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Gruppenmethoden - besser treffen

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Zur Frage, wie Sitzungen und Treffen die Chancen auf ein schöneres Leben erhöhen:

besser treffen[edit]


Grundidee[edit]

Ziel dieses Textes ist es, emanzipatorischen – also herrschaftskritisch wirkenden – Arbeitszusammen­hängen eine Handreichung für eine schöne, produktive und selbstorganisierte Arbeitsstruktur und –kultur zu geben.

Die Basisargumentation dabei lautet:

  1. Die Stärken der jeweiligen Vielfältigkeiten sind unbedingt zu nutzen.
  2. Vertikale Strukturen sind zwingend in horizontale zu überführen.
  3. Am wichtigsten ist die Frage, welche Haltungen zueinander eingenommen werden.
  4. 4. Methoden richtig zu nutzen, erleichtert erfolgreiches Zusammenarbeiten.

Der Text ist im Wesentlichen Ergebnis und Zusammenfassung langjähriger Praxiserfahrung. Inhalt:

A) Haltung zueinander
B) Im Vorfeld der Treffen
C) Allgemeine Hinweise zur Durchführung eines Treffens (Teilhabemöglichkeiten, Kritikfähigkeit u.a.)
D) Ablauf von Treffen – Tagesordnung
E) Aufgaben von Moderation bzw. Redeleitung
F) Aufgaben aller TeilnehmerInnen

A) Haltung zueinander[edit]

Über die folgenden Hinweise für die Gestaltung von Treffen hinaus gibt es sicher viele weitere wichtige Empfehlungen.

Am wichtigsten für angenehme und produktive Sitzungsabläufe sind jedoch keine Tipps, sondern die ein­genommene Haltung der Teilnehmenden zueinander. Ist diese geprägt durch Respekt, Wertschätzung, Kommunikation auf gleicher Augenhöhe und den Versuch, sich in die Anderen hineinzuversetzen, so lässt sich letztlich wenig falsch machen.

Ich selbst bevorzuge dafür das Bild einer „Haltung der Freundschaft“. Freundschaft ist dabei allerdings nicht im Sinne des bürgerlichen Begriffsverständnisses gemeint, sondern geht über dessen exklusives und personalisiertes Konzept deutlich hinaus.

In einem Lied von Brecht/Eisler heißt es: „Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern, er will unter sich keinen Sklaven sehen und über sich keinen Herrn“. Selbstorganisierte Zusammenhänge sind solche, die Hierarchien ausmachen – im doppelten Sinne (einerseits „erkennen“ und andererseits „ausschalten“).

Alle Teilnehmenden haben etwas mitzuteilen, haben Erfahrungen, Kenntnisse oder Fertigkeiten. Nur eine weit gehend herrschaftsfreie Diskussion ermöglicht die optimale Nutzung aller vorhandenen Kompetenzen.

Damit soziale Situationen möglichst hierarchiefrei sind, ist eine transparente Kommunikation eine zwingende Voraussetzung. Intransparente Kommunikation lässt sich z.B. an entscheidungsrelevanten Seitengesprächen erkennen, an Verweisen auf andere unklare Entscheidungsebenen, an nicht allen zugänglichen Informationen oder daran, dass sich nicht alle trauen, Fragen zu stellen. Transparente Kommunikation ist jedoch eines der zentralen Mittel, um (formelle und informelle) Hierarchien auszuhebeln sowie notwendige Voraussetzung, um Selbstorganisation zu ermöglichen.

Alle TeilnehmerInnen an einem Treffen haben eine eigene Weltsicht und Welterkenntnis. Bei allen sinnvollen Bemühungen um Vereinheitlichung ist zu gewährleisten, die Vielfalt der Anwesenden als eine wichtige Ressource anzuerkennen. Immer schon war umstritten, ob es „die“ objektive und allgemeingültige Wahrheit gibt. Letztlich ist es aber egal, ob diese philosophische Position bejaht oder verneint wird, denn entscheidend für das weitere Miteinander ist immer, was die Einzelnen denken und empfinden.

