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Neues Forum

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Am 10. September 1989 wurde der Gründungsaufruf „Aufbruch 89 – NEUES FORUM“ veröffentlicht. Er war von 30 Erstunterzeichnern aus der gesamten DDR, die knappe Hälfte aus Berlin, unterschrieben worden. Unter ihnen befanden sich die Malerin Bärbel Bohley, der Physiker Dr. Martin Böttger, die Ärztin Erika Drees, die Heimerzieherin Katja Havemann (Witwe von Robert Havemann), der Jurist Rolf Henrich, der Physiker Sebastian Pflugbeil, der Arzt und Molekularbiologe Prof. Dr. Jens Reich, der Betonfacharbeiter Reinhard Schult sowie der Pfarrer und Direktor der Evangelischen Akademie Magdeburg Hans-Jochen Tschiche. Der Aufruf begann mit dem Satz „In unserem Land ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört“ und beschrieb dann in einem längerem Absatz die Verhältnisse in der DDR. Ferner wurden darin verschiedene Kritikpunkte aufgeführt, die mit Wünschen an die gesellschaftliche Entwicklung verbunden waren, ohne allerdings konkrete politische Forderungen zu stellen. Das Hauptanliegen des Aufrufs, das im Folgenden ausgeführt wird, ist das Einklagen eines „demokratischen Dialogs“. „In aller Öffentlichkeit, gemeinsam und im ganzen Land“ sollte über die wichtigen Fragen nachgedacht und gesprochen werden. Das Neue Forum wollte eine „politische Plattform“ für diesen als notwendig beschriebenen Dialog sein und rief alle Bürgerinnen und Bürger der DDR auf, an der „Umgestaltung unserer Gesellschaft“ mitzuarbeiten und dem Neuen Forum beizutreten.

Aktivitäten bis zur Volkskammerwahl am 18. März 1990[edit]

Am 19. September 1989 meldete das Neue Forum die Gründung der Vereinigung entsprechend einer DDR-Verordnung in elf der 15 DDR-Bezirken an. Zwei Tage später wurde über die staatliche Nachrichtenagentur ADN das Neue Forum als verfassungs- und staatsfeindlich beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 3.000 Menschen den Aufruf unterschrieben. Am 25. September wurde der Antrag auf Zulassung offiziell mit der Begründung abgelehnt, es bestehe keine gesellschaftliche Notwendigkeit für eine derartige Vereinigung. In Regierungskreisen wurde der Gründungsaufruf wie folgt interpretiert: „Es sei ein gefährliches Oppositionspapier, weil es zu 70 Prozent die Probleme der Bevölkerung benenne und nur zu 30 Prozent ein Angriff auf die DDR sei.“ [Der Spiegel 17/1990, S. 78] Bis Ende des Jahres unterschrieben den Aufruf etwa 200.000 DDR-Bürger. Das Neue Forum hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 10.000 feste Mitglieder.

Das Neue Forum hatte ein hohes Maß an Mobilisierungswirkung. Der Protest auf den Straßen, die Montagsdemonstrationen, aber darüber hinaus nahezu täglich mehrere Demonstrationen in der gesamten DDR und viele Veranstaltungen wurden erheblich durch das Neue Forum und seine Bindungskraft getragen. Außerdem wurde damit begonnen, Strukturen aufzubauen: Kontaktadressen wurden verteilt, es bildeten sich regionale und überregionale Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen, Sprecher wurden gewählt, politische Forderungen wurden gestellt. Die meisten bestimmenden Akteure des Neuen Forums sahen das Ziel ihres Wirkens in Veränderungen in der DDR. Sie strebten kein kapitalistisches Gesellschaftssystem an und gingen von der Zweistaatlichkeit Deutschlands aus. „Wiedervereinigung“ war für sie kein Thema.

Von Dezember 1989 bis März 1990 arbeitete das Neue Forum mit Vertretern am Zentralen Runden Tisch und (teilweise länger) an lokalen Runden Tischen mit, die mit einer Vielzahl von Forderungen an die bestehende DDR-Regierung und die entsprechendem kommunalen politischen Entscheidungsträger herantraten und die politische Entwicklung in dieser Zeit wesentlich mitbestimmten. Von Februar bis März 1990 stellte das Neue Forum mit Sebastian Pflugbeil einen Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung unter Hans Modrow.

Da die politische Ausrichtung des Neuen Forums zunächst relativ unbestimmt war, organisierte sich im Neuen Forum ein breites politisches Spektrum an Mitgliedern mit unterschiedlichen Auffassungen. Die Streitfrage, ob man eine Partei bilden oder eine Bürgerbewegung bleiben solle, kulminierte Ende 1989 in verschiedenen Aufrufen zur Gründung einer Partei aus dem Forum heraus. Am 27. und 28. Januar 1990 spalteten sich nach langen Debatten etwa ein Viertel der Anhänger, vor allem Mitglieder aus den Südbezirken der DDR, als Deutsche Forumpartei (DFP) vom Neuen Forum ab, deren Vorsitzender Jürgen Schmieder wurde. Die DFP ging mit der Wiedervereinigung in der FDP auf.

