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Mumia Abu Jamal
Mumia Abu-Jamal (* als Wesley Cook am 24. April 1954 in Philadelphia, Pennsylvania) ist ein US-Amerikaner, der 1982 in Philadelphia wegen Mordes an einem Polizisten sowie wegen Schusswaffenbesitzes angeklagt, für schuldig befunden und zum Tode verurteilt wurde. Er befindet sich seitdem in Haft, seit 1995 im Hochsicherheitsgefängnis SCI-Greene bei Waynesburg, Pennsylvania. Davor war er als Journalist, Politaktivist und zuletzt als Taxifahrer tätig. Die Tat- und Prozessumstände, in der Haft verfasste Artikel, Redebeiträge und Buchveröffentlichungen und ein weltweites Netzwerk von Unterstützern haben weltweit Aufsehen erregt. Revisionen des Schuldspruchs und der Verurteilung wurden bereits in den 1990er Jahren mehrfach abgelehnt. Das Todesurteil wurde am 27. März 2008 aufgehoben. Am 6. April 2009 wurde der ursprüngliche Schuldspruch durch den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten bestätigt[1]. Eine Anhörung zum Strafmaß, insbesondere zur Wiederansetzung der Todesstrafe steht noch aus[2]. Abu Jamals Anhänger und Verteidiger versuchen nach wie vor eine Freilassung zu erreichen.
Contents
- 1 Leben vor der Inhaftierung
- 2 Ereignisse von 1981 und erster Gerichtsprozess
- 3 Spätere Aussagen zum Tathergang
- 4 Juristischer Fortgang
- 5 Einfluss auf die Stadtpolitik in Philadelphia
- 6 Zeittafel
- 7 Politische Arbeit aus der Haft
- 8 Unterstützer und Gegner
- 9 Auszeichnungen
- 10 Quellen
- 11 Werke
- 12 Literatur
- 13 Film
- 14 Weblinks
Leben vor der Inhaftierung[edit]
Abu-Jamal wuchs mit einem Zwillingsbruder und einem jüngeren Bruder auf. Sein Vater starb, als er neun Jahre alt war[3]. In Abu Jamals Heimatstadt Philadelphia kam es bereits 1964 zu gravierenden Rassenunruhen. Dies gab mit einen Anstoß zur Bürgerrechtsbewegung und führte zu einer erheblichen Politisierung der schwarzen Gemeinde Philadelphias. Abu-Jamal wurde durch seine Teilnahme an einer Gegendemonstration zur Präsidentschaftskandidatur George Wallace' 1968 und das dabei erlebte rassistische Verhalten der Polizei politisch aktiv. Er begann 1968, im Alter von 14 Jahren, als Hilfspressesprecher in der Black Panther Party von Philadelphia zu arbeiten. Im Zusammenhang mit der Überwachung der BPP im Rahmen des (damals geheimen) COINTELPRO-Programms der US-Bundespolizei wurde Abu-Jamal bereits 1969 miteinbezogen[4]. Später wurde unter anderem von Amnesty International Vermutungen laut, dass Jamals politisches Engagement wie rassistische Vorbehalte offizieller Stellen Einfluss auf das spätere Mordverfahren hatten[5]. Ein Zitat Mao Tsetungs („Macht erwächst aus dem Lauf eines Gewehrs“) in einem Interview Abu-Jamals aus der Zeit wurde später vor Gericht als Beleg einer militanten Gesinnung gegen ihn[6] verwendet. Der Name Mumia stammt von einem Swahili-Kurs, den er 1968 an der Schule belegte, der Lehrer hatte den Schülern afrikanische Namen aus dem Umfeld des kenianischen Mau-Mau-Aufstandes[7] gegeben. Wegen der Verbreitung militanter Flugblätter der Panther handelte er sich einen Schulverweis ein[8]. Den Nachnamen „Abu-Jamal“ („Vater des Jamal“) nahm er nach der Geburt seines ersten Sohnes 1971 an[7]. 1971/72 trat er im Streit[9] bei den Black Panthers aus.
1974, im Alter von 19 Jahren, heiratete er Biba, die Mutter seines Sohnes, kurz vor der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter. Die Ehe hielt nicht lange. Mit seiner zweiten Frau Marilyn hatte er 1978 einen weiteren Sohn. Nach seiner zweiten Scheidung[10] begann er mit seiner dritten Ehefrau Wadiya zusammenzuleben, die auch nach wie vor zu seinen Unterstützern[11] zählt.
