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Rassismus

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Rassismus bezeichnet eine pseudowissenschaftliche Lehre, welche die Menschheit in verschiedene Rassen unterteilt. Oftmals ist diese Unterteilung wertend und dient als Basis für eine politische Ordnung, die in Herrenrasse und Unterrassen einteilt. Die bekannteste Form des Rassismus fand sich wohl in der Zeit des dritten Reiches, welche stark antisemitisch geprägt war. Das Wort Rassismus wird teilweise auch für jegliche Form der herkunftsbezogenen Diskriminierung verwendet.

Kolonialismus[edit]

Die koloniale Ausdehnung der europaeischen Staaten seit dem 15. Jahrhundert ging oft mit einem Ueberlegenheitsgefuehl der europaeischen Kolonisatoren einher. Zunaechst einmal wurde die angebliche europaeische Ueberlegenheit mit dem Christentum begruendet. Die "heidnischen" (d.h. nichtchristlichen) Voelker wurden oft als weniger zivilisiert betrachtet. Allerdings war diese Idee, dass die eigene Zivilisation den anderen Ueberlegen ist, keine europaeische Eigenheit, und sie existiert auch nicht erst seit dem Zeitalter des Kolonialismus. Schon die alten Griechen sahen sich als den nichtgriechischen "Barbaren" ueberlegen an. Auch die Herrscher der muslimischen Reiche des Mittelalters sah sich selbst als am zivilisiertesten an, waehrend z.B. in Nordeuropa in ihren Augen "Barbarei" herrschte. Aehnliches gilt fuer das chinesische Kaiserreich. Doch seit dem Beginn der weltweiten Ausdehnung Europas vor 500 Jahren entwickelte sich ueber die Jahrhunderte eine weltweite europaeische Vorherrschaft. Schrittweise unterwarfen die europaeischen Kolonialmaechte die ganze Welt. Dies ging mit Zwangschristianisierung, Zerstoerung vorkolonialer Kulturen, Vertreibung, Versklavung, Voelkermord und wirtschaftlicher Auspluenderung und Ausbeutung einher. Oftmals wurde diese Behandlung nichteuropaeischer Menschen mit deren angeblicher Unterlegenheit gerechtfertigt. Durch den "Erfolg" ihrer Politik fuehlten die europaeischen Maechte in ihrem Ueberlegenheitsgefuehl bestaetigt.

"Wissenschaftlicher" Rassismus[edit]

Der moderne europäische Rassismus, der sich mit wissenschaftlich ausgefeilten Rassentheorien begruendete, ist im spaeten 19. Jahrhundert entstanden. Hier wurde mit oftmals pseudowissenschaftlichen Experimenten wie der Ausmessung von Körperteilen versucht, Rassen anhand äußerlichkeiten zu erkennen. Desweiteren sollten an diesen Messungen bestimmte Eigenschaften pauschalisiert und erklärt werden.

Heute ist die Einteilung der Menschen in Rassen in allen Wissenschaften widerlegt.

Warum und mit welcher Wirkung klassifizieren Wissenschaftler Menschen?[edit]

Von Prof. Dr. Ulrich Kattmann, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Konzept der Rasse[edit]

Die Auseinandersetzung um die biologische Klassifikation von Menschen in »Rassen« erweckt nur oberflächlich den Eindruck, als handele es sich lediglich um einen Streit um Wörter. Wer meint, es ginge darum, einen durch den Rassismus diskreditierten und missbrauchten Terminus zu vermeiden, hat nicht erfasst, dass es um die Tragfähigkeit und die Wirkungen eines wissenschaftlichen Konzeptes geht.

Tatsächlich ist im wissenschaftlichen Bereich mit dem Begriff »Rasse« ein Konzept gemeint, also ein gedankliches Konstrukt, mit dem die Vielfalt der Menschen erfasst werden soll. Dieser Begriff bestimmt - wenn man ihn anwendet -, wie die Vielfalt der Menschen gedeutet wird. Ein Streit darüber, ob menschliche Rassen existieren oder nicht, ist müßig. Die Frage muss vielmehr lauten, ob die mit dem Wort «Rasse» verbundenen biologischen Kategorien geeignet sind, die augenfällige Vielfalt der Menschen angemessen zu erfassen.

Nach Ansicht der Mehrheit naturwissenschaftlich arbeitender Anthropologen ist dieses Konzept ungeeignet, die Variabilität der Art Homo sapiens zutreffend zu erfassen. Dagegen wähnen sich die Befürworter des Konzeptes in der Tradition zoologischer Klassifikation von Formengruppen unterhalb des Artniveaus, wie sie in der Biologie üblich sei.

