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Waren- und Geldfetisch
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Das Geheimnis von Waren- und Geldfetisch
Warenfetisch
Die Rede vom â€Warenfetisch†besitzt inzwischen eine gewisse Verbreitung, doch wird nicht immer das darunter verstanden, was Marx im â€Kapital†anspricht. Marx meint mit Warenfetisch keineswegs, dass den Menschen im Kapitalismus der Konsum zu wichtig sei, oder dass sie aus dem Besitz bestimmter Waren, die als Statussymbole dienen, einen Fetisch machen würden. Es geht auch nicht um einen Markenfetischismus. Der letzte Abschnitt des ersten Kapitels des â€Kapital†trägt aber den Titel â€Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnisâ€. Hinter dem Besitz teurer Waren als Statussymbol steckt kein â€Geheimnisâ€, das erst noch zu entschlüsseln wäre.
Häufig wird der Warenfetisch allein damit charakterisiert, dass die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen als Beziehungen von Dingen erscheinen (die Beziehungen der Tauschenden erscheinen als Wertbeziehung der ausgetauschten Produkte), so dass aus gesellschaftlichen Beziehungen scheinbar sachliche Eigenschaften werden. Belässt man es bei einer solchen Bestimmung, dann erscheint der Fetischismus als ein bloßer Irrtum: Die Menschen legen ihren Arbeitsprodukten falsche Eigenschaften zu und sehen nicht, dass hinter den Beziehungen der Dinge â€in Wirklichkeit†die Beziehungen von Menschen stehen. Fetischismus wäre dann eine Form â€falschen Bewusstseinsâ€, welches die â€wirklichen Verhältnisse†bloß verschleiert. [Fußnote: â€Ideologieâ€, ein Begriff, den Marx im â€Kapital†höchst selten verwendet, wird häufig als solches â€falsche Bewusstsein†aufgefasst, zu dem dann auch der Fetischismus gehöre.] Wenn dem so wäre, dann müsste mit der Aufklärung über die wirklichen Verhältnisse auch dieses falsche Bewusstsein verschwinden. In dieser reduzierten Auffassung des Warenfetischs gehen jedoch wichtige Pointen der Marxschen Untersuchung verloren. Wir werden uns daher im Folgenden sehr detailliert mit der Marxschen Argumentation auseinandersetzen. Zur besseren Ãœbersicht ist das Folgende in einzelne mit Buchstaben bezeichnete Abschnitte eingeteilt.
[Fußnote: Der junge Marx fasste den Kapitalismus als â€Entfremdung†vom â€menschlichen Wesen†auf. Die Analyse des Warenfetischs wurde von manchen Autoren als Fortsetzung dieser Entfremdungstheorie verstanden. Allerdings wird man bei einer genaueren Lektüre feststellen, dass sich Marx bei Warenfetisch an keiner Stelle auf irgendein â€menschliches Wesen†bezieht.]
a.
Zunächst einmal muss man fragen, wo das â€Geheimnisâ€, von dem Marx in seiner Ãœberschrift spricht und um dessen Entschlüsselung es ihm geht, überhaupt lokalisiert ist. Einleitend schreibt Marx dazu:
- â€Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches, triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, dass sie ein sehr vertracktes Ding ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken.†(MEW 23, S. 85)
â€Vertrackt†ist die Ware also nicht für den Alltagsverstand, vertrackt und geheimnisvoll ist die Ware erst als Resultat der (bisher geleisteten) Analyse. Ein Tisch z.B. sei
â€ein ordinäres sinnliches Ding. Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding.†(Ebd.)