Abu-Jamal begann nach dem Austritt bei den Panthern die militante grünanarchistische Gruppierung MOVE[12] und deren charismatischen Anführer John Africa zu unterstützen.
Abu-Jamal leitete zeitweise das lokale Chapter der Association of Black Journalists in Philadelphia und war beim lokalen Chapter der Marijuana Users Association of America tätig[8]. Abu-Jamals Auftreten mit Dreadlocks erregte damals noch Aufsehen. Aufgrund seiner Radiostimme, einem sonoren Bariton, seiner Eloquenz und Leidenschaft und gut vorbereiteter Radiointerviews wurde er in Philadelphia bekannt[8]. Auch wenn er eng mit militanten Gruppen zusammenarbeitete, galt er persönlich als friedlicher und zuvorkommender Mensch[8]. Vor dem Zeitpunkt der Tat hatte er allerdings seinen Job bei dem Radiosender WHYY in Philadelphia aufgeben müssen[12] und arbeitete vor allem als Taxifahrer.
Ereignisse von 1981 und erster Gerichtsprozess[edit]
Am 9. Dezember 1981 hielt der irischstämmige[13][14] Polizist Daniel Faulkner Abu-Jamals Bruder William Cook an, nachdem dieser ohne Licht falsch durch eine Einbahnstraße gefahren war. Faulkner hatte per Funk bereits Verstärkung angefordert und versuchte dem widerspenstigen Fahrer Handschellen anzulegen. Der Anklage zufolge tauchte Abu-Jamal in dem Augenblick, als Faulkner mit dessen Bruder rangelte, an der Straßenkreuzung auf und schoss dem Polizisten in den Rücken. Dieser drehte sich um und feuerte einmal zurück, bevor er hinfiel. Obwohl getroffen, sei Abu-Jamal auf den inzwischen am Boden liegenden Faulkner zugegangen, über ihn getreten und habe seine Waffe leergeschossen, wobei ein Schuss Faulkner aus nächster Nähe in dessen Kopf traf und tötete[15]. Drei von der Anklage genannte Augenzeugen bestätigten Abu-Jamals Tatbeteiligung bzw. seine unmittelbare Anwesenheit während der Tat[16].
Abu-Jamal wurde Sekunden später in unmittelbarer Nähe des Tatortes durch die von Faulkner zuvor herbeigerufenen Polizisten verhaftet. Bei Abu-Jamal wurde ein auf ihn zugelassener Revolver der Marke Charter Arms mit kurzem Lauf und fünf Patronenkammern sichergestellt[9]. Die gefundenen Kugeln stimmten in Bezug auf Hersteller, Typ und Kaliber mit den recht seltenen Patronenhülsen in Abu-Jamals leergeschossener Waffe sowie mit den Charakteristiken des Laufs seiner Waffe überein[17]. Durch die Weltpresse ging das Gerücht, die Kugeln seien nicht vom selben Kaliber gewesen wie Abu-Jamals Munition. Diese Theorie geht auf eine unverbindliche Notiz des gerichtsmedizinischen Assistenten zurück, der Faulkner obduzierte und nicht gewusst habe, dass '+P'-Geschosse sich beim Aufprall ausdehnten und dadurch größer wirkten[15]. Die Verteidigung ließ kein eigenes Gutachten anfertigen. Die Kugel in Abu-Jamals Körper stammte aus der Waffe des Polizisten. Mehrere Zeugen identifizierten Abu-Jamal unabhängig voneinander als den Mann, der auf Daniel Faulkner geschossen hatte[9].
Nach einem von Tumulten geprägten Prozess, bei dem Abu-Jamal wegen Beleidigungen und Drohungen mehrmals des Gerichtssaales verwiesen wurde und bei dem sein Bruder die Aussage verweigerte, obwohl er das Tatgeschehen aus nächster Nähe beobachtet hatte[9], wurde Abu-Jamal am 3. Juli 1982 des Mordes an Daniel Faulkner einstimmig für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Während des Prozesses bestand Abu-Jamal zunächst darauf, sich selbst zu verteidigen und verlangte später den MOVE-Anführer und juristischen Laien John Africa als Verteidiger zuzulassen, was rechtlich völlig ausgeschlossen war. Kritiker halten dies für einen zentralen Fehler Abu-Jamals[12]. Aufgrund seines Verhaltens im Gerichtssaal wurde ihm Anthony Jackson, ein erfahrener Anwalt, der von der Black Journalists Association empfohlen worden war, als Pflichtverteidiger zugestellt[12].
