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Herbert Marcuse

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Herbert Marcuse [marˈkuːzə] (* 19. Juli 1898 in Berlin; † 29. Juli 1979 in Starnberg) war ein deutsch-amerikanischer Soziologe und Philosoph.


Biografie

Herbert Marcuse wurde als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten aus Pommern in Berlin geboren. 1916, nach dem Notabitur, wurde er zur Reichswehr einberufen. Kurz nach seinem Beitritt zur SPD im Jahre 1917 trat er der USPD bei und wurde 1918 in den Soldatenrat Berlin-Reinickendorf gewählt. 1918 begann Marcuse mit dem Studium der Germanistik und der neueren deutschen Literaturgeschichte im Hauptfach, der Philosophie und der Nationalökonomie im Nebenfach, zunächst vier Semester in Berlin, dann vier Semester in Freiburg. Nach der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg verließ Marcuse 1919 die SPD. 1922 promovierte er mit einer Arbeit über den deutschen Künstlerroman. Anschließend war er im Buchhandel und Verlagswesen in Berlin tätig. 1924 heiratete er Sophie Wertheim.

1928 setzte er seine Philosophiestudien bei Edmund Husserl und Martin Heidegger fort. Einerseits bewunderte er Heideggers „Konkrete Philosophie“, kritisierte aber zugleich dessen Individualismus und unhistorische Herangehensweise. Seine Absicht, sich bei Heidegger in Freiburg über Hegels Ontologie und die Theorie der Geschichtlichkeit zu habilitieren, scheiterte wohl hauptsächlich an dessen damaliger Begeisterung für den Nationalsozialismus. Das Werk wurde 1932 dennoch veröffentlicht. Etwa zur Jahreswende 1932/33 trat Marcuse dem Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main bei, das von Max Horkheimer geleitet wurde.

1932 beschäftigte er sich auch mit den im Rahmen der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe erstmals veröffentlichten Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von Karl Marx. Marx’ Jugendschriften aus dem Jahre 1844 beeinflussten Marcuses Philosophieren erheblich. Er verfasste 1932 erste Interpretationen der Manuskripte in der Zeitschrift Die Gesellschaft. Dort kritisierte er mit Marx den Kapitalismus als ultimative Krise des menschlichen Wesens. Unter kapitalistischen Verhältnissen träten Wesen und Existenz des Menschen auseinander, der Mensch sei „entfremdet“ und könne sich nicht seinen Möglichkeiten entsprechend entfalten. Obwohl bei Marx die „Wesensphilosophie“ später in den Hintergrund trat bzw., nach anderer Lesart, aufgegeben wurde, blieb sie für Marcuse auch in späteren Werken bestimmend.

Noch vor Hitlers Machtantritt verließ Marcuse 1933 Deutschland und ging zunächst nach Zürich. Er arbeitete danach in Genf, vermittelt durch Husserl, am Institut für Sozialforschung mit, das aus Frankfurt hatte verlegt werden müssen, später in Paris, bevor er 1934 endgültig in die USA emigrierte.

In der Zeitschrift des Instituts erschien 1934 sein Aufsatz Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, in dem er sich u.a. mit Heideggers Stellung zum Nationalsozialismus auseinandersetzt. Er referiert darin insbesondere Heideggers Rektoratsrede, in der ausgeführt wird, die Wissenschaft solle dem Dienst am Volk gewidmet werden. Die geistige Bewegung sei Macht zur Bewahrung der „erd- und bluthaften“ Kräfte des Volkes; darüber hinaus zitiert er einen Satz Heideggers aus der Freiburger Studentenzeitung vom November 1933: „Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz.“ (Zeitschrift für Sozialforschung 3, Heft 2, 1934)

Im nach New York übergesiedelten Institut für Sozialforschung erhielt Marcuse eine feste Anstellung. Die ökonomische Situation des Instituts und das Drängen Max Horkheimers zwangen Marcuse 1942 dazu, eine neue Stellung in Washington, D.C. am Office of Strategic Services (OSS), einer Vorgängerorganisation der CIA, anzunehmen. Für OSS arbeitete er nach dem Krieg bis 1951 auch zeitweise als Europasektions-Leiter. In den Jahren 1951 bis 1954 arbeitete er an den Russian Institutes der New Yorker Columbia University und in Harvard an Studien über den Sowjet-Marxismus.

