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Eine vielschichtig verstandene Evolution (Kurz: Evva-Evo) kann nur mit Hilfe einer gestalteten Kombination von Theorien begründet werden, die nach dem Prinzip aufgebaut ist, dass die Entfaltung der einen Theorie Bedingung für die Entfaltung der anderen Theorien (und umgekehrt) ist. Alle diese Theorien besitzen begrenzte Geltungsbereiche, so dass mit dieser Kombination von Theorien tendenziell Vielfalt aber keine Beliebigkeit nachgestellt wird.


Nicht nur darwinistische Theorie über die Evolution (wie in der synthetischen Evolutionstheorie von Ernst Mayr und der Evo-Devo von Sean Carroll) sind mit Hilfe von Konkurrenzprinzipien optimiert wurden, sondern alle Evolutionstheorien des 20. Jahrhunderts. Dies gilt auch für die marxistische Theorie des qualitativen Sprungs von Peter Beurton und für anarchistische Vorstellungen „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“ von Peter Kropotkin. Sowohl in marxistischen als auch in anarchistischen Weltanschauungen wird gegen die Konkurrenz argumentiert, aber ihre Theorien werden nach diesem Prinzip optimiert.
    Deshalb entstehen immer mehr Evolutionstheorien, so dass der Ãœberblick über die vielen Theorien immer schwerer wird. Die “Evolution“ von Theorien lässt sich genauso wie die Evolution der Organismen beobachten und begründen. So entstehen andere Aussagen, wenn Theorien systematisch und indirekt miteinander verknüpft werden. Diese anderen Beziehungen zwischen Erkenntnismitteln erfordern einen höheren Aufwand als bisher. Aber damit lässt sich das wissenschaftliche Denken transparenter gestalten, so dass eine vielschichtig verstandene Evolution begründet werden kann.

Einleitung

Wenn eine einzelne Zelle in einem Vielzeller stirbt, kann ein Vielzeller weiter existieren. Zwar kann sich eine einzelne Zelle in einem Vielzeller nicht frei vermehren, aber dafür ist die Möglichkeit der Spezialisierung tendenziell eher als bei einem isolierten Einzeller gegeben. Eine Spezialisierung der einzelnen Zellen ist oft erst innerhalb des Rahmens des Vielzellers möglich, und gleichzeitig schaffen sich die spezialisierten Zeller diesen Rahmen Vielzeller immer wieder neu.
    Dabei werden die einzelnen Zellen in den Vielzeller nicht so integriert, dass der Vielzeller die Entwicklung dieser Zellen direkt bestimmen kann. Das bedeutet, dass der Vielzeller nicht auf die Summe der Einzeller reduziert werden kann, da er nur die Entwicklung zwischen den Zellen beeinflusst, aber nicht die Entwicklung der Einzeller direkt. Damit ist der Vielzeller als Ganzes weniger als die "Summe" seiner Teile (vgl. Manfred Wetzel 1986, 43).
    In einer vielschichtig verstandene Evolution existiert zwischen einer Theorie und der Kombination von Theorien ähnliches Verhältnis wie zwischen einer einzelnen Zellen und dem Vielzeller. In der gestalteten Kombination besitzen die Einzeltheorien einen begrenzten Geltungsbereich. In diesem Bereich können sie sich weiter entfalten und damit auch spezialisieren.
    Wenn sich aufgrund der jeweiligen begrenzten Geltungsbereiche der Einzeltheorien eine Kombination von Theorien herausbilden kann, dann lassen sich im Rahmen dieser Kombination diese begrenzten Geltungsbereiche bestimmen. Auch hier unterscheidet sich die Entwicklung der Kombination der Theorien von der jeweiligen Entwicklung der Einzeltheorien, so dass auch hier diese Kombination als Ganzes weniger als die "Summe" der Einzeltheorien ist.
    Weder können die Prozesse innerhalb der Kombination von Theorien auf die Prozesse in einer einzelnen Theorie reduziert werden noch können umgekehrt die Prozesse der Einzeltheorien von den Prozessen in der Kombination von Theorien integriert werden. Beide können nur jeweils mit ihren adäquaten Erkenntnismitteln (und den Beziehungen zwischen diesen) erkannt werden.

