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Manifest gegen die Arbeit/Die Aufhebung der Arbeit

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Bücher
in der Anarchopedia
Manifest gegen die Arbeit
  1. Die Herrschaft der toten Arbeit
  2. Die neoliberale Apartheidsgesellschaft
  3. Die neo-sozialstaatliche Apartheid
  4. Zuspitzung und Dementi der Arbeitsreligion
  5. Arbeit ist ein gesellschaftliches Zwangsprinzip
  6. Arbeit und Kapital sind die beiden Seiten derselben Medaille
  7. Arbeit ist patriarchale Herrschaft
  8. Arbeit ist die Tätigkeit der Unmündigen
  9. Die blutige Durchsetzungsgeschichte der Arbeit
  10. Die Arbeiterbewegung war eine Bewegung für die Arbeit
  11. Die Krise der Arbeit
  12. Das Ende der Politik
  13. Die kasinokapitalistische Simulation der Arbeitsgesellschaft
  14. Arbeit läßt sich nicht umdefinieren
  15. Die Krise des Interessenkampfes
  16. Die Aufhebung der Arbeit
  17. Ein Programm der Abschaffungen gegen die Liebhaber der Arbeit
  18. Der Kampf gegen die Arbeit ist antipolitisch

Kategorie:Manifest gegen die Arbeit

16. Die Aufhebung der Arbeit
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Der kategoriale Bruch mit der Arbeit findet keine fertigen und objektiv bestimmten gesellschaftlichen Lager vor wie der systemimmanent beschränkte Interessenkampf. Er ist ein Bruch mit der falschen Sachgesetzlichkeit einer "zweiten Natur", also nicht selber wieder ein quasi-automatischer Vollzug, sondern negatorische Bewußtheit - Verweigerung und Rebellion ohne irgendein "Gesetz der Geschichte" im Rücken. Ausgangspunkt kann kein neues abstrakt-allgemeines Prinzip sein, sondern nur der Ekel vor dem eigenen Dasein als Arbeits- und Konkurrenzsubjekt und die kategorische Weigerung, auf immer elenderem Niveau weiter so funktionieren zu müssen.

Trotz ihrer absoluten Vorherrschaft ist es der Arbeit nie gelungen, den Widerwillen gegen die von ihr gesetzten Zwänge ganz auszulöschen. Neben allen regressiven Fundamentalismen und allem Konkurrenzwahn der sozialen Selektion gibt es auch ein Protest- und Widerstandspotential. Das Unbehagen im Kapitalismus ist massenhaft vorhanden, aber in den soziopsychischen Untergrund abgedrängt. Es wird nicht abgerufen. Deshalb bedarf es eines neuen geistigen Freiraums, damit das Undenkbare denkbar gemacht werden kann. Das Weltdeutungsmonopol des Arbeits-Lagers ist aufzubrechen. Der theoretischen Kritik der Arbeit kommt dabei die Rolle eines Katalysators zu. Sie hat die Pflicht, die herrschenden Denkverbote frontal anzugreifen und ebenso offen wie klar auszusprechen, was sich niemand zu wissen traut und viele doch spüren: Die Arbeitsgesellschaft ist definitiv am Ende. Und es gibt nicht den geringsten Grund, ihr Hinscheiden zu bedauern.

Erst die ausdrücklich formulierte Kritik der Arbeit und eine entsprechende theoretische Debatte können jene neue Gegenöffentlichkeit schaffen, die unabdingbare Voraussetzung dafür ist, daß sich eine praktische soziale Bewegung gegen die Arbeit konstituiert. Die Binnenstreitereien innerhalb des Arbeits-Lagers haben sich erschöpft und werden immer absurder. Umso dringender ist es, die gesellschaftlichen Konfliktlinien neu zu bestimmen, entlang derer sich ein Bündnis gegen die Arbeit formieren kann.

Es gilt also in groben Zügen zu skizzieren, welche Zielsetzungen für eine Welt jenseits der Arbeit möglich sind. Das Programm gegen die Arbeit speist sich nicht aus einem Kanon positiver Prinzipien, sondern aus der Kraft der Negation. Ging die Durchsetzung der Arbeit mit der umfassenden Enteignung der Menschen von den Bedingungen ihres eigenen Lebens einher, so kann die Negation der Arbeitsgesellschaft nur darin bestehen, daß sich die Menschen ihren gesellschaftlichen Zusammenhang auf höherem historischen Niveau wieder aneignen. Die Gegner der Arbeit werden deshalb die Bildung weltweiter Verbünde frei assoziierter Individuen anstreben, die der leerlaufenden Arbeits- und Verwertungsmaschine die Produktions- und Existenzmittel entreißen und sie in die eigene Hand nehmen. Nur im Kampf gegen die Monopolisierung aller gesellschaftlichen Ressourcen und Reichtumspotentiale durch die Entfremdungsmächte von Markt und Staat lassen sich soziale Räume der Emanzipation erobern.