Dies soll allerdings nicht bedeuteten, dass die Zukunft in allgemeiner Beliebigkeit liegt. Das Streiten über Analysen des Bestehenden sowie über Strategien und Taktiken, ist wesentlicher Bestandteil emanzipa­torischer Praxen. Dieses ist notwendig und braucht Zeit. Es ist aber dabei wichtig, immer wieder zu prüfen, ob für gemeinsames Handeln weitere Vereinheitlichung überhaupt notwendig ist.

Einen weiteren Ausdruck findet die eingenommen Haltung im Umgang mit dem Verhältnis zwischen Ziel- und Prozessorientierung. Zielorientierung ist wichtig – alle wollen Ergebnisse erreichen. Wird ein Ziel dabei jedoch auf Kosten eines unangenehmen Entstehungsprozesses erreicht, so bedeutet dieses spätestens mittelfristig eine Schwächung des Arbeitszusammenhangs. Prozessorientierung, also das Beachten dessen, ob alle Beteiligten einen Entscheidungs- oder Diskussionsprozess mitgehen können, mag zunächst mehr Zeit erfordern, erhöht aber mittelfristig die Effizienz. Die Schwierigkeit besteht darin, Ziele zu erreichen und gleichzeitig den Prozess des Miteinander im Auge zu behalten. Schließlich werden Zusammenhänge nicht nur durch die Qualität der Argumente, sondern auch durch die Quantität der Mitwirkenden schlagkräftig. Deswegen ist die Frage „kommen alle mit?“ von zentraler Bedeutung.

B) Im Vorfeld der Treffen[edit]

Ein Treffen beginnt nicht erst mit dem konkreten Sitzungsbeginn. Bereits im Vorfeld können verschiedene Faktoren den Ablauf eines Treffens positiv beeinflussen.

Absagen sind wichtig, denn sie vermeiden Unsicherheiten bzw. Irritationen („Was ist denn mit...?“). Sie sollten möglichst im Vorfeld erfolgen (z.B. wegen möglicher Auswirkungen auf die Tagesordnung), spätestens jedoch zur Sitzung mitgeteilt werden (um Verzögerungen zu minimieren).

Im Zuge der zu begrüßenden Absicht, Dominanzen zu vermeiden, sind zuvor zusammengestellte Materialien, die bspw. nicht allen bekannte Sachverhalte zusammenstellen oder bislang bekannte Argumente zu einem Diskussionsstand zusammenzufassen, etwas aus der Mode gekommen. Solche Materialien helfen jedoch, Diskussionen zu strukturieren. Hilfreich ist, wenn sie den TeilnehmerInnen vor dem Treffen zukommen.

Eigentlich unabdingbar sind Vorlagen die eine Veröffentlichung des Arbeitszusammenhangs vor­bereiten. Auch Ergebniszusammenfassungen aus der Diskussion beauftragter Arbeitsgruppen, sind sinnvoll als Vorlage einzubringen. Demgegenüber sind aus herrschaftskritischer Sicht solche Vorlagen problematischer, die eine bestimmte Position parteiisch unterstützen. Solche Vorlagen haben keine „Lexikonfunktion“, sondern beeinflussen häufig (bewusst oder unbewusst, beabsichtigt oder unbeab­sichtigt) die Meinungsbildung im Vorfeld.

Aufgrund der investierten Arbeitszeit sind alle Vorlagen auch ein Ausdruck von Wertschätzung der Vorbereitenden. Vorlagen sollten nach Möglichkeit laut gemeinsam gelesen und Verständnisfragen gleich geklärt werden.

Sitzordnung und Raumgestaltung – Für Stimmung und Klima ist auch die Gestaltung des Raumes von Bedeutung. In einem sterilen, hässlichen Raum lässt sich schlechter diskutieren als in einem angenehmen Raumklima. Noch wichtiger ist die Sitzordnung. Die beste Form ist der Stuhlkreis in dem sich alle gegenseitig sehen können. Tische erhöhen den Abstand zwischen den Diskutierenden. Für diejenigen, die etwas aufschreiben wollen, bietet sich an, ein Klemmbrett zu benutzen.

C) Allgemeine Hinweise zur Durchführung eines Treffens[edit]

Die folgenden Hinweise sollen dazu beitragen, Treffen möglichst weit gehend hierarchiefrei und (auch insbesondere deswegen) produktiver zu gestalten.