Die Unparteilichkeit des Richters Sabo ist von den Verteidigern Mumia Abu-Jamals in Frage gestellt worden. Sie begründen dies mit dem Prozessverlauf, der ihrer Meinung nach zu Lasten des Angeklagten verlief und auf die Aussage eines Gerichtsbeamten, der von dem Richter gehört haben will: "Ich werde ihnen helfen, diesen Neger zu grillen" (Zeugenaussage von Terri Maurer-Carter: "Yeah, and I m going to help them fry the nigger.")
Spätere Aussagen zum Tathergang[edit]
Im Jahr 1999 gestand der Berufskiller Arnold Beverly, das Verbrechen als Fahrgast von Jamals Bruder im Auftrage der Mafia begangen zu haben. Abu-Jamal hatte mittlerweile ein Team von Anwälten zur Unterstützung. Sie nahmen aber Abstand davon, das Geständnis Arnold Beverlys in ihren Eingaben zu verwenden. Zum selben Zeitpunkt begann auch Abu-Jamals Bruder William Cook sein Schweigen zu brechen. Er behauptete, [18]Kenneth Freeman, ein später in Zusammenhang mit der gewaltsamen Räumung eines MOVE-Gebäudes tot aufgefundener Mann, sei zum Tatzeitpunkt sein Fahrgast und während des Mordes anwesend gewesen[19]. Diese Aussagen gingen ebenfalls durch die Weltpresse, aber gelten auch unter Abu-Jamals Unterstützern mittlerweile als widersprüchlich und haltlos und wurden im weiteren Verfahren nicht verwendet.
Mumia Abu-Jamal hat sich erst nach fast 20 Jahren (am 3. Mai 2001) in Form einer eidesstattlichen Erklärung [20] zu den Geschehnissen geäußert. Darin behauptet er, er sei nach dem Beginn der Schießerei – an der er nicht beteiligt gewesen sei – über die Straße gelaufen, sei von einem Polizisten angeschossen worden und könne sich ab diesem Zeitpunkt an nichts mehr erinnern.
Zahlreiche Autoren widersprechen dieser Darstellung in der einen oder anderen Weise, da sie im Detail mit keiner der Zeugenaussagen übereinstimmen könne.[21] Abu-Jamal unterließ es auch, sich in dieser Erklärung zu seiner Waffe zu äußern. Einigen Juristen zufolge hätte er mit einer entsprechenden Klärung des Tathergangs eine Anklage wegen Mordes in besonders schwerem Fall (first degree murder) zugunsten von Totschlag (voluntary manslaughter) vermeiden können[9].
Juristischer Fortgang[edit]
Im Dezember 2001 hob der zuständige Bundesrichter Yohn aus Philadelphia das Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers vorläufig auf. Gleichzeitig lehnte er den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und die Anhörung aller neuen Beweise für Jamals Unschuld ab. Der Schuldspruch blieb also bestehen und die Staatsanwaltschaft beantragte sofort die erneute Verhängung der Todesstrafe. Der Fall ist weiterhin gerichtsanhängig und eine höchstrichterliche Entscheidung steht aus.
Am Donnerstag, den 17. Mai 2007, kam es um 9:30 Uhr Ortszeit zu einer mündlichen Anhörung vor dem 3. Bundesberufungsgericht in Philadelphia. Verteidigung und Staatsanwaltschaft waren aufgefordert, sich zu ihren Anträgen befragen zu lassen. Der Verteidigung ging es darum, den im Juli 1982 erfolgten Schuldspruch wegen vorsätzlichen Mordes aufheben zu lassen, weil er wegen der nach ihrer Ansicht rassistischen Verhandlungsführung des damaligen Richters und des Bezirksstaatsanwalts gegen die US-Verfassung und internationale Menschenrechtsgarantien verstoße. [22] Damit sollten zwei weitere Punkte thematisiert werden, die für diese Anhörung Ende 2006 ebenfalls zur Erläuterung durch die Verteidigung vom Gericht zugelassen wurden. Die Staatsanwaltschaft fordert weiterhin die Todesstrafe und hatte zwischenzeitlich beantragt, dass sich das 3. Bundesberufungsgericht für befangen erklärt. Am 10. März 2007 erteilte das Bundesgericht der Staatsanwaltschaft eine scharfe Rüge wegen ihres unsachgemäßen Vorgehens und teilte mit, es werde sich mit dem Antrag nicht inhaltlich befassen.