1954 erhielt Marcuse seine erste Professur für Philosophie und Politikwissenschaft an der Brandeis University in Waltham (Massachusetts). 1964 wurde Marcuse Professor für Politikwissenschaft an der University of California, San Diego. Neben seiner dortigen Lehrtätigkeit nahm er 1965 eine außerordentliche Professur an der Freien Universität Berlin an.

In den USA erschienen seine beiden Hauptwerke Triebstruktur und Gesellschaft 1955 und Der eindimensionale Mensch 1964. Beide Werke und die Schriften zur Repressiven Toleranz[1] 1965 und Autorität und Familie ab 1933 u.a. gehören zu den wichtigsten Büchern der kritischen Theorie und zählten zu den Standardwerken der Studentenbewegung in aller Welt, vorwiegend in den USA und Deutschland.

In den Jahren 1967 und 1969 verbrachte er mehrere Monate in Europa. Marcuse hielt Vorträge mit Diskussionen vor Studenten in Berlin, Paris, London und Rom.

Herbert Marcuse setzte sich kritisch mit dem Sowjet-Marxismus auseinander. Er stellte die Frage, ob sich der Marxismus im Stalinismus bis zur Unkenntlichkeit verwandelt habe. Noch kurz vor seinem Tod bezeichnete er das Buch Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus von Rudolf Bahro als eines der wichtigsten Werke immanenter Kritik aus dem sowjetischen Machtbereich.

Am 29. Juli 1979 starb Marcuse an den Folgen eines Hirnschlags während eines Deutschlandbesuches bei Jürgen Habermas in Starnberg.


Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, Berlin.Nach seinem Tode wurde die Urne von seiner Frau in die USA überführt, die Asche wurde jedoch nicht bestattet, geriet in Vergessenheit und gelangte erst im Jahr 2003 in den Besitz seines Sohnes Peter und seines Enkels Harold. Die Nachkommen entschlossen sich schließlich dazu, Marcuse in seiner Geburtsstadt Berlin bestatten zu lassen. Die Beerdigung fand im Sommer 2003 unter großer Anteilnahme der Medien auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin statt, auf dem auch Bertolt Brecht, Heinrich Mann, Johann Gottlieb Fichte und Georg Wilhelm Friedrich Hegel bestattet sind. Im Anschluss daran richtete das Philosophische Institut der Freien Universität Berlin (FU Berlin) eine Veranstaltung aus zur Aktualität der Philosophie Herbert Marcuses im Auditorium Maximum der FU Berlin, wo Marcuse 1967 seinen berühmten Vortrag Das Ende der Utopie gehalten hatte.

Hauptwerk: Triebstruktur und Gesellschaft

Herbert Marcuses Essay Triebstruktur und Gesellschaft ist einerseits als Beitrag zu dem Projekt der kritischen Theorie zu verstehen, die analytischen Ergebnisse einer reflektierten marxistischen Gesellschaftskritik mit den Aussagen der psychoanalytischen Theorie zu verbinden. Ziel der Unternehmung war es, die Widersprüche moderner gesellschaftlicher Verhältnisse mittels einer dialektisch verfahrenden, die Tiefendimensionen unserer Kultur erfassenden Methode zu beschreiben und insbesondere den Zusammenhang zwischen Subjekt und Sozialität in einem theoretisch ambitionierten Verfahren zu erhellen. Andererseits versucht Marcuse auch, aus der kritischen Analyse des Gegebenen Möglichkeiten einer befreiten Gesellschaft und einer befreiten Subjektivität, mithin einen positiven Entwurf künftiger gesellschaftlicher Verhältnisse zu extrahieren, mit dem Anspruch, nicht eine Utopie zu formulieren, sondern in der Verfasstheit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und des menschlichen Individuums selbst Ansätze einer künftigen Befreiung ausfindig zu machen.