Pünktlich beginnen – Es liegt in der Verantwortung jeder/jedes Einzelnen dieses zu ermöglichen. Dies ist nicht nur eine Frage des Ernstnehmens des Arbeitszusammenhanges sondern vor allem auch Aus­druck von Respekt und Wertschätzung. Kommt etwas anderes Unverschiebbares dazwischen, so ist zumindest dieses transparent zu machen – spätestens beim Erscheinen. Gleiches gilt auch, wenn eineR früher gehen muss. Wichtig ist auch, dass das Treffen pünktlich beendet bzw. zumindest zum verein­barten Schlusspunkt das weitere Verfahren gemeinsam neu bestimmt wird.

Die Teilnahme an unbekannten sozialen Situationen ist oft mit Gefühlen von Unsicherheit oder gar mit Ängsten verbunden. Um diese zu minimieren sowie um Wertschätzung zu zeigen, ist es gut, eine Vorstellungsrunde zu Beginn des Treffens durchzuführen. Eine Vorstellungsrunde sollte dabei mehr umfassen als „Ich heiße X“, aber möglichst vermeiden, möglichst viel Eindruck zu schinden – toll sind sowieso alle. Sinnvoll hingegen ist, die jeweiligen Erwartungen an das stattfindende Treffen zu formu­lieren. Jede Vorstellungsrunde kann zudem etwas Neues für alle bringen, wenn eine besondere Frage („Letzte Woche fand ich besonders gut, ...“, „Zuletzt im Kino war ich in ...“, „Aus dem Stehgreif wäre mein Literaturtipp für Euch ...“) – möglichst mit Begründung – in der Runde von allen beantwortet wird.

Visualisierungen erhöhen sowohl Transparenz und damit Partizipationsmöglichkeiten als auch die Fokus­sierung auf den konkreten Diskussionsgegenstand.

In jedem Fall sollte die Tagesordnung (ausführlicher dazu später) für alle sichtbar sein (Tafel, Wandzeit­ung, Flipchart etc.). Dies verbessert die Orientierung aller („Wo sind wir gerade? Was kommt noch?“) und hat positive Effekte auf die „Sitzungsdisziplin“.

Eine weitere sehr sinnvolle (möglichst ebenfalls visualisierte) Einrichtung ist ein Themenspeicher. Hier werden alle die Diskussionspunkte und Ideen notiert, die in den Sitzungen neu entstehen und einer eigenständigen ausführlicheren Diskussion bedürfen. Damit wird verhindert, dass (wichtige) Ideen und Diskussionspunkte vergessen werden. Auch beruhigt die schriftliche Fixierung den/die EinbringerIn und erhöht damit die Konzentrationsfähigkeit auf den aktuellen TOP. Weiter hilft der Themenspeicher abschweifende Diskussionen in Grenzen zu halten. Natürlich muss der Themenspeicher protokolliert werden.

Teilhabefördernde Methoden machen mehr Möglichkeiten möglich. Insbesondere für kleinere Gruppen (< 20) bieten sich z.B. folgende Methoden an: Brainstormings, Kartenfragen, Tuschelrunden, Kleingrup­pen, Blitzlichter (Rundläufe) etc. Bei größeren Gruppen empfehlen sich z.B. open space, Fishbowl-Diskus­sionen, Kleingruppen, Tuschelrunden.

Dabei sollte beachtet werden, dass Methode „regelhaftes Handeln“ bedeutet. In Rundläufen gilt so z.B., dass keine neuen Diskussionsbeiträge abgegeben werden und tatsächlich ohne Unterbrechung eine Person nach der anderen an die Reihe kommt (wobei natürlich in einem Rundlauf nicht zwingend etwas gesagt werden muss – auch schweigend weitergeben ist eine Position). Nicht methodisch korrekt verwendete Methoden erzielen oft kontraproduktive Effekte.

