im Wasserwerk und am Zwischenspeicher. Wir haben hier ein Ringsystem. Ach ist ja wurscht.“ Chef steckt einen Stapel Tassen in ein loch in der Maschine und drückt auf „nicht angetrocknet“. Wenig später kommen die Tassen sauber wieder aus einem anderen Loch. „Die Tassen sehen schon langweilig aus“, sagt Remo „können nicht bemalt sein, wegen der mechanischen Beanspruchung. Einige haben lieber ihre Lieblingstassen, waschen mit der Hand ab und das Wasser verwenden wir ja zum Gießen. Ganz genau so gut. Wir haben null Abwasser. Brauchen hier auch keine Klärwasseraufbereitungsanlage. Auch das Regenwasser wird alles für die Pflanzen verwendet, nur leider das von den Straßen nicht. Der Straßenbelag, Reifenabrieb und so. Ist n echter Verlust. Wir haben hier ein Defizit gegenüber dem Umland und weil es in der Stadt weniger regnet, wegen der Versiegelung, aber das ist ja das gleiche Problem. Die Gewächshäuser brauchen kaum Wasser. die Wasserversorgung funktioniert, aber es geht ums Prinzip: Straßenwasser wegzuleiten, frisches Wasser her. Kann man wohl noch raffinierter machen. Ich find das gerade in Stadt eine größere Herausforderung als auf dem Land. So viele Menschen, weniger Ressourcen, die Versorgungsnetze schon 20 km lang, weniger Platz, aber jede Menge Ideen.

Voll die Planung[edit]

Ein paar Wochen später hatte Chef eine Projekt. Er hatte fast ständig irgendwo rumgebastelt, mitgewerkelt, wollte alles sehen und verstehen, diskutieren und hatte das Gefühl, er hätte mehr gelernt und mehr Ideen als nach 3 Jahre Studium. „Du O, wo meinst Du könnte man Baupläne von einem Plattenbaugebiet bekommen, was ich mir angeschaut habe?“ „Multi oder Monogebiet?“ „Multi.“ „Du gehst am besten hin und fragst jemanden; die Leute kennen sich.“ Er war gleich hingefahren und hatte eine ältere Frau gefragt, die gerade ihr Fahrrad reparierte. Sie verwies in auf „Porno“, der in einer Werkstatt im Erdgeschoss des nächsten Gebäudes arbeitete. Er hatte dort einen Mann gefunden, der eine Maschine reparierte, aber völlig nackt war, bis auf die Schirmmütze und die Schuhe. Er war ganz ölverschmiert gewesen und wirkte sonst eigentlich ganz normal. Er brachte ihn in den Blocksaal, dem Gemeinschaftsraum des ganzen Blocks. Und Lola, eine dicke Frau mit roten haaren hatte Chef gezeigt, wo die Pläne im Netz zu finden waren. „Bei den Monos ginge das nicht“, erzählt er O, als er wieder da ist. Die sind immer misstrauisch, denken man will etwas verändern. Hier wissen die Leute, dass ohne sie nichts passiert.“ „Wenn Du Dir jetzt wirklich ein Konzept für den Block überlegen willst“, sagt O vorsichtig, „solltest Du das vielleicht nicht zu Hause am Schreibtisch machen, sondern mit den Leuten zusammen. Du könntest dort wohnen, mit den Leuten leben und reden. Oder, Du könntest Dir was für hier überlegen, wo du dich besser auskennst.?“ Chef musste sich selbst widerstrebend zugeben, dass er sich selbst hier noch nicht richtig auskannte, noch nicht alle Leute kannte, noch nicht die Probleme. Wie sah es im Winter aus?

„Sag mal Urs, geht Dir das auch immer so?“, fragte sie O. „ich habe ne Idee und komme irgendwo nicht weiter. Ich stell sie ins Netz und ein paar Leute haben voll die raffinierten Lösungen, verbessern gleich einiges. Und ich bin dann elends lang damit beschäftigt das Ding halbwegs zu verstehen und bau dann darum irgendwie eine Kompromisslösung.“ „Ging mir auch schon so“, lacht Urs, „aber nachdem ich meine Kompromisslösung gebaut hatte habe ich mir die raffinierten Varianten noch mal angeschaut und sie auf einmal verstanden. Klick.“ Ich denk nur, wenn sich einer die raffinierte Lösung im Netz anschaut, kann er das gar nicht nachbauen.“ „Du kannst ja die andere Lösung auch drinnen lassen als „primitive“ Variante. (Was hast Du denn für ein Problem?“ Mehr allgemein, aber hab gerade den Geschirrreiniger zerlegt und gesäubert. Das hier ist übriggeblieben.“ Er zeigte au eine Gabel mit rechtwinklig verbogenen Zinken und einer Gummimanschette. „Das ist vom Geschirrreiniger übriggeblieben?“ „Nein, nachdem ich ihn zusammen gebaut hatte.“ „Irgendeine Funktion hatte es wohl mal, aber vielleicht ist es ja als Gabel da reingekommen.“

Auf nach China (und das ist erst der Anfang)[edit]