[...]

Auch von biologischer Seite wird der Kritik am Menschenrassen-Konzept oft Unverständnis und Widerstand entgegengebracht, da man bei Aufgabe des Rassenbegriffs allgemeinbiologische Prinzipien verletzt sieht:

  • Rassenklassifikation sei ein in der ganzen Biologie übliches Verfahren (s. Knußmann).
  • Der Mensch habe biologisch keine Sonderstellung und sei daher wie alle anderen Tierarten zu behandeln.
  • Das Rassenkonzept sei zum Verständnis der Evolution notwendig (s. Chopra).

Die Einwände unterstellen meist, dass die Ablehnung des Menschenrassen-Konzepts nicht durch naturwissenschaftliche, sondern durch ideologische Gründe motiviert ist. Demgegenüber wird gemeint, mit dem Rassenkonzept das Panier der Biologie als unvoreingenommener Wissenschaft hochzuhalten. Der Autor gesteht, dass er selbst lange Zeit ebenso gedacht hat und es für hinreichend hielt, das typologische Rassenkonzept durch ein populationsgenetisches zu ersetzen (vgl. Kattmann 1973). Die genaue Analyse zeigt jedoch, dass keines der Argumente, am Menschenrassen-Konzept festzuhalten, biologisch stichhaltig ist.

Zunächst ist festzustellen, dass der Terminus »Rasse« in der Zoologie weitestgehend obsolet ist und ausgiebig nur von Anthropologen und Haustierkundlern verwendet wird. In der Klassischen Genetik wird er noch in einigen Schulbüchern benutzt, um die reinen Linien der Mendelschen Erbgänge zu charakterisieren. Er ist in diesem Zusammenhang missleitend und gänzlich überflüssig.

Der einzige Objektbereich, in dem »Rasse« als Fachwort angewendet wird, sind die Zuchtformen der Haustiere. Bei diesen liegen tatsächlich »zoologische Formengruppen« vor, die typologisch nach »Rassekriterien« zu beschreiben sind. Die Haustierrassen sind jedoch durch gezielte Auslese und Isolation vom Menschen auf jeweils einen Typ hin enggezüchtet worden. Insofern wurden hier vom Menschen selbst »Typen« erst geschaffen, wie sie Rassenkundler beim Menschen als Naturzüchtung zu erkennen glauben.

Natürliche Populationen sind jedoch genetisch vielfältig und keineswegs mit Haustierrassen vergleichbar. Geographisch deutlich differenzierte Populationen werden zoologisch als Unterarten (SubSpezies) bezeichnet. Die Unterteilung von Arten in Unterarten oder noch feineren Kategorien ist dabei keineswegs ein verpflichtendes biologisches Prinzip. Die zoologische Klassifikation ist nur auf dem Artniveau zwingend: Jeder sich zweielterlich fortpflanzende Organismus gehört notwendig einer Biologischen Art an, die als Fortpflanzungsgemeinschaft definiert ist. Unterhalb des Artniveaus ist die Unterteilung dagegen eine Frage der Zweckmäßigkeit: Es gibt Arten, die (aufgrund fehlender oder nicht erfasster geographischer Differenzierung) nicht weiter untergliedert werden, und solche, bei denen die Gliederung in Unterarten Schwierigkeiten macht und entsprechende Versuche daher in der Zoologie umstritten sind. Vielfach stellt sich die geographische Differenzierung auch bei Tieren komplexer dar, als es die Einteilung nach auffälligen Merkmalen erscheinen lässt (vgl. Senglaub 1982). Keine biologische Gesetzmäßigkeit verpflichtet also Biologen dazu, Arten in Unterarten einzuteilen.

