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Talk:Gewalt

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Die logische Abfolge müsste evtl. noch mal überarbeitet werden. Bei der Einarbeitung der kulturellen Gewalt (fehlt noch) sollte unbedingt auf Bildungschancen hingewiesen werden. --X 12:07, 6. Mai 2005 (UTC)

Artikelvorschlag: Mobbing[edit]

Definition von Mobbing Klassifikation des „Mobbingsyndroms“ Reaktionsmöglichkeiten bei Mobbing


Bei der medizinischen und juristischen Beurteilung von Mobbing und seinen gesundheitlichen Folgen bestehen erhebliche Verständigungsprobleme aufgrund einer uneinheitlichen Definition des Begriffs „Mobbing“ und einer uneinheitlichen Diagnosestellung. Eine den juristischen und medizinischen Erfordernissen gerecht werdende Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs hat zu berücksichtigen, dass Mobbing nur dann vorliegt, wenn eine Täter-Opfer-Konstellation vorliegt, aufgrund derer das Opfer gesundheitlich und sozial geschädigt wird.

Definition von Mobbing

Mobbing liegt vor, wenn im Rahmen einer Täter-Opfer-Konstellation innerhalb einer sozialen Gemeinschaft oder einem Abhängigkeitsverhältnis der Täter mittels Psychoterror (psychische und/oder körperliche Gewalt) systematisch, willkürlich und/oder unter Anmaßung des alleinigen Deutungsrechts die Persönlichkeitsrechte seines Opfers so verletzt, dass das Opfer psychosozial destabilisiert einen zunehmenden gesundheitlichen und sozialen Schaden erleidet.

„Mobbing-Syndrom“

Die Erstellung einer Diagnose bei einem Mobbing-Opfer erfordert die Einbeziehung der Krankheitsursache „Mobbing“. Mobbing ist Psychoterror und somit eine Abfolge von psychischen Traumen, worauf jeder Mensch eine psychische Reaktion zeigt, welche als „Reaktion auf eine schwere Belastung“ (ICD 10 F 43) (5) zu einer gesundheitlichen Schädigung führt. Die gesundheitlichen Folgen von Mobbing werden im „Lehrbuch der Psychotraumatologie“ als „kumulative traumatische Belastungsstörung“ beschrieben (4).

Die Erkrankung eines Mobbing-Opfers ist somit kein statischer sondern ein dynamischer Prozess, welcher im ICD 10 nicht als eigenständige Erkrankung repräsentiert wird. Die Dynamik des Mobbing und die Dynamik der hieraus resultierenden Gesundheitsstörung ist die Ursache dafür, dass das Mobbing-Opfer erst dann ein relativ einheitliches Krankheitsbild aufweist, wenn die Erkrankung nicht im Querschnitt, sondern im Längsschnitt betrachtet wird. Diese Längsschnittbetrachtung des „Mobbingsyndroms“ lässt vier Stadien erkennen (2)

Stadium 1: akute Belastungsreaktion (ICD 10 F 43.0).

Stadium 2: „kumulative“ traumatische Belastungsstörung (ICD 10 F 43.9) (2,4)

- biphasisches Auftreten von Depression und Angst im Wechsel mit Aggressionen und eventuell damit einhergehenden Suizidgedanken, 
- einbrechendes Selbstwertgefühl mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen, 
- zunehmendes Vermeidungsverhalten,
- Schlafstörungen mit Grübelzwängen, 
- Substanzmissbrauch durch Angst und Schlafstörungen,
- hochgradige geistige Leistungsfähigkeit betreffend den Mobbing-Konflikt, 
- eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit im Alltag aufgrund des eingeengten Denkens an den Konflikt
- psychosomatische Funktionsstörungen (vor allem im Bewegungs-/ Magen-Darm-Bereich,
- Entwicklung einer Phobie gegen Fremdbestimmung.

Stadium 3: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (ICD 10 F 43.1),

Stadium 4: Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F 62.0)

- Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung  (ICD 10 F 60.6) beim stillen Dulder des 
  Mobbing oder nach dem verlorenen Kampf gegen das Mobbing,   
- paranoide Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.0) nach besonders „subtilem“ Mobbing,
- Obsessive Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.0).