Nathie läuft durch die Mondallee 149-155. Hier muss es sein. Das Projekt hatte abenteuerlich geklungen, im Netz. Alles sieht aus wie ein riesiger Schrottplatz, aber schön grün dazwischen. Auch ein paar bewohnte Bauwägen stehen dort. Das einzige was Nathie an Menschen sieht, sind zwei Beine, die untere einem eigenartigen Lastwagen hervorschauen. Die Beine sind gemütlich übereinandergeschlagen. Ein Schelm, nicht größer als eine Schleimpilzkolonie, huscht über Nathies Gesicht und sie zieht die Person einfach unterm Wagen hervor. Allerdings ganz vorsichtig. „Hey!“ Zum Vorschein kommt ein Mensch auf einem Brett mit Rollen. das Gesicht ist schwarz verschmiert, genauso wie die Halbglatze. Das grimmige Gesicht verwandelt sich in ein breites Grinsen, leuchtender als die Stirnlampe. Beinahe wären meine Hände unten geblieben! „Ich such Dominik, ich bin Nathie.“ Ohne Worte schob sich der Mensch wieder unter den Wagen und Nathie überlegte, ob das das Gespräch gewesen war. Aber gleich darauf kam er wieder mit einer Thermoskanne und einem Becher zum Vorschein. „Kaffee gefällig? “Ich bin Dominik. Und das ist das Prachtstück. wir haben schon 3 weitere gebaut und jedes sieht sie werden immer schöner. Aber hier steht mein ganzes Herzblut und unsere halbe Küchenausrüstung und die ganze von der 148.“ Er zeigt auf ein buntes Haus mit allerlei Verzierungen und einer bungeespringenden Schaufensterpuppe, die 10 cm kopfüber über dem Boden hängt. Sie sieht aus, als wär sie schon mehrmals gesprungen. „Wir haben gerade das Ausbildungszentrum eröffnet. Bald fahren Dinger in Scharen und die Küchen sind leer.. Fährt mit allem. Hier der Holzvergaser- ganz altmodisch, Biobrennstoff. Fossiler Brennstoff. Könnte türlich auch ohne den nach China fahren und da komplett neu bauen. Hab mir aber irgendwie in den Kopf gesetzt eine längere Spritztour zu machen, Und Du würdest mit noch zwei Leuten gerne mit? Dachte mir, ist nett mit ein paar neuen Leuten, aber gleich ne eingeschworene Gruppe. Da bin ich ja das vierte Rad am Wagen!“ „Genau!“, lacht Nathie. „Das sollten wir natürlich vorher rausfinden. Sonst haben wir nachher noch ein Rad ab, oder besser gesagt 3. Wieso willst du gerade nach China?“ „Ich habe mir erzählen lassen, dort gibt es schon ausgeprägte nicht-monetäre Strukturen. Außerdem habe ich mich ja ständig mit den Leuten übers Netz ausgetauscht. Und da ist eine Gruppe von Chinesen, die mir viel geholfen haben. Ehrlich gesagt, fährt bei denen das Teil schon längst. Die verwenden da irgendwelche Wasserpflanzen, Pomelo-Schalen...einfach alles als Brennstoff und ziemlich effizient. Aber die Reliefenergie optimieren sie nicht so gut.

Die Tat deiner Gedanken[edit]

„Was schreibst Du da?“ „Ich schreib gerade an einer Utopie. Ich denke, alles was man einmal durchgesponnen hat, als Zukunftsvision oder als Utopie, das geht auch in Erfüllung. Schau dir mal die alten Sciencefictionbeschreibungen an. Alles längst Schnee von gestern. Zumindest das ganze Design, die bildlichen Dinge. „Was willst Du ändern? Man will doch immer was verbessern. Früher hieß es Wachstum und Fortschritt.“ „Glaubst Du, wenn in allen Konsumländern die monetären Strukturen unwichtig geworden sind und die Ausbeutung noch mehr abnimmt, dass dann weniger Menschen hungern z.B. in Tansania?“ „es hungern ja schon weniger. Die Leute machen mehr für sich. Sie sind nicht mehr so leicht zu manipulieren, verschenken nichts für wenig Geld. Zumindest gibt es schon einige Dörfer, die bei den Innovationen voll vertreten sind. Und ohne Rohstoffe sind die Konsumländer gar nichts- Dummerweise gibt es zuviel Sonne und zuwenig Regen.

„Aber Wasser kann man schließlich wieder verwenden, Sonne nicht. Das meiste ist doch nur Kohlenstoff. Das kann man quasi mit Luft und Energie erzeugen. Technisch gesehen ist die Armut auf jeden Fall völlig absurd.“

Fahrstunde in Darwinismus[edit]