Für die tägliche Anschauung ist der Tisch ein bestimmter Gebrauchswert. Als Ware hat er außerdem einen bestimmten Wert. Beides ist für das spontane Alltagsbewusstsein überhaupt nichts Geheimnisvolles. Auch dass die Wertgröße von der Menge verausgabter Arbeitszeit abhängen soll, mag akzeptiert oder bestritten werden, der Sachverhalt selbst ist aber keineswegs mysteriös. Den â€sinnlich übersinnlichen†Charakter der Ware machte erst die Analyse deutlich: Sie zeigte, dass die Wertgegenständlichkeit der Ware gar nicht an ihr selbst zu fassen ist (insofern ist sie â€Ã¼bersinnlichâ€, nämlich â€gespenstige Gegenständlichkeitâ€), sondern nur an einer anderen Ware, die ihrerseits als unmittelbare Verkörperung von Wert gilt. Als genauso wenig fassbar wie die Wertgegenständlichkeit hatte sich die Wertsubstanz abstrakte Arbeit erwiesen. Die Analyse hatte also jede Menge befremdlicher Resultate zu Tage gefördert.
b.
Marx fragt nun, â€Woher entspringt also der rätselhafte Charakter des Arbeitsproduktes, sobald es Warenform annimmt?â€, und formuliert als Antwort:
- â€Offenbar aus dieser Form selbst. Die Gleichheit der menschlichen Arbeit erhält die sachliche Form der gleichen Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte, das Maß der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wertgröße der Arbeitsprodukte, endlich die Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Arbeiten betätigt werden, erhalten die Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte. Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, dass sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaft der Produkte zurückspiegelt†(MEW 23, S. 86).
In jeder arbeitsteiligen gesellschaftlichen Produktion stehen die Menschen in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen zueinander. In der Warenproduktion erscheint dieses gesellschaftliche Verhältnis der Menschen als ein Verhältnis von Dingen: Es sind nicht die Menschen, die in einer Beziehung stehen, sondern die Waren. Ihre gesellschaftlichen Beziehungen erscheinen den Menschen daher als â€gesellschaftliche Natureigenschaft der Produkteâ€. Was damit gemeint ist, kann man am Wert demonstrieren: Einerseits ist klar, dass â€Wert†keine Natureigenschaft der Dinge ist wie Gewicht oder Farbe, es sieht aber (für die Menschen in einer Waren produzierenden Gesellschaft) so aus, als ob die Dinge im gesellschaftlichen Zusammenhang automatisch â€Wert†besitzen würden und damit automatisch eigenen Sachgesetzen folgen würden, denen sich die Menschen nur noch unterordnen könnten. Unter den Bedingungen der Warenproduktion findet eine Verselbstständigung statt, für die Marx nur der Vergleich mit der â€Nebelrelegion der religiösen Welt†einfällt: Dort sind es die Produkte des menschlichen Kopfes, die sich verselbstständigen, in der Warenwelt â€die Produkte der menschlichen Handâ€: â€Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.†(MEW 23, S. 87)
c.
Wenn der Fetischismus den Waren tatsächlich â€anklebtâ€, dann muss es sich um mehr handeln als nur ein falsches Bewusstsein, dann muss der Fetischismus auch einen tatsächlichen Sachverhalt ausdrücken. Und tatsächlich beziehen sich – unter den Bedingungen der Warenproduktion – die Produzenten nicht unmittelbar gesellschaftlich aufeinander; sie beziehen sich erst im Austausch aufeinander – und zwar vermittels ihrer Arbeitsprodukte. Dass ihre gesellschaftlichen Beziehungen als Eigenschaften von Dingen erscheinen, ist deshalb keineswegs eine Täuschung. Den Austauschenden, schreibt Marx, â€erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.†(MEW 23, S. 87)
Dass die Sachen unter den Bedingungen der Warenproduktion gesellschaftliche Eigenschaften haben, ist keineswegs falsch. Falsch ist, dass sie diese Eigenschaften automatisch, in jedem gesellschaftlichen Zusammenhang haben. Der Fetischismus besteht nicht bereits darin, dass Arbeitsprodukte als Warengegenstände angesehen werden – in der bürgerlichen Gesellschaft besitzen Arbeitsprodukte, sofern sie ausgetauscht werden, ja tatsächlich Wertgegenständlichkeit – sondern darin, dass diese Wertgegenständlichkeit als eine â€selbstverständliche Naturnotwendigkeit†(MEW 23, S. 95 f.) gilt.
d.
