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Otto Reimers
Otto Reimers (17.09.1902 – 22.10.1984), geb. in Grambek/Schleswig-Holstein, gest. in Laufenburg/Baden-Württemberg
Am 22. Oktober 1984 starb Otto Reimers an der Schweizer Grenze im badischen Laufenburg im Alter von 82 Jahren. Am 4. Dezember wurde er auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt. Geboren wurde er am 17.09.1902 in Grambek bei Mölln; dort wuchs er zusammen mit fünf Geschwistern auf. Sein Vater war bereits zu Beginn des 1.Weltkriegs gefallen, so dass er sich als Ältester nach der Schule sofort bei Bauern und Waldarbeitern verdingte, um die spärliche Kriegerwitwenrente aufzubessern. 1919/1920 ergab sich die Möglichkeit beim Bau unterzukommen, er blieb dabei, besuchte später eine Polierschule und arbeitete 42 Jahre lang in einer Hamburger Hoch- und Tiefbaufirma, zuletzt als Bauleiter.
Contents
die Weimarer Republik[edit]
Seit 1920 war Otto aktiv in der antiautoritären Arbeiterbewegung geworden. Es begann als er 1919 auf einer Baustelle einen Arbeiter traf, der dafür agitierte, dass alle Arbeiter und Intellektuellen nach dem Vorbild der amerikanischen IWW (Wobblies) in einer Organisation zusammengeschlossen sein sollten. Eine Organisation, die Partei- und Gewerkschaftsarbeit nicht trennt und ihre organisatorische Basis in den Betrieben sieht, d.h. in einer revolutionären Situation auch die Übernahme der Betriebe durch die Arbeiter selbst. Dieser Arbeiter warb für die rätekommunistische AAU (Allgemeine Arbeiter Union) und Otto begann die wöchentlichen Zusammenkünfte der Ortsgruppe Gölzow zu besuchen. In der Regel gingen die Diskussionen in der Ifflandstraße bis spät in die Nacht oder zum frühen Morgen; dabei wurden alle linksradikalen Zeitungen durchgesprochen und zahlreiche Bücher diskutiert, wie z.B. der Justizmord in Chicago, Francisco Ferrers Moderne Schule oder Texte von Pierre Ramus. 1921 spaltete sich die Unions-Bewegung an der Frage, ob eine revolutionäre Partei neben der KPD nicht doch notwendig sei und an der Mitgliedschaft einer solchen Partei (KAPD) in der KOMINTERN. Otto Reimers stimmte wie die gesamte Hamburger AAU dem Konzept Otto Rühles und Franz Pfemferts zu, die eine Einheitsorganisation, die AAU-E, vertraten und einen Anschluss an die KOMINTERN strikt ablehnten. In den Jahren 1923 und 1924 näherte sich die AAU-E soweit der anarchosyndikalistischen FAUD an, dass Franz Pfemfert als Delegierter der AAU-E an den internationalen Kongressen der IAA teilnehmen konnte.
Auf Ortsebene kam es zur Bildung von sogenannten „antiautoritären Blocks“. Otto Reimers, Karl Matzen, Karl Roche und Ernst Fiering konnten 1926 den Hamburger „Block antiautoritärer Revolutionäre“ ins Leben rufen. Im Lokal Planeth versammelten sich Anarchisten, Anarchosyndikalisten, Individualanarchisten und Unionisten. „Unter dem Namen ‚Block antiautoritärer Revolutionäre’ kamen freitags alle Gruppen zusammen. Redner waren neben Hamburger Genossen, Rudolf Rocker, Karl Roche, Pierre Ramus, Ernst Friedrich, Bertold Cahn, Franz Pfemfert, Winkler u.a. Eine Besucherzahl von 300-400 war keine Seltenheit. Mit Rocker hatte man einen Vortragszyklus von sechs Abenden organisiert. Thema: ‚Nationalismus und Kultur’. Dieser war von Abend zu Abend stärker besucht, so dass wir vom oberen Saal in den größeren nach unten gehen mussten.“ (O.R., 28.3.72)
In diesen Jahren übernahm Otto Reimers zusammen mit seinem Freund Paul Schöß den Vertrieb der Zwickauer AAU-E Zeitung „Proletarischer Zeitgeist“. Eine Zeitung, die bereits seit 1922 erschien und bis März 1933 weiter herauskam. Im Lauf der Zeit entwickelte sich die Zeitung unabhängiger zu den AAU-E-Positionen und nahm mehr und mehr anarchistische Inhalte auf; parallel dazu entwickelte Otto Rühle seinen „Ergänzungskurs“; er wollte das autoritäre Bewusstsein in der Arbeiterschaft mittels Individualpsychologie und libertärer Pädagogik abbauen., so dass ab 1927 drei Organisationen aus der AAU-E hervorgingen; der Spartakusbund 2 um die Berliner Franz Pfemfert, Johannes Broh und [[Oskar Kanehl99 mit dem bisherigen rätekommunistischen Programm; die Proletarische Zeitgeistgruppe mit den ehemaligen Hamburger und Zwickauer Ortsgruppen der AAU-E mit starken anarchistischen Einflüssen und die ehemalige Frankfurter Ortsgruppe der AAU-E um Otto Rühle. Während die AAU-E gegen Ende der Weimarer Republik nach dieser Aufsplitterung keine Rolle mehr spielte, konnten die P.Z.-Gruppen auch in der Illegalität zunächst weiterbestehen. Reimers schrieb auch Beiträge für den „P.Z.“ und gelegentlich fassten Ortsgruppen thematische Beiträge als kleines Buch zusammen und veröffentlichten seine Gedanken separat.