So Kleine, schön dass Du schon so früh da bist, dann können wir gleich anfangen mit dem Führerschein. Frauen brauchen sowieso immer etwas länger, auch um Auto fahren zu lernen“, begrüßt sie Marie, als Nathie am Übungsplatz ankommt. Als Nathie sie etwas fragend anschaut, meint Marie: „ich muss manchmal die alten Machsprüche meines Fahrlehrers aufleben lassen. Früher war Fahrlehrer noch ein typischer Männerberuf. Du kannst mich übrigens M-rrrr nennen. Nathie wiederholte ein paar Mal diesen klingenden Namen. Marie, pardon M-rrrr gefiel ganz offensichtlich der Trend Namen immer ausgefallener zu verändern. Vor dem großen Rabatz hieß jeder ganz bürokratisch „Frau oder Herr Sowieso“ und wenn man sie näher kannte „Dingbums“. Aber seitdem man nur noch Vornamen verwendete musste man sich was einfallen lassen, damit man die 10 Dingsbumse und Dingsbimse unterscheiden konnte, die es alle so im Bekanntenkreis gab. Dingsbums Sowieso gab es nicht mehr. M-rrrr war etwa 50 Jahre alt, sie müsste die Zeit vor dem Rabatz noch zur Genüge miterlebt haben. „Dies ist ein typischen Auto, also ich meine wie es in den meisten Konsumländern üblich ist. Kleine, getönte Scheiben, sehr schick, man muss die anderen Fahrer ja nicht sehen. Fußgänger auch nicht, die müssen selber aufpassen. Alles zu, auch bei schönen Wetter, man hört auch nicht, was draußen so ist. Aber ne Hupe gibt’s und ziemlich sicher ist die Stahlkiste. Umbringen kann man sich damit aber auch. Automatische Verkehrsteilnehmeranzeige hat sich noch kaum durchgesetzt. Und sieden Schilderwald- sie zeigt auf den Übungsplatz. kennst du ja schon aus der Theorie- dient alles der Sicherheit. Z. B. bei so einem 60 km/h Schild, wenn da einer nur 50 fährt kannst Du ganz dicht auffahren und schimpfen: Die Blondine da vorne gehört doch an den Herd. Aber jetzt kommt Ernst.“ Sie öffnete die Schwingtüren mit einem Radius von einer halben Fahrbahnbreite. Die reinsten Radfahrerklatsche. Nathie kannte nur Schiebetüren. Sie setzte sich ans Steuer und fuhr ganz selbstverständlich los. Auto fahren hatte sie längst gelernt. Die geschlossenen Fenster störten sie erst etwas, aber das war schnell vergessen. „Hier ist man ja echt nur noch mit Schilder befolgen beschäftigt. Kann ja gar nicht mehr mitdenken“, sagte sie und schaute nach unten um zu prüfen ob die Geschwindigkeit stimmte. Sie blieb an einer roten Ampel stehen, obwohl niemand anderes da war. „Machen die das wirklich?.“ „Ja Mädel, sonst kriegst’e mächtig Ärger.“

„Das geht schon besser als ich dachte. Morgen machen wir mal ne Spritztour über die Grenze, dann merkst’e mal was Verkehrsdarwinismus ist.

5000 Geld[edit]

„Und du verdienst Geld?“, fragte Mo Karen. „Ich fahr Taxi. Ich könnte nie davon Leben, also ich meine ich will gar nicht als Monotarier leben. Aber ich möchte den Bodenkontakt behalten und ich find die Un-Ideelen nicht schlimm. Wenn einer Jaguar fahren will, soll er doch. Mich darüber aufzuregen find ich fast fanatisch. „Du weißt, dass ich meinen Narren an dieser Autokultur gefressen habe“, fühlte sich Urs herausgefordert. „Aber ein Jaguar ist nicht mal nur ein Auto. Es ist ein Symbol: „Ich habe es mir verdient, ich kann ihn nicht wirklich gebrauchen, aber ich will Euch zeigen was ich bin und was ich kann, besser als ihr alle, wärt ihr auch so smart, so raffiniert, so hart, würdet ihr euch den auch leisten können und natürlich kaufen. Meine Angestellten haben ja nicht mehr verdient. Ich bin noch viel zu gut zu denen allen. Die Putze. Von wegen Ideal, von wegen anderer Lebensstil, ist mir egal was der für Probleme hat, wer verhungert. Entweder man ist stark oder schwach, das mit der Moral sind doch nur Neider. ...

Ich verstehe nicht, wie die noch Leute finden, die für sie arbeiten?“ „ Die Löhne steigen ja auch immer mehr. Keiner verdient unter 5000.“ „5000. die lassen ja alle im Ausland arbeiten, wo die Leute keine Wahl haben, 5000 sagt mir überhaupt nichts, bedeutet gar nichts.„ „Das ist mehr, als viele Leute in China in ihrem ganzen Leben verdienen.“ „Das spielt gar keine Rolle, wenn man Leuten ihre Möglichkeiten nimmt anders zu überleben, dann arbeiten sie für Dich. Wenn das Kind zur Schule gehen soll um da raus zu kommen, dann arbeiten die Eltern 14h in der Fabrik oder die ältere Schwester tut es. Die wohnen in der Fabrik, dürfen keine Beziehungen anfangen, sonst werden sie bestraft, müssen umsonst arbeiten, oder fliegen raus. Das ist nicht erfunden, dass machen die. Der Druck ist da. Und würden die 200 Leute direkt für die 5 Lehrer arbeiten, damit 100 Kinder Unterricht erhalten, würden sie verstehen wie absurd es ist. Soviel können 200 Leute gar nicht für die 5 Lehrer machen , wenn es kein Geld gibt. Ich meine, die müssten Schlösser bauen lassen um die Leute so hart schuften zu lassen. Lebensmittel anbauen lassen? Wohin damit, wenn es kein Geld gibt? Verschenken? Und wenn die nur mit einem Mercedes fahren. Müssen die Leute mehr für sie Arbeiten, als für...keine Ahnung was. Und wieso hat man ein Recht, dafür Leute auszunutzen?“ „Aber das ist doch komplexer. Du steckst da genauso drin! Hast Du den Topf da selber hergestellt? Wer hat das Metall abgebaut?“ „Aber der wird mich noch zehnmal überleben und wenn er kaputt ist, dann kann man einen neuen Topf daraus machen. Wenn wir ihn selber gemacht hätten, wüssten wir wie wertvoll und langlebig er ist.“ „Das beste wäre, alle paar hundert Jahre zieht eine Familienmitglied zu den Minen um Metall für einen Topf abzubauen. Man erfasst wirklich nicht wie kostbar der ist“, sagte Chef. „Und damit nicht einer die ganze Zeit in der Mine arbeiten muss, müsste man es wirklich selber machen. Irgendwer muss es ja tun, und dann der, der es braucht und nicht der, der am schwächsten ist. Wir können den Topf ja auch praktisch selber machen, aber das ändert die Welt nicht.“ „Erstens: Ich will da auf keinen Fall mitmachen“, sagte Urs, „und zweitens sollte man lieber Leuten helfen, die es sich nicht leisten können sich zu weigern da mit zu machen. Und Menschen sollen sich irgendwann mal schämen einen Jaguar zu fahren oder einen Topf weg zu schmeißen. Es soll schick werden ressourcenschonend zu leben und nicht verschwenderisch und menschenverachtend.“