Das Stadium 1, die akute Belastungsreaktion, ist die Folge von einzelnen Mobbinghandlungen unterschiedlichen Schweregrades. Dabei kann sich eine einzige schwere Mobbing-Handlung, wie etwa eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung wegen einer falschen Tatsachenbehauptung, genau so gesundheitsschädlich zum Beispiel als Suizidversuch auswirken, wie viele leichte Mobbinghandlungen.

Das Stadium 2, die kumulative traumatische Belastungsstörung (KTBS), ist die Folge von mehreren akuten Belastungsreaktionen des Stadium 1. Diese nach Fischer und Riedesser im Kapitel „Mobbing“ bezeichnete „kumulierende Traumatisierung“ (4) stellt den eigentlichen Beginn des „Mobbingsyndroms“ dar. Dieses weist eine Mehrzahl der im Stadium 2 beschriebenen Charakteristika auf.

Das Stadium 3, die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), kann die Folge von einem länger andauernden Mobbing sein, wenn das Mobbing-Opfer so „erfolgreich“ psychosozial destabilisiert wird, dass nicht nur die gesundheitliche, sondern auch die wirtschaftliche Existenz (Arbeitsplatz) und das soziale Netz (Familie) akut gefährdet ist oder bereits zerstört worden ist.

Das Stadium 4, die andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, ist neben einem Suizid der Extremfall der „Mobbing-Katastrophe“. Da der Psychoterror neben der körperlichen Gewalt eine extreme Fremdbestimmung darstellt, entwickelt das Mobbing-Opfer häufig eine Phobie gegen jedwede Fremdbestimmung. Die hieraus resultierende übersteigerte Selbstbestimmtheit des Mobbing-Opfers kann dazu führen, dass dieses entweder keine andere Meinung mehr zulässt, also selbst äußerst fremdbestimmend agiert, oder sich hochgradig verletzt und misstrauisch weitestgehend von der „Menschheit“ zurückzieht.

Abhängig von der Verwundbarkeit des Mobbing-Opfers durch seine primäre Persönlichkeitsstruktur, Vorerkrankungen oder eine Behinderung und der Schwere und Häufigkeit der Mobbinghandlungen müssen nicht alle Stadien durchlaufen werden. Sie können sich überlappen und mit Ausnahme des Stadiums 4 komplett zurückbilden.

Die häufigste Fehldiagnose ist die „Anpassungsstörung“ (ICD 10 F 43.2). Diese hat keinen Platz in der „Mobbing-Katastrophe“, da das „Bedrängnis“ bei Mobbing nicht „subjektiv“, sondern objektiv ist. Niemand kann sich einem Psychoterror mit dem Zweck einer psychosozialen Destabilisierung „anpassen“. Diese diskriminierende Fehldiagnose stellt eine klassische Opferbeschuldigung dar, wie sie in der Lehre der Psychotraumatologie häufig festgestellt wird. Das gleiche gilt für eine Verkehrung von Ursache und Wirkung, wenn dem Mobbing-Opfer unterstellt wird, dass seine festgestellte Erkrankung die Ursache für den Konflikt wäre. Hieraus resultierende Diagnosen wie Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie usw. bestätigen die Feststellung von Leymann, der die Phase 4 der „Mobbing-Katastrophe“ den stigmatisierenden ärztlichen Fehldiagnosen und juristischen Fehlentscheidungen zugeordnet hat (6).

Klar abzugrenzen sind Konstellationen, in denen eine sorgfältige Diagnostik ergibt, dass bereits vor Beginn des Konflikts sozial unverträgliche psychiatrisch relevante Störungen bei dem Patienten bestanden haben. Statt einer Rechtfertigung des Mobbing resultiert hieraus jedoch eine rechtzeitige Zuführung zur psychiatrischen Behandlung.

Reaktionsmöglichkeiten des Mobbing-Opfers.

Für die Dauer und die Schwere des Erkrankungsverlauf beim Mobbing-Syndrom sind drei Reaktionsmöglichkeiten des Mobbing-Opfers von Bedeutung:

1. Die stille Duldung des Mobbing im Sinne eines „geordneten Rückzugs“ (7) verhindert Mobbing nicht, so dass bei fortgesetztem Mobbing das Mobbing-Opfer immer kränker wird.