Dabei ist auch das Privateigentum auf eine neue und andere Weise anzugreifen. Für die bisherige Linke war das Privateigentum nicht die juristische Form des warenproduzierenden Systems, sondern lediglich eine ominöse subjektive "Verfügungsgewalt" der Kapitalisten über die Ressourcen. So konnte der absurde Gedanke entstehen, das Privateigentum auf dem Boden der Warenproduktion überwinden zu wollen. Als Gegensatz zum Privateigentum erschien daher in der Regel das Staatseigentum ("Verstaatlichung"). Der Staat aber ist nichts als die äußerliche Zwangsgemeinschaft oder abstrakte Allgemeinheit der sozial atomisierten Warenproduzenten, das Staatseigentum somit nur eine abgeleitete Form des Privateigentums - egal, ob es mit dem Adjektiv "sozialistisch" versehen wird oder nicht.

In der Krise der Arbeitsgesellschaft wird das Privateigentum ebenso wie das Staatseigentum obsolet, weil beide Eigentumsformen gleichermaßen den Verwertungsprozeß voraussetzen. Eben deshalb liegen die entsprechenden sachlichen Mittel zunehmend brach und bleiben verschlossen. Und eifersüchtig wachen die staatlichen, betrieblichen und juristischen Funktionäre darüber, daß dies so bleibt und die Produktionsmittel eher verrotten als für einen anderen Zweck eingesetzt zu werden. Die Eroberung der Produktionsmittel durch freie Assoziationen gegen die staatliche und juristische Zwangsverwaltung kann daher nur bedeuten, daß diese Produktionsmittel nicht mehr in der Form der Warenproduktion für anonyme Märkte mobilisiert werden.

An die Stelle der Warenproduktion tritt die direkte Diskussion, Absprache und gemeinsame Entscheidung der Gesellschaftsmitglieder über den sinnvollen Einsatz der Ressourcen. Die unter dem Diktat des kapitalistischen Selbstzwecks undenkbare gesellschaftlich-institutionelle Identität von Produzenten und Konsumenten wird hergestellt. Die entfremdeten Institutionen von Markt und Staat werden abgelöst durch ein gestaffeltes System von Räten, in denen vom Stadtteil bis zur Weltebene die freien Assoziationen nach Gesichtspunkten sinnlicher, sozialer und ökologischer Vernunft über den Fluß der Ressourcen bestimmen.

Nicht mehr der Selbstzweck von Arbeit und "Beschäftigung" bestimmt das Leben, sondern die Organisation des sinnvollen Einsatzes von gemeinsamen Möglichkeiten, die durch keine automatische "unsichtbare Hand" gesteuert werden, sondern durch bewußtes gesellschaftliches Handeln. Der produzierte Reichtum wird direkt nach Bedürfnissen angeeignet, nicht nach "Zahlungsfähigkeit". Zusammen mit der Arbeit verschwindet die abstrakte Allgemeinheit des Geldes ebenso wie diejenige des Staates. An die Stelle der getrennten Nationen tritt eine Weltgesellschaft, die keine Grenzen mehr benötigt, in der sich jeder Mensch frei bewegen und an jedem beliebigen Ort das universelle Gastrecht beanspruchen kann.

Die Kritik der Arbeit ist eine Kriegserklärung an die herrschende Ordnung, keine friedliche Nischen-Koexistenz mit deren Zwängen. Die Parole der sozialen Emanzipation kann nur lauten: Nehmen wir uns, was wir brauchen! Kriechen wir nicht länger auf Knien unter das Joch der Arbeitsmärkte und der demokratischen Krisenverwaltung! Die Voraussetzung dafür ist die Kontrolle neuer sozialer Organisationsformen (freier Assoziationen, Räte) über die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen der Reproduktion. Dieser Anspruch unterscheidet die Gegner der Arbeit grundsätzlich von allen Nischenpolitikern und Kleingeistern eines Schrebergarten-Sozialismus.

Die Herrschaft der Arbeit spaltet das menschliche Individuum. Sie trennt das Wirtschaftssubjekt vom Staatsbürger, das Arbeitstier vom Freizeitmenschen, das abstrakt Öffentliche vom abstrakt Privaten, die produzierte Männlichkeit von der produzierten Weiblichkeit und sie stellt den vereinzelten Einzelnen ihren eigenen gesellschaftlichen Zusammenhang als eine fremde, sie beherrschende Macht gegenüber. Die Gegner der Arbeit streben die Aufhebung dieser Schizophrenie in der konkreten Aneignung des gesellschaftlichen Zusammenhangs durch bewußt und selbstreflexiv handelnde Menschen an.


Die "Arbeit" ist ihrem Wesen nach die unfreie, unmenschliche, ungesellschaftliche,
vom Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit.
Die Aufhebung des Privateigentums wird also erst zu einer Wirklichkeit, wenn sie als Aufhebung der "Arbeit" gefaßt wird.
(Karl Marx, Über Friedrich Lists Buch "Das nationale System der politischen Ökonomie", 1845)