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framed|right|Michail Bakunin Michail Alexandrowitsch Bakunin (Michail AlexandroviÄ Bakunin)
* 30. Mai 1814 in Prjamuchino; gest. 1. Juli 1876 in Bern
Michael Bakunin, der russischer Revolutionär und Begründer des so genannten kollektivistischen Anarchismus, gilt als klassischer Theoretiker des herrschaftslosen Sozialismus. Als anarchistischer Vertreter und Delegierter der Jura-Föderation in der Ersten Internationalen war er bis zu seinem Ausschluß der erbitterstste Gegner von Karl Marx und seiner staatssozialistischen Fraktion.
Contents
Lebenslauf
Bakunins Familie gehörte zum unteren Landadel. Mit 15 Jahren wurde Michail Bakunin auf die Artillerieschule nach St. Petersburg geschickt und begann eine Offizierslaufbahn. Auf seine militärische Karriere verzichtete Bakunin jedoch und studierte ab 1838 in Moskau Philosophie. Insbesondere die deutschen Philosophen Fichte, Hegel und Schelling beeindruckten ihn. Im Sommer 1840 ging Bakunin nach Berlin, um dort weiter zu studieren. In Berlin wurde er mit den Ideen Ludwig Feuerbachs und der "Junghegelianer" bekannt und schloss sich ihnen an. Er wurde Materialist und entwickelte revolutionäre Ideen.
Kurze Zeit später zog Bakunin nach Dresden, wo er 1842 unter dem Pseudonym "Jules Elysad" den Aufsatz "Die Reaktion in Deutschland" veröffentlichte.
Anfang 1843 kam er nach Zürich, im gleichen Jahr befreundete er sich mit dem Komponisten Richard Wagner ("Lohengrin", "Der Ring des Nibelungen" etc.), ein Jahr später zog er nach Paris.
In Paris traf er Karl Marx und Pierre Joseph Proudhon, den Begründer des Syndikalismus. Aus Paris wurde Bakunin 1847 ausgewiesen, weil er sich für die Befreiung Polens einsetzte. Polen war zu der Zeit seit dem Wiener Kongress in eine russische, österreichische und preußische Provinz aufgeteilt (vgl. Kongresspolen). In fast regelmäßigen Abständen kam es in diesen Provinzen im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu verschiedenen Aufständen gegen die jeweilige Fremdherrschaft.
Bakunin kehrte jedoch bereits im Februar 1848 nach Ausbruch der Februarrevolution, die zum Sturz des Bürgerkönigs Louis Philippe von Orléans und zur Ausrufung der zweiten französischen Republik führte, über Brüssel nach Paris zurück. Im Verlauf der sich an diese Revolution anschließenden Märzrevolution in weiteren Staaten Zentraleuropas war Bakunin an verschiedenen revolutionären Aktivitäten und Aufständen in unterschiedlichen Regionen beteiligt, teilweise auch in entscheidender Position.
1849 nahm er als einziger Russe am "Panslawistischen Kongress" in Prag teil, in dessen Gefolge es zum Aufstand der Böhmen gegen die österreichische Fremdherrschaft kam. Sein "Appell an die Slawen" erschien. In dieser Schrift betonte Bakunin, dass die so genannte nationale Frage untrennbar mit der sozialen Frage verbunden sei.
Im Mai 1849 koordinierte er gemeinsam mit Wagner den Dresdner Maiaufstand, der zur Durchsetzung einer sächsischen Republik führen sollte und das Ende der Märzrevolution im Königreich Sachsen markierte. Nach dessen Niederschlagung konnte er zunächst entkommen, wurde aber wenig später in Chemnitz verhaftet und zunächst in Deutschland, nach seiner Auslieferung an Österreich auch dort zum Tode verurteilt. 1851 wurde Bakunin zu lebenslänglicher Kerkerhaft begnadigt und nach Russland ausgeliefert. Zunächst saß er in der Peter-und-Paul Festung ein. 1857 wurde er nach Tomsk, später nach Irkutsk in Sibirien deportiert. In Sibirien lernte er seine Frau Antonia kennen.
Mitte 1861 konnte Bakunin über den Fluss Amur fliehen (Er schrieb, formuliert als Wortspiel an seine Freunde: "L'Amour m'a sauvé" - übersetzt: "Der Amur/Die Liebe hat mich gerettet"). Es gelang Bakunin, nach Nikolajewsk und von dort über Japan weiter nach New York und schließlich nach London zu kommen.