2. Der Kampf gegen das Mobbing im Sinne einer „aktiven Problemlösung“ (7) ist meist erfolglos, da gegen Psychoterror im Regelfall faire Gegenmaßnahmen des Mobbing-Opfers versagen. Von Firmenleitungen ist kaum Unterstützung zu erwarten. Führungsspitzen hätten in 42% der Fälle die Mobber direkt und in 40% der Fälle die Mobber indirekt unterstützt; In 36% der Fälle hätte sich die Führungsspitze sogar gegen das Opfer gewandt (3). Die innere Nähe von Firmenleitungen und Mobbern wird hier evident, beide üben Macht aus. Manche Betriebsleitungen sind auch zu schwach, um Mobbing zu unterbinden, da Mobbing überwiegend von „Soziopathen“ bzw. „Psychopathen“ betrieben wird, welche manchmal im Soziogramm einer Betriebsanalyse höher stehen, als sie es der formalen Hierarchie nach sein dürften. Der Gesetzgeber und die Justiz versagen komplett. Mobbing ist in Deutschland kein Straftatbestand. Zeitnahe zivil- und arbeitsrechtliche Interventionen zur Unterbindung des Mobbing existieren bisher nicht. Prozessverläufe zur Wiedergutmachung des Schadens gestalten sich langwierig und sind unter einem Jahr nicht zu erwarten. Das Handbuch „Mobbingrechtsschutz“ (8) fordert die Beseitigung dieser Missstände. Bisher ist jedoch kaum jemand bereit, diese abzustellen. Die medizinische Behandlung von Mobbing-Opfern ist in Ermangelung einer Zugriffsmöglichkeit auf die Krankheitsursache erschwert. Deshalb ist die Hilflosigkeit der Helfer die Regel (1). Einzig die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in Verbindung mit stützenden Gesprächen verschafft dem Mobbing-Opfer eine Linderung. Nach erneuter Mobbing-Exposition am Arbeitsplatz ist die Fortsetzung der Mobbing-Katastrophe vorprogrammiert.

3. Die rasche Flucht aus dem Umfeld des Psychoterror mittels einer „Kündigung des Arbeitsverhältnisses“ (7) ist geeignet, einen schweren Krankheitsverlauf zu verhindern, jedoch aus sozialen und/oder wirtschaftlichen Gründen immer seltener möglich.





Literaturverzeichnis

1. Bämayr, A.: Mobbing, Hilflose Helfer in Diagnostik und Therapie, Dtsch Ärztebl 2001: A 1811-1813 (Heft 27)
2. Bämayr, A.: Mobbing, Klassifikation des Erkrankungsverlaufs, Neurotransmitter 11/2006 S. 22 (Offizielles Organ des Berufsverbandes 
   Deutscher Nervenärzte, Deutscher Neurologen und Deutscher Psychiater),
3. Europäisches Parlament: Bericht über Mobbing am Arbeitsplatz (2001/2339(INI),     S. 23
4. Fischer, G. Riedesser, P.: Lehrbuch der Psychotraumatologie, Kapitel Mobbing. München, Basel 1998, Reinhard Verlag
5. ICD 10-GM Version 2005: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD)  - German  
   Modification – Band I: Systematisches Verzeichnis, W. Kohlhammer  GmbH Stuttgart
6. Leymann, H.: Der neue Mobbing-Bericht, Reinbek bei Hamburg 1995: Rowohlt
7. Schwickerath, J.: Mobbing am Arbeitsplatz, Aktuelle Konzepte zu Theorie, Diagnostik und Verhaltenstherapie 
8. Wickler, P.: Handbuch Mobbing-Rechtsschutz, C.F. Müller Verlag, Heidelberg, 2004


Anmerkung:

Der Mangel einer eigenständigen psychiatrischen Diagnose für einen Psychoterror könnte darin liegen, dass durch Psychoterror verursachte Diagnosen von unterschiedlichsten Staatsmächten unerwünscht sind. Die Psychiatrie als häufig gesellschaftlich missbrauchte Disziplin wagt es offensichtlich nicht, z.B. für politische Häftlinge, die ohne rechtsstaatliche Regeln inhaftiert sind (z.B. politische Häftlinge in Guantanamo, aber auch Häftlinge in Todeszellen oder zu Tötungsmaschinen gedrillte Soldaten usw.), eine eigenständige Diagnose z.B. im amerikanisch dominierten ICD 10-Gremium für psychiatrische Erkrankungen zu installieren.

Vgl. www.baemayr.net/mobbing.html weiterführendes Material u.a. zu struktureller Gewalt unter baemayr.net