Zur Ergebnissicherung ist ein (zeitnahes) Protokoll wichtig. Weiter gilt, Ergebnisse einer Diskussion am Ende eines TOPs noch einmal zusammenzufassen und die Zustimmung darüber abzufragen. Aufgabe der protokollierenden Person ist es, darauf zu achten, dass dieses geschieht. Zur Ergebnissicherung gehört auch, delegierte und übernommene Arbeitsaufträge am Ende eines TOPs deutlich zu benennen und zu protokollieren. Schließlich hat die protokollierende Person die Aufgabe, die Verteilung des Protokolls zu gewährleisten.

Bei der Verteilung und Delegation von Arbeitsaufträgen und der Entwicklung von Plänen ist möglichst eine Kapazitäts- und Motivationstransparenz herzustellen. Dies soll einerseits einem, in linken Zusam­menhängen durchaus regelhaft vorkommenden, „Verheizen“ vorbeugen und andererseits die Realitäts­nähe der Planungen erhöhen.

Aus dem guten Vorsatz heraus, möglichst schnell zum Ende zu kommen, werden vielfach Pausen verges­sen. Dabei wird verkannt, dass Pausen in aller Regel letztlich den Sitzungsablauf beschleunigen, da sie nicht nur die Konzentrationsfähigkeit erhöhen, sondern auch Gelegenheit geben, Luft abzulassen. Wichtig dabei ist, dass Pausen nicht „ausfransen“. Pausen sollten gleichzeitig gemacht aber nicht zwangsläufig gemeinsam verbracht werden.

In Situationen von Konzentrationsmangel oder „dicker Luft“ können darüber hinaus kurze Spiele wach machen und entspannen. Natürlich gilt, welcheR nicht mag, spielt nicht mit.

In aller Regel werden in politischen Zusammenhängen Emotionen nicht besonders beachtet – schließlich sind wir cool und durch und durch rational... Dadurch, dass vielfach Emotionen nicht als wichtiger Hin­weisgeber genutzt werden, bleibt eine wichtige Quelle menschlichen Fortschritts unbeachtet. Emotionen haben auch in politischen Kontexten eine wichtige Funktion und verweisen z.B. auf bestehende Dissense oder Prozessstörungen.

Konfliktfähigkeit – Konflikte sind nicht unbedingt angenehm. Dass Konflikte entstehen, ist aber nicht nur Alltag, sondern auch hilfreich, denn sie können Orte mit höchstem Lernpotenzial sein. Allerdings gilt dieses nur, wenn es gelingt, diese Konflikte solidarisch und in gegenseitigem Respekt zu bearbeiten.

Störungen (z.B. Unruhe, sichtbare Kränkungen oder Desinteresse bei größeren Teilen der Teilhaben­den) haben Vorrang vor dem eigentlichen Diskussionsthema. Im Prozess sind sie wertvolle Hinweise darauf, dass „etwas“ nicht stimmt. Sehr oft ist eine Klärung hier nicht nur sehr lohnend (insbesondere für das Klima der Zusammenarbeit, aber ebenfalls zur Aufspürung inhaltlicher Differenzen), sondern auch notwendig, da ohne die Behebung der Störung die Konzentration auf den eigentlichen Diskussionspunkt geringer ist.

Feedback und Kritik zu geben bzw. zu bekommen, ist nicht leicht, aber essentiell wichtig. Es ist demzu­folge sinnvoll, zumindest am Ende eines Treffens eine Kritikrunde zu machen. Dabei ist anzuraten, nach einer solchen Kritikrunde eine Möglichkeit zum Austausch zu gewährleisten, damit Kritisierte sich kurz erklären oder benannte kritische Wahrnehmungen bestärkt werden können.

Unausgesprochene (insbesondere die von der zu kritisierenden Person dennoch „irgendwie“ bemerkte) Kritik ist mittel- und längerfristig sehr kontraproduktiv. Misstöne, die eventuell beim Aussprechen der Kritikpunkte entstehen können, sind demgegenüber in der Regel lediglich kurzfristig unangenehm Kritik wird meist nur als negative gedacht. Vergessen wird, dass es auch positive Kritik gibt und diese ebenso wichtig ist. Nicht gemeint ist hier der Unterschied zwischen destruktiver und konstruktiver Kritik. Negative Kritik bedeutet, zu benennen was stört; positive Kritik bedeutet, zu benennen, was gut ist. Positive Kritik wird selten und eher als Bestätigung bei wahrgenommenen Selbstzweifeln oder beiläufig geäußert. Das Annehmen positiver Kritik fällt häufig noch schwerer als negative Kritik. Beim Formulieren von positiver Kritik ist zu vermeiden, dies in einer „altväterlichen“ Weise zu tun.

