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Johann Most

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Johann Most (5. Februar 1846 in Augsburg - 17. März 1906 in Cincinnati/USA) war ursprünglich Sozialdemokrat, später Anarchist floh er aufgrund der Sozialistengesetze 1882 in die USA. Er war Herausgeber der deutschsprachigen Zeitschrift Freiheit.

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Hans Magnus Enzensberger über Most[edit]

Jugend[edit]

Johann Most war ein Feuerkopf. In der deutschen Arbeiterbewegung der 1870er und 1880er Jahre gab es keinen Agitator, der ihm an Leidenschaft und Courage gleichgekommen wäre. Sein rastloses Leben begann mit einer bittern Kindheit und endete in trüber Isolation. Most kam 1846 als uneheliches Kind eines verarmten Angestellten und einer Gouvernante in Augsburg zur Welt; eine verhasste Schwiegermutter hat ihn aufgezogen. Mit dreizehn Jahren musste er sich einer Gesichtsoperation unterziehen, die ihn für immer entstellte; später trug er, um seinen ausgerenkten Unterkiefer zu verbergen, stets einen langen dichten Bart. Er ging bei einem Buchbinder in die Lehre. In seinen Wanderjahren durchstreifte er Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien und die Schweiz. 1867 schloss er sich in der Schweiz der Ersten Internationalen, 1868 der sozialistischen Arbeiterbewegung Österreichs an. Sein Beruf brachte ihn früh mit den halb legalen, halb illegalen Druckern in Berührung, in deren Händen damals die Propaganda lag. Die Aufzählung seiner Verhaftungen und Gefängnisstrafen würde eine ganze Seite füllen. Im Juli 1870 wurde ihm in Wien wegen Hochverrats der Prozess gemacht; das Urteil lautete auf fünf Jahre schweren Kerkers. Schon im Februar 1871 wurde er durch eine Amnestie befreit und ausgewiesen.

Sozialdemokrat[edit]

Er ging nach Deutschland und trat dort in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ein. Zum ersten Mal redigierte er eine eigene Zeitung, die Chemnitzer Freie Presse, und zum ersten Mal leitete er eine politische Aktion, den sächsischen Metallarbeiterstreik im Herbst 1871. Die Freie Presse wurde, wie alle Zeitungen, die Most herausgab, mehrmals verboten, und Most musste Chemnitz 1873 verlassen. Ein Jahr später wurde er zum ersten, 1877 zum zweiten Mal in den Reichstag gewählt; außerdem übernahm er in diesen Jahren die Redaktion der Süddeutschen Volksstimme in Mainz, später die der Berliner Freien Presse. Zum behäbigen Funktionär war Johann Most nicht geschaffen. Seine politischen Ansichten und sein hitziges Temperament trugen ihm immer neue Verfolgungen ein. Die Immunität, die er als Abgeordneter genoss, half ihm wenig. Auf eine Rede hin, die er zum Andenken an die Pariser Kommune hielt, wurde er 1874 wegen Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung, zur Strafe für seine »gewalttätigen und zynischen Angriffe auf Patriotismus und Religion«, wieder einmal verurteilt, diesmal zu 16 Monaten Gefängnis. Während der Haft schrieb er zwei Bücher: Die Bastille am Plötzensee. Blätter aus meinem Gefängnis-Tagebuch (1876) und ein Proletarier-Liederbuch, das viele Auflagen erlebt hat.

Studium[edit]

Im Gefängnis hatte Most, wie es seine Art war, fleißig studiert; dabei war er an die Schriften des Berliner Professors Eugen Dühring geraten, die ihm gefielen; nach seiner Entlassung schrieb er darüber ein paar Artikel in der Berliner Freien Presse, in denen er allen Sozialdemokraten die Lektüre von Dührings Büchern »warm empfahl«. Der arme Most konnte natürlich nicht ahnen, auf was er sich damit eingelassen hatte; Marx und Engels ärgerten sich über seine Artikel nachhaltig, und als Most auf dem Gothaer Kongress gar gegen Engels' Anti-Dühring auftrat, stand das Urteil über ihn fest. Er war, wie Marx zu sagen pflegte, ein »Knoten«: »Die Arbeiter«, so schrieb er 1877 an Sorge, »selbst wenn sie wie Herr Most et Cons. das Arbeiten aufgeben und Literaten von Profession werden, stiften stets >theoretisch< Unheil an und sind stets bereit, sich an Wirrköpfe aus der angeblich gelehrtem Kaste anzuschließen.«