Beim Menschen ist die Vielfalt innerhalb und zwischen den Populationen so komplex, dass es unzweckmäßig ist, diese Art zoologisch weiter zu untergliedern (vgl. Gould 1984). Dieser Befund gilt nicht exklusiv für den Menschen, sondern auch für manche andere Tierart. Für die Untergliederung einer Biologischen Art ist jedoch allein wichtig, dass deren geographische Differenzierung damit angemessen beschrieben wird. Das eben ist mit dem Rassenkonzept beim Menschen nicht möglich. Das Verwerfen des Menschenrassen-Konzepts hat also mit dem Postulat einer Sonderstellung des Menschen nichts zu tun, das vom Autor vielmehr aus biologischen Gründen entschieden abgelehnt wird (vgl. Kattmann 1974). Das Rassenkonzept ist einfach untauglich, die genetische Verschiedenheit der Menschen in ihrer individuellen und geographischen Vielfalt angemessen zu erfassen." Quelle

Psychologie der Rassenklassifikation[edit]

Hinweise auf bestimmende Motive der Rassenklassifikation geben Forschungen zu Alltagsvorstellungen sowie kognitions- und sozialpsychologische Untersuchungen. Die daraus ableitbaren Schlussfolgerungen werden durch Befunde in der Ethnobiologie und Wissenschaftsgeschichte erhärtet.

Naive Theorien und Gruppenabgrenzung[edit]

Schon drei- bis siebenjährige Kinder haben Annahmen über die Zusammengehörigkeit von Menschen, die von quasi biologischen Vorstellungen mitbestimmt sind. Man nennt solche Vorstellungen, mit denen Menschen die Erscheinungswelt für sie sinnvoll deuten, naive oder implizite Theorien. Bereits dreijährige Kinder entwickeln Vorstellungen darüber, welche Eigenschaften im Laufe der Individualentwicklung unverändert bleiben und welche von den Eltern vererbt werden (vgl. Hirschfeld 1992). Die Annahmen dienen u. a. dazu, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe anzuzeigen und für das Kind zu sichern. Grundlage für die Unterscheidung sind aber nicht die Merkmale, sondern es ist die elementare Notwendigkeit, sich der eigenen Gruppenzugehörigkeit zu vergewissern. Die Unterscheidung »wir« und »die anderen« bestimmt danach die Auswahl wiedererkennbarer und als konstant angenommener Merkmale, nicht umgekehrt. Die Gruppenbildung erfolgt nicht einer Merkmalsklassifikation, sondern wird sozial konstruiert. Je nach gesellschaftlichem Umfeld und Erfahrungshorizont der Kinder sind daher die Gruppenbildungen und die Zuordnungen von Merkmalen ganz unterschiedlich ausgeprägt.

Diese Befunde haben eine interessante Parallele in der Ethnobiologie. Während die Klassifikation von Pflanzen- und Tierarten bzw. -gattungen in verschiedenen Kulturen zu über 90 % untereinander und mit der wissenschaftlichen Klassifikation übereinstimmt, fehlt eine solche Ãœbereinstimmung bei der Klassifikation von Menschen in jeder Hinsicht. In jeder Gesellschaft werden Menschen kulturspezifisch in Gruppen eingeteilt. Das Ergebnis sind ganz unterschiedliche Gruppeneinteilungen, die von den jeweiligen kulturellen und sozialen Verhältnissen der Menschen bestimmt sind.

Die Neigung, Menschen in Rassen zu klassifizieren, ist danach ein allgemeines Phänomen. Welche Form die Klassifikation hat, ist dagegen kulturell, geschichtlich und sozial bestimmt. Mit Bezug auf die Untauglichkeit biologischer Rassenkonzepte kommt Hirschfeld (1992, 247) daher zu dem Schluss: »A responsible biology can perhaps afford to have nothing to do with the notion of human races, a responsible psychology does not have this option.«

»Rasse« ist in diesem Zusammenhang als sozialpsychologisch bestimmte Kategorie aufzufassen. Wo immer Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen aufbrechen, sind nicht Haut- oder Haarfarben die Ursachen, sondern soziale Ungerechtigkeit und politische Interessen. Äußere Kennzeichen wie Hautfarbe, Haarform, Gesichtsmerkmale, aber auch Essgewohnheiten, religiöse Gebräuche und Sprache dienen dann als Erkennungsmarken, mit denen die Menschen der (rassisch) diskriminierten Gruppen ausgesondert werden. An ihnen macht sich die Unterscheidung fest und kann sich so selbst verstärken. Für die rassische Aussonderung sind aber nicht die Eigenschaften der betroffenen Menschengruppe maßgebend. Die der Fremdgruppe zugeschriebenen Merkmale werden durch die Selbsteinschätzung bestimmt, die die diskriminierende Gruppe von sich hat. Das Eigenbild bestimmt das Fremdbild: Unsicherheiten werden durch Abgrenzung kompensiert; für das Selbstwertgefühl bedrohlich empfundene (negative) Eigenschaften werden auf die Fremdgruppe projiziert (vgl. Kattmann 1994).