Die Wahlen 1990[edit]

Das Neue Forum behielt seine basisdemokratischen Strukturen bei und schloss sich im Februar 1990 mit den Bürgerbewegungen Demokratie jetzt und Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) zum Wahlbündnis Bündnis 90 zusammen. Bei der Volkskammerwahl am 18. März erhielt das Bündnis 90 dann 2,9 % der Stimmen und stellte 12 Abgeordnete im Parlament. Gemeinsam mit den Abgeordneten der Grünen Partei der DDR gründeten sie die Fraktion Bündnis 90/Grüne. In ihr saßen für das Neue Forum Joachim Gauck, Gotthilf Matzat, Dr. Hans-Ulrich Meisel, Rainer Pietsch, Prof. Jens Reich, Werner Schulz und Hans-Jochen Tschiche. Die Fraktion sprach sich sehr vehement gegen die ihrer Meinung nach zu schnelle Währungsreform und Vereinigung mit der Bundesrepublik aus.

Bei den ersten ostdeutschen Landtagswahlen war das Neue Forum teilweise erfolgreich: In Mecklenburg-Vorpommern, wo es allein antrat, scheiterte es mit 2,9 % zwar an der Fünfprozenthürde; In Sachsen-Anhalt gelang ihm allerdings in einer Listenverbindung mit anderen Bürgerbewegungen und den Grünen mit 5,3 % und sechs Abgeordneten der Einzug, ebenso bei den Landtagswahlen in Sachsen, wo die Listenverbindung 5,6 % und zehn Sitze erreichte. In Thüringen bildete es mit den Grünen und „Demokratie jetzt“ eine Listenverbindung, die 6,5 % und sechs Sitze erhielt. In Brandenburg erreichte es in einer Listenverbindung mit „Demokratie jetzt“ 9,2 % und sechs Sitze.

Zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 nach der Wiedervereinigung am 2. Dezember trat das Neue Forum zusammen mit Demokratie jetzt, IFM, dem Unabhängigen Frauenverband (UFV) und der inzwischen gesamtdeutschen Partei Die Grünen in der Listenvereinigung Bündnis 90/Grüne - BürgerInnenbewegung (B90/Gr) an. Der achtköpfigen Bundestagsgruppe, die nur Abgeordnete aus den östlichen Bundesländern enthielt, da die West-Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren, gehörten für das Neue Forum Werner Schulz und Ingrid Köppe an.

Entwicklung nach der Wende[edit]

Das Bündnis 90, das bis zu diesem Zeitpunkt nur verschiedene Wahlbündnisse bezeichnete, gründete sich in der Folgezeit als Partei neu. In ihm schlossen sich Demokratie jetzt, IFM und ein Teil des Neuen Forums zusammen, bevor sich Bündnis 90 dann 1993 mit den Grünen zur neuen Partei Bündnis 90/Die Grünen vereinigte.

Ein Teil des Neuen Forums wollte diese Vereinigung, insbesondere den Weg zur Partei nicht mitgehen. So blieb das Neue Forum als Organisation erhalten, hat aber heute nur noch sehr geringe Bedeutung. Bei der Europawahl im Jahr 1994 trat das Neue Forum an und erzielte dort ein Ergebnis von 0,3%. Vereinzelt trat das Neue Forum in der Folgezeit noch bei ostdeutschen Landtagswahlen an, erzielte dabei allerdings keine nennenswerten Erfolge, so am 19. September 1999 bei der Landtagswahl in Sachsen 0,2 %. Zuletzt trat das Neue Forum zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen am 17. September 2006 an.

Vereinzelt ist das Neue Forum in kommunalen Gremien vertreten. Zur Zeit ist es mit je einem Sitz in den Stadträten von Halle (Saale) und Leipzig (dort in Fraktionsgemeinschaft mit der FDP), sowie in der Gemeindevertretung von Schöneiche bei Berlin vertreten. In den Landkreisen Anhalt-Zerbst (2 Sitze) und Merseburg-Querfurt ist das Neue Forum im Kreistag vertreten.

bekannte Mitglieder[edit]

  • Bärbel Bohley
  • Martin Böttger
  • Joachim Gauck
  • Ingrid Köppe
  • Sebastian Pflugbeil
  • Jens Reich
  • Reinhard Schult
  • Werner Schulz
  • Harald Terpe
  • Benutzer:X ;-)

Literatur[edit]

  • "Sie haben solange das Sagen, wie wir es dulden." Briefe an das Neue Forum. Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. Berlin, 1999, ISBN 3-9804920-3-6
  • Katja Havemann, Joachim Widmann:Robert Havemann oder Wie die DDR sich erledigte. Ullstein Heyne List Verlag München, 2003, ISBN 3-550-07570-7

Kategorie:Geschichte