Was die Warenproduzenten zuallererst interessiert und interessieren muss, sind die Werte ihrer Waren. Sie sind der handgreifliche Ausdruck einer Gesellschaftlichkeit, die die Menschen zwar produzieren, aber nicht durchschauen.
â€Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiedenen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es.†(MEW 23, S. 88)
Die Warenproduzenten produzieren ihren gesellschaftlichen Zusammenhang gerade nicht aufgrund eines bestimmten Bewusstseins über den Zusammenhang von Wert und Arbeit, sondern unabhängig von einem solchen Bewusstsein. Es wäre also völlig falsch, die Marxsche Werttheorie so zu verstehen, dass die Menschen die Waren zu Werten tauschen, weil sie wissen, wie viel Arbeit in den einzelnen Produkten steckt. Marx will gerade zeigen, dass die Menschen handeln, ohne sich über die Bedingungen ihres Handeln bewusst zu sein.
e.
Der bewusstlos produzierte Fetisch ist nicht einfach ein falsches Bewusstsein, sondern besitzt auch eine materielle Gewalt. Ob nämlich meine individuell verausgabte Arbeit als Bestandteil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit anerkannt wird und in welchem Ausmaß dies geschieht, darüber gibt mir (bei Warenproduktion) eben nicht die Gesellschaft Auskunft, sondern nur der Wert meiner Ware im Tausch. Und von dieser Auskunft hängt mein Wohl und Wehe ab. Die Wertgrößen der Waren aber â€wechseln beständig, unabhängig von Willen, Vorwissen und Tun der Austauschenden. Ihre eigene gesellschaftliche Bewegung besitzt für sie die Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie zu kontrollieren.†(MEW 23, S. 89)
Die Warenwerte sind Ausdruck einer übermächtigen, von den einzelnen nicht zu kontrollierenden Gesellschaftlichkeit. In einer Waren produzierenden Gesellschaft stehen die Menschen (und zwar alle!) tatsächlich unter der Kontrolle der Sachen, die entscheidenden Herrschaftsverhältnisse sind keine persönlichen, sondern â€sachlicheâ€. Diese sachliche Herrschaft, die Unterwerfung unter â€Sachzwängeâ€, existiert aber nicht etwa, weil die Sachen an sich bestimmte Eigenschaften besitzen würden, die diese Herrschaft hervorbringen, oder weil der gesellschaftliche Verkehr diese sachliche Vermittlung zwingend erfordern würde, sondern nur deshalb, weil sich die Menschen in einer besonderen Weise auf diese Sachen beziehen – nämlich als Waren.
f.
Dass sich diese sachliche Herrschaft und die Vergegenständlichung gesellschaftlicher Beziehungen zu sachlichen Eigenschaften einem bestimmten Verhalten der Menschen verdanken, ist für das Alltagsbewusstsein nicht sichtbar. Für dieses spontane Bewusstsein besitzen die â€Formen, welche Arbeitsprodukte zu Waren stempeln (...) die Festigkeit von Naturformen des gesellschaftlichen Lebens†(MEW 23, S. 89 f.). Aber nicht nur das Alltagsbewusstsein, auch die klassische politische Ökonomie (und die moderne Neoklassik) bleibt in diesen Formen befangen. Bei dieser Befangenheit handelt es sich jedoch nicht um den subjektiven Irrtum einzelner Ökonomen. Marx betont, dass dieser Befangenheit selbst noch eine bestimmte Objektivität zugrunde liegt:
- â€Derartige Formen bilden die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie. Es sind gesellschaftlich gültige, also objektive Gedankenformen für die Produktionsverhältnisse dieser historisch bestimmten Produktionsweise, der Warenproduktion.†(MEW 23, S. 90)
Diese â€objektiven Gedankenformen†konstituieren für die einzelnen Ökonomen das, was ihnen in einer ganz selbstverständlichen Art und Weise als unmittelbar gegebener Gegenstand der politischen Ökonomie gilt. Besonders an dieser Stelle wird deutlich, was Marx in seinem Brief an Lassalle mit â€Kritik durch Darstellung†meinte: Die Kritik der bürgerlichen Kategorien ist kein abstraktes wissenschaftstheoretisches Geschäft, sie ist von der Darstellung der Produktionsverhältnisse gar nicht zu trennen.
