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Vermeidung des Entstehens neuer Machtkonzentrationen

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Die Frage ob der Anarchismus, oder jedwede andere Bewegung, das Entstehen neuer Machtkonzentrationen verhindern kann ist essentiell für den Anarchismus. Mit der Beantwortung der Frage steht und fällt die Idee der Anarchie, und Diskussionsfähig ist die Frage in jedem Fall. Es wäre naiv anzunehmen, das sich mit einer rein emotionalen Begründung eine so komplexe Idee vertreten ließe. AnarchistInnen überall auf der Welt mussten und müssen sich daher immer wieder mit dieser Frage auseinandersetzen.

Der Ursprung der Herrschaft

Es ist klar, man muss sich zuerst die Frage stellen: Wie entsteht Herrschaft? Wie entsteht Macht? Was führt dazu, das sich der Mensch in einem Hierarchiesystem fügt, oder Befehle erteilt? Woher kommen Dominanz und Unterwerfung? Hierbei muss man zunächst so kategorisch werden wie irgend möglich: Hierarchie durchzieht unsere Gesellschaft wie eine Krankheit. Egal ob durch den Befehlenden erzwungen, oder vom Befohlenen akzeptiert - in jeder Lebenslage findet sie sich wieder. Ehe, Familie, Beruf, Bildung: alles ist von Strukturen durchsetzt, welche Machtpositionen ermöglichen. Beispiele müssen kaum genannt werden, der Vater befiehlt Frau und Kindern, der Chef dem Arbeiter, der Herr dem Hund, und auch wenn man die Situation herumdreht, und die Frau zum "Herrn" im Haus macht, ändert dies nichts an der Situation, dass jemand befiehlt.

Was also ist es, das dies verursacht? Kritiker des Anarchismus bringen gerne eine Position ein: "Dies liegt in der Natur des Menschen und lässt sich nicht verhindern", begründet wird dies durch Vergleiche mit dem Tier. Rudeltiere bilden Hierarchien, haben ihr Alphatier, und haben so die Evolution überstanden. Gerade Sozialdarwinisten machen keinen Hehl daraus, das sie die Unannehmlichkeit der Herrschaft erkennen, darin jedoch ein notwendiges Übel sehen.

Diese Position ist nun zuerst scheinbar schwer angreifbar. Der Vergleich mit dem Tier erscheint einem oftmals paradox, doch nicht alle Menschen sind Humanisten, weshalb das Gegenargument: "Man kann doch nicht mit Tieren vergleichen" schlicht keine Substanz besitzt. Soll sich nun die Schar der AnarchistInnen etwa darauf beschränken, ihre Position hier nicht verteidigen zu können, oder gar die Flinte ins Korn werfen? Unter keinen Umständen, denn der Anarchismus kann auf andere Mittel als nur die emotionale Argumentation einer menschenwürdigeren Welt zurückgreifen.

Angeborener Drang zu Hierarchien?

Beginnen wir einfach mit der Gegenfrage: "Wo zeigen sich die Beweise, das der Mensch Hierarchien von Natur aus nicht vermeiden kann?" Die Menschliche Geschichte, Tabellen von Herrschern, Kapitalisten und anderen Mächtigen können hier dem Anarchistengegner Dienste leisten. er deutet auf sie und sagt: "Schau her, die menschliche Gesellschaft bestand schon immer aus Herrschern und Beherrschten! q.e.d.". AnarchistInnen müssen hier mit dem Kopf schütteln: "Die Ursachen dafür sind klar: Die Herrschaft war erst ein Produkt der Kultur, die Natur des Menschen lässt sich darauf doch nicht zurückführen. Bevor die Kultur dem Menschen die Herrschaft aufzwang, existierte eine Herrschaftslose Gesellschaft." (vgl. hierzu den Urkommunismus bei Marx) Der Kritiker wird zurückgeworfen, doch lässt nicht locker: "Einmal lässt sich doch nicht beweisen, das die Gesellschaft damals wirklich Herrschaftslos war, also zeig mir doch mal eine Gesellschaft die Herrschaftslos war und überlebt hat!" Man muss hier wirklich kurz stocken bleiben, anarchistische Gesellschaftsformen? Finden die sich irgendwo? Ja, sie finden sich. In jedem Moment des Lebens, und auch historisch. Historische Belege müssen einem Kritiker erbracht werden Machno-Bewegung, Spanischer Bürgerkrieg, Selbstorganisation in der Frühphase der Revolution(en) in Russland. Hier scheiterte man niemals an interner Schwäche, der Anarchismus wurde von Aussen zerschlagen, von Faschisten, Bolschewisten oder anderen.