Am 27. März 2008 hob ein Berufungsgericht in Philadelphia das Todesurteil gegen Abu-Jamal auf. Die Verurteilung wegen Mordes an einem Polizisten 1981 hielten die Bundesrichter aber aufrecht, den Wunsch des Verurteilten nach einer Neuauflage des Prozesses wiesen sie ab. Bei einer Anhörung vor Gericht soll aber entschieden werden, ob die Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt wird.[23]
Am 27. Juni 2008 beantragte der Verteidiger Abu-Jamals beim US-Bundesberufungsgericht die Wiederaufnahme des Verfahrens, der Antrag wurde jedoch am 22. Juli 2008 abgelehnt. Die Verteidigung plant, beim Obersten Gerichtshof der USA einen Antrag für ein neues Verfahren zu stellen. Begründet wird dies mit einer rassistischen Auswahl der Geschworenen im ursprünglichen Prozess. Meldungen von einigen Medien, dass ein solcher Antrag bereits im Oktober 2008 abgelehnt worden wäre, erwiesen sich als falsch. Sie bezogen sich auf einen anderen, letztlich aber nicht entscheidenden Antrag vor dem obersten Gerichtshof [24]. Die Frist für den erneuten Antrag wurde auf den 19. Dezember 2008 festgesetzt.[25] Dieser erneute Antrag wurde auch am 19. Dezember 2008 abgegeben und am 4. Februar 2009 als rechtlich zulässig vom Obersten Gericht angenommen. [26] Am 6. April 2009 hat der U. S. Supreme Court kommentarlos ein neues Verfahren für Mumia Abu-Jamal abgelehnt. Die Entscheidung des Gerichts, ob das Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt wird, ist noch nicht ergangen. [27]
Einfluss auf die Stadtpolitik in Philadelphia[edit]
Eine hohe Verbrechens- und Mordrate, insbesondere unter Schwarzen, die gewalttätigen Auseinandersetzungen um MOVE, das langjährige Verfahren um Abu-Jamal und ein Aufsehen erregender Brutalitäts- und Korruptionsskandal innerhalb der Polizei aus dem Jahr 1990 führten zu öffentlichen Debatten in Philadelphia. Es ging dabei um eine Einäugigkeit der Polizeikräfte gegenüber Afroamerikanern wie auch Klagen über die mangelnde Bereitschaft der schwarzen Gemeinde, insbesondere der Männer, sich an der öffentlichen Sicherheit zu beteiligen.
Am 12. September 2007 rief Polizeichef Sylvester Johnson 10.000 Afroamerikaner Philadelphias auf, demonstrativ entlang der Straßen der Stadt zu patrouillieren, um Verbrechen zu verhindern. Johnson unternahm diese Aktion namens „Call to Action: 10,000 Men, It's a New Day“, um den überproportional hohen Anteil schwarzer Mordopfer zu verringern. Dennis Muhammad als lokaler Vertreter der Nation of Islam und Philadelphias Bürgermeister John F. Street unterstützten das Projekt [28]. Der Aufruf stand auch in Zusammenhang mit der u.a. beim Fall Abu-Jamal konstatierten Weigerung der schwarzen Gemeinde, mit den Sicherheitsbehörden in Philadelphia zu kooperieren oder dort mitzuarbeiten.
Zeittafel[edit]
- 1981, 9. Dezember: Faulkner wird nach einer Verkehrsüberprüfung und Gerangel mit dem Bruder Abu-Jamals erschossen, Abu-Jamal mit einer Schussverletzung am Tatort verhaftet und ins Krankenhaus gebracht
- 1982, Juni: Erster Prozess Mumia Abu-Jamals, der für schuldig befunden und zum Tod verurteilt wird
- 1989, 6. März: Der Supreme Court Pennsylvanias behandelt den Fall und weist eine Revision zurück
- 1990, 1. Oktober: Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten weist einen Antrag auf Neuaufnahme des Verfahrens (writ of certiorari) zurück
- 1995, 1. Juni: Das Todesurteil wird vom Gouverneur Tom Ridge bestätigt, aber aufgrund der laufenden Revision ausgesetzt
- 1995– Juni: Anhörung zum Todesurteil
- ?? - Der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias weist die Revision zurück
- 1999, 4. Oktober: Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten weist den Antrag auf Überprüfung dieser Entscheidung zurück (petition of certiorari)
- 1999, 13. Oktober: Zweite Bestätigung des Todesurteils durch Gouverneur Tom Ridge. Aussetzung während eines Verfahrens auf Haftüberprüfung aufgrund habeas corpus
- 2001, 18. Dezember: Das Bundesgericht des Eastern District of Pennsylvania hält die Verurteilung aufrecht aber weist die Todesstrafe zurück. Berufung beider Seiten
- 2003, Oktober: Abu-Jamal wird Ehrenbürger von Paris durch Bertrand Delanoë, regierender Bürgermeister
- 2006: Die Stadt Saint-Denis (bei Paris) benennt eine Strasse nach Jamal
- 2006, 11. November: Die Stadt Philadelphia erstattet Strafanzeige gegen Paris und Saint-Denis wegen Verharmlosung eines Verbrechens. In der Folge protestieren auch Parlamentarier des amerikanischen Kongresses.