Eine Utopie[edit]

„Und, wie gefällt Euch unsere Utopie?“ fragte Nathie, als sie das bisher letzte Kapitel vorgelesen hatte. Sie hatten sich in letzter Zeit regelmäßig gegenseitig vorgelesen. „Mir fallen bestimmt noch Wünsche ein, aber das wär schon ein ganz gutes Leben“, sagte O, „z.B. im Alter so wie Opi und Omi Lissow zu leben klingt auch viel reizvoller, als wie ich mir das so gegenwärtig vorstelle. „Find ich auch. Für einen Roman natürlich viel zu positiv. Da müsste alles härter sein, als in echt, aber für ein Leben...“ „Nur, wie setzen wir es um?“, fragte Remo unternehmerisch. „Unsere eigenen Fabriken haben wir noch nicht. Von wegen Glas herstellen. Ich bin froh, dass ich mir meine Klamotten nähen kann. Rohstoffe sind außerdem teuer. Geld regiert die Welt..“ „Aber nicht bei uns“, protestierte Urs und klatscht einen Haufen, fast perfektes Gemüse auf den Tisch. „Gestern containert, beim Supermarkt, nicht bei den Monos.“ „Wir können Auflauf machen?“ Einige Leute fangen an zu schnippeln. Auf jeden Fall will ich den Technikansatz und nicht Back to the Roots,“ meinte Remo. Ja Mann, die Utopie steht doch schon. Umsetzung!“ sagte Nathie und meinte damit, dass er sich umsetzen sollte, weil sie den Stuhl brauchte. „Wir brauchen eine Haus, noch mehr Leute, unseren Bioabfall kompostiere ich ja schon. Abwasser können wir natürlich sammeln. Ist natürlich unfair, dass wir es trotzdem bezahlen müssen. Vorher brauchen wir natürlich die Gärten. Für so ein Dach brauch man sicher ne Baugenehmigung, das fällt denen sofort auf. Wir wohnen hier nicht in Utopia. Wird schwieriger, aber spannender.“

„Mo wohnt doch in so nem Hausprojekt. Die haben sogar schon Dachbegrünung.“ „Ja, das Dumme ist nur, das Haus ist schon voll.“ „Gibt zwar genug leere Häuser, die nur verrotten, aber Hausbesetzung ist zu stressig, außerdem schrecken die Bullen vor nichts zurück.“ „Tja, bleibt noch meine Platte.“ sagte Chef. „So schlimm sieht’s doch mit deinen Haaren gar nicht aus. „Falls wir das halbwegs so hinbekommen, wie auf den Plänen, können wir den kleinen Block nutzen und gestalten bis zur Umnutzung, mindestens aber 10 Jahre.“ „Wir sanieren das teil 10 Jahre lang und dann fliegen wir raus, klar sind die einverstanden,“ sagte Remo. „Schon, aber der von den Plänen echt persönlich begeistert. Und es wär ein Experiment. Nachher wissen wir wie es geht. Wir können das Meiste mitnehmen und wohnen 10 Jahre umsonst.“ „Aber was wir da reinstecken müssen. An Energie, mit dem Wissen, dass es nur für 10 Jahre ist und das kostet einen Haufen Geld.“ „Ich kann das Wort nicht mehr hören“, sagte Nathie.

„Also, ganz ehrlich gesagt möchte ich nicht unbedingt in der Gegend wohnen. Schon gar nicht für 10 Jahre oder so,“ wirft Urs desillusionierend ein. „Ist doch nur 10 Radminuten von hier. Das wird der nächste Szenekiez,“ lässt Chef sich nicht irritieren. „Wir stecken die Nachbarn an. Die wollen auch Gemeinschaftsräume und Gärten, manche bauen in ihren Schrebergärten was an, die haben auch ein bisschen Ahnung. Ich kann mich ja mal rumhören, wer so dabei wäre. Vielleicht finden wir noch was anderes, oder gleich mehrere Möglichkeiten. Ich hatte eine Zukunftsvision. Ich weiß wie das Leben hier aussehen wird. Nur das mit dem Rabatz verwirrt mich. Hab ich was verpasst?