Anarchist[edit]

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Mosts Stellung in Deutschland war inzwischen unhaltbar geworden. Sein Atheismus machte ihn zum Buhmann der Öffentlichkeit, besonders seitdem er, ganz im Gegensatz zur Parteilinie, den Massenaustritt aus den Landeskirchen propagiert hatte. Kaum war im Oktober 1878 das Sozialistengesetz erlassen, wurde Most aus Berlin ausgewiesen. Er musste emigrieren. Zunächst wandte er sich nach Frankreich, aber auch dort wurde er 1879 als unerwünschter Ausländer abgeschoben. England war damals noch, was es nach wie vor zu sein glaubt: ein Land von liberalen Traditionen, und so ging Most nach London. Natürlich gab er auch dort keinen Augenblick lang Ruhe. Er gründete sofort ein eigenes Blatt, die Freiheit, und schlug immer radikalere Töne an. Es ist charakteristisch, dass die Zeitung ganz in roten Lettern gedruckt war. Was Most bewog, den letzten Rest von Zurückhaltung und Besonnenheit aufzugeben, das ist nicht schwer zu verstehen. Es war die opportunistische Haltung der deutschen Sozialdemokratie, die ihren eigenen Parteivorstand aufgelöst hatte, noch bevor das Sozialistengesetz überhaupt in Kraft getreten war. Eine ganze Reihe von Abgeordneten und Funktionären kapitulierte sogleich vor Bismarck. Nirgends war eine klare Linie zu erkennen, und an eine entschlossene Führung war nicht zu denken. Dazu kam der brutale Terror der deutschen Polizei gegen jede organisierte Regung der Arbeiter. Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass in Deutschland kleine aktionistische Gruppen entstanden, die sich gegen jede parlamentarische Politik wandten und für die direkte Aktion plädierten. Die einzige ideologische Basis, die diesen Gruppen zur Verfügung stand, war der Anarchismus, der damals in der internationalen Arbeiterbewegung, besonders in Frankreich, Italien und Spanien, eine große Rolle spielte. Die Freiheit wurde zum Sprachrohr der radikalen Gruppen in Deutschland, und Most wurde Anarchist.

Direkte Aktion[edit]

1880 schloss ihn der Kongress von Wyden aus der deutschen Sozialdemokratie aus. Auch der englischen Justiz ging Most zunehmend auf die Nerven, und es stellte sich bald heraus, dass die britische Pressefreiheit ihre Grenzen hatte. Nach dem geglückten Attentat auf den Zaren Alexander II. machte Johann Most seine Zeitung mit einer riesigen Schlagzeile auf, die aus einem einzigen blutrot gedruckten Wort bestand: »Endlich!«. Darunter schrieb Most: »Was man allenfalls beklagen könnte, das ist nur die Seltenheit des sogenannten Tyrannenmordes. Würde nur alle Monate ein einziger Kronenschuft abgetan: in kurzer Zeit sollte es keinem mehr behagen, noch fernerhin einen Monarchen zu spielen.« Sechzehn Monate Gefängnis und Zwangsarbeit waren die Quittung für diesen Stoßseufzer. Nach seiner Entlassung konnte Most sich in London nicht länger halten. 1882 schiffte er sich nach Amerika ein. Das gesellschaftliche Klima, das er dort antraf, war von dem der europäischen Länder ganz verschieden. Der Klassenkampf in den USA war nahezu theorielos und spielte sich oft in gewaltsamen Formen ab; zwischen der bewaffneten Privat-Polizei der Unternehmer und den Arbeitern kam es zuweilen zu regelrechten Schlachten. Der Einfluss des Anarchisten war erheblich, schon auf Grund der starken Einwanderung aus Italien und Russland. Most setzte augenblicklich alles daran, damit seine Zeitung in Amerika wiedererscheinen konnte. Das gelang ihm auch. Die achtziger Jahre waren eine Art Gründerzeit für die amerikanische Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaften begannen sich zu formieren. Die historische Bedeutung der Gruppen, die damals sich bildeten, sollte man nicht unterschätzen. Most nahm an dieser organisatorischen Arbeit regen Anteil. Seinem Eifer war die Gründung der International Working People's Association zuzuschreiben, die 1883 in Chicago erfolgt ist. Von Anfang an bekämpfte Most die ökonomistischen Tendenzen der amerikanischen Bewegung; er verstieg sich sogar dazu, die damals äußerst aktuelle Forderung nach dem Acht-Stunden-Tag »eine vermaledeite Angelegenheit« zu nennen, weil er einsah, dass ihre Erfüllung zur Integration der Arbeiter beitragen konnte. Most bevorzugte ganz andere Methoden. Er war unter falschem Namen in eine Sprengstoff-Firma eingetreten und hatte dort einige Monate lang gearbeitet. Die Erkenntnisse, die er in dieser Fabrik gewann, legte er in einem kleinen Buch nieder, das viel Aufsehen erregte: Die Wissenschaft der revolutionären Kriegführung. Ein Handbuch zur Anleitung im Gebrauch und in der Herstellung von Nitroglyzerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Knallquecksilber, Bomben, Zündern, Giften etc. Natürlich wurde er von neuem verhaftet und eingesperrt. Später, in den neunziger Jahren, scheint Most die Begrenzungen einer rein terroristischen Taktik erkannt zu halben; er trat für die Bildung von Betriebszellen ein und wandte sich gegen »individuelle Aktionen«, die meist von außen geführt wurden und jeden Zusammenhang mit der Arbeiterklasse vermissen ließen. Mit dieser letzten Wendung wurde Most zum Anarcho-Syndikalisten. An seiner Militanz hat das ebensowenig geändert wie an den Verfolgungen, denen er ausgesetzt war: Noch 1902 hat ihm ein Artikel zwei Monate Gefängnis eingetragen, in dem er schrieb, die Ermordung des Präsidenten McKinley sei kein Verbrechen. Doch hat ihn sein Abrücken von der Bombenwerferei manche Sympathie gekostet unter den einzigen Genossen, die ihm geblieben waren. Wie alle schwachen Gruppierungen der Linken lagen sich die amerikanischen Anarchisten fortwährend in den Haaren; jeder ihrer Zirkel bezichtigte alle andern der Abweichung von der wahren Lehre. So kam es, dass Johann Most ein völlig vereinsamter Mann war, als er 1906 in Cincinnati starb.