Zwischen den verschiedenen Richtungen der politischen Ökonomie wird nicht über die Formbestimmungen ihres Gegenstandes gestritten, sondern nur über den Inhalt dieser Formbestimmungen. Demgegenüber leistet Marx eine Fundamentalkritik, eine Kritik, die sich auf die Grundlagen der bürgerlichen Ökonomie bezieht: Marx kritisiert die immer schon von der bürgerlichen Ökonomie vorausgesetzten Formen:
- â€Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt?†(MEW 23, S. 94f.)
Dass Wertgegenständlichkeit Resultat eines ganz bestimmten menschlichen Handelns ist, dass Dinge nur zu Waren und damit zu Wertgegenständen werden, weil wir uns zu ihnen als Waren verhalten (sie privat produzieren und tauschen), dieser Zusammenhang liegt weder für das spontane Alltagsbewusstsein noch für die politische Ökonomie offen zu Tage. Beide sehen in der Warenform eine â€gesellschaftliche Natureigenschaft der Produkteâ€. Insofern bleibt nicht nur das Alltagsbewusstsein, sondern auch die ökonomische Wissenschaft dem Fetischismus verhaftet. Indem Marx den Fetischismus kenntlich macht, liefert er nicht nur Grundlagen einer Bewusstseins- und Wissenschaftskritik, er macht vor allem deutlich, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse keineswegs so sein müssen, wie sie sind: Die Herrschaft des Werts über die Menschen ist kein gesellschaftliches Naturgesetz, sondern das Resultat eines ganz bestimmten Verhaltens der Menschen, und dieses Verhalten lässt sich – zumindest im Prinzip – auch ändern. Eine Gesellschaft ohne Ware und Geld ist denkbar. [z.B. Schenken statt Tauschen]
Geldfetisch
g.
Der Fetischismus beschränkt sich nicht nur auf die Ware. Er klebt auch am Geld. Geld als selbstständige Gestalt des Werts, besitzt eine besondere Wertform: Es befindet sich in allgemeiner Äquivalentform, alle anderen Waren befinden sich nicht in dieser Form. Die besondere Ware (oder auch der Zettel), die als Geld fungiert, kann nur als Geld fungieren, weil alle anderen Waren sich auf sie als Geld beziehen. Die Geldform erscheint aber als â€gesellschaftliche Natureigenschaft†dieser Ware.
â€Eine Ware scheint nicht erst Geld zu werden, weil die anderen Waren allseitig ihre Werte in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt allgemein ihre Werte in ihr darzustellen, weil sie Geld ist. Die vermittelnde Bewegung verschwindet in ihrem eigenen Resultat und lässt keine Spur zurück. Ohne ihr Zutun finden die Waren ihre eigene Wertgestalt fertig vor als einen außer und neben ihnen existierenden Warenkörper.†(MEW 23, S. 107)
Für das Geld gilt dasselbe, was auch für die Ware gilt: nur aufgrund eines bestimmten Verhaltens der Warenbesitzer besitzt Geld seine spezifischen Eigenschaften. Diese Vermittlung ist aber nicht mehr sichtbar, sie â€verschwindetâ€. Damit sieht es so aus, als würde das Geld diese Eigenschaften an sich besitzen. Auch beim Geld, egal ob es sich nun um eine Geldware oder Papier handelt, erscheint eine gesellschaftliche Beziehung als gegenständliche Eigenschaft eines Dings. [Fußnote: Dabei ist es egal, ob – wie im sog. â€Metallismus†– angenommen wird, die edlen Metalle Gold und Silber hätten von Natur aus Geldeigenschaften, oder ob – wie im geldtheoretischen â€Nominalismus†– der konkrete Träger der Geldfunktion als Resultat einer gesellschaftlichen Vereinbarung oder staatlicher Festsetzung aufgefasst wird. Die Existenz des Geldes scheint jedes Mal eine gesellschaftliche Naturnotwendigkeit zu sein. Dass heute ein Geldsystem ohne Geldware existiert, bedeutet daher auch keineswegs, dass der Geldfetisch verschwunden wäre.] Und genau wie bei der Ware müssen die handelnden Personen die vermittelnden Zusammenhänge nicht kennen, um handeln zu können: â€Jeder kann Geld als Geld brauchen, ohne zu wissen, was Geld ist.†(MEW 26.3, S. 163)
h.
