Still working to recover. Please don't edit quite yet.
Rudi Dutschke
Rudi Dutschke (* 7. März 1940 in Schönefeld bei Luckenwalde; gest. 24. Dezember 1979 in Århus, Dänemark) war der bekannteste Vertreter der westdeutschen Studentenbewegung, der so genannten „68er-Bewegung“. Später gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Partei Die Grünen.
Contents
Leben
Kindheit und Jugend
Dutschke wuchs in der DDR auf und war Mitglied der verfolgten Jungen Gemeinde im brandenburgischen Luckenwalde. Als protestantischer Christ wurde er durch den religiösen Sozialismus geprägt. 1956 trat er in die FDJ ein. Im selben Jahr kam es zum Volksaufstand in Ungarn, der Dutschke politisierte. Zu diesem Zeitpunkt trat er für einen demokratischen Sozialismus ein und gegen den Imperialismus sowjetischer und amerikanischer Prägung. 1957 trat er gegen die DDR-Militartisierung ein und verweigerte den (damals freiwilligen) Dienst in der NVA. Im August 1961 floh er in die BRD.
Anfang 60er
Dutschke verband sein Studium schon früh mit praktisch-politischem Engagement. So gab er etwa die Zeitschrift Anschlag heraus, in der Kritik am Kapitalismus, die Probleme der Dritten Welt und neue politische Organisationsformen thematisiert wurden. Das Blatt galt wegen seiner „aktionistischen“ Ausrichtung im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) damals als „anarchistisch“.
1962 gründete Dutschke mit Bernd Rabehl eine Berliner Gruppe der Münchner „Subversiven Aktion“, die sich als Teil der Situationistischen Internationale verstand. 1964 ging die Gruppe um Dutschke im Berliner SDS auf. Im Jahr darauf wurde er in dessen politischen Beirat gewählt und bestimmte seine politische Richtung fortan mit.
Mitte 60er
Ab 1966 organisierte Dutschke mit dem SDS zahlreiche Demonstrationen für Hochschulreformen, gegen die Große Koalition, die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg. Die wachsende Studentenbewegung verknüpfte diese Themen und die Kritik an der mangelnden Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit miteinander und verstand sich nun als Teil der Außerparlamentarischen Opposition (APO).
Am 23. März des Jahres heiratete er Gretchen Klotz. Im Mai bereitete er den bundesweiten Vietnamkongress in Frankfurt a.M. mit vor. Hauptreferate dort hielten bekannte Professoren der „Neuen Linken“ (u.a. Herbert Marcuse, Oskar Negt) und der eher „traditionalistischen“ Linken außerhalb der SPD (Frank Deppe, Wolfgang Abendroth).
In jenem Jahr wollte Dutschke mit einer Arbeit über Lukács bei Professor Hans-Joachim Lieber, dem damaligen Rektor der FU, promovieren. Nach Auseinandersetzungen um das politische Mandat des Berliner AStA und die Nutzung von Universitätsräumen für Aktionen gegen den Vietnamkrieg verlängerte Lieber Dutschkes Assistentenvertrag an der FU Berlin nicht. Damit schied eine akademische Laufbahn für ihn vorerst aus.
Nachdem ein Polizist am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien erschossen hatte, riefen Dutschke und der SDS bundesweit zu Sitzblockaden auf, um die Aufklärung der Todesumstände zu erzwingen. Zudem forderten sie den Rücktritt der Verantwortlichen für den Polizeieinsatz und die Enteignung des Verlegers Axel Springer. Die Studenten machten die kampagnenartige Berichterstattung der Zeitungen seines Verlags für Benno Ohnesorgs Tod mitverantwortlich. Ihre Sicht wurde nun auch erstmals von etablierten Medien – dem Spiegel, der Frankfurter Rundschau und der Zeit – aufgegriffen. Jedoch solidarisierten sich nur wenige Professoren, darunter Dutschkes Freund Helmut Gollwitzer, mit den protestierenden Studenten.
Im Zusammenhang vieler damaliger Bildungsreform-Anläufe bereitete Dutschke eine „Kritische Universität“ an der FU West-Berlins mit vor. Im Wintersemester 1967/68 führten etwa 400 West-Berliner Studenten in Eigenregie 33 Arbeitskreise durch. Sie befassten sich überwiegend mit Fragen der Hochschulreform und mit Berufschancen für Akademiker in der arbeitsteiligen Gesellschaft; zwei Arbeitskreise thematisierten „Wirtschaftskrise und Sozialpolitik in Westberlin“ oder „Rechtsstaat und Demokratie in Deutschland“. Sie sollten nach dem Vorbild ähnlicher Versuche in Berkeley und Paris eigene Vorstellungen basisdemokratischen Lernens umsetzen und mit dem Aufbau einer für Schüler und Arbeiter offenen „Gegenuniversität“ beginnen.