- 2005, 6. Dezember: Ein Berufungsgericht auf Bundesebene (United States Court of Appeals for the Third Circuit) lässt vier Anträge bezüglich des Urteils des District-Gerichts zu
- 2007, 17. Mai: Einvernahme zu den Anträgen durch das Berufungsgericht
- 2008, 27. März: Aufhebung des Todesurteils, Schuldspruch bleibt bestehen
- 2008, 6. Oktober: Oberster Gerichtshof lehnt Annahme des Antrags zur Wiederaufnahme des Verfahrens ab
Politische Arbeit aus der Haft[edit]
Während seiner Inhaftierung hat Abu-Jamal seine politische Arbeit intensiviert. Erst die Ereignisse verhalfen dem vormalig nebenberuflichen Journalisten zu öffentlichem Gehör. Er veröffentlichte die Bücher Live from Death Row über das Leben im Gefängnis und Ich schreibe, um zu leben, eine Sammlung von Essays und Reflexionen über gesellschaftliches Leben und individuellen Lebenssinn. Darüber hinaus liefert er Kommentare für linke Radiosendungen und eine wöchentliche Kolumne an jedem Samstag in der linken Tageszeitung junge Welt, in welcher er "antiimperialistische" Positionen vertritt.
Unterstützer und Gegner[edit]
right|thumb|Mumia Abu-Jamal: Polizistenmörder oder Freiheitsheld?
Mumia Abu-Jamal vor der Hinrichtung zu bewahren, wurde zu einem Anliegen der verschiedensten Gruppen innerhalb der Linken, in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der Antiglobalisierungsbewegung und unter Gegnern der Todesstrafe. Die amerikanische Kommunistin Angela Davis bezeichnete Mumia Abu-Jamal 2005 als einen der einflussreichsten intellektuellen Führer der Bewegung gegen die Todesstrafe in den USA und weltweit[29] und forderte seine umgehende Freilassung. In Deutschland setzen sich u.a. Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von Amnesty International, Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, Günter Wallraff (Schriftsteller), Johano Strasser (Präsident des deutschen P.E.N.), Klaus Staeck (Präsident der Akademie der Künste (Berlin)) und der Schauspieler Rolf Becker für die Freilassung von Mumia Abu-Jamal ein.[30] [31]
Die US-amerikanische Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police (FOP) ist von der Schuld Abu-Jamals überzeugt. Im August 1999 rief die FOP auf ihrem zweijährlich stattfindenden Treffen zu einem Boykott gegen alle Personen und Organisationen, die die Freilassung Abu-Jamals forderten, auf. Um dies zu erreichen, wurde auf einer Webseite eine Liste mit den Namen dieser Personen und Organisationen veröffentlicht. Die Witwe des erschossenen Polizisten, Maureen Faulkner protestiert regelmäßig bei Veranstaltungen von Unterstützern Abu-Jamals, betreibt ein Blog für Abu-Jamals Verurteilung [32] und hat 2007 zusammen mit dem Journalisten Michael Smerconish ein Buch namen „Ermordet durch Mumia“ über den Fall aus ihrer Sicht geschrieben[33].