Idee

Warum gibt es so viele Evolutionstheorien? Ein Grund dafür ist, dass unterschiedliche Momente der einen Evolution mit sehr unterschiedlichen Evolutionstheorien erklärt werden. Außerdem gestalten Menschen ihre Umwelt. Das bedeutet, dass sie, wenn sie zum Beispiel die Evolution untersuchen, dabei (bewusst oder unbewusst) unterschiedliche Ziele verfolgen.
    Trotz der Vielzahl vorhandener Evolutionstheorien kann bislang die Evolution in ihrer Vielschichtigkeit nicht verstanden werden. Dafür wird in dem hier vorgestelltem Konzept eine Kombination von mehreren, voneinander unabhängigen Theorien, die indirekt miteinander in Beziehung stehen, benötigt. Diese Theorien besitzen jeweils einen begrenzten Geltungsbereich (und in ihnen werden andere Ziele verfolgt).
    In dieser gestalteten Kombination heben sich die unterschiedlichen Ziele auf, so dass die eine Evolution vielschichtig nachgestellt werden kann. So werden die Gegensätze zwischen den Theorien über die Evolution nicht negiert, da die Evolution weder mit einer in sich widerspruchsfreien und damit eindimensionalen Theorie noch mit einem "Sammelsurium" von Theorien dargestellt werden kann.
    In dem hier vorgestelltem Konzept wird keine weitere Evolutionstheorie, sondern ein prinzipielles Verständnis über Wandel und Komplexität entwickelt. Den Schwerpunkt bildet dabei der begründete Umgang mit Erkenntnismitteln, da diese sich ähnlich wie die Verwendung von Werkzeugen (wie des Hammers zum Einschlagen eines Nagels) begründen lassen.
    So wird es möglich, die eine Evolution vielschichtig nachzustellen. Dabei wird durch den adäquaten Einsatz von Erkenntnismitteln innerhalb einer Theorie wie zwischen den Theorien nachgestellt. Diese Kombination von Theorien ist zwar nie perfekt, aber wie die Evolution "lebendig", was von heutigen Evolutionstheorien oder Theorien über das wissenschaftliche Denken nicht gesagt werden kann.
   

Fragen

Einer der bedeutendsten Evolutionsbiologen, der Darwinist Ernst Mayr, der die synthetische Evolutionstheorie (spontane Mutationen und Selektion) mitbegründet hat, schreibt: "Ebenso rätselhaft ist die erstaunliche Verlangsamung ... bestimmter Evolutionslinien ("lebende Fossilien"), insbesondere angesichts der Tatsache, dass alle anderen Mitglieder ihrer Lebensgemeinschaften sich mit normaler Geschwindigkeit weiterentwickelt haben. Das umgekehrte Extrem, die ungeheuer schnelle Umstrukturierung bestimmter Genotypen in Gründerpopulationen, stellt gleichfalls eine ungeklärte Frage dar." (in "Das ist Evolution" 2003, Seite 324)
    Auf diese Frage können zwar viele Theorien, wie die Theorie der Autopoiesis und die des biologischen Strukturalismus (zum Beispiel von Brian Goodwin) eine Antwort geben. Aber warum werden diese Theorien und andere Theorien kaum wahrgenommen? Warum können diese Theorien die Evolution (im Gegensatz zu den darwinistischen Theorien wie der von Ernst Mayr) nicht als eine Geschichte von Veränderungen mit einem Ursprung darstellen? Gibt es diesen einen Ursprung oder gibt es mehrere?
    Warum werden für die Begründung einer vielschichtig verstandenen Evolution mehrere Vorstellungen benötigt? Warum kann keine auf die andere reduziert werden? Zum Beispiel: die Vorstellung des stetigen Verlaufs in der Evolution, die des sprunghaften Verlaufs, die des Dualismus aus beiden und die der Dialektik von Diskontinuität und Kontinuität von Peter Beurton. Letztere beinhaltet, dass die stetige Entfaltung der Funktionen bei einem Strukturwechsel nicht unterbrochen, sondern in andere Bahnen gelenkt wird. Dadurch verzweigt sich die Evolution. Kann, wer Komplexität untersucht, auf eine dieser Vorstellungen verzichten?
    Weiter Fragen unter: http://www.evva-evo.info/evo_text/idee.html