Die â€Verrücktheit†(MEW 23, S. 90) dieser Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse ist beim Geld gegenüber der Ware aber noch gesteigert. Werden Arbeitsprodukte in Waren verwandelt, dann erhalten sie neben ihrer physischen Gegenständlichkeit als Gebrauchswerte noch eine Wertgegenständlichkeit. Letztere ist, wie oben erläutert wurde, eine â€gespenstige†Gegenständlichkeit, da sie scheinbar genauso gegenständlich ist wie der Gebrauchswert, am einzelnen Ding aber trotzdem nicht zu fassen ist. Geld gilt nun als selbstständige Gestalt des Werts. Während die Waren Gebrauchswerte sind, die außerdem noch Wertgegenstände sind, soll das Geld, das den Waren gegenübertritt, ganz unmittelbar â€Wertding†sein. Was das bedeutet, machte Marx in der ersten Auflage des â€Kapital†an einem schönen Beispiel deutlich:
- â€Es ist als ob neben und außer Löwen, Tigern Hasen, und allen anderen wirklichen Tieren, die gruppiert die verschiedenen Geschlechter, Arten, Unterarten, Familien usw. des Tierreichs bilden, auch noch das Tier existierte, die individuelle Inkarnation des ganzen Tierreichs. (MEGA II.5, S. 37; Hervorhebung im Original)
Dass neben den vielen konkreten Tieren auch noch â€das Tier†herumläuft, ist nicht nur faktisch unmöglich, sondern rein logisch unsinnig: die Gattung wird auf dieselbe Stufe gestellt, wie die Individuen, aus denen die Gattung überhaupt abstrahiert ist. Geld ist aber die reale Existenz dieser Verrücktheit.
i.
In der bürgerlichen Gesellschaft unterliegt das spontane Bewusstsein der Menschen dem Fetischismus von Ware und Geld. Die Rationalität ihrer Handlungen ist immer schon eine Rationalität innerhalb des mit der Warenproduktion gesetzten Rahmens. Werden die Absichten der Handelnden (also das, was sie â€wissenâ€) zum Ausgangspunkt der Analyse gemacht (wie etwa in der Neoklassik oder auch in vielen soziologischen Theorien), dann wird das, was die Einzelnen â€nicht wissenâ€, d.h. der ihrem Denken und Handeln vorausgesetzte Rahmen, von vornherein aus der Analyse ausgeblendet. Ausgehend von dieser Ãœberlegung lässt sich nicht nur ein guter Teil der Grundlagen bürgerlicher Ökonomie und Soziologie kritisieren, sondern auch ein populäres Argument des weltanschaulichen Marxismus: dass es nämlich ein soziales Subjekt gäbe (die Arbeiterklasse), das aufgrund seiner besonderen Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft über eine besondere Fähigkeit zum Durchschauen der gesellschaftliche Verhältnisse verfügen würde.
Von vielen Vertretern des traditionellen Marxismus wurde geäußert, dass man sich â€auf den Standpunkt der Arbeiterklasse stellen müsseâ€, um den Kapitalismus zu begreifen. Dabei wurde aber übersehen, dass auch die Arbeiter und Arbeiterinnen (genauso wie die Kapitalisten) in ihrem spontanen Bewusstsein im Warenfetisch befangen sind. Der kapitalistische Produktionsprozess bringt noch weitere Verkehrungen hervor, denen ebenfalls Arbeiter wie Kapitalisten unterliegen (siehe Die trinitarische Formel). Von einer privilegierten Erkenntnisposition der Arbeiterklasse kann daher keine Rede sein – allerdings auch nicht davon, dass der Fetischismus prinzipiell undurchdringlich wäre.