Zum Verfahren selbst äußerte Human Rights Watch ernsthafte Bedenken, insbesondere die starke Bezugnahme auf Abu-Jamals politische Arbeit während der Strafbemessungsphase (Human Rights Watch äußert sich jedoch nicht zur Schuldfrage). Ähnlich kritisierte Amnesty International USA ohne über die Schuld Abu-Jamals eine Aussage zu treffen, die Nichteinhaltung minimaler internationaler Standards im Bezug auf faire Verfahren wie auch die angedrohte Todesstrafe[34] [35]
Dem Time-Autor Steve Lopez zufolge wäre angesichts vielfacher rassistischer Vorfälle im Philadelphia, oberflächlich betrachtet, ein Fehlurteil nicht auszuschließen gewesen. Er unterstellt gerade deswegen den vielfältigen Unterstützern Abu-Jamals grundlegende Vorurteile und Unwissen[18]. Leonard Weinglass, dem linken Staranwalt Abu-Jamals, sei es zwar gelungen, weltweite Aufmerksamkeit und die Unterstützung von Berühmtheiten wie Paul Newman, Susan Sarandon, Ed Asner und Ossie Davis zu erreichen. Angesichts der Sachlage, den vorhandenen Beweisen, Abu-Jamals Verhalten vor Gericht wie auch der jahrzehntelangen Weigerung Abu-Jamals sowie seines Bruders, zur Klärung beizutragen[18], nutze die Herausstellung des Falls Abu-Jamal aber eher den Befürwortern der Todesstrafe und wäre völlig ungeeignet, den vorhandenen Ungerechtigkeiten in der amerikanischen Justiz abzuhelfen. Marc Cooper beschrieb die Rolle „Mumias“ in der Zeitschrift Mother Jones als eher hinderlich"[12] für die Kampagne gegen die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten. Andere Kritiker[9] halten die „Maximalforderung“ nach einem Freispruch Abu-Jamals für weder durchsetzbar noch angemessen.
Auszeichnungen[edit]
- 2001 erhielt Abu-Jamal den Erich-Mühsam-Preis der Erich-Mühsam-Gesellschaft für „Personen und Gruppen, die sich mit Zivilcourage und Idealismus für soziale Gerechtigkeit und verfolgte Minderheiten einsetzen“
- Im Oktober 2002 wurde Mumia Abu-Jamal die Ehrenmitgliedschaft der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) verliehen. [36]
- Im Oktober 2003 wurde Mumia Abu-Jamal zum Ehrenbürger von Paris ernannt. Der Bürgermeister Bertrand Delanoë erklärte in einer Pressemitteilung, dass die Auszeichnung als Erinnerung an den Kampf gegen die Todesstrafe gedacht sei, die in Frankreich 1981 abgeschafft wurde. Am 29. April 2006 wurde Abu-Jamal ebenfalls zum Ehrenbürger von Saint Denis, einer Vorstadt von Paris, ernannt. Weiterhin wurde eine neu gebaute Straße, die rue Mumia Abu-Jamal, im Stadtviertel Cristino Garcia nach ihm benannt. Gegen die Straßenumbenennung wurden in beiden Häusern des amerikanischen Kongresses Resolutionen Abgeordneter Philiadelphias (Michael Fitzpatrick und Senator Rick Santorum) eingebracht und verabschiedet[37]. Anlässlich des 25. Jahrestages der Tat 2006 wurden in Frankreich seitens eines Ortsverbands der Republikaner Philadelphias Strafanzeigen gegen die Stadtverwaltungen von St. Denis und Paris gestellt [38]. Die Ehrungen für Abu-Jamal führten zu Belastungen für die amerikanisch-französischen Beziehungen[39].
- 2008 ernannte ihn die internationale Schriftstellervereinigung P.E.N. für seine journalistische Tätigkeit während der Haft zum Mitglied.
