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Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften
Vom 17. bis 19. Mai 1897 fand in Halle a.d. Saale der „Erste Kongress der lokalorganisierten oder der auf Grund des Vertrauensmännersystems zentralisierten Gewerkschaften Deutschlands“ statt, daraus erfolgte die organisatorische Verselbständigung der Lokalisten. Die Lokalorganisierten, die sich ab 1901 „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVdG) nannten, entwickelten sich zunehmend zu einer syndikalistischen Gewerkschaft. Im Dezember 1919 gründete die FVdG mit anderen kleinen radikalen Gewerkschaften die anarchosyndikalistische „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD).
Contents
Gewerkschaften unter dem „Sozialistengesetz“
Im Oktober 1878 wurde das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, das sogenannte „Sozialistengesetz“, erlassen.
Als das Sozialistengesetz erlassen wurden, hatten sich die bestehenden ArbeiterInnnvereinigungen üblicherweise als lokale Berufsorganisationen ohne durchstrukturierte Führungsinstanzen konstituiert. Mit ihren direkten Delegationsformen, ihrer basisdemokratischen Entscheidungsfindung, ihren diskontinuierlichen Organisationsformen und nicht zuletzt aufgrund des Ziels einer genossenschaftlichen Produktion wiesen diese örtlichen Berufsvereine bereits charakteristische syndikalistische Grundmerkmale auf.
Aufgrund dieser Situation kam den lokalen Verbänden eine bedeutende Funktion für die organisierte ArbeiterInnenbewegung zu. Dies stärkte die lokalen Verbände und führte zu einer zunehmenden Selbständigkeit gegenüber der Parteiführung der Sozialdemokratie. Während die föderalistische Struktur der lokalorganisierten Gewerkschaften durch das Sozialistengesetz befördert wurden, setzte in der Sozialdemokratie eine zunehmende Hierarchisierung ein und das „Primat des Politischen“ setzte sich im Laufe der Jahre durch.
Lokalismus oder Zentralismus?
Obwohl sich gegen Ende des Sozialistengesetzes eine Vereinigung der „Lokalisten“ und „Zentralisten“ abzeichnete, verschärften sich im Jahre 1890 die Auseinandersetzung zwischen den Gegnern und Befürwortern einer zentralen Gewerkschaftsorganisation. Auf einer Gewerkschaftskonferenz vom 17. November 1890 konstituierte sich eine Generalkommission mit dem Ziel der Gründung einer organisatorisch einheitlichen und zentralistisch hierarchischen Gewerkschaftsorganisation.
Auf dem ersten zentralen Gewerkschaftskongress, der in Halberstadt vom 14. bis 18. März 1892 tagte, wurde die Bildung einer zentralen Gewerkschaftsorganisation beschlossen, die 13 lokalistischen Delegierten verließen unter Protest den Kongress. Der neue gewerkschaftliche Zentralverband war - wie es sich die SPD wünschte - politisch abstinent und konzentrierte sich allein auf die ökonomischen Kämpfe. Damit war in der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung die Trennung in politischen und ökonomischen Kämpfe endgültig vollzogen.
Die „Lokalisten“, die sich weiterhin der Sozialdemokratie verbunden fühlten, lehnten sowohl den Zentralismus als auch die Trennung von ökonomischen und politischen Kämpfen ab und standen so in ihrer Praxis in der Nähe der Konzepte des Syndikalismus. Die „Lokalisten“ glaubten nicht, im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung mit rein gewerkschaftlichen Kampfmitteln die Lage der ArbeitInnen wesentlich verbessern zu können und forderten also auch den vollen politisch-revolutionären Einsatz der Gewerkschaftsorganisation. Der Streit zwischen dem radikalen Flügel der Lokalisten und den reformistischen Zentralverbänden wurde in Berlin in den Jahren 1892 bis 1897 unter den Maurern am heftigsten geführt. Innerhalb der lokalistischen Gewerkschaftsverbände waren die Mauerer und Zimmerer die größte Berufsgruppe.
Die FVdG zwischen Sozialdemokratie und Syndikalismus
Mit dem „Ersten Kongress der lokalorganisierten oder der auf Grund des Vertrauensmännersystems zentralisierten Gewerkschaften Deutschlands“ im Mai 1897 begann die organisatorische Verselbständigung der „Lokalisten“ und im September 1901 wurde der Name in „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVdG) geändert. In einer Resolution auf dem Gründungskongress in Halle wurde die weitere Orientierung an die SPD beschlossen.
Die SPD war allerdings gar nicht begeistert von der Gründung einer neuen Gewerkschaftsorganisation, übte aber zunächst Neutralität gegen über den „Freien Vereinigungen“ aus, dies dürfte zweifellos auf die Doppelmitgliedschaft vieler FVdG-Wortführer zurückzuführen worden sein. Bereits 1903 gab es den Versuch die „Freien Vereinigungen“ mit den gewerkschaftlichen Zentralverbänden zu verschmelzen. Die Auseinandersetzungen mit den gewerkschaftlichen Zentralverbänden und den „Freien Vereinigungen“ wurden immer schärfer geführt, durch verlängerte Streiks wurde versucht, die FVdG finanziell zu schwächen. Zum endgültigen und ideologischen Bruch der FVdG mit der organisierten Sozialdemokratie kam es während der Massenstreikdebatte 1904 bis 1906, der offiziell durch das Verbot der Doppelmitgliedschaft durch die SPD 1908 vollzogen wurde.