Werke[edit]

  • Die Gottespest (1883)
  • Kommunistischer Anarchismus
  • Die Eigentumsbestie
  • Memoiren
  • August Reinsdorf und Die Propaganda der Tat (1885)
  • Kapital und Arbeit.
  • Die freie Gesellschaft
  • Wissenschaft der revolutionären Kriegführung

Textsammlungen[edit]

  • Dokumente eines Sozialdemokratischen Agitators, Trotzdem Verlag, Dr. Volker Szmula, 4 Bände, erschienen von 1988 bis 1992, ISBN:3-922209-25-4 (163 S. mit Most-Artikeln aus seiner Frühphase in Deutschland), 3-922209-26-2 (194 S.), 3-922209-27-0 (212 S.), 3-922209-28-9 (192 S.). Most schrieb z.B. in der Chemnitzer Freien Presse, Der Volksstaat, Berliner Freie Presse und der Süddeutschen Volksstimme. 1874 erschien in der Chemnitzer Freien Presse seine Artikelserie "Die Gesellschaft der Menschenrechte", in diesen Veröffentlichungen zeigte sich Most erstmals zutiefst dem revolutionären Denekn verbunden, das sich an Bakunin und Karl Schapper orientierte. Karl Schapper begründete den kommunistischen Bildungsverein in London, der die spätere anarchistische "Freiheit" von Most herausgab
  • Die freie Gesellschaft. Die Internationale Bibliothek und Texte aus der Freiheit zum Kommunistischen Anarchismus, Klassiker der Sozialrevolte Bd. 13, Unrast Verlag, 2006
  • Anarchismus in einer Nußschale, Klassiker der Sozialrevolte Bd. 14, Unrast Verlag, 2006

Zitate[edit]

  • Wenn es einen Gott gäbe, müßte man ihn abschaffen!
  • Je mehr der Mensch glaubt, desto weniger weiss er. Je weniger er weiss, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden.

Sekundärliteratur[edit]

  • Rudolf Rocker: Johann Most. Das Leben eines Rebellen, (Berlin 1924/25), Neuauflage: Libertad Verlag: Berlin und Köln 1994, ISBN 3922226221
  • Johann Most und sein Liederbuch. Warum der Philosoph der Bombe Lieder schrieb und ein Liederbuch herausgab (inklusive Liederbuch und Liedanalyse), Tonsplitter (2005) ISBN 3936743053

Links[edit]

Kategorie:AnarchistInnen (19. Jh.)