Quellen[edit]
- ↑ Template:cite web
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- ↑ [1]'I spend my days preparing for life, not for death' (Ich verbringe meine Tage, um mich auf das Leben vorzubereiten, nicht auf den Tod). Von Laura Smith. In The Guardian 27.10.2007
- ↑ Auszüge der Akte bei whatreallyhappened.com
- ↑ http://www.amnesty.org/en/library/asset/AMR51/001/2000/en/0987a185-dfd3-11dd-8e17-69926d493233/amr510012000en.pdf] Amnesty-International-Pressemitteilung vom 17. Februar 2000, u.a. S. 24 ff
- ↑ [2] Epilogue: The Barrel of a Gun Ready to Party: Mumia Abu-Jamal and the Black Panther Party (Epilog. Der Gewehrlauf. Bereit für die Partei/Party, Abu-Jamal und die Black Panther Partei) Todd Steven Burroughs, The College of New Jersey, 2004
- ↑ 7.0 7.1 [3] Question for Mumia: Tell Me About Your Name (Frage an Mumia – Sag mir etwas über Deinen Namen), Transkription einer Radiosendung. In Prison Radio, 7.Feb. 2003
- ↑ 8.0 8.1 8.2 8.3 [4] „The Suspect – One Who Raised His Voice“, (Der Verdächtige – einer der seine Stimme erhob). Von Terry E. Johnson und Michael A. Hobbs. In The Philadelphia Inquirer, 10.12.1981
- ↑ 9.0 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 [5] The Holes in Mumia's story Activists don't seem to care that death-row radical hasn't really explained what happened that night (Die Löcher in Mumias Legende, seine Unterstützer scheinen sich nicht darum zu kümmern, dass der Todeszellenradikale nicht wirklich erklärt hat was passierte) Enzo di Matteo, in NOW, November 1999
- ↑ On a move – die Lebensgeschichte von Mumia Abu Jamal, von Terry Bisson, Atlantik Verlag Bremen, ISBN 3-926529-64-4
- ↑ The fight to save Mumia Abd-Jamal: Wadiya Jamal at NYC Rally (Der Kampf um die Rettung MAJs: Wadiya Jamal beim NYC Treffen). Von Craig Hill. In The Michigan Citizen, 6.11.1993
- ↑ 12.0 12.1 12.2 12.3 12.4 [6] What's Mumia Got to Do With It?, Marc Cooper in der Zeitschrift Mother Jones (Zeitschrift), 9. Februar 2000, Marc Cooper is a good leftist who thinks Mumia Abu-Jamal is a bad choice for poster-boy of the anti-death penalty movement. (Was hat Mumia damit zu tun? Marc Cooper ist ein aufrechter Linker, der Mumia Abu-Jamal nicht für die beste mögliche Galionsfigur (A.d.Ãœ. wörtlich „Posterboy“) der Bewegung gegen die Todesstrafe hält)
- ↑ [7] In Police and Fire Depts., a Bit o’ Brogue Survives (Bei Polizisten und Feuerwehrlern - a weng irischer Akzent bleibt), NYT, THOMAS J. LUECK 17.3.2008
- ↑ Die irische Minderheit stellte auch in Philadelphia traditionell die Mehrheit bei Polizei und Feuerwehr. Bereits im 19. Jahrhundert war es darüber hinaus zu verschiedenen Straßenschlachten zwischen Iren und Schwarzen wie auch allgemein antikatholischen Ausschreitungen gekommen, was nicht zum beiderseitigen Verständnis beigetragen hat. Vgl. Clark, Dennis. (1982). The Irish in Philadelphia: Ten Generations of Urban Experience (2nd Ed.). Philadelphia: Temple University Press. ISBN 0877222274
- ↑ 15.0 15.1 Burkhard Müller-Ullrich: Heiliger Mumia – Wie der Kulturbetrieb einem Mörder huldigt In: Ders.: Medienmärchen, S.93; München 1998
- ↑ [8] Dokumentation der Gerichtsakten zu Commonwealth vs. Mumia Abu-Jamal aka Wesley Cook, Court of Common Pleas, Philadelphia County, Criminal Trial Division 19.Juni 1982
- ↑ [9] Aussage des Waffenexperten Anthony L. Paul, S.169 der Gerichtsakten, Court of Common Pleas, Philadelphia County, Criminal Trial Division, date=23. Juni 1982
- ↑ 18.0 18.1 18.2 [10] Steve Lopez, Wrong Guy, Good Cause, (Ein unpassender Typ für ein richtiges Anliegen) Time Magazine 23.Juli 2000
- ↑ [11] Declaration of William Cook, Free Mumia Coalition, 29.April 2001
- ↑ Eidesstattliche Erklärung Mumia Abu-Jamals z.B. [12] mindfully.org oder [13] bei Revolutionary Worker ([14] deutsche Ãœbersetzung])
