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Kritik am Sozialstaat

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Der Staat verhindert nicht nur die Zerstörung der Arbeitskraft, er gewährleistet als Sozialstaat auch ihre Reproduktion, soweit dies durch die zwischen Arbeiter und Kapitalist ausgehandelte Lohnzahlung allein nicht möglich ist. Durch die verschiedenen Sozialversicherungen sichert der Staat die Arbeitskraft gegenüber den grundlegenden Risiken, denen sie in einer kapitalistischen Ökonomie ausgesetzt ist: Die dauerhafte Unmöglichkeit des weiteren Verkaufs der Arbeitskraft aufgrund von Unfällen oder Alter (Unfall- bzw. Rentenversicherung); die vorübergehende Unmöglichkeit des Verkaufs der Arbeitskraft aufgrund von Krankheit oder Arbeitslosigkeit (Kranken- bzw. Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe).


Die Mittel für die sozialstaatlichen Leistungen stammen aus dem Akkumulationsprozess, egal ob sie über Sozialversicherungsbeiträge oder über Steuern finanziert werden. Ein Teil des gesellschaftlichen Wertprodukts wird dazu verwendet, so dass sich die Mehrwertmasse verringert. Für die einzelnen Kapitalisten bedeutet dieser Abzug genauso eine Einschränkung wie die oben erwähnten Schutzbestimmungen. Insofern verletzt der Staat als Sozialstaat das unmittelbare Interesse jedes Kapitals nach maximaler Verwertung und stößt auf entsprechenden Widerstand. Daher sind sozialstaatliche Leistungen in vielen Fällen erst als Resultat von Kämpfen der Arbeiterbewegung zustande gekommen. Der Sozialstaat wird deshalb als eine ”Errungenschaft” der Arbeiterbewegung, ein Zugeständnis an die Arbeiterklasse (um sie ruhig zu halten) aufgefasst. In der Tat ist das Leben der Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen mit sozialstaatlichen Sicherungen in der Regel erheblich einfacher und sicherer als ohne sie. Allerdings handelt es sich dabei keineswegs um einseitige Leistungen für die Arbeitskräfte, die – wie zuweilen behauptet wird – bereits der ersten Schritt zur Überwindung des Kapitalismus darstellen würden. Vielmehr handelt es sich um eine mit dem Kapitalismus konforme Sicherung der Existenz der Lohnarbeiter. Einerseits ist es im Interesse des Kapitals, dass diejenigen Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Arbeitskraft aufgrund von Krankheit, Unfall oder mangels Nachfrage vorübergehend nicht zu verwerten ist, dem Kapital trotzdem in einem ”ordentlichen” Zustand erhalten bleiben. Andererseits sind die sozialstaatlichen Leistungen in der Regel an den Verkauf der Arbeitskraft (bzw. die Bereitschaft dazu) gebunden: Leistungen wie das Arbeitslosengeld oder die Altersrente hängen vom vorherigen Lohn ab – ein Zusammenhang, der allein schon auf viele Arbeiter und Arbeiterinnen disziplinierend wirkt; bei arbeitsfähigen Personen ist die Zahlung von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe außerdem daran gebunden, dass sie sich aktiv um den Verkauf ihrer Arbeitskraft bemühen. Ist dies nicht der Fall, wird die Kürzung oder gänzliche Verweigerung der Zahlungen von den staatlichen Behörden als Mittel der Disziplinierung eingesetzt. Die Leistungen des Sozialstaates entbinden also keineswegs vom Zwang zum Verkauf der Arbeitskraft.