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Projekte:Hausbesetzung:Räumung aus Sicht der BesetzerInnen

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RÄUMUNG AUS SICHT DER BESETZERINNEN[edit]

Wer noch nie eine Besetzung mitgemacht hat, ist vor der Räumung sicher nervös denn er/ sie weiß ja nicht wie mensch sich das vorstellen muss. Damit die Aufregung nicht die Oberhand gewinnt und zu Fehlern führt, aber auch zur Dokumentation der Bewegung in unseren Tagen hier ein paar Berichte aus der Sicht der Protagonisten und Protagonistinnen.

Bericht von W.M.:

"23,30 Uhr, ungefähr 10 Stunden vor der offenen Besetzung bzw. 15 Sunden bevor wieder alles vorbei war: Im Schutz der Nacht ziehen wir ins Haus ein, die Stimmung ist gut, wenn auch ein wenig nervös. Wir hatten vereinbart im Haus keinen Alkohol oder andere bewusstseins-beeinflussende Stoffe zu konsumieren, daran halten wir uns auch - einige haben allerdings kurz vorher noch die Gelegenheit genutzt sich in Stimmung zu bringen, darunter auch ich. Nachdem wir den Keller passiert haben, schleichen wir langsam den dunklen Treppenaufgang hinauf. Ich fühle mich müde, dabei gibt es noch viel zu tun - der Materialtransport und die Vorbereitung der Barrikaden hat im Vorfeld nur teilweise geklappt, unsere Aussichten sind eher schlecht aber niemensch will das wirklich zugeben. Die vergangenen 7 Stunden habe ich mit dem Entwerfen, Ausdrucken und Falten der Anwohnerbriefe, Presseerklärungen, Handouts usw. verbracht, nun da wir im ehemaligen Zimmer meines Kumpels angekommen sind, würde ich mich am liebsten aufs Sofa legen und einfach nur den wohlverdienten Schlaf nachholen.


Nach dem wir die Kerzen angezündet, unsere Rucksäcke verstaut und unsere Schlafstätten vorbereitet haben geht es für die anderen wieder hinaus in die Nacht - sie müssen Türen und Balken aus ein paar nahegelegen Industrieruinen rübertragen. Nur mein Kumpel und ich dürfen drin bleiben, wir haben die erste Wache. Wir halten uns im Schatten und blicken beunruhigt aus dem Fenster des Erkers, unsere Freunde laufen über die hell erleuchtete Kreuzung und verschwinden dann aus dem Sichtfeld, wir machen derweil Witze über den blödsinnigen Plan am Tag vor der Besetzung mehr als 25 Türen über eine komplett einsehbare Kreuzung (mit großer Hauptstraße) transportieren zu wollen. Da - die erste Person kommt mit der Tür auf dem Rücken über die Kreuzung gerannt, sieht aus wie ein sprinntender Obelix - ich liege vor lachen auf dem Boden. 'Krach!' Das war der Türrahmen der Haustür, denken wir bei uns und sind erschrocken wie viel Lärm das ganze macht - na wenn das mal gut geht. Nummer 2 und 3 bewegen sich schnell über die Kreuzung, ich schüttle die ganze Zeit den Kopf, die Aktion ist so surreal das ich nicht weiß ob ich lachen oder weinen soll.


Als zwei Personen grade mit Tür 5 oder 6 die Haustür passieren fährt die erste Streife vorbei, uns beiden stockt der Atem: 'Haben sie uns gesehn? Ist nun schon alles vorbei?' Im vorbeigehen diskutieren ein paar TrägerInnen grade miteinander doch der Transport geht weiter, das Wachestehen wird zur Qual. Eine zweite und eine dritte Streife fahren vorbei, beidemal sind Leute von uns auf dem Weg, bleiben aber scheinbar unbemerkt. Als grade mehrere Personen mit Tür die Kreuzung überqueren passiert es dann: Ein weiß-grüner Wagen fährt vorbei, wird langsamer und parkt, unsere Freunde lassen die Tür fallen und flüchten in verschiedene Richtungen. Ein Beamter nimmt die Verfolgung auf, der andere gibt einen Funkspruch durch und holt seine Taschenlampe. Zum Glück war es auf unserem Posten recht dunkel, sonst hätten wir beide gesehn wie blass der jeweils andere auf einmal war... Beamter Nummer 2 geht nun in Richtung unseres Hauses und leuchtet die Gebüsche in der Umgebung ab, da fällt es uns wie Schuppen aus den Haaren: 'Die sch*** Haustür steht ja speerangelweit offen!' Ich renne (so leise das eben geht) hinunter zur Tür, schleiche die letzten Meter und schließe zu, der Bullizist ist grade mal 60 Meter von mir entfernt. Wieder oben angekommen drehen wir erstmal eine Zigarette und rauchen mit sehr zittrigen Händen. In diesem Moment ärgere ich mich sehr über das Alkoholverbot. Nach 10-15 Minuten rücken sie ab und unsere GenossInnen langsam wieder an. Die letzte Person kommt erst 45 Minuten später, die Nerven liegen blank. 20 Mins später haben wir beiden Schichtende, noch eine Zigarette und dann kuscheln wir uns in unserem kalten Zimmer unter der Decke aneinander.