Bakunin blieb auch über seine weitere Lebenszeit ein unruhiger Charakter im Dienst der sozialen Revolution und des Anarchismus: Er ging von London nach Italien, als er von der Revolutionsbereitschaft der Italiener (vgl. Risorgimento) hörte. Dort gründete er 1864 die erste "Fraternité Internationale" (übersetzt: "Internationale Brüderlichkeit"). In Neapel verfasste Bakunin den "Revolutionären Katechismus", eine Zusammenfassung seiner sozialistischen und sozialrevolutionären Ideen. 1867 ging er wieder nach Genf, wo er die "Internationale Arbeiter Allianz" bzw. auch die so genannte internationale "Liga für Friede und Freiheit" gründete, die später der Internationalen Arbeiterassoziation ("Erste Internationale") beitrat. Bakunin selbst wurde jedoch 1872 nach einer Auseinandersetzung mit Marx wegen seiner anarchistischen Ansichten ausgeschlossen. Er ging darauf in den Jura, beteiligte sich an der Jura-Föderation und gründete die "Anti-autoritäre Internationale".
Bakunin ließ sich kurz vor seinem Tod im Tessin nieder. Zu dieser Zeit war er von einer schweren Krankheit gezeichnet und resigniert, da sich seine Erwartung der nahen Revolution nicht erfüllte.
Bakunin ist im Berner Bremgartenfriedhof begraben. Auf seinem Grab steht: "Erinnert euch an den, der sein ganzes Leben eures verbessern wollte."
Wirken und Ideen
Die Hauptbedeutung von Bakunin liegt wohl in folgenden Punkten:
- Bakunin gilt als Begründer des kollektivistischen Anarchismus, im Gegensatz zu individualistischen Konzepten wie etwa William Godwin oder Max Stirner und dem Mutualismus von Pierre Joseph Proudhon.
- Mit Bakunin wurde der Anarchismus zu einer international organisierten, sozialrevolutionären Bewegung
- Bakunin war Repräsentant des antiautoritären Sozialismus
Bakunin trat für die Abschaffung der Ehe, des Erbrechts, des Rechts auf Privateigentum und als Atheist gegen die Religion ein. In seinen Schriften setzte er sich wiederholt mit dem Nationalismus und der sozialen Frage auseinander.
Konflikt mit Marx
Bakunin war 1868 in die Erste Internationale eingetreten. Dort traf er wieder auf Karl Marx. Karl Marx war eine Schlüsselfigur der Kommunisten, Bakunin eine der Anarchisten. Der Streit der beiden begründet sich u.a. in den Differenzen beider Theorien. Anarchismus und Kommunismus haben zwar konvergente Ziele, die sich in der Abschaffung des Kapitalismus sowie der Abschaffung der Herrschaft der Privilegierten über die weniger Privilegierten decken, die Theorien unterscheiden sich aber in der Art, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die Kommunisten sind der Ansicht, der Staatsapparat müsse für die Übergangsperiode des Sozialismus übernommen werden, um den Kapitalismus Stück für Stück abzuschaffen. Marx spricht hier von der Phase der "Diktatur des Proletariats". Die Anarchisten glauben, daß Macht grundsätzlich korrumpiert und jede Art von Staat zu Sklaverei führt und deshalb der marxistische Ansatz in diesem Punkt abzulehnen sei.
Die Frage der Organisation war also der Hauptstreitpunkt zwischen Marx und Bakunin.
- Es war mir daher keineswegs ein "Genuß", solch langen Wisch zu schreiben. Doch war es notwendig, damit später meinerseits zu tuende Schritte von den Parteifreunden, für welche diese Mitteilung bestimmt ist, nicht mißdeutet werden... Es ist dies unerläßlich, da man im Ausland die von Parteifeinden sorgsamst genährte Ansicht - die durchaus irrige Ansicht - hegt, daß wir die Bewegung der sog. Eisenacher Partei insgeheim von hier aus lenken. Noch in einer jüngst erschienenen russischen Schrift macht Bakunin mich z.B. <nicht nur> für alle Programme etc. jener Partei verantwortlich sondern sogar für jeden Schritt, den Liebknecht, vom Tag seiner Kooperation mit der Volkspartei an, getan hat - Marx in der "Kritik des Gothaer Programms"
Bakunin vertrat den Standpunkt, daß eine Geheimorganisation den Staat stürzen könne, aus der der Keim einer neuen Gesellschaft erwachsen würde. (Zitat Bakunin: "Die oberste Pflicht der Geheimorganisation sei, die Massen wachzurütteln und die einzelnen BäuerInnenaufstände zu einem großen Volksaufstand zu vereinigen.") Diese Einstellung ließ ein tiefes Mißtrauen bei Marx entstehen, weshalb jener Bakunin als "russischen Spion" (Zitat Marx) bezeichnete. (Die Idee der Geheimorganisation ist vermutlich auf Giuseppe Mazzini zurück zu führen, der eine Schlüsselfigur der italienischen Märzrevolution und späterer Großmeister der italienischen Sektion der Freimaurerloge war.)