- ↑ Killing Time, D. Lindorff; Wettlauf gegen den Tod, M. Schiffmann
- ↑ [15] »Breaking News«: Mündliche Anhörung im Fall Mumia Abu-Jamal am 17. Mai 2007, Freedom Now Online Bulletin des IVK, 25. März 2007
- ↑ [16] afp-Artikel zur Aufhebung des Todesurteils (27. März 2008)]
- ↑ Indymedia: Die "Mumia Ausnahme": gestern vor dem S.C. in Internet: http://de.indymedia.org/2008/10/228868.shtml
- ↑ Aktuelle Stellungnahme des Verteidigers Robert R. Bryan, San Francisco vom 18. Oktober 2008
- ↑ Aktuelle Stellungnahme von Rechtsanwalt Robert R. Bryan
- ↑ Meldung auf freedom-now.de
- ↑ [17] 14.9.2007 nydailynews.com, Black men urged to help Philadelphia police to reduce crime, Aufruf an die schwarzen Männer, Verbrechen in Philiadelphia zu verringern
- ↑ [18] Angela Davis über »wirkliche Demokratie«, 8. Januar 2005, deutsche Wiedergabe einer Rede von Angela Y. Davis auf der von der Zeitschrift Junge Welt ausgerichteten Rosa Luxemburg Konferenz in Berlin
- ↑ »Gewinnt die Staatsanwaltschaft, wird Mumia binnen eines Jahres tot sein«Neues Deutschland vom 5. November 2008
- ↑ Berliner Akademie der Künste: »Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal«
- ↑ http://www.danielfaulkner.com/newsarticles/others/slaincopswidow/slaincopswidow.html] Kampagne von Maureen Faulkner
- ↑ [19]„Murdered by Mumia: A Life Sentence of Pain, Loss, and Injustice“ (Ermordet durch Mumia-Lebenslänglich Schmerz, Verlust und Ungerechtigkeit), Website zum Buch von Maureen Faulkner]
- ↑ [20] USA: Mumia Abu-Jamal -- Amnesty International calls for retrial(AI fordert Wiederaufnahme); AI Index: AMR 51/020/2000; 17 February 2000
- ↑ [21] A Life in the Balance – The case of Mumia Abu-Jamal (Leben in der Schwebe, Der Fall Mumia Abu-Jamal); Report von Amnesty International
- ↑ [22] Mit geeinter Kraft nach vorn, junge Welt, 7. Oktober 2002
- ↑ [23] [www.govtrack.us/congress/bill.xpd?bill=sc109-102] [24] Resolutionen und Abstimmung gegen die Straßenumbenennung, 19.Mai 2006
- ↑ Republican Ward Executive Committee Files Criminal Charges Against Cities of Paris and Suburb for 'Glorifying' Infamous Philadelphia Cop-Killer (OV Vorstand der Republikaner bringt Strafanzeigen gegen Paris und eine Vorstadt ein, Grund die Glorifizierung eines Polizistenmörders). Von Republican Ward Executive Committee - City of Philadelphia. 11. Dezember 2006 [25]
- ↑ [26] Fernes Echo. Eine Straße in Paris sorgt für Aufregung drüben in Washington: Sie ist nach einem schwarzen Todeskandidaten benannt. Von Stefan Simons. Der Spiegel. 26.6.2006
Werke[edit]
- Mumia Abu-Jamal: … aus der Todeszelle, Bremen, Atlantik 1996, ISBN 3926529199
- Mumia Abu-Jamal: Ich schreibe um zu leben, Bremen, Atlantik 1997, ISBN 3926529202
- Mumia Abu-Jamal: Das Imperium kennt kein Gesetz, Bremen, Atlantik 2002, ISBN 3-926529-59-8
- Mumia Abu-Jamal: We want freedom – Ein Leben in der Black Panther Party, Bremen, Atlantik 2004, ISBN 3926529652
Literatur[edit]
- Archiv '92/ Kampagne Mumia Abu-Jamal: free Mumia, Bremen, Atlantik 2002, ISBN 3-926529-61-X
- Terry Bisson: on a move, Bremen, Atlantik 2002, ISBN 3-926529-64-4
- Burkhard Müller-Ullrich: Heiliger Mumia – Wie der Kulturbetrieb einem Mörder huldigt In: Ders.: Medienmärchen, S.91-103; München 1998, ISBN 3442755328
- Michael Schiffmann: Wettlauf gegen den Tod. Mumia Abu-Jamal – Ein schwarzer Revolutionär im weißen Amerika, Wien, Promedia 2006, ISBN 3-85371-258-4
- Leonard Weinglass: Freiheit für Mumia, Bremen, Atlantik 1997, ISBN 392652930X
Film[edit]
Der britische Filmemacher Will Francome drehte einen Dokumentarfilm „In prison my whole life“ unter der Regie von Marc Evans und Colin Firth als ausführender Produzent, über Mumia Abu-Jamal und die Solidaritätsbewegung für seine Freilassung, der auch auf der Berlinale 2008 gezeigt wurde.