Nicht erst seit den Zeiten des neoliberalen „JedeR gegen JedeN“ wird eine geübte negative Kritik von der kritisierten Person oft als ein Angriff auf die eigene Kompetenz, auf den eigenen kleinen „Standort“ im Krieg aller gegen alle gedeutet. Deswegen mündet das Benennen von Kritikpunkten nicht selten in einer Aufrechnerei. Verkannt wird dann, dass wir uns (fast) nur durch die Spiegelung anderer selbst erkennen und weiterentwickeln können.

In ihrer Wirkung ist Kritik beim Kritisierten zumeist abhängig von der wahrgenommenen Wertschätzung der kritisierenden Person und der Kritikfähigkeit der kritisierten Person.

Empfehlungen zum (An-) Nehmen von Kritik
Setzen lassen, Ruhe bewahren – es ist nicht notwendig, auf eine Kritik sofort zu reagieren. Vor einer Reaktion empfiehlt es sich, sich ein wenig Zeit zu nehmen und in Ruhe darüber nachzu­denken. Nicht jede Kritik ist richtig und berechtigt, nicht jede Kritik brauche ich mir anzuziehen. Weil Kritik zu geben schwierig und unangenehm ist, sollte ich mir verdeutlichen, dass an mir geübte Kritik ein Zeichen von Wertschätzung ist.

Empfehlungen zum Geben von Kritik
Wie etwas gesagt wird, ist immer wichtig. Die Lebensweisheit dazu lautet: „Der Ton macht die Musik“. Für den Fortgang einer Auseinandersetzung ist weniger wichtig, was ich sage, sondern vor allem, was ankommt.

Damit mein von mir kritisiertes Gegenüber meine Kritik besser annehmen kann, sollte ich mög­lichst zunächst meine Wertschätzung verdeutlichen, also etwas Positives an ihr/ihm als Erstes benennen. Meine Kritik ist die von mir wahrgenommene. Verallgemeinerungen sind zu vermeiden. Ein „du bist so und so“ ist z.B. eine solche. Kritik sollte deswegen als Ich-Botschaft gesendet werden, z.B. „bei mir kommt das so und so an“. Dies ist keine heuchlerische Relativierung, sondern entspricht dem Sachverhalt, dass meine Wahrnehmung keine allgemeingültige ist.

Sinnvoll ist, konkret zu kritisieren. Die Vokabeln „immer“ und „nie“ sind generelle Beziehungs­killer. Sie sind immer ungerechtfertigt und nie zu verwenden.

Häufig wird Kritik nicht explizit adressiert, sondern ganz allgemein in die Runde gesagt. Damit werden aber die Entwicklungspotenziale des Kritisierens relativiert, und häufig verbleibt eine solche Kritik in einem moralischem Appell verhaftet, ohne den Adressaten/die Adressatin tatsächlich zu erreichen.

Bei personalisierter Kritik ist es ein Zeichen guten Umgangs, wenn ich mein kritisiertes Gegen­über direkt anspreche und direkt anschaue.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Kritik ist ein Geschenk! Aber nicht jedes Geschenk braucht mensch anzunehmen. „Deutlich in der Sache und solidarisch mit der Person“ ist ein guter Leitspruch. Soziales miteinander nach Treffen bringt nicht nur eine bessere Arbeitskultur miteinander mit sich, sondern sollte insbesondere auch allen offen stehen. Dieses auch, weil die Motivation in einem polit­ischen Kontext mitzuarbeiten nicht selten (zunächst) daraus resultiert, ein reicheres soziales Leben zu leben. Fraktionierungen sind zwar nicht immer zu vermeiden, sie sollten jedoch nach Möglichkeit nicht direkt im Anschluss an Treffen stattfinden.