Der bei der Rassenklassifikation ablaufende Prozess kann kurz folgendermaßen skizziert werden:

  1. Wahrnehmung der Gruppenzugehörigkeit; mit der Gruppenzugehörigkeit werden die Individualentwicklung und die Generationen überdauernde Eigenschaften verknüpft.
  2. Gruppenabgrenzung und -distanzierung; Fremdgruppen wird "Andersartigkeit" und "Wesensfremdheit" zugeschrieben, dabei kann durchaus noch Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung postuliert werden (Ideologie der Apartheid).
  3. Bewertende Diskriminierung der Gruppen; die Menschengruppen werden in höherwertige und minderwertige eingeteilt. Das Eigenbild bestimmt das Fremdbild.
  4. Konstruktion von Rassen; die Fremdgruppen werden als rassisch von der eigenen verschieden definiert, am deutlichsten im dichotomen Gegensatz: Weiße/Schwarze; Arier/Juden.

Im letzten Schritt werden die ersten drei zusammengefasst und verhärtet. Rassismus beginnt dabei nicht erst mit der Annahme, es gebe "hochstehende" und "minderwertige Rassen" (Ãœberlegenheitsrassismus), sondern bereits mit einer "rassentrennenden" Aussonderung von Menschengruppen, durch die das gemeinsame soziale Leben gespalten wird (Reinhalterassismus, vgl. Kattmann 2003). Die so konstruierten »Rassen« sind als sozialpsychologische Kategorien klar erkennbar: Weder »Weiße« und »Schwarze« der Rassentrennung und Bevölkerungsstatistiken in den USA noch die »Arier« und »Juden« der Nationalsozialisten waren je »Rassen« im Sinne der Bemühungen physischer Anthropologen. Rassisten schaffen sich ihre Rassen selbst aus ihren eigenen Bedürfnissen. Rassismus verschwindet daher nicht automatisch mit den diskriminierten Gruppen. Wie anders ist es zu erklären, dass z. B. der Antisemitismus in Europa überdauert, obwohl Juden nach Massenmord und Vertreibung hier eine verschwindend geringe Minderheit sind? Man kann in einem mehrfachen Sinne von »Rassismus ohne Rassen« sprechen.

Wie verhalten sich die Rassenklassifikationen der Anthropologen zur sozialen Rassenkonstruktion? Wie ist es zu erklären, dass die Rassenkunde überdauert, obwohl das biologische Rassenkonzept sich als untauglich erweist? Handelt es sich um »Rassenkunde ohne Rassen«?

Grundzüge der Rassenkunde[edit]

Die wesentlichen Aussagen der anthropologischen Rassenkunde zeigen deutlich den bestimmenden Einfluss sozialpsychologischer Faktoren. Ins Auge fällt die Parallelität zwischen kulturell verschiedenen Einteilungen der Menschen und der Vielzahl an rassentaxonomischen Systemen. Hier liegt offen zu Tage, dass die Anthropologen bei ihren systematischen Bemühungen nicht nach naturwissenschaftlich definierten Merkmalen klassifizieren, sondern sich ebenso wie andere Menschen von Alltagsvorstellungen leiten lassen, die vom kulturellen und sozialen Umfeld geprägt sind.

Die Wissenschaftsgeschichte der Rassenkunde liefert für diese Vermutung zahlreiche Belege. Für die Aufstellung von Rassen sind insbesondere sozial vermittelte ästhetische Kategorien leitend gewesen (vgl. Herrmann 1983). Obgleich es zahlreiche Querverbindungen von biologischer Rassenkunde zu philosophischen und politischen Rassentheorien, wie die von J. Arthur de Gobineau, H. Steward Chamberlain und Adolf Hitler gibt, sind die Belege für das wissenschaftlich motivierte Klassifizieren von Menschen aus den enger biologisch bestimmten Bereichen zu wählen.


Beispiel Hautfarbe[edit]

Ein hervorragendes Beispiel ist die Ausdeutung der »Hautfarbe« als Rassenmerkmal. Sie findet sich schon bei den ersten Vorläufern und dann ausgeprägt bei dem Vater der biologischen Systematik, Carl von Linné. Die zehnte Auflage von dessen »Systema naturae« (Linné 1758) ist bis heute für die zoologische Nomenklatur (auf dem Artniveau) maßgeblich. Für Linné ist die Einteilung der Lebewesen essentialistisch begründet. In den systematischen Kategorien drücken sich für ihn die Ideen Gottes bei der Schöpfung aus. Innerhalb der Art Homo sapiens unterscheidet Linné vier geographische Varietäten, die er folgendermaßen charakterisiert:

»Americanus rufus, cholericus, rectus. ... Regitur consuetudine.