Denn die Häuser...[edit]

Es waren bereits über 100 Leute geworden. die ernsthaft Pläne schmiedeten. Sie hatten schon die ein oder andere Party in der Platte und in dem Hausprojekt veranstaltet und die Platte schon einen gewissen Bekanntheitsgrad gewonnen. Das andere Hausprojekt war ein ehemals besetztes Haus in der Kohlstrasse, für die die FAZ so lange gekämpft hatte und schon vorher ein beliebter Party-ort gewesen. Aufgrund der Plakatierfreudigkeit einiger Anwohner hieß die Strasse mal Hohlstrasse, Kehlstrasse, Kiffstrasse, Knilchstrasse, Milchstrasse oder Bierstrasse.

Das Platte fing schon an sich zu verändern und wurde auf viele Weisen „verschönert“, weswegen das Projekt jetzt schon bei der Wohnungsbaugesellschaft umstritten war. Aber abgesehen von eine paar einschränkenden Klauseln, hatten sie es schwarz auf weiß. Als Projekt zur Auflockerung des Wohngebietes durfte der Block gemäß gelten Vorschriften gestaltet und genutzt werden. Als Startschuss für die Außenarbeiten hatten sie den 15 März bestimmt. Das Dach hatten sie allerdings schon entfernt. Dann flexten sie die Südost- und Südwestwand einfach ab. Die Teile vom dach schmissen sie einfach runter. Bevor sie die anderen Wände an der Südecke rausmachen konnten, mussten sie erst noch den zusätzlichen Träger einbauen. Gestern hatte jemand jede Menge Zement, Zuschläge und Stahlbewehrung angebracht. Er hatte Insolvenz anmelden müssen und hatte gesagt, dass sie das Material verbauen könnten. Wird sonst eh gepfändet und würde ihm auch nichts weiterhelfen.

Mo stand auf dem Dach und begutachtete die stehen gebliebenen Wände, die angeschrägt zum wandlosen Dachteil zuliefen. „Wird ne verdammte Arbeit, da ne organische Form ein zubekommen!“ „Wir könnten stellenweise den Rand mit unserer Sprengmethode absprengen“, schlug Urs vor. Hat zwar für das Dach nicht so funktioniert, aber zum Verschönern sollte das funktionieren und die Bewehrung können wir dann abflexen oder teilweise stehen lasse, vielleicht können wir sie noch gebrauchen.

Nachdem anfänglich einige Machos kontinuierlich am Selbstvertrauen von Leuten mit geringer ausgeprägtem Baumachogehabe gemeißelt hatten, war es zu harten aber deutlichen Auseinandersetzungen gekommen. Daraufhin hatten einige, v.a. sich sehr männlich fühlende Machos, mit ohnehin nicht immer ganz fachlich begründeten Führungsansprüchen beleidigt das Feld geräumt. Die Stimmung war seitdem wesentlich demokratischer und die Beteiligung war ohne Abhängigkeit von Geschlechterrollen gestiegen.

Ein paar Wochen später hatten sie auch den zusätzlichen Träger eingebaut. Er war stark genug für den 15 m³ Tank der bei einer Dachfläche von 700 m² nötig war um übliche Trockenzeiten zu überbrücken und sich gleichzeitig die Möglichkeit für kleinere Aquakulturen oder auch ein Tauchbecken für eine Sauna offen zu halten. Im Hof bauten sie einen deutlich größeren Speicher. Außerdem zogen sie ein stauende Schicht ein, als sie einen Teil des Schrottes gegen Boden austauschen mussten. Die Stauschichten sollten die Wasserverhältnisse für die Pflanzen optimieren und wurden stufenweise and Südneigung der Flächen angepasst. Obwohl sie nicht davon ausgehen konnten, dass sie noch was davon haben würden pflanzten sie trotzdem viele Dauerkulturen wie beerentragende Sträucher und Obstbäume. Man musste sie nur einmal einpflanzen und könnte später einen großen Teil des Jahres Obst ernten. Außerdem hatte sich die Geschäftigkeit auch schon den Hof Lissow, den es wirklich gab, ausgebreitet. Aufgrund der großen Anzahl der Leute und der großen Sympathie vieler Leute für das Projekt hatten sie sich viele Möglichkeiten ergeben Material und Pflanzen umsonst zu bekommen. Auch verschiedene Konzepte von vertikalen Gärten wurden umgesetzt. Die Kompost-Toiletten im Erdgeschoss funktionierten nach ein paar Pannen ausgezeichnet. Allerdings wurden aufgrund der Geschäftigkeit und der zahlreichen Parties die WCs weiter in Betrieb gehalten. Remo war auf die willkommene Idee gekommen eigenes Bier zu brauen und studierte daraufhin intensivst das Brauwesen, weswegen er eine Zeit lang auch kaum für andere Aktionen Zeit hatte. Dafür hatte er in Lissow einen ganzen Haufen Hopfen angebaut und war der Meinung, dass es auch für die Platte keine schönere Wandberankung geben könnte.

Kino gab es schon seit April und war jetzt bei den meisten Wetterlagen auch zum Freilichtkino mutiert. Die während den Parties für Konzerte und Theaterquatsch provisorisch errichtet Bühne wurde zur Dauereinrichtung. Bald hatte tatsächlich auch das Nachbarhaus einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, dessen Umsetzung zunächst allerdings daran gescheitert war, das die Wohnungsbaugesellschaft die angeblichen Mietausfälle für die nicht vermietbaren Räume auf die Miete aufschlagen wollte. Was allerdings Quatsch mit Soße war, da ein drittel dieses Blocks ebenfalls Leerstand. Bevor die WBG jedoch merkte, dass die Schlösser ausgetauscht waren und die Renovierung im vollen Gange war gab sie nach. Offensichtlich hatten sie das Gefühl, dass der Beliebtheitsgrad des Wohngebietes stieg. Ein ernst zu nehmendes Problem, wenn die Mieter tatsächlich steigen sollten. Schließlich gab es bereits jetzt viel mehr Leute die sich mietfreies wohnen recht gut vorstellen konnten. Mehr als in die Platte passten, auf jeden Fall...