Keine Angst vor externer Hilfe – Politische Kontexte sind häufig beratungsresistent. Das schwächt die politische Schlagkraft. Stattdessen gilt, dass es eben keine Schwäche, sondern im Gegenteil eine Stärke ist, sich bei Problemen beraten zu lassen. Sinnvoll ist dabei, dass der/die externe BeraterIn nicht direkt involviert ist, aber mit der generellen Zielstellung des Arbeitszusammenhangs sympathisiert.

D) Ablauf von Treffen – Tagesordnung[edit]

Die Tagesordnung (TO) ist das zentrales Mittel den Ablauf von Treffen zu gestalten. Die endgültige Tagesordnung wird erst beim Treffen festgelegt. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, die Tagesordnung für alle gemeinsam zu visualisieren. Zur Festlegung der Tagesordnung gehört auch eine gemeinsame Festlegung der Reihenfolge der Tagesordnungspunkte und des Zeitrahmens der Treffen.

Besonders eine eventuell stattfindende Moderation ist gefordert, die Tagesordnung und die Prioritätenfest­legung im Auge zu behalten und eine Behandlung (d.h. auch eine bewusste Vertagung) aller Tagesord­nungspunkte (TOPs) zu gewährleisten.

Folgende Tagesordnungspunkte sollte eine TO regelhaft beinhalten:

  1. Vorstellungsrunde – für den Fall, dass sich nicht alle kennen,
  2. Befindlichkeitsrunde – diese soll für alle verdeutlichen, welche Stimmungen bestehen und welche Belastungen die Anwesenden haben,
  3. Protokoll – Klärung, welcheR es heute schreibt (ein Protokoll sollte möglichst zeitnah allen zugänglich gemacht werden),
  4. Zeitrahmen für die heutige Sitzung festlegen. Auch sollten diejenigen, die früher gehen müssen, dieses an diesem Punkt transparent machen,
  5. Festlegen der Moderation des nächsten Treffens (für den Fall, dass es eine geben soll). Günstig ist, wenn die Moderation des nächsten Treffens zugleich die Verantwortlichkeit für eine vielleicht erfolgende Einladung hat.
  6. Protokoll des letzten Treffens (Ergänzungen, Beschlusskontrolle)
  7. –X Aktuelle Tagesordnungspunkte (Ergänzungen sammeln und eine Reihenfolge gemeinsam festlegen)
letzter TOP: Abschluss- oder auch Kritikrunde (was war gut, was war nicht gut)

E) Aufgaben von Moderation bzw. Redeleitung[edit]

Gerade bei Zusammenhängen, die einen selbstorganisierten und hierarchiefreieren Anspruch verfolgen, ist zu fragen, ob überhaupt eine Moderation notwendig ist. Eine Moderation ist – ebenso wie ein Protokoll – immer mit einer gewissen Machtposition verbunden. Allerdings zeigt Erfahrung, dass Zusammenhänge häufig eine Phase der Moderationsnotwendigkeit durchlaufen, bevor sie die Moderationsaufgaben als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen können.

Eine Moderation sollte die Möglichkeit haben, sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Dazu gehört auch die Überlegung, ob es sich anbietet, für einen TOP bestimmte Methoden anzuwenden und dazu entsprech­ende Materialien zu organisieren. Die Möglichkeit der Methodenauswahl haben natürlich aber auch die TOP – EinbringerInnen.

Eine Moderation hat immer das Problem, einen Rollenkonflikt zwischen der Moderationsaufgabe und dem Wunsch nach Teilhabe an der Diskussion auszuhalten. Im Zweifel gilt, dass eine Moderation sich zuguns­ten des Gesamtprozesses inhaltlich zurückhalten sollte. (In Konfliktmoderationen ist es nie angeraten, dass sich die Moderation parteilich positioniert, sie sollte stattdessen eine Haltung der Allparteilichkeit einnehmen.)

Konkret hat eine Moderation folgende Aufgaben:

Im Vorfeld des Treffens die Einladung gewährleisten. Gerade bei Zusammenhängen mit langen Ab­ständen zwischen den Treffen bietet es sich an, ca. zwei Wochen vor dem Treffen unter Benennung der bislang bestehenden Tagesordnung einzuladen und um die Ergänzungen mit weiteren TOPs zu bitten. Gut ist dann, zwei Tage vor dem Treffen eine Erinnerung mit der geänderten Tagesordnung zu ver­schicken.