die braune Zeit[edit]
„Nach der Machtübernahme der Nazis war die weitere Herausgabe des ‚Proletarischen Zeitgeist’ unmöglich, da kein Drucker sich bereit fand zu drucken. Rechtzeitig hatten wir uns in Hamburg einen Vervielfältigungsapparat gekauft und stellten nun illegal, fast monatlich eine 12-seitige Schrift ‚Mahnruf’ in kleinem Format her, der an alle P.Z.-Gruppen versandt wurde. Für eine Deckadresse hatte jede Gruppe schon im Dezember 1932 vorgesorgt.“ Im Mahnruf wurde über die Übergriffe, Misshandlungen und Morde an Genossen berichtet und darauf hingewiesen, „Hitler will und bereitet den Krieg vor. Mitte 1934 stellten wir jedoch die Herstellung ein. Der Versand war riskanter geworden, aber vor allem war unser Grund, dass für den Inhalt kein Verständnis bei den Arbeitern bestand, ja – fast eine abweisende Haltung, denn, wenn es auch heißt ‚man habe nichts von den Zuständen in den KZ’s gewusst’, so bangte doch jeder davor, ins KZ zu kommen.“ (Notiz v. März 1946)
Otto überlebte den 2.Weltkrieg in seiner Hoch- und Tiefbaufirma, der es immer wieder gelang, ihn vom Kriegsdienst freistellen zu lassen. Mit der steigenden Bombardierung Hamburgs hatte die Firma viel zu tun und Otto baute immer wieder U-Bahnschächte neu auf und arbeitete an Reparaturen der Hochbahn. Ottos Freunde und Genossen aus der P.Z.-Gruppe Ernst Fiering, Paul Zinke und Karl Kaminski hingegen fielen den Nazis zum Opfer. Einen Tag vor dem Einmarsch der Engländer warfen die Wachmannschaften Handgranaten in ihre Zellen im KZ Neuengamme. Paul Zinkes Frau wurde im Kieler Gefängnis erhängt.
Am 5.Mai 1945 verteilte er das erste vervielfältigte Nachkriegsflugblatt: „Was Tausende in Hamburg längst wussten und aussprachen – mancher dabei im KZ landete – wurde nun von Naziseite endlich als Tatsache anerkannt und damit das Leben tausender Kinder und Frauen, sowie anständiger Männer erhalten. Der Reichsstatthalter Karl Kaufmann erklärt (am 3.5.45 um 13 Uhr) in einem Aufruf den Hamburgern: ‚Das Schicksal des Krieges kann nicht mehr gewendet werden; der Kampf aber in der Stadt bedeutet ihre sinnlose, restlose Vernichtung ... Tod und Zerstörung der letzten Existenzmöglichkeiten!“ (Flugblatt v. 4.5.45)
die Nachkriegszeit[edit]
Die Überlebenden aus der P.Z.-Gruppe versuchten bereits 1945 die Hamburger neu zu organisieren. Am 20.5.45 publizierten sie eine erste Nummer des ‚Mahnruf’; ab September ’45 wurde die politische Betätigung im britischen Sektor legal. Nun begannen die Hamburger Anarchisten sich mit anderen linken Gruppen zu treffen, um ein gemeinsames Vorgehen anzuregen. Der Erfolg war gering, führte aber 1946 immerhin zur Gründung von „Vereinten Bünden für Demokratischen Aufbau e.V.“; Otto Reimers wurde einer der Zirkelleiter, später der stellvertretende Vorstand und versuchte zusammen mit seinen Genossen die Bünde auf einen freiheitlichen Sozialismus festzulegen.