Fünf ausgewählte Thesen

Die folgendene Thesen, welche die 6. bis zur 10. Thesen vereinfacht darstellen, sind nur ein Ausschnitt von mehreren evolutionsbiologishen Thesen:

1.) Mit jeder neutralen oder jeder zunächst stabil gewordenen (selektiven) Veränderung einer Funktion bleibt die zeitunabhängige Struktur der Organismen erhalten, die diesen Veränderungen Grenzen bei der Entfaltung der Funktion setzt (siehe These 6). Wenn die Funktionen die Grenzen erreicht haben, stoßen sie den Wechsel der Strukturen an, so dass eine neue Struktur entsteht.

2.) Die Evolution entspricht einem "Netz aus Stammbäumen" und besitzt mehrere voneinander unabhängige Ursprünge, die für jeweils einen Stammbaum stehen. Diese Ursprünge wurden in ihrer Entwicklung von verloren gegangenen Ursprüngen indirekt beeinflusst (siehe These 7).

3.) Die DNS fungiert als "Katalysator" zum Beschleunigen oder Hemmen des Funktionswachstums. Die DNS ist notwendig, aber nicht ausreichend für die Eigenentwicklung der Organismen, da sie keine (präformistischen) "Keime" oder "Informationen" für Funktionen oder biologische Strukturen enthält (siehe These 8, 21 und 22).

4.) Der indirekte Sprung erfolgt auf der Basis mehrerer stetiger, voneinander unabhängiger Übergänge, die in der neu entstandenen Struktur in Beziehung zueinander treten (siehe These 9, 13 und 17).

5.) Die Organismen (nicht einzelne Lebewesen) behaupten sich in ihrer Umwelt und verkoppeln sich gleichzeitig indirekt mit dieser, sind damit alternativlos an die Existenzbedingungen ihrer Umbebung gebunden, aber diesen nicht alternativlos unterworfen (siehe These 10).

Beispiel - Ãœbergang von Ein- zu Vielzellern

Verzweigen und Verknüpfen in der Evolution

Herangehensweisen, mit denen eine vielschichtig verstandene Evolution untersucht werden können (siehe Abschnitt 5.5 und These 24), zeichnen sich dadurch aus, dass es in der Evolution nicht nur ein Nacheinander (Zeit) gibt, sondern auch ein Nebeneinander (Raum) existiert. Deshalb werden folgende Fragen gestellt: Wie verzweigt sich die Evolution, so dass ein Nebeneinander entsteht? Wie verbinden sich die Verzweigungen wieder, so dass ein Nacheinander in der Evolution erkannt werden kann?
    Zum Beispiel wird der Ãœbergang von Einzellern zu größeren tierischen Vielzellern konträr dargestellt. Wolfgang Gutmann (kritische Evolutionstheorie) sagt: "Vielzelligkeit war somit der zweite Schritt nach Aufbau und Integration eines versteifenden Innengerüstes" (1995, 87). Nach der Vorstellung von Ernst Haeckel entstand zuerst die "lose Kooperation" der Einzeller (Aggregation) und dann die Vielzelligkeit, der anschließend die Herausbildung eines Innengerüstes folgt (siehe Abschnitt 2.2.4).
    Das stetige Entfalten der Funktionen wird nach der Vorstellung der Dialektik von Diskontinuität und Kontinuität bei einem Strukturwechsel nicht unterbrochen, sondern in andere Bahnen gelenkt (vgl. qualitativer Sprung von Peter Beurton 1979, 139). Wenn auf dieser Basis der Fünf-Stufen-Qualitätssprung (siehe Abschnitt 5.2 und 5.5) verwendet wird, stehen sich diese Aussagen nicht mehr konträr gegenüber. So entstehen im dritten Schritt (isolierte Funktionswechsel) innerhalb der Struktur des Einzellers unabhängig voneinander das sich versteifende Innengerüst und die lose "Kooperation" von Einzellern.