Europaeus albus, sanguineus, torosus....Regitur ritibus.

Asiaticus luridus, melancholicus, rigidus. ... Regitur opinionibus.

Afer niger, phlegmaticus, laxus. .... Regitur arbitrio.«

Auffallend an dieser Klassifikation ist eine dreifach abgesicherte Vierteilung der Menschheit: nach Erdteilen, nach Hautfarben und nach Körpersäften. Die Einteilung nach Erdteilen erscheint heute noch modern, für Linné waren jedoch alle drei Kriterien naturwissenschaftlich begründet, auch und gerade die Orientierung an den Körpersäften. Die antike Lehre von den vier Elementen (Feuer, Luft, Erde, Wasser) führte durch die Parallele von Makrokosmos (Welt) und Mikrokosmos (Mensch) zur Lehre von den (den Elementen entsprechenden) vier Körpersäften (Galle, Blut, Schwarze Galle, Schleim), denen im Mittelalter die Charaktere Choleriker, Sanguiniker, Melancholiker und Phlegmatiker zugeordnet wurden. Linné hält sich also an die (physiologischen) Vorstellungen seiner Zeit, wodurch sogleich die Verbindung von »Rasse« und Seele (naturwissenschaftlich) elementar begründet wird.

Wie die Erdteile und die Körpersäfte sollten die Hautfarben ein objektives Kriterium abgeben. Die Angaben dazu wurden bei Linné in diesem Sinne von Auflage zu Auflage eindeutiger. Nur der Afrikaner bleibt von der ersten Auflage an unverändert »niger« (schwarz). Der Europäer wird von »albescens« (weißwerdend) zu »albus« (weiß), der Amerikaner von »rubescens« (rotwerdend) zu »rufus« (rot). Die stärksten Änderungen macht der Asiate durch: Seine Farbe wechselt von »fuscus« (dunkel, bräunlich bis schwarz) bis zu »luridus« (blassgelb).

Wie Walter Demel (1992) gezeigt hat, sind die Hautfarben der »Rassen« das allmählich sich herausbildende Ergebnis eines Farbgebungsprozesses. Hatten noch viele Entdeckungsreisende die Hautfarbe der Chinesen als weiß wie die der Europäer beschrieben oder differenzierend zwischen hell, gelblich, bräunlich bis dunkel abgestuft, so wurden die Beschreibungen in den Rassenklassifikationen eindeutig auf »gelb« fixiert. Die Haut der Chinesen ist nur leicht getönt, ihr mittlerer Pigmentierungsgrad entspricht dem südeuropäischer Menschen. Die Hautfarbe der Chinesen wäre also ähnlich zu beschreiben wie die der Italiener, Spanier oder Griechen. Die Europäer verstanden sich aber als »Weiße«. So wurden Südeuropäer (unabhängig vom Pigmentierungsgrad ihrer Haut) »weiß« und Chinesen mussten zum Kontrast »gelb« werden. Das Eigenbild bestimmt das Fremdbild: Die Eigenbezeichnung »weiß« wurde exklusiv für Europäer reserviert. Für die nichteuropäischen Völker wurden die Hautfarben »gelb«, »rot« und »schwarz« konstruiert (vgl. Robins 1991, 168 ff.; Demel 1992). Gelbe Chinesen findet man daher nur in Rassenklassifikationen und sonst nirgendwo. Und natürlich gibt es keine »roten« und »schwarzen« Menschen und auch keine »weißen«. Im Glauben an die Hautfarben aber fällt nicht auf, dass man in Asien oder Chinatown keinem gelben Menschen begegnet. Dass wir das soziale Konstrukt der Hautfarben als mit unserer Wahrnehmung konform halten, beruht also bereits auf der Wirkung dieser Konstruktion.

Die Pigmentierungsgrade der Haut korrelieren in verschiedenen Regionen der Erde mit der UV-Einstrahlung. Die Tönung der Haut ist durch Selektion unabhängig in mehreren Regionen der Erde gleichzeitig herausgebildet worden und gibt daher keine nähere Verwandtschaft zwischen den Populationen an. Obwohl selbst typologisch arbeitende Anthropologen heute die Pigmentierung der Haut daher für ein ganz ungeeignetes Merkmal zur Klassifizierung halten, beziehen sich die meisten Rassenklassifikationen nach wie vor auf Hautfarben. Das wissenschaftliche Bedürfnis nach eindeutiger Klassifikation vereinigt sich so seit Linné - und wider bessere Einsicht - mit einer sozialpsychologisch bedingten Hautfarbenlehre.

