Still working to recover. Please don't edit quite yet.

Sonntagsspaziergang der Glücklichen Arbeitslosen Halle

Aus <a href="http://deu.anarchopedia.org/Sonntagsspaziergang_der_Gl%C3%83%C2%BCcklichen_Arbeitslosen_Halle">Anarchopedia</a>, dem offenen Wissensportal für und von AnarchistInnen
Jump to: navigation, search

Treff: 9.30 h

Start 10.00 h

am Brunnen am Hubertusplatz, Endstelle Heide

Was Arbeitslosigkeit ist, dürften mittlerweile alle mitbekommen haben, was zum Teufel aber ist Glück? Wie das schon klingt! Glück klingt verdächtig. Glück klingt spießig. Glück klingt nach Heimatsender und Blasmusik am Sonntagnachmittag, nach Kitsch und Klunker und nach Romantik mit tödlichem Ausgang a la Marylyn Monroe. Glück ist und bleibt also verdächtig. In dieser Zeit zumal und in diesem Lande, dessen Bürger offenbar nicht in der Lage sind, ihre Geschicke selbst zu regeln und dies importierten Bürokraten überlassen müssen. - Wie nun weiter?

Wir als real oder potentiell glückliche, bekennende oder nicht bekennende, Geld- und/oder Arbeitslose, der Arbeit wie dem Müßiggang uns verpflichtet fühlende - jedenfalls auf dem Wege befindliche MENSCHEN (!), wollen den Versuch wagen, uns jenseits scheinbar noch unumgänglichen "Verwaltet-Werdens" eben nicht nur verwalten, entmündigen - d.h. - leben - zu lassen, sondern auch mündig (i.S.d.W.) zu werden und zu leben: uns einander mitzuteilen, uns kennenzulernen und Ideen zu sammeln, wie die Welt noch aussehen könnte, die in uns wie auch die um uns herum. Eine Welt ohne das tödliche Dogma der Arbeit. Glück in Unwissenheit, einer bekanntermaßen äußerst gefährlichen Sache, fiel schon so mancher zum Opfer; in der Informationsgesellschaft erst recht.

Glückliche Arbeitslosigkeit ist kein Zustand, sondern ein aktiver v.a. innerer persönlicher Prozeß, tätige und anspruchsvolle Muße, ist Weg und Ziel zugleich.

Aber wir wollen uns auch jenen öffnen, die vorerst in der Opferrolle passiver Verzweiflung eine Ruhestatt gefunden haben; wir üben uns in Toleranz und Akzeptanz gegenüber den Verletzten und Gestrandeten, die das Lachen nachhaltig verlernt und ihren Frieden gemacht haben in der Pflege von Resignation, suizidalen Gedanken und larmoyanter Depressivität; wir verschlimmern ihr Schicksal nicht noch dadurch, sie mit mitleidiger Anteilnahme in ihrem Jammer zu bestätigen. Neben Heroin und Psychotherapie ist auch der Freitod eine Lösung, der Unbill des Lebens entgegenzutreten für Menschen, denen Aktivität und Kreativität abgewöhnt, ausgetrieben, jedenfalls als Attribute sinnerfüllten Lebens abhanden gekommen sind.

Und wer von uns könnte schon behaupten, er wäre über jede Krise erhaben?

Menschen sind nun mal begrenzt belastbar und es ist nicht nur in Deutschland eine über Generationen gewachsene Tradition, vielleicht eine urmenschliche Regung, sich in der reinen Opferrolle vor immer neuen Enttäuschungen zu schützen, von denen man aus Erfahrung ja weiß, daß man sie eh nicht verkraftet. Mag sich also jeder zumuten, was er vertragen kann, auch an Alkohol, an Nikotin und an Tabletten, jeder Mensch muß seine Rezepte finden, leben und verantworten. Wir maßen uns nicht an, zu wissen was das beste für andere wäre und Wertungen sind nicht nur bequem und ungerecht, sondern auch lächerlich, unnütz, verletzend und diskriminierend. Das Leben ist schwer genug - ersparen wir uns und unseren Mitmenschen diese zusätzliche Bürde! Auf der Suche nach alternativen Bewältigungsstrategien, vergeuden wir unsere Kräfte aber auch nicht damit, Menschen hinterm Ofen vorzuprügeln, die dort gut eingerichtet scheinen. Wir halten unser Angebot unaufdringlich und zurückhaltend bereit. Es wird allerorten bereits im Übermaß versucht, Unwillige zu ihrem Glück zu zwingen, von Propheten aller Couleur, die vorgeben, die Weisheit mit dem Löffel austeilen zu können.

Wir sehen keinen Anlaß, uns dieser Unart anzuschließen.

Alkoholiker in angetrunkenem Zustand müssen wir leider freundlich aber bestimmt an die Meetings der AA verweisen, die in allen Stadtteilen während der ganzen Woche gern neue Mitglieder begrüßen. In diesem Sinne: spazieren, amüsieren und stützen wir uns! Das Los, arbeitslos zu sein, kann unser Hauptgewinn werden.

¡Que vivan los parados felizes! -

Es leben die Glücklichen Arbeitslosen!




[Dieser Text gehört zu dieser Text-Sammlung der Glücklichen Arbeitslosen.]