Aber nicht nur die Massenstreikdebatte innerhalb der ArbeiterInnenbewegung markierte eine Wende in der FVdG, denn nach dem Tod von Gustav Keßler am 29. Juli 1904 übernahm Fritz Kater die Geschäftsführung der „Freien Vereinigung“. Keßler war maßgeblich für die Orientierung der FVdG in Richtung der Sozialdemokratie und die Ablehnung anderer Strömungen verantwortlich. Noch auf dem zweiten Kongress im April 1898 hatte die Mehrheit der Delegierten es abgelehnt, auch Personen, die nicht sozialdemokratisch engagiert waren, in die Organisation aufzunehmen, dies kam einer Abgrenzung gegenüber dem Anarchismus gleich. Doch unter dem Einfluss Fritz Katers übernahmen die „Freien Vereinigungen“ radikal-anarchistische Ideen. Vor allem die Schriften „Die direkte Aktion“ (1903) und „Der Soziale Generalstreik“ (1905) von Arnold Roller, die zunächst im Umfeld der „Anarchistischen Föderation Deutschlands“ rezipiert wurden, spielten eine große Rolle. Roller der im Kontakt mit französischen Syndikalisten stand, fasste die primären Aufgaben der Gewerkschaften folgendermaßen zusammen:
„Die Gewerkschaften haben (...) die Aufgabe, in der Zukunft die Produktion zu übernehmen, und so sind sie dazu bestimmt, nicht nur das Erziehungs- und Kampfelement der sozialen Zukunft zu werden, sondern auch das Embryo der Produktion und Neuorganisation nach Beseitigung des Kapitalismus“ (Roller 1905).
Der Übergang der lokalistischen „Freien Vereinigung“ von einem sozialdemokratischen Programm (1897) zu einem revolutionär-syndikalistischen Programm (1908) ging nicht spurlos an der FVdG vorbei. Auf dem 8. Kongress der FVdG traten die Vertreter der anarchistischen Strömung für einen strikten Antimilitarismus, Atheismus und Antiparlamentarismus ein, ebenso versuchten sie die endgültige ideologische Trennung von der Sozialdemokratie voranzutreiben. Fritz Kater dagegen versuchte die programmatische Ausrichtung auf den Syndikalismus mit der Position einer politischen Neutralität zu verbinden, die den Konflikt zwischen den eher gemäßigten Ex-Sozialdemokraten und den radikalen Anarchisten um Fritz Köster nicht aufbrechen lassen sollte.
Die Hinwendung zum revolutionären Syndikalismus mit den Kampfmitteln Direkte Aktion, Generalstreik und Sabotage führte zu einem Mitgliederschwund. Waren 1907 noch über 17.000 Menschen in den „Freien Vereinigungen“ organisiert, so verringerte sich die Zahl der Mitglieder bis 1910 auf ca. 6.500.
Von der FVdG zur anarchosyndikalistischen FAUD
Nachdem die FVdG kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges aufgrund ihrer antimilitaristischen Propaganda als staatsfeindliche Organisation verboten wurde, leisteten Fritz Kater und Carl Windhoff einen großen Anteil an der Reorganisation der FVdG. Auf dem 12. Kongress vom 27. bis 30. Dezember 1919 wurden die 111.675 Mitglieder durch 109 Delegierte vertreten. Dieser Kongress gilt als Gründungskongress der FAUD, weil die FVdG im gesamten Reichsgebiet in „Freie Arbeiter-Union Deutschland“ (FAUD) umbenannt wurde.
Literatur
- Döhring, Helge: Syndikalismus in Deutschland 1914-1918. "Im Herzen der Bestie", Lich 2013, ISBN 978-3-86841-083-9
- Döhring, Helge: Abwehrstreik...Proteststreik...Massenstreik? Generalstreik! Streiktheorien und -diskussionen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie vor 1914. Grundlagen zum Generalstreik mit Ausblick, Lich 2009, 151 S., ISBN: 978-3-86841-019-8 [1]
- Müller, Dirk H.: Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie und Arbeiterdelegierte vor 1918. Ein Beitrag zur Geschichte des Lokalismus, des Syndikalismus und der entstehenden Rätebewegung, Berlin 1985
- Mümken, Jürgen: Vom Lokalismus zum revolutionären Syndikalismus. Die „Freie Vereinigung freier Gewerkschaften“, Bremen 1998
- Vogel, Angela: Der deutsche Anarcho-Syndikalismus. Genese und Theorie einer vergessenen Bewegung, Berlin 1977
Weblinks
- "Die Einigkeit", Organ der FVdG, Eintrag bei 'DadA/Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus': [2]
- syndikalismusforschung.info Das Informationsportal zur Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung
- REDIRECT Vorlage:Seite lw
Kategorie:Anarchosyndikalistische Organisationen und Initiativen Kategorie:Geschichte