Die Anderen[edit]

Ein ernst zu nehmendes Problem war, dass man viele Anwohner einfach überrollt hatte. Man hatte Angst vor der Demokratie gehabt. Angst vor den Wünschen der Anwohner. Und auch jetzt fiel es den meisten noch schwer von ihren Vorurteilen gegenüber den Plattenbaubewohnern abzurücken. Seit sich mehr draußen abspielte hatte man schon viele kennen gelernt. Einige waren schnell akzeptiert, andere waren ungewohnt zwischen den zwar vielfältigen, aber doch eindeutig abgrenzbaren Initial-Utopisten. Viele von den Anderen hatten Ideale, die sie zwar nicht so gekonnt in Worte fassen konnten, dafür jedoch in Taten.

Als Xunqiang mit seinen unglaublichen Kochkünsten die Idee hatte im Gemeinschaftsraum des Nachbargebäudes eine Kochschule zu gründen, hatten die Bewohner nichts dagegen. Zumindest nach anfänglicher nicht ganz unbegründeter Angst ignoriert zu werden und als sie sicher waren, dass sie jederzeit ihre Erlaubnis zurückziehen könnten. Mit der Schule war gleichzeitig ein sehr beliebtes Preislos-Restaurant entstanden, in dem jeder zahlen konnte, was er konnte bzw. mochte - es genügte immer zur Deckung der Versorgungskosten.

(Ausbildungs- und Werkstätten)[edit]

Schnell wurden die Räume auch für andere Schulen genutzt. Ein Ausbildungszentrum war gegründet und hatte im Nachbargebäude den Vorteil, dass es etwas neutraler und öffentlicher wirkte als wenn es in der Platte selbst gewesen wäre. Beliebt waren Kurse im Schweißen, Holzverbindungen, Nähen, Gitarre, Trommeln, was aber bald wieder in einen extra Raum verbannt wurde, theoretische Kurse in moderner Landwirtschaft, Gesellschaftliche Reflektionen oder viele spontane Kurse, in denen jemand mit besonderen Kenntnissen oder Fähigkeiten zu einer Einführung bzw. Vorführung genötigt wurde. Die Nachfrage nach mehr Räumlichkeiten und dauerhaften Werkstätten war schnell gegeben.

Eine Glaserei und Kunststoffverarbeitung war noch was für die Zukunft, wobei bereits schon Faserverbundwerkstoffe zum Einsatz kamen, noch ohne dass man Erfahrungen mit der Umnutzung oder Recycling der Kunststoffe hatte. Und sie konnten immerhin schon fertige Glasscheiben verarbeiten. Dort waren auch immer einige Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene zu finden, die ihre eigenen Aquarien und Terrarien bauten. Fenster konnten sie also selber herstellen, aber die optimale Wärmedämmung hatten sie dabei noch nicht. Dafür müsste auch noch das optimale und leicht beschaffbare Material für die Rahmen her. Eine Wand hatten sie schon aus Glasflaschen gebaut. Kein neues Prinzip, aber bestechend einfach. Müll und Wertstoffe hatten schon begonnen einen anderen Wert zu bekommen. Es entstanden Listen im Netz mit verfügbaren Stoffen wie pfandloses Glas, Papier, Kunststoffverpackungen, Biomasse...

Schlecht genug um wahr zu werden[edit]