I. Unter der Herrschaft des Realitätsprinzips

Nach Freud ist die Bedingung für die Schaffung von Kultur und die Errichtung stabiler sozialer Beziehungen die Unterdrückung der destruktiven und antisozialen Triebe. Das ursprüngliche Lustprinzip, gerichtet auf die unmittelbare und vollständige Befriedigung der Triebwünsche, gelangt unter dem Einfluss einer durch materiellen Mangel geprägten Wirklichkeit unter die Herrschaft des Realitätsprinzips. Die Erfüllung der Triebwünsche wird unter der Wirkung gesellschaftlicher Herrschaft zurückgestellt, dadurch entsteht das bewusste, denkende und sich erinnernde Subjekt. Das Lustprinzip wird ins Unbewusste verdrängt und nur die Phantasie gelangt nicht unter die Herrschaft des Realitätsprinzips. Die Unterdrückung des Lustprinzips jedoch schwächt den Eros zugunsten der destruktiven Tendenz des Thanatos und führt so zu den soziopathologischen Dynamiken moderner Gesellschaften wie Krieg und Massenmord. Im Unterschied zu Freud jedoch sieht Marcuse die Ananke (Lebensnot), unter deren Einfluss die Repression der Triebe sich entwickelt, als historisch-kontingentes Faktum und nicht als zeitlose Bedingung menschlicher Existenz schlechthin an. Die historisch vorherrschende Form des Realitätsprinzips ist das Leistungsprinzip. Das Lustprinzip wird zeitlich auf die Freizeit und räumlich auf die Genitalität begrenzt. Dadurch wird ein Großteil der Zeit und des menschlichen Körpers für die Verrichtung entfremdeter Arbeit frei, so kann der Mensch sich und seine soziale Umgebung unter Bedingungen natürlichen Mangels reproduzieren. Das Leistungsprinzip ist in der gegenwärtigen Phase durch die Erfordernisse der produktiven Effizienz und der Konkurrenz geprägt. Die entfremdete Arbeit schafft nun selbst Freiheitsgrade, vor allem die Freiheit von natürlichen Zwängen und dient damit mittelbar dem Lustprinzip, allerdings um den Preis einer unterdrückenden Kultur. Marcuse prägt nun den Begriff der zusätzlichen Unterdrückung (surplus repression), die keine für die Existenz von Kultur überhaupt notwendige ist, sondern der Organisation der Herrschaft des Menschen über den Menschen dient. Diese Herrschaft wird im Laufe der Geschichte immer wieder durch revolutionäre Prozesse überwunden, aber gleich wieder aufgerichtet, weil die Subjekte durch die internalisierte Unterdrückung die Herrschaft mit der Existenz lebenssichernder Ordnung schlechthin identifizieren. So entsteht ein doppeltes Schuldgefühl durch den Verrat an der Herrschaft und an den eigenen Wünschen nach Freiheit. Produktion und Konsum rechtfertigen die Herrschaft und täuschen darüber hinweg, dass die Menschen ihre Bedürfnisse selbst bestimmen könnten.

II. Jenseits des Realitätsprinzips

Durch die Steigerung der Produktivität in der entfremdeten Arbeit schafft das Realitätsprinzip jedoch im Laufe der Geschichte die Bedingungen dafür, dass die herrschende Form des Realitätsprinzips abgeschafft werden könnte. „Je vollständiger die Entfremdung, desto größer das Potential der Freiheit.“ Marcuse sieht eine historische Phase gekommen, in der die Menschen ihre Bedürfnisse selbst bestimmen könnten. Durch die Automation der Produktion könnte die weiterhin lebensnotwendige entfremdete Arbeit auf ein zeitliches Minimum begrenzt werden. Der Eros würde in großem Ausmaß von seinen destruktiven Beschränkungen befreit. Allerdings wäre eine Vorbedingung dafür der Verzicht auf den erreichten Lebensstandard in der westlichen Welt. Im Unterschied zu Freud geht Marcuse davon aus, dass ein solcherart befreiter Eros nicht zum Untergang der Kultur führen würde, im Gegenteil: „Die Befreiung des Eros könnte neue, dauerhafte Werkbeziehungen schaffen.“ Es käme zu einer Selbst-Sublimierung der Sexualität, die kultiviertere Beziehungen der Individuen untereinander ermöglichen würde. Marcuse geht von einer dem Eros innewohnenden libidinösen Moral aus, die nach der Abschaffung der zusätzlichen Unterdrückung und der damit verbundenen Herrschaftsformen zur Ausprägung einer befreiten Gesellschaft führen könnte. Arbeit könnte dank der freigewordenen zeitlichen Ressourcen und der gesteigerten Möglichkeiten freier Wahl den Charakter des Spiels annehmen. Antizipiert sieht Marcuse diese Entwicklungsmöglichkeiten in der ästhetischen Aneignung der Wirklichkeit, in der Kunst. Diese entspringt der Phantasie, die sich als einzige Form des Denkens von der Herrschaft des Realitätsprinzips freigehalten hat. In der Kunst sieht Marcuse eine Form menschlicher Arbeit verwirklicht, die weitgehend ohne Triebunterdrückung vor sich geht und ein hohes Maß an libidinöser Befriedigung bietet, ohne destruktiv zu sein. Im Kunstschaffen und in der Kunstrezeption kommt es zu einer wenigstens zeitweisen Befreiung des Eros. So kann die ästhetische Erfahrung als Modell einer von repressiven Strukturen befreiten Welterfahrung dienen. In einer befreiten Gesellschaft würde das Lustprinzip als Realitätsprinzip eingesetzt, ohne die Kultur zu zerstören.