Und auch im Alltag zeigt sich immer wieder: Nicht die Herrschaft zwingt uns zu vernünftigem Handeln. Oftmals bekommt man als AnarchistIn zu hören, das Anarchie zu Chaos führen würde, sogar damit gleichzusetzen ist. Meinungen wie "Wenn es keine Herrscher mehr gibt die uns halten, dann bricht Chaos aus. Jeder tut was er will und Raub, Mord, Vergewaltigung überziehen die Gesellschaft." Dieses "Argument" ist klassisch, immer wieder aufgewärmt und hat sich als allgemeine Meinung eingebrannt. Immer wieder "bestätigt" durch Chaos in Extremsituationen. Wo entmachtet wurde, brach Chaos aus, die bürgerlichen Medien wurden nicht müde dieses Chaos als Anarchie zu bezeichnen, die Meinungsbildung in der Gesellschaft war determiniert. Man muss die Frage stellen: "Wenn dies so ist, warum hast du mich noch nicht niedergeschlagen und meine Sachen geraubt/mich vergewaltigt/ermordet? Wohl kaum aus Angst vor der Justiz, vor Gesetzen oder Ähnlichem. Du hättest davon nichts, und deshalb tust du es auch nicht." Der Kritiker will ansetzen: "Und was ist mit Besitz?" "Gibt es in der Anarchie nicht. Alles ist Allgemeinbesitz, du kannst mir natürlich mein Auto stehlen, aber du hast wohl Eigenes, und wenn du ein neues brauchst, so "gehört" es dir bereits, denn du kannst es einfach nehmen. Wenn du meines nähmst würde ich einfach mit den Schultern zucken und mir ein Neues holen. Sinnlos also"

Der Kritiker muss nun seine "Beweise" beschauen, und zugeben, das er nicht behaupten kann, dass die Herrschaft dem Menschen "angeboren" wäre. AnarchistInnen wiederum freuen sich.

Der Ursprung der Herrschaft

Neue Hierarchien entstehen nicht von selbst. Solche Organisationsformen gibt es im Wesentlichen aus zwei Gründen:

  • weil sie den Herrschenden nützen, und diese alles tun, um ihre Macht zu erhalten, bzw. neu aufzubauen.
  • weil ein Großteil der Bevölkerung gewohnt ist, zu akzeptieren, dass es “immer welche gibt, die bestimmen, und welche, die gehorchen.”, und keine anderen Organisationsformen kennt.

Was tun?

Um neue Machtkonzentrationen zu verhindern, müssen wir also zwei Dinge tun:

  • bestehende Machtverhältnisse abschaffen: Antistaatlichkeit
  • konsequent hierarchiefrei Organisationen “von unten” aufbauen, die praktisch zeigen, wie Herrschaft verhindert werden kann: Selbstorganisation

Macht lässt sich nie vermeiden, sie muss jedoch permanent auf allen Beteiligten ruhen. Niemand darf dabei mehr Macht oder auch Machtpotential haben als der andere. Letzteres ist allerdings unmöglich. Daher unterscheidet Foucault anders zwischen Macht, Vermögen (Machtpotential) und Herrschaft: Vermögen haben alle, es ist vorhanden. Anarchistinnen wollen nicht dumm oder ungebildet sein, um erst gar kein Machtpotential zu haben. Vielmehr sollen alle Menschen dieses Potential besitzen. Wird es angewendet, entsteht Macht. Macht üben demgemäß alle Menschen aus, immer und überall. Erst wenn diese Macht sich institutionalisiert und/oder starr wird, entsteht Herrschaft; und erst diese gilt es zu verhindern und ggf. zu bekämpfen. Daher sollten alle Menschen in der Lage sein, alle Entscheidungen anderer nachzuvollziehen und dazu ausgebildet sein, EntscheidungsträgerInnen zu werden und es auch (un)regelmäßig sein.

Gegenfrage:Wieso entstehen neue Machtkonzentrationen?

Weil Menschen mit bestimmten Dingen unzufrieden sind und sich folglich in anderen geistigen Bewegungen bündeln, um das bisherige System zu überwinden.

Beispiel: Französische Revolution im 18. Jahrhundert

Diese Unzufriedenheit beruht oft auf materiellen Mängeln. Die Bauern haben nichts zu essen, also gehen sie in den Palast des Königs um es sich zu holen.

In der Anarchistischen Theorie mangelt aber es keinem an etwas. Die Produktion ist darauf ausgelegt, dass es allen gut geht und nicht dass es viel Profit gibt. Deswegen fällt theoretisch die Machtkonzentration aus wirtschaftlichen Mängeln weg.

Bleibt noch die politische Variante. Beispielsweise formiert sich in der Anarchie eine Gruppe von Sozialdemokraten, um mehr... – was könnten sie noch fordern? Mehr Freiheit? Mehr zu Essen für alle? Ziemlich schwer vorstellbar, da dies schon alles vorhanden ist.

Der politische Machtwechsel wäre damit dann wohl auch ausgeschlossen!


Kategorie:Fragen und Antworten Kategorie:Revolution