Rassenkunde erfordert klare alternative und exklusive Zuordnungen. Ein Mensch kann danach nur einer »Rasse« angehören. So ist der Rassenkundler nach Knußmann gezwungen, auch Ãœbergänge zwischen den "Schwerpunkten" gegen die angrenzenden Populationen als getrennte »Rassen« abzugrenzen. Durch das "Muss" zum Klassifizieren werden also aus "Abstufungen" und "Ãœbergängen" definierte taxonomische Gruppen. Die Schärfe der Abgrenzung entspricht der der sozial konstruierten »Rassen« in jeder Hinsicht. Hier wie dort gibt es nur Schwarz oder Weiß. Soziale und taxonomische Gruppenabgrenzung treffen einander im selben Geiste. Die »Schwarzen« Amerikas heiraten nicht nur untereinander. Die Bevölkerungsstatistiken in den USA zählen dennoch weiterhin jeden Menschen als »schwarz«, der einen »Schwarzen« unter seinen Vorfahren hat. Rainer Knußmann (1996, 426) folgt ohne Bedenken dieser Bestimmung, wenn er die Afroamerikaner unumwunden mit der Rassenbezeichnung »Negride« belegt. Biologisch-genetisch ist eine solche Zuordnung absurd; sie wird aus gesellschaftlichen Gründen getroffen.

Die Rasseneinteilung ist in der Anthropologie während der gesamten Geschichte nicht allein und häufig nicht einmal in erster Linie an körperlichen Merkmalen orientiert, sondern vielmehr auf seelische und geistige Merkmale ausgerichtet (vgl. Herrmann 1983; Seidler 1992). Die Verbindung von Rasse und Seele bezeichnet der Humangenetiker Fritz Lenz als das eigentlich Wesentliche an der Rassenfrage und rechtfertigt in diesem Zusammenhang die Nürnberger Gesetze von 1938: »Wichtiger als die äußeren Merkmale ist die abstammungsmäßige Herkunft eines Menschen für seine Beurteilung. Ein blonder Jude ist auch ein Jude. Ja, es gibt Juden, die die meisten äußeren Merkmale der nordischen Rasse haben und die doch von jüdischer Wesensart sind. Die Gesetzgebung des nationalsozialistischen Staates definiert einen Juden daher mit Recht nicht nach äußeren Rassenmerkmalen, sondern nach der Abstammung« (Lenz 1941, 397). »Rasse« bestimmt danach - auch unabhängig von äußeren Merkmalen - die Wesensart der Menschen.

Um »Rassen« eine solche Funktion zuzutrauen, muss man ihre Existenz als »unbezweilfelbar« hinstellen oder noch besser einfach als gegeben ansehen: »Voraussetzung für die Berechtigung solcher [rassenkundlicher] Arbeiten ist allerdings ..., dass man die lebendige Wirklichkeit von Rasse und Rassentypus überhaupt sieht und anerkennt. Kurz gesagt: Es gibt Neger und Europäer, Nordische und Dinarier als lebendige und wirkende Erscheinungen. Gibt es sie aber, so muss der Forscher am Menschen auch nach Methoden suchen, sie in ihrem Wesen und Dasein, ihrer Entfaltung und all ihren Beziehungen und Wirkungen zu erfassen« (Schwidetzky 1943, 179). Rasse wird so als eine die Individuen überdauernde körperlich-seelische Ganzheit verstanden. Nach dieser Vorstellung ist ein Mensch aus verschiedenen Rassen zusammengesetzt, deren Anteile die Anthropologen Egon von Eickstedt und Ilse Schwidetzky wähnten, mit Hilfe von Rassenformeln prozentgenau bestimmen zu können (Schwidetzky 1943; vgl. dazu Lenz 1941; 1943). Die Rassentypologie macht die Gruppenzugehörigkeit zu einer individuellen Eigenschaft: Nicht die Individuen bestimmen die Eigenschaften einer »Rasse«, sondern die »Rasse« bestimmt die Eigenschaften der Individuen: Menschen werden zu Typen.

Siehe auch[edit]


Kategorie:Antagonistische Theorie Kategorie:Herrschaft