Keine 5 Stunden später - Aufstehen. Eine Person darf länger schlafen, nach der letzten Schicht ist sie völlig fertig. Kurzes Frühstück und letztes Plenum, Aufregung und Planlosigkeit machen sich breit - für die meisten ist es die erste (offene) Besetzung. Es ist nun ca. 7:30 Uhr, ab 9 Uhr sollen die Arbeiten beginnen, dann kommen die restlichen BesetzerInnen und das Außenteam mit dem Werkzeug vorbei.


In meinem Magen fährt das Frühstück Achterbahn, also ab auf die Toillete. Diese ist so groß wie eine Besenkammer, Kanisterspühlung ohne Belüftung oder Beleuchtung - na danke! Um meiner Unruhe Luft zu machen, mache ich alles was schon gemacht werden kann. Ich helfe ein paar anderen denen es genauso geht wie mir das Werkzeug im Hausflur zu platzieren, hänge ein Stück Pappe als 'To-Do-Liste' auf und schreibe jedes Detail auf was mir grade einfällt. Danach beginne ich sie abzuarbeiten, suche alles Holz was noch im Haus zu finden ist und stelle es an die wichtigen Stellen, packe hier und da mit an und diskutiere energisch über recht belanglose Kleinigkeiten. Kurz vor 9 ist auch die letzte Person wach, das Außenteam kommt mit Essen, Getränken, Musikanlage und Werkzeug an.


Nun wird es wirklich hektisch, wir machen es öffentlich! Mein Körper ist voller Adrenalin. Wieder geht einiges schief, wir haben weniger Werkzeug als gedacht, der Notstomer springt nicht an, die Bretter und Türen sind nicht geeignet um die Fenster zu verriegeln und bei den ersten Brettern verreckt auch noch die einzige Bohrmaschine. Wir brüllen uns an und streiten während der Arbeit. Die Stimmung und die Aussicht auf eine eindrucksvolle Besetzung sind am Nullpunkt angekommen. Da wir die Fenster im EG nicht verbarrikadieren können, begnügen wir uns übellaunig damit die einzelnen Wohnungen mit allem was geht zu vernageln. Derweile veriegeln ein paar andere den Zugang zum Keller. Ich denk die ganze Zeit daran wie beschissen wir nach der ganzen Zeit verbereitet sind und bin wütend auf mich selbst und die anderen GenossInnen, versuch aber umgänglich zu bleiben. Derweil sind auch noch Leute vom Außenteam im Haus. Ich gebe unserem Kameramenschen noch ein Interview, dann werden oben die ersten Transpis gehängt und alle NichtbesetzerInnen müssen das Haus verlassen, da wir nun die Haupttür verrammeln. Im ganzen Haus dröhnt mittlerweile Slime und Ton Steine Scherben, die Stimmung beruhigt sich ein wenig. Vier Leute kämpfen mit den Transpis und ich verzieh mich in einen ruhigen Teil des Hauses um die Presseliste abzutelefonieren. Meinen GesprächspartnerInnen leier ich im wesentlichen ein paar Frasen aus unserer Presseerklärung vor und übertreibe bei der Frage wieviele BesetzerInnen im Haus sind maßlos (für den Fall die Polizei bekommt irgendwie die Infos). Als ich grade bei der Redaktion des Lokalfernsehens anrufe fahren die ersten Bullentransporter auf. 'Wir rufen zurück.', bekomm ich mal wieder zu hören, lege auf und renn zum Balkon. Ein bisschen geil ist das Gefühl jetzt schon, wie wir so in unserer kleinen Festung stehen und auf die Jungs und Mädels in grün runterschauen... Unter dem schwarzen Tuch meines nebenstehenden Freundes zeichnet sich ein Lächeln ab, wir umarmen uns. Nun bekomme ich auch das erste mal in Ruhe zu sehen was das Außenteam geleistet hat: 3 Leute verteilen Flugblätter und unterhalten sich mit den PassantInnen, über den Platz schallt Reggae (hat bessere Außenwirkung als unsere Punkermugge im Haus), manche der UnterstützerInnen essen, andere machen Fotos oder filmen und unser Vermittler läuft zum Einsatzleiter.