Podiumsdiskussionen und Interviews, u.a. mit Rudolf Augstein, Ralf Dahrendorf und Günter Gaus, machten Dutschke nun auch bundesweit bekannt. Dies war ihm jedoch weniger wichtig als der Kontakt zu jungen Arbeitern. Dies zeigte er z.B. bei einem im Februar 1968 von Jusos im Ruhrgebiet organisierten Streitgespräch mit Johannes Rau zum Thema: „Sind wir Demokraten?“ Auf für sein antiautoritäres Selbstverständnis typische Art zeigte sich Dutschke unangepasst und respektlos, redete Rau als „Genosse“ an, kritisierte parlamentarische Rituale und Institutionen und forderte eine „Einheitsfront von Arbeitern und Studenten“. Dieses Ziel behinderte er jedoch häufig selbst durch seine akademisch-soziologische Ausdrucksweise und seinen intellektuellen Habitus.
Sein antibürgerliches Auftreten polarisierte die Öffentlichkeit; er erfuhr zunehmend auch Ablehnung und Hass. Die Zeitungen des Springerverlages und viele Regionalzeitungen setzten ihn - wie die 68er insgesamt, als deren Symbolfigur er bald galt - u.a. mit Hinweisen auf sein „ungepflegtes Äußeres“ und seine DDR-Herkunft herab. Als er bei einem „Go-in“ im Weihnachtsgottesdienst 1967 der Berliner Gedächtniskirche versuchte, eine Diskussion über den Vietnamkrieg herbeizuführen, schlug ein wütender Gottesdienstbesucher ihn nieder und verletzte ihn.
Zur Vorbereitung eines „Internationalen Vietnam-Kongresses“, den er mit dem SDS und Basisgruppen plante, fuhr Dutschke von November 1967 bis Januar 1968 mehrmals nach Ost-Berlin. Er führte dort Gespräche mit der FDJ-Leitung für eine „Aktionseinheit“ gegen den Vietnam-Krieg. Diese kam jedoch nicht zustande; auch Dutschkes Vorschlag, gemeinsam ein Schiff mit Waffen und Freiwilligen zur Unterstützung des Vietcong loszuschicken, wurde fallen gelassen.
Nach Ablehnung durch den Akademischen Senat der FU fand der Kongress schließlich am 17. und 18. Februar 1968 an der Berliner TU statt. Mehrere tausend Studenten beteiligten sich daran. Die Abschlussdemonstration war mit mehr als zehntausend Teilnehmern die bis dahin größte deutsche Protestveranstaltung gegen den Vietnamkrieg in der Bundesrepublik. Dabei rief Dutschke zur massenhaften Desertion amerikanischer Soldaten und zur „Zerschlagung der NATO“ auf. Sein Plan, die polizeilich genehmigte Route zu verlassen und vor den amerikanischen Kasernen zu demonstrieren, wurde jedoch fallengelassen, da mit Schusswaffengebrauch der Wachsoldaten zu rechnen war.
Das aufgeheizte politische Klima zeigte sich auch am 21. Februar bei einer vom Berliner Senat organisierten „Pro-Amerika-Demonstration“, auf der Teilnehmer Plakate mit der Aufschrift „Volksfeind Nr. 1: Rudi Dutschke“ trugen. Dort wurde ein Passant mit Dutschke verwechselt. Aufgebrachte Demonstrationsteilnehmer drohten, ihn zu erschlagen.
Attentat
Am 11. April 1968 wurde Dutschke vor dem SDS-Büro von dem jungen Hilfsarbeiter Josef Bachmann abgepasst, der drei Schüsse auf ihn abfeuerte. Er erlitt lebensgefährliche Gehirnverletzungen und überlebte nur knapp nach einer mehrstündigen Operation. Heute erinnert eine Gedenktafel am Tatort vor dem Haus Kurfürstendamm 141 an das Attentat.