Chefs Freund Anders aus Schweden hatte es endlich geschafft nach Arlin zu kommen. Sie kannten sich schon seit der frühen Kindheit und sprachen mal deutsch und mal schwedisch. „Das ist echt bombengut, das hier Projekt.“ Anders ist total begeistert. „Das nimmt die Abbiegung in die richtige Richtung. In Schweden gibt es ja immer mehr Leute die nach dem Konzept der Neuen Arbeit laben. Du weißt, die Theorie von Fritjof Bergmann. Ein drittel Erwerbstätigkeit, ein drittel Selbstversorgung und ein drittel rausfinden was man verklig, verklig will. Aber das reicht nicht, um sich von der Konsumgesellschaft abzunabeln. Zumindest arbeiten die meisten von den Leuten Halbzeit. Sie sind innovativer, nutzen ihre Freizeit viel um sich weiterzubilden. Einige Firmen bezahlen Leute, die 50% arbeiten und sonst nicht erwerbstätig sind sogar schon mit 60% des Gehalts. Es lohnt sich. Sie stellen die Hälfte mehr Leute ein. Insgesamt arbeiten die Leute aber mehr und entspannter und dazu in insgesamt weniger Arbeitszeit, also für weniger Geld. Ich seh schon, dass der Trend da noch hingeht. Vielleicht arbeiten irgendwann alle zu 20 h die Woche, der Lohn steigt oder die Produkte werden billiger oder Beides. Das wäre dann allerdings eine ähnliche Konsumgesellschaft wie heute. Viel besser natürlich, mit gebildeteren und stressfreieren Leuten, größerem sozialem Wohlstand, mehr Gesundheit.“ „Aber die Erwerbstätigkeiten erlangen dadurch, dass sie bezahlt werden einen absurden Status gegenüber nicht-bezahlten Tätigkeiten. Eine Kriegsspielherstellung eine höhere Wertung als die Pflege eines Verwandten“, wirft Chef ein. „Nur, dass die sozialen Dienste auch bezahlt werden. Die Leute sind relativ zufrieden. Es gibt viel weniger Arbeitslose. Die Machtstrukturen sind viel schwächer ausgebildet. Die meisten Leute, auch in großen Betrieben, nennen ihren Chef beim Vornamen und das ist nicht nur Schein. Im Verhältnis zu vielen anderen Ländern gibt es mehr Gleichberechtigung und mehr Demokratie. Immerhin versuchen einige die Toleranz zu schaffen, für Leute, die mit dem Druck nicht klarkommen und die gesellschaftlichen Möglichkeiten an die Leute anzupassen, anstatt zu versuchen die Leute an das System anzupassen und politisch den Druck zu fördern. Aber lässt man den Vergleich mit anderen Ländern weg, sind es bei uns natürlich ganz genau so aus und es gibt gute Gründe an dem System zu arbeiten. Wenn Geld nämlich nur ein Mittel zum Zweck wäre, gäbe es längst kein Geld mehr. Aber man kann so wunderbar damit vertuschen, dass man andere ausnutzt und wenn man genug davon hat, braucht man es nicht mal mehr vertuschen, dann hat man Macht. Und in einer Welt, in der es Mächtige und weniger Mächtige gibt und es außerdem das Mittelchen Geld gibt um zu den Mächtigen zu werden, da erscheinen die Spielregeln so einfach. Aber eigentlich ist dieses Spielchen unter meiner Würde und ich will es auch als Gewinner nicht mitspielen. Anderes Spiel, anderes Glück!, lacht Anders und zeigt mit einer Handbewegung, dass er das Projekt meint.

(Werte und Werbung)[edit]

Sie kamen an die Küche vorbei, wo eine Sammlung teilweise grotesker Werbung angeklebt war. Chef zog eine Werbung aus der Tasche, die er am Bahnhof mitgenommen hatte. „Ohne Business steht die Welt still.“ Er klebt es neben „Geld macht sexy“ und „lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten.“

(Das Schwierigste ist die Demokratie)[edit]

In der Nähe stand eine Tafel auf der stand „Computerwerkstatt“ und „Lissow: Aquakultur“. Auf einem Tisch lag zusätzliches Material. „Die aktuellen Themen“, erläuterte Chef. „Das Schwierigste ist die Demokratie. Wir stellen alles ins Netz, v.a. Jens bringt immer ziemlich schnell bauliche Pläne ins Netz. Meistens weiß man erst hinterher, wie es wirklich aussieht. Aber er ist da echt gut. Unterhält sich mit den Multis die gerade bauen und mit den Außenrum. Oft wird einem selber alles klarer oder plötzlich machen noch viel mehr Leute mit. Und auf jeden Fall sind die ungefähren Pläne besser als gar nüscht. Zumindest können Leute, die nicht da sind auch mitreden. Das Hauptproblem ist einfach die Demokratie. Wir haben Diskussionsthreads im Netz, also da schreibt einer was, 3 geben einen Kommentar, darauf gibt es wieder welche und das sieht man dann als chronologischen Baum. Außerdem gibt es Diskussionsbeiträge mit links und eine „dynamische Lösung“, in der jeder immer was ändern kann, wenn was nicht gefällt. Hauptsache es ist auf der gleichen oder höheren Konkretisierungsstufe. Manchmal gibt es mehrere gute Varianten. Bei Detaillösungen ist das nur praktisch, aber bei Kompaktlösungen ist das Problem, wie wählt man aus. Und in der Umsetzung wird eh wieder alles anders. Außerdem spielt sich die Hauptdiskussion nicht im Netz ab, sondern direkt zwischen den Leuten, und wie will man da alle Leute beteiligen? Manchmal machen sich ein paar Leute viele Gedanken und das allgemeine Interesse ist noch gering. Dann wird es konkret und es wird öffentlich diskutiert und alles umgeschmissen. Ziemlich demotivierend. manchmal geschieht dann gar nichts mehr. Aber beim nächsten Ansatz ist alles viel mehr im Gemeininteresse und das ist auch viel früher da. Außerdem werden die Diskussionen immer konstruktiver als es am Anfang war. Wenn ich mich jetzt an manche Gespräche erinnere. 90 % ging es darum, was man nicht machen kann, sollte ... Demokratie lässt sich nicht durch Technik lösen, wir müssen die sie erst lernen. Man glaubt nicht, wie beschränkt man damit ist. Jetzt wird manchmal eben einfach umgesetzt was nur halbwegs auf Zustimmung trifft und dann nachher verbessert. Es gibt eben nicht nur einen Ansatz, drum nennen wir uns auch „Multis“. „Wie bekommt ihr die Lösungen aus dem Netz und die aus der verbalen Diskussion zusammen?“ „Manchmal schlecht. Teilweise sind das ganz andere Leute. Im Netz arbeiten viele Experten, teilweise waren die nie hier, sogar internationale Beiträge. Die wissen nicht was wir für Möglichkeiten und Materialien haben, obwohl wir das schon Möglichst konkret beschreiben. Aber die Sachen sind ja nicht verloren. Das bauen wir eben später, oder jemand anderes. „Was ist die Computerwerkstatt? „Die, die dritte Platte, die jetzt auch mitzieht, will einen Computerraum. Wo bekommt man Rechner her? Vor Monitoren können wir uns kaum retten. Private Rechner gibt es eigentlich auch genug, aber die werden noch nicht so recht rausgerückt. Man könnte sie immerhin in einen Raum stellen. Und Leute, die sich kennen können sie zusammen nutzen. Man könnte auch zentrale Rechner mit vielen Arbeitsstationen koppeln. Eigentlich fliegen auch jede Menge Festplatten und andere Speichermedien rum und funktionierende Prozessoren. Man kann auch was selber bauen, ohne gleich bei null anzufangen, obwohl mich das schon mal interessieren würde. Selbst wenn es ein primitiver Rechner wäre, wie früher vor unserer zeit, als noch echte Wanzen in den Relais rumgekrochen sind.“ „Just det! Das war das mit dem debuggen.“ „Ich habe manchmal das Gefühl, die Entwicklung geht zu schnell. Es gibt überall Experten, die irgendwelche Teillösungen verwenden, von denen sie keine Ahnung haben. Bei unseren Eltern war es einfach noch übersichtlicher, denk ich. Und jetzt ist es Zeit, nicht immer weiter zu machen, sondern Dinge zu optimieren. Sich zu überlegen, was man wirklich gebrauchen kann, und dazu muss man einen Haufen lernen und vergessenes Wissen ausgraben.“ „Was denkst Du könntet ihr nicht selber bauen?“ „Erst mal gibt es jede Menge Ideen für später. Unsere Basis-Demokratie-Teile. Es muss Massen von alten Handys geben, die man umnutzen könnte. Und wir könnten unser eigener Internetanbieter werden. Eigene Mobilfunkantennen. Damit wächst auch die Verantwortung. Man wird veranlasst sich mit Elektrosmog auseinander zu setzen. Hoffe ich. Eigentlich ändert sich nichts, ab man jetzt Nutzer ist oder Nutzender Anbieter. Aber man kann sich nicht so leicht aus der Verantwortung ziehen. Was meinst Du?“ „Ich denke, es gibt oft technische Lösungen, aber manchmal ist die einzige Lösung zu verzichten, sich einzuschränken oder eine andere Alternative zu finden.