- Anmerkung: An den Irrglauben Lenins, nur die führende Rolle der Partei könnte der Revolution zum Sieg verhelfen, trägt Bakunin also genauso Schuld wie Marx mit seiner "Diktatur des Proletariats".
Zur ersten offenen Auseinandersetzung zwischen Marx und Bakunin kam es dann auf dem Basler Kongress der ersten Internationalen im September 1869 bei der Frage des Erbrechts. Die Anarchisten wollten die Abschaffung, die Marxisten votierten dagegen und verloren. Das aber wollte Marx nicht auf sich sitzen lassen. Er berief 1871 eine private Konferenz nach London ein, an der Bakunin nicht teilnehmen konnte. Dort verabschiedeten die Kommunisten eine Resolution, dass eine politische Partei gegründet werden sollte. Dies lief der anarchistischen Theorie zuwider. Um die Position der Kommunisten weiter zu stärken, fand der nächste Kongress der Internationalen in Den Haag statt, wo Bakunin wieder nicht teilnehmen konnte, da er in ganz Europa außer der Schweiz steckbrieflich gesucht wurde.
Werke
- Gott und der Staat. Trotzdem Verlag (1995, 1998, 2003) ISBN 3-92220943-2
- Staatlichkeit und Anarchie. Ausgewählte Werke Band 4, Karin Kramer Verlag, Berlin 1999
- Gesammelte Werke. Band 1/3. Berlin 1975
- "Barrikadenwetter" und "Revolutionshimmel". Artikel aus der "Dresdner Zeitung", Ausgewählte Werke Band 2, Karin Kramer Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-87956223-7
- Brief aus dem Gefängnis, die "Beichte", ISBN 3-87956197-4
- Solidarity in Liberty
- Die revolutionäre Frage. Föderalismus, Sozialismus, Antitheologismus. ISBN 3-928300-85 [1]
Zitate
- »Ich werde der unmögliche Mensch bleiben, solange die jetzt möglichen Menschen so bleiben, wie sie sind.« (in einem Brief an Alexander Herzen)
Siehe auch
Literatur
- Fritz Brupbacher, Marx und Bakunin ; Ein Beitrag z. Gesch. d. Internat. Arbeiterassoziation, Berlin-Wilmersdorf: Die Aktion, 1922, Nachdruck: Berlin: Inst. f. Praxis u. Theorie d. Rätekommunismus, 1969
- Brupbachers Werk war ein wichtiger Beitrag, um die festgefahrene Diskussion über den Konflikt zwischen Marx und Bakunin neu zu durchdenken. Später hat die Situationistische Internationale versucht diesen Gegensatz zu überwinden.
- Wolfgang Eckhardt: Michail A. Bakunin (1814-1876). Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur in deutscher Sprache. Libertad Verlag, Berlin/Köln 1994
- Wolfgang Eckhardt: Von der Dresdner Mairevolution zur Ersten Internationalen. Untersuchungen zu Leben und Werk Michail Bakunins, Verlag Edition AV, 2005 ISBN ISBN 3-936049-52-X
- Wolfgang Eckhardt / Bernd Kramer (Hrsg.) Bakunin-Almanach, Band 1, Karin Kramer Verlag, Berlin 2007
- Ricarda Huch: Michail Bakunin und die Anarchie. Suhrkamp, ISBN 3-518-37993-3
- Grawitz Madeleine: Bakunin. Ein Leben für die Freiheit. Edition Nautilus, 1999, ISBN 3-89401-339-7 (Ausführliche und detaillierte Lebensbeschreibung, wenig zum Werk)
Weblinks
- Wolfgang Eckhardt: Michail AleksandroviÄ Bakunin (Artikel im "Lexikon der Anarchie")
- Michail AleksandroviÄ Bakunin (Wikipedia-Artikel)
- Bakunin-Homepage (Michael Bakunin – Ausgewählte Schriften in zwölf Bänden. Herausgegeben von Wolfgang Eckhardt. Eine Projektvorstellung deutsch)
- Mikhail Bakunin page Anarchist Encyclopedia
- http://dwardmac.pitzer.edu/anarchist_archives/bakunin/Bakuninarchive.html
- Bakunin Arbeitsgemeinschaft auf der Website der Bibliothek der Freien
- Gott und der Staat als MP3
Kategorie:AnarchistInnen (19. Jh.) Kategorie:KollektivistInnen