Beim Treffen den Startpunkt setzen.

Darauf achten, dass eine Vorstellungsrunde zu Beginn stattfindet, wenn sich nicht alle kennen. Wenn welche später dazukommen, diese kurz auf den Stand der Diskussion, des Ablaufs bringen.

Redeleitung: Die Redeleitung umfasst insbesondere drei Punkte
Reihenfolge der Redebeiträge beachten – hier bietet es sich aus Entlastungsgründen durchaus an, eine schriftliche Redeliste zu führen (was auf dem Papier steht, brauche ich nicht im Kopf zu behalten). Wichtig ist, dass die Redeleitung sich für inhaltliche Diskussionsbeiträge (also in ihrer Rolle als DiskussionsteilnehmerIn) selbst für die anderen sichtbar meldet. Für Redebeiträge in der Rolle der Moderation bzw. Redeleitung gilt dieses nicht – sie kann unabhängig von der Reihen­folge eingreifen. Es ist wichtig diesen Unterschied zu beachten, da es eine große Verführung ist, als Redeleitung (unbewusst) die damit verbundene Machtposition auszunutzen.

Unterschiedliche Menschen unterscheiden sich auch in ihrem Redeverhalten. Es gibt die, die kein Problem haben vor größeren Gruppen das Wort zu ergreifen, und die, die sich dabei sehr unwohl fühlen. Es gibt Lang- und Kurzredende, es gibt Dozierende und Fragende. Es gibt die unterstützend Unterbrechenden und die übernehmenden UnterbrecherInnen.

Noch immer lässt sich im Kommunikationsverhalten tendenziell eine geschlechtsspezifische Unter­scheidung feststellen. Es ist deswegen angeraten eine nach Geschlecht quotierte Redeliste zu führen.

Auch bietet sich an, „WenigsagerInnen“ abweichend vom Zeitpunkt des Meldens auf der Redeliste vorzuziehen.

Redeverhalten der Anwesenden – Alle haben etwas zu sagen und manchmal nicht eben wenig. Eine ebenso wichtige wie unangenehme Aufgabe der Redeleitung ist es, die Diskussionsdisziplin der Teilnehmenden zu erhöhen. Wiederholungen, Aus- und Abschweifungen gibt es allerorten, sind jedoch nicht förderlich. Hier zu intervenieren erfordert Mut, Durchsetzungsvermögen (d.h. sich beim Unterbrechen nicht unterbrechen lassen) sowie Taktgefühl. Zudem besteht die Gefahr, dass die Redeleitung sich von eigenen Sympathien oder Antipathien leiten lässt. Sinnvolle Inter­ventionen können hier sein: „Ich glaube, das Argument ist klar geworden, wolltest Du noch etwas Weiteres sagen?“; „Lass uns diesen Punkt gleich behandeln und zunächst XY fertig besprechen, ok?“.

Die Redeleitung hat ansonsten zu gewährleisten, dass alle ausreden können. Gelingt dieses so gar nicht, ist eine Möglichkeit, einen Redegegenstand (ein Kissen, einen Ball, einen Pflasterstein, ...) zu nutzen. Reden darf nur, welcheR gerade den Redegegenstand im Besitz hat.

Ebenfalls sollte die Moderation auf die Verteilung der Redeanteile achten und diese gegebenen­falls ansprechen. Reden nur wenige, so hat dieses vielleicht einen thematisierungswürdigen Grund.

Aber: nicht hetzen – Aus der Absicht, möglichst fix zum Ergebnis zu kommen, neigen viele dazu, ein hohes Tempo anzuschlagen. Es gilt jedoch sehr oft, „in der Ruhe liegt die Kraft“. Häufig führt gerade hohes Tempo zu Verzögerungen.

MethodenwächterIn – Methoden sind regelgeleitete Handlungen. Wenn sich entschieden wurde, eine bestimmte Methode einzusetzen, dann ist darauf zu achten, diese auch entsprechend anzuwenden, da sie sonst in das Gegenteil des Beabsichtigten umschlagen können.

Störungen im Prozess wahrnehmen und ansprechen. Dafür bietet sich eine „Is’ was