(Energie für Müll und absurde Kacke)[edit]

Schau Dir den Stromverbrauch an. Atomkraft, fossile Brennstoffe, Wasserkraft, Windkraft... egal was- manche kontrollierbar, reversibel oder regenerierbar andere weniger – sind alles keine Lösungen. Eine ganz einfache ist es, den Verbrauch zu reduzieren. Und dann viel angepasste Modelle. Gibt es Vieh oder gut abbaubare Biomasse, dann Biogas. Gibt es Wind- Windkraft. Aber mit Verantwortung. Vor seiner Haustür will kaum einer ein AKW stehen haben und in einem Wald von Windkraftanlagen, wo Strom für irgendwelche Leute und Industrien für einen Mist verschleudert wird auch nicht. Die meiste Energie verbrauchen wir um Müll herzustellen, im wahrsten Sinne des Wortes. Auf dem Weg von der Herstellung zur Tonne haben die meisten Dinge mal kurz einen anderen Zweck. Manche Sachen werden 1000km wo hin gefahren um einen Knopf anzunähen oder sie blau zu malen und dann wieder zurück, anstatt die Knöpfe herzufahren, die aber wahrscheinlich auch von hier kommen.... Wir bauen dunkle, undichte Häuser, um dann das Licht und die Heizung im Winter und im schlimmsten Fall sogar die Klimaanlage im Sommer anzuschalten. Und weil das Haus immer Winter warm ist, brauchen wir einen gekühlten Schrank, damit die Sachen nicht warm werden. Wir produzieren Trinkwasser um damit unsere Kacke zum Klärwerk zu transportieren, wo wir dann wieder das Wasser sauber kriegen müssen... Ich habe übrigens probiert meine Sachen im Winter draußen zu lagern, aber sie sind mir eingefroren. Es kann ja bei uns ziemlich kalt werden. Jetzt fülle ich einfach das Gemüsefach mit Wasser und stelle es kurz raus. Das reicht dann um den Kühlschrank kalt zu halten.

(Kostenloses Netz)[edit]

Wie könnte das mit dem kostenlosen Internet aussehen?“ „Ich weiß auch noch nicht. Wenn man es wie die anderen Anbieter macht, müsste man wieder Teile von der Fonkom kaufen und dann muss man wieder Kosten erheben und so. Ist selbst ohne Gewinnabzocke nicht reizvoll. Theoretisch müssten wir einfach was eigenes bauen. Jeder ein Stück Kabel verlegen. Irgendeinen Hightech, Glasfaserkabel, kenn mich da nicht aus. Ein kleines eigenes Netz und das dann nach außen anschließen. Die Fonkom zahlt ja auch nichts um sich mit der restlichen Welt zu verknüpfen. Die Wartung funktioniert, wenn das richtig gebaut ist, zumindest wenn es genug Leute gibt, die lieber was selber machen, als dafür erst Geld zu verdienen und dann jemanden zu bezahlen. Wer nicht will ist selber Schuld und kann das kommerzielle Netz nutzen. Nur erst mal Kabel produzieren.“ Er lacht, sollte man mal im Kopf behalten, man braucht ja auch ein paar Herausforderungen für Übermorgen.“


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