Ich geh wieder rein und telefoniere weiter, da brüllt jemensch 'Die Bullen räumen!'. Ich schnapp hektisch mein Zeug und verschanz mich im vorbereiteten Versteck. Als ich in meinem staubigen Winkel liege und mein Herz anstalten macht die Geschwindigkeit eines sehr guten Blackmetal-Drummers zu erreichen ruft eine Reporterin vom Fernsehen zurück, fragt ob 'die Bullen schon räumen' und wie die Stimmung ist, ich erklär die Lage und sie macht sich auf den Weg. Dann wieder Stille - Räumen die Grünen nun schon oder doch nicht? Ich entschließ mich wieder rauszuklettern, draußen sind alle ganz entspannt, einige helfen die letzten Transpis zu hängen, andere blasen Luftballons auf. Mist - überreagiert - peinlich. Oben in einem der Schlafräume sitzen ein paar und widmen sich dem Mittagessen, ich rauche eine Zigarette mit ihnen, ärger mich aber insgeheim das sie die Zeit nicht vernüntiger nutzen, wo wir doch so schlechte Barrikaden haben. Nach dem ich meinem Laster gefröhnt habe, gebe ich das Pressehandy ab und gehe ins Treppenhaus um noch ein paar Hindernisse zu bauen. Ein Aktivisti hatte schon die selbe Idee und hat mit den Materialresten aus dem EG die Treppenabsätze des 1. und 2. OG komplett zugebaut. Nun kommen wir richtig in fahrt, holen Wannen, Dielen, Regale, Öfen, Drähte und alles was sich sonst finden lässt und schichten, werfen und nageln alles auf-, über-, unter- und nebeneinander (wir haben dabei einen riesígen Spaß). Als wir grade einen Überkletterschutz und ein paar Stützbalken annageln und uns damit anschicken das Treppenhaus auf 3 Stockwerken bis kurz unter die Decke zuzumüllen) bremsen uns die anderen und und klären uns darüber auf, dass die/der HausbesitzerIn verhandeln möchte...


Ich nehm also unser Pressehandy und ruf den Vermittler vorm Haus an, der erklärt mir, dass der zuständige Revierleiter uns ganz wohl gesonnen ist, jedoch Probleme damit hat den/ die LeiterIn der Bereitschaftspolizei zurückzuhalten (die hatten nämlich gleich Hunde, Rammbock und einige andere Überraschungen mitgebracht und freuten sich so aufs prügeln, dass sie schonmal an den Straßenlaternen übten). Der Revierleiter also hatte gleich die HausverwalterInnen angerufen (an die wir nach wochenlanger Recherche nicht rangekommen waren) und die meinten, sie wöllten in zwei Wochen eh mit der Sanierung anfangen. Das ist bitter, denn unsere Hauptargumentation verweißt darauf, dass das Gebäude seit 7 Jahren leersteht und verfällt. Ich sag unserem Menschen draußen er soll mal vorsichtig nachfragen unter welchen Bedingung mensch denn abziehen könnte, leg auf und wir machen ne Krisensitzung. Wieder Hektik - einer macht ein paar Einwürfe und wird deswegen angeschrien. Kurze Diskussion darüber wie scheiße das ist, Betroffenheit, weiter im Text - muss ja alles schnell gehen. Alle sind einstimmig für den Abzug zu bestmöglichen Bedingungen. Ein weiteres Telefonat mit einer/m der VerwalterInnen, dieser ist sogar recht verständnissvoll und will zusammen mit unserer Kontaktperson bei den Bullen den bestmöglichen Deal rausschlagen und auf jede rechtliche Verfolgung verzichten. Ich verkünde die Nachricht, ein wenig Bitterkeit wegen der Recherchepanne aber im wesentlichen Erleichterung. Kurze Überlegungen wie wir am besten die Zeit rausschlagen können um uns aus unseren eigenen Barrikaden frei zu kämpfen, dann beginnen wir abzubauen.


Nach 10 Minuten der Anruf: Wir sollen so schnell wie möglich zusammenpacken und die Transpis abhängen. Wenn die Transpis weg sind ziehen die Bullen die Hälfte ihrer Kräfte ab um guten Willen zu zeigen (wie gütig!). Zwei Leute von der Verwaltung wollen das Gebäude dann besichtigen, wenn keine großen Sachbeschädigungen durch uns zu entdecken sind sollen auch die restlichen HerrschaftwächterInnen abziehen und wir können ohne Perso-Kontolle unserer Wege gehen. Bei den Transpis lassen wir uns erstmal Zeit und wühlen uns wie wild durch das Treppenhaus, der Rest räumt ein wenig auf. Auf die Frage der Polizei, warum wir denn so lange brauchen entgegnen wir, wir wöllten das Haus ordentlich verlassen (was eine glatte Lüge war, bei Übergabe sah die Bude aus wie ein Baustofflager für Arme). Nach geschlagenen zwei Stunden erreichten wir dann endlich unsere Haustür und brauchten für die letzten Bretter peinlicherweise sogar noch die Brechstange der Polizei. Es geschah alles wie vereinbart, nicht sehr ruhm- oder erfolgreich aber wenigstens straffrei. Als wir rauskamen wurden wir trotzdem wie Helden begrüßt und feierten die Besetzung als ungewollten aber erfolgreichen PR-Gag auf dem Vorplatz...


Mensch muss dazu sagen, dass wir bei dieser Besetzung wirklich Glück im Unglück hatten und es lange nicht immer so gut ausgeht."

Warum besetzen