Hauptwerk: Der eindimensionale Mensch

Marcuse untersucht in seinem 1964 in den USA erschienenen Werk Der eindimensionale Mensch „die Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft“, wie es im Untertitel heißt. Er konstatiert sowohl in der Wissenschaft als auch im öffentlichen Diskurs ein „eindimensionales“ und „positives'“ bzw. „positivistisches“ Denken. Insbesondere die Wissenschaft flüchte sich aus Furcht vor Werturteilen oder politischer Einmischung in die Empirie und in quantitatives Denken. Grundsätzliche, qualitative Reflexion der gesellschaftlichen Probleme und Aufgabenstellungen fänden in dieser technokratischen Herrschaftswissenschaft nicht statt. Statt die Ungleichheit im Kapitalismus und die nukleare Bedrohung anzugreifen und zu kritisieren, würden diese Probleme nur verwaltet und somit immer neu reproduziert. Marcuse hebt in diesem Zusammenhang einen vom klassischen Marxismus noch nicht beachteten Kapitalismus-Aspekt besonders hervor: Die Manipulation des Individuums, seine Instrumentalisierung durch die suggestive Kraft der Konsumwerbung.

Herbert Marcuse setzt dem die Negation entgegen: einerseits die Verneinung durch Kritik, andererseits die Weigerung, das Spiel mitzuspielen und die Suche nach dem qualitativ Anderen. Marcuse ist bezüglich der Änderung dieser Verhältnisse sehr pessimistisch und betont die stabilisierende, affirmative Kraft des eindimensionalen Denkens.

Das oft aufgegriffene Schlagwort der Großen Verweigerung als Ausweg taucht auf den letzten Seiten auf. Viele Gruppen der ´68er-Bewegung und der alternativen Szenen bezogen sich auf dieses Motiv aber auch auf seine anderen Werke und propagierten ein Aussteigen aus dem kapitalistischem System. Marcuses Utopie liegt darin, eine befreite Gesellschaft vernunfttheoretisch und triebtheoretisch zu begründen, mindestens jedoch die Möglichkeit einer anderen freieren Gesellschaft wach zu halten. In seinem Essay Versuch über die Befreiung (1969), unter dem Arbeitstitel Jenseits des eindimensionalen Menschen geplant, entwickelte Marcuse im Anschluss an Der eindimensionale Mensch eine optimistischere Position.

In seinem 1967 vor Studenten der Freien Universität Berlin gehaltenen Vortrag: Am Ende der Utopie wird dieser Ansatz ausgeführt. In Gesellschaften mit hochentwickelten Produktivkräften besteht demnach die Möglichkeit zu einer Umwälzung, durch die Armut und Elend und entfremdete Arbeit abgeschafft werden können. Anders als Marx beschrieben hatte, kann „das Reich der Freiheit im Reich der Notwendigkeit“ erscheinen. Marcuse bezeichnet die Negation der bestehenden Gesellschaft als Voraussetzung zur Transformation menschlicher Bedürfnisse. Es bedarf einer jenseits der judäochristlichen Moral stehenden neuen Moral, die die vitalen Bedürfnisse nach Freude und nach dem Glück erfüllt und die ästhetisch-erotischen Dimensionen umfasst. Er befürwortet ein Experiment der Konvergenz von Technik und Kunst sowie von Arbeit und Spiel.

Charles Fourier habe die Differenz zwischen einer freien und einer unfreien Gesellschaft erstmals deutlich gemacht, indem er eine Gesellschaft in Aussicht stellte, „in der selbst gesellschaftlich notwendige Arbeit im Einklang mit den befreiten, eigenen Bedürfnissen der Menschen organisiert werden kann.“ In dieser Rede prägt Marcuse den Begriff vom möglichen Ende der Geschichte.