Bachmanns Motive wurden nie ganz aufgeklärt; man fand bei ihm ein Zeitungsfoto von Dutschke sowie die Nationalzeitung und vermutete daher rechtsextreme Hintergründe. Viele Studenten machten die Springerpresse für das Attentat verantwortlich, da diese zuvor monatelang gegen Dutschke und die demonstrierenden Studenten agitiert hatte. Die Bild-Zeitung z.B. hatte Tage zuvor zum „Ergreifen“ der „Rädelsführer“ aufgerufen. Bei den folgenden Protestkundgebungen kam es zu den bis dahin schwersten Ausschreitungen in der Geschichte der Bundesrepublik, bei denen auch das Verlagsgebäude Axel Springers angegriffen und Auslieferungsfahrzeuge für seine Zeitungen angezündet wurden.
Dutschke musste sich Sprache und Gedächtnis in monatelanger Sprachtherapie mühsam wieder aneignen. Zur Genesung hielt er sich ab 1969 in der Schweiz auf, dann in Italien und Großbritannien. Anfang 1969 wurde er zunächst vorübergehend ausgewiesen, worauf die Familie nach Irland zog. Jedoch durfte er bald nach Großbritannien zurückkehren, wo er 1970 ein Studium an der Universität Cambridge anfing. Beim Regierungswechsel in 1970 war die Aufenthaltserlaubnis jedoch endgültig aufgehoben. Daraufhin zog er nach Dänemark, wo er eine Anstellung als Dozent an der Universität von Århus erhielt.
Bachmann wurde wegen versuchten Mordes zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt. Dutschke nahm brieflich Kontakt mit ihm auf, erklärte ihm, er habe keinen persönlichen Groll gegen ihn und versuchte, ihn von der Richtigkeit eines sozialistischen Engagements zu überzeugen. Bachmann beging jedoch am 24. Februar 1970 im Gefängnis Suizid. Dutschke bedauerte, ihm nicht öfter geschrieben zu haben: …der Kampf für die Befreiung hat gerade erst begonnen; leider kann Bachmann daran nun nicht mehr teilnehmen…
1970-79
Ab 1970 lebte er in einer Kommune in der dänischen Ortschaft Knebel, zusammen Gretchen Dutscke und ihren Kindern. 1974 erschien sein Buch "Versuch Lenin auf die Füße zu stellen", in dem er sich mit der Frage beschäftigt, warum die Ziele der Oktoberrevolution nicht erreicht wurden.
1979 war er bei den sich formierenden Grünen aktiv. Am 24. Dezember, des selben Jahres, starb er an den Folgen des Attentates.
Anarchistische Tendenzen
Dutschke wurde nicht nur von staatssozialistischen Denkern, sondern auch von Anarchisten beinflusst.In seiner 1966 erschienen Schrift "Ausgewählte und kommentierte Bibliographie des revolutionären Sozialismus von K. Marx bis in die Gegenwart" schrieb er: "[...] in einer Zeit der sich verstärkenden und verselbstständigen Staatsbürokratien scheint uns die bei Bakunin im Mittelpunkt von Theorie und Praxis stehende Frage der Abschaffung des Staates, der unmittelbaren Beseitigung desselben, der erneuten Aufarbeitung durchaus wert." (S. 14). In der Schrift empfahl er unter anderem die Lektüre von Bakunin Biographien, die Memoiren Kropotkins, sowie Malatestas "Was ist Anarchie?".
Nationalrevolutionär?
Immer wieder wurde der Vorwurf erhoben, Dutschke wäre ein Nationalrevolutionär gewesen. Fakt ist, das er sich für die deutsche Wiedervereinigung und einen geeinten Vietnam einsetzte und dementsprechend dem Konzept Nation nicht ablehnend gegenüberstand. Das bestätigt indirekt auch Gretchen Klotz:
"Er kämpfte für ein antiautoritäres, demokratisches, vereintes Deutschland in einer antiautoritären, demokratischen und sozialistischen Welt. Er war kein 'Nationalrevolutionär', sondern ein internationalistischer Sozialist, der im Gegensatz zu anderen begriffen hatte, dass es politisch falsch ist, die nationale Frage zu ignorieren."
Literatur
Rudi Dutschke: Jeder hat sein Leben ganz zu leben, Die Tagebücher 1963-1979 (Verlag Kiepenhauer und Witsch)
siehe auch
Film/Interview
- Rudi Dutschke Was ist Revolution? https://www.youtube.com/watch?v=jPmyIT_wphU
Weblinks
- Rudi Dutschke: Zur Literatur des revolutionären Sozialismus von K. Marx bis in die Gegenwart
- Interview vom 3.12.1967
Kategorie:KommunistInnen Kategorie:Revolution Kategorie:68er