Unermüdlich versuchte Otto Reimers in der Nachkriegszeit anarchistische Initiativen zu unterstützen oder durch seine vielfältige Zeitungsarbeit erst anzustoßen. So schrieb er Artikel für die Zeitschrift „Die freie Gesellschaft“ (1949-Herbst 1953, letzte Ausgabe Nr.48), die von überlebenden Anarchosyndikalisten in der BRD herausgegeben wurde. Von 1955 bis 1959 gab er die deutsche Version des internationalen anarchistischen Mitteilungsblatts C.R.I.A. parallel zu seiner eigenen Zeitschrift „Information“ (1955-1962) heraus. 1959 gehörte er zu den Hauptinitiatoren eines Anarchistenkongresses in Neviges, auf dem der „Bund Freier Sozialisten und Anarchisten“ begründet wurde. Nachdem seine 1969 mit Walter Stöhr gestartete Zeitschrift „Neu beginnen“ wegen einer gleichnamigen Gewerkschaftszeitung in „Zeitgeist“ umbenannt werden musste, veröffentlichte Otto Reimers bis 1978 unter diesem Namen, der bewusst an den Proletarischen Zeitgeist erinnern wollte. 1978 stellte er mit einer umfangreichen Sondernummer in Buchformat seine eigene Herausgebertätigkeit ein. Neben dieser Herausgebertätigkeit hielt er engen Kontakt zur Basler Zeitschrift „Akratie“ von Heiner Koechlin und schrieb dort auch gelegentlich Beiträge. Seit den 70er Jahren stand Otto Reimers auch wieder in engerem Kontakt zu jüngeren Anarchisten und gab seine vielfältigen Erfahrungen weiter. Im Dezember 1983 starb seine langjährige Frau und Genossin Margret, sie hatte bei allen Zeitschriftprojekten in der BRD mitgewirkt und war auch anderen eine große Hilfe. So tippte sie Manuskripte für den sehbehinderten Anarchosyndikalisten Augustin Souchy für die Veröffentlichung ins Reine oder überredete Souchy zu einem Vorwort für sein Lateinamerika Buch „Zwischen Generälen, Campesinos und Revolutionären“. Otto überlebte sie nur um ein knappes Jahr. Seine letzten Veröffentlichungen erschienen in der Zeitschrift Schwarzer Faden, dessen Redaktion er auch Materialien überließ, u.a. die hier zitierten Flugblätter, Briefe und Notizen sowie über den Krieg gerettete Veröffentlichungen des AKTIONS-Dichters Oskar Kanehl, einem Mitstreiter Franz Pfemferts und der AAU-E. Der Trotzdem Verlag verlegte aufgrund dieser Materialien den Band „Oskar Kanehl/Georg Grosz: Straße frei!
Werke[edit]
- Revolte gegen Erziehung, Texte aus Proletarischer Zeitgeist (1931-1932), zusammengestellt von der Proletarischer Zeitgeist-Gruppe Pirna, 1932; 67 Seiten
- Aus dem Zeitalter der „Humanität“ der Jahre 1927-28, Texte aus Proletarischer Zeitgeist; zusammengestellt von der AAU-E Freital, 1928, 60 S.
- Mitarbeit an der Zeitung „Proletarischer Zeitgeist“
- Mitarbeit an der Zeitschrift „Die Freie Gesellschaft“
- Herausgeber der Zeitschrift „Information“, (1955-1962)
- Herausgeber der C.R.I.A.-Mitteilungen, (1955-1959)
- Mitarbeit und späterer Herausgeber der Zeitschrift „Neues Beginnen“ (1969-...)
- Herausgeber der Zeitschrift „Zeitgeist“ (... – 1978)
- Bürgerinitiativbewegung, in: Akratie Nr.8, 1977; Schwarzer Faden Nr.9/1982
- Mahnruf - Widerstand im Dritten Reich, in: Schwarzer Faden Nr.3, 1981
- Oskar Kanehl – ein rätekommunistischer Dichter, in: Schwarzer Faden Nr.15, August 1984 (letzte Veröffentlichung)
Ãœber Otto Reimers:[edit]
- Günther Bartsch: Anarchismus in Deutschland, Bd.1, Hannover 1972; Bd. 2 & 3, Hannover 1973
- Wolfgang Haug: Otto Reimers – Das politische Engagement war ihm Berufung und Verpflichtung, in: Schwarzer Faden Nr.16, 1984
- Wolfgang Haug: Zum Tode von Otto Reimers, in: Studien von Zeitfragen 3/1985
- Georg Hepp: Otto Reimers zum Gedenken, in: Die Freie Gesellschaft, Neue Folge, 13/14, 1985
- Karl Bommer/Günther Freitag: Ein Nachtrag (zu Hepp), in: Die Freie Gesellschaft, Heft 15, 1986
- Manfred Burazerovic: Otto Reimers, in: Lexikon der Anarchie, Verlag Schwarzer Nachtschatten, Bösdorf 1998