Repressive Toleranz

In seinem 1965 erschienenen Essay zur Repressiven Toleranz[1], den Studenten der Brandeis University zugeeignet, formuliert Marcuse Gedanken, die großen Einfluss auf die Studentenbewegung in den USA und in Europa hatten. Darin bezeichnet er die zu Beginn der Neuzeit entwickelte Idee der Toleranz als parteiliches Ziel, als subversiven, befreienden Begriff und ebensolche Praxis. Gegenwärtig gäbe es keine Macht, Autorität oder Regierung, die eine befreiende Toleranz umsetzen würde. Im Gegenteil stärke die praktizierte Art von Toleranz beispielsweise die Macht der zerstörerischen Gewalt in Vietnam.

Marcuse formuliert dagegen eine utopische Gesellschaftsvorstellung, in der das Individuum frei in Harmonie mit anderen lebt und öffentliche und private Wohlfahrt für alle gewährleistet ist. Es gelte eine Gesellschaft herbeizuführen, worin der Mensch nicht durch Institutionen versklavt sei. Die gegenwärtig herrschende Toleranz, auch in demokratischen Staaten, akzeptiere eine aggressive Politik, Aufrüstung, Chauvinismus und Diskriminierung aus rassischen und religiösen Gründen.

Nach Marcuse existiert eine objektive Wahrheit, die durch die Diskussion des Volkes in Gestalt von Individuen und Mitgliedern politischer und anderer Organisationen die Politik einer zukünftigen demokratischen Gesellschaft bestimmen soll. Diese Idee der Freiheit schließt für Marcuse eine uneingeschränkte Toleranz gegenüber rückschrittlichen Bewegungen aus. Unparteiische Toleranz schütze in Wirklichkeit die bereits etablierte Maschinerie der Diskriminierung. In seinem Essay legitimiert er dieses Programm mit der Feststellung: Das Telos der Toleranz ist Wahrheit.

Während beispielsweise der Sozialistische deutsche Studentenbund Marcuses Gedanken aufgreift und damit das Streben nach einer besseren neuen Gesellschaftsordnung begründet, werfen Kritiker Marcuse vor, dass er den Gedanken des politischen Pluralismus zugunsten einer Parteilichkeit verwirft. Abgelehnt wird insbesondere Marcuses Forderung, dass Intoleranz auch gegenüber dem Denken, der Meinung und dem Wort geübt werden solle (Intoleranz vor allem gegenüber den Konservativen und der politischen Rechten).


Schriften und Nachlass

Herbert Marcuse: Schriften in 9 Bänden, ZuKlampen Verlag, Lüneburg 2004. ISBN 3934920462. Hegels Ontologie und die Theorie der Geschichtlichkeit. (Klostermann), Frankfurt a.M. 1932, 3. Aufl. 1975, ISBN 3465003098 Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, in: Zeitschrift für Sozialforschung des Instituts für Sozialforschung, 3. Jg. Heft 2, S. 161-194, Paris 1934 Autorität und Familie in der deutschen Soziologie bis 1933, in: Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung. Paris 1936 Eros und Kultur. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud. Klett, Stuttgart 1957 (aus dem Amerikanischen Eros and Civilisation, 1955, übersetzt von Marianne von Eckardt-Jaffe); Neuauflage u.d.T. Triebstruktur und Gesellschaft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1965ff Kultur und Gesellschaft 1. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1965 Kultur und Gesellschaft 2. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1965 Repressive Toleranz[1], in: Robert Paul Wolff, Barrington Moore, Herbert Marcuse: Kritik der reinen Toleranz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1966. ASIN B0000BU99D Repressive Toleranz[1], in: Robert Paul Wolff, Barrington Moore, Herbert Marcuse: Kritik der reinen Toleranz. Suhrkamp Verlag KG, Auflage: N.-A., Frankfurt am Main 1970. ISBN 3518101811 Der eindimensionale Mensch. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1967 Psychoanalyse und Politik. (Vier Vorträge von Herbert Marcuse: Trieblehre und Freiheit. Die Idee des Fortschritts im Licht der Psychoanlalyse. 1956, Das Problem der Gewalt in der Opposition. Das Ende der Utopie. 1967). Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1968. 6. Aufl. 1980 ISBN 3-434-30071-6 Ideen zu einer kritischen Theorie der Gesellschaft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1969 Versuch über die Befreiung, dt. 1973. ISBN 3518103296 Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus, engl. Soviet-Marxism. A critical Analysis, 1958, dt., Darmstadt/Neuwied, Luchterhand, 1974, ISBN 3-472-61182-0 Protosozialismus und Spätkapitalismus - Versuch einer revolutionstheoretischen Synthese von Bahros Ansatz, in Kritik Nr. 19, Hg. Ulf Wolter, ISSN 0170-4761, Verlag Olle & Wolter, Berlin 1978. Auch in: Herbert Marcuse: Spuren der Befreiung, Hg. Detlev Claussen, Luchterhand, Darmstadt und Neuwied 1981, Engl. in: Ulf Wolter (ed.) Rudolf Bahro - Critical Responses, M.E.Sharpe, White Plains, N.Y., 1980, ISBN 978-0-87332-159-4, ebenfalls in: Journal of International Politics, M.E.Sharpe 1980, lieferbar bei Books on Demand, Proquest/Astrologos 2007, ISBN 978-0-7837-9935-3. [1] Seit 1998 erscheinen auch Bände aus dem Nachlass von Herbert Marcuse, der in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main liegt. Der erste Band Feindanalysen. Über die Deutschen wurde im Juli 1998 überraschend auf Platz 1 der Bestenliste gewählt.