Eine vielschichtige Darstellung des Ãœbergangs

Im Folgenden wird zum Beispiel der Fünf-Stufen-Qualitätssprung (vgl. auch Klaus Holzkamp 1895, 78-82) vorgestellt, der im Abschnitt 5.2 genauer untersucht wird.

1. Analyse der ursprünglichen Struktur:
Hier wird untersucht, aufgrund welcher innerer und äußerer Bedingungen sich die bestehende Struktur (hier der Einzeller) stabil oder unverändert reproduziert, so dass die Unterschiede zwischen Eigenentwicklung und Fremdeinflüssen bestimmt werden können.
2. Erschöpfung der Bedingungen:
Hier wird gedeutet, wie sich die inneren und äußeren Bedingungen, unter denen die bisherige Reproduktion stabil war, verändern und mit der Zeit erschöpfen.
3. Isolierte Funktionswechsel:
Im Rahmen der bestehenden Struktur entstehen Qualitätssprünge erster Ordnung, die sich unabhängig voneinander vollziehen und noch reversibel sind. Beim Übergang zu Vielzellern entstehen die lose "Kooperation" der Einzeller und das Innengerüst, wobei die Struktur des Einzellers konstant bleibt. Nach den Veränderungen erschöpfen sich die Bedingungen erneut.
4. Strukturwechsel:
Erst bei dem Qualitätssprung zweiter Ordnung bildet sich die neue Struktur, der Vielzeller, heraus, so dass das Innengerüst und die lose "Kooperation" nun als innere "Kooperation" gleichzeitig und dauerhaft (irreversibel innerhalb dieser Struktur) entstehen.
5. Umstrukturierung:
Der Umbau aller Beziehungen zwischen den Prozessen in der neu entstandenen Struktur erfolgt entsprechend der Konstruktions- und Organisationsbedingungen dieser Struktur. Zum Beispiel kann sich ein Vielzeller tendenziell viel stärker als ein Einzeller spezialisieren und der Einzeller kehrt zu seinen "Wurzeln" zurück.


Warum werden Funktionswechsel benötigt?

Auch wenn Innengerüst und lose "Kooperation" innerhalb des Einzellers reversibel entstehen, so kann erst dann von Vielzelligkeit gesprochen werden, wenn sich beide gleichzeitig und irreversibel herausbilden. Die Entstehung des Neuen ist kein unerwartetes Ereignis und auch kein blitzartiges Auftreten zuvor nicht vorhandener Systemqualitäten (vgl. Fulguration bei Konrad Lorenz 1977, 47ff), sondern ein Prozess (vgl. die Vorstellung des qualitativer Sprungs von Peter Beurton 1979, 139).
    "Das Problem des Funktionswechsels ist von besonderer Bedeutung im Rahmen der Stammesgeschichte, da er überhaupt den Schlüssel liefert für die Erklärung, wie evolutiv Neues entstehen kann, wie neue aus alten Qualitäten hervorgehen, kurz, wie es eine Evolution geben kann, die mehr als bloße Veränderung ist." (Peter Beurton 1975, 915)
    Das bedeutet, dass zwischen den voneinander unabhängigen Funktionswechsel innerhalb einer Struktur (Qualitätssprünge erster Ordnung) und den Strukturwechsel (Qualitätssprung zweiter Ordnung) sowie zwischen der reversiblen Erstentstehung von Funktionen und der irreversiblen Entstehung dieser unterschieden werden muss. Dieser Mehraufwand gegenüber eindimensionalen Evolutionstheorien ist notwendig, wenn eine vielschichtig verstandene Evolution begriffen werden soll.



Literatur

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