Feindanalysen. Ãœber die Deutschen. Einleitung Detlev Claussen (1998) Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Einleitung Oskar Negt, Bd.1, (1999) Kunst und Befreiung. Einleitung Gerhard Schweppenhäuser, Bd.2, (2000) Philosophie und Psychologie. Einleitung Alfred Schmidt, Bd.3, (2002) Die Studentenbewegung und ihre Folgen. Einleitung Wolfgang Kraushaar, Bd.4, (Juni 2004). Der Band wurde im September 2004 auf Platz 5 der Sachbuch-Bestenliste (NDR, Süddeutsche Zeitung, BuchJournal) gewählt. Neuauflage, Feindanalysen. Ãœber die Deutschen. Einleitung Detlev Claussen, Bd.5, (Juni 2007). (Rezensionen in allen großen Print- und Hörfunkmedien. Zum Band »Feindanalysen« Fernsehberichte in 3 Sat und HR 3) Alle Bände wurden vom Herausgeber Peter-Erwin Jansen, der auch den Nachlass von Leo Löwenthal betreut, mit einem Vorwort und Kommentaren versehen. Sie erscheinen im Verlag zu Klampen, Springe.

Literatur

Hans Albert: Wissenschaft und Verantwortung. Max Webers Idee rationaler Praxis und die totale Vernunft der politischen Theologie. In: Ders.: Kritischer Rationalismus. Vier Kapitel zur Kritik des illusionären Denkens (UTB; 2138). Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-8252-2138-5 (Replik auf Herbert Marcuse: Industrialisierung und Kapitalismus. In: Otto Stammer (Hrsg.): Max Weber und die Soziologie heute. Verhandlungen des 15. deutschen Soziologentages. Mohr, Tübingen 1965) Roger Behrens: Übersetzungen, Studien zu Herbert Marcuse. Konkrete Philosophie, Praxis und kritische Theorie. Ventil Verlag, Mainz 2000, ISBN 3-930559-58-7. Hauke Brunkhorst, Gertrud Koch: Herbert Marcuse. Eine Einführung (Große Denker). Panorama Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-926642-61-0. Jürgen Habermas (Hrsg.): Antworten auf Herbert Marcuse. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1968 (mit einer Auswahlbibliografie der Schriften von Herbert Marcuse). Paul Mattick: Kritik an Herbert Marcuse. Der eindimensionale Mensch in der Klassengesellschaft. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 1969. Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung. 6. Aufl. Dtv, München 2001, ISBN 3-423-30174-0.

Siehe auch:

Film

Einzelnachweise

↑ a b c d Herbert Marcuse: Repressive Toleranz, Essay, 1965

Weblinks

Literatur von und über Herbert Marcuse im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Offizielle Herbert Marcuse Homepage - von Marcuses Familie, mit vielen Informationen und Links, sowie den Texten seiner wichtigsten Werke auf Englisch und Deutsch Initiative für Praxisphilosophie und konkrete Wissenschaft - Übersicht zu Marcuses Werk Herbert Marcuse – Zum 25. Todestag (2004) - sehr informativer Text von Sven Oliveira Cavalcanti Marcuse Archiv im Marxists Internet Archive Wiki-Stammbaum Marcuse-Archiv Universitätsbibliothek Frankfurt am Main Verdrängung, Realität und die Autonomie der Theorie in der Fromm/Marcuse Kontroverse von Daniel Burston Personendaten NAME Marcuse, Herbert KURZBESCHREIBUNG deutsch-amerikanischer Philosoph und Soziologe GEBURTSDATUM 19. Juli 1898 GEBURTSORT Berlin STERBEDATUM 29. Juli 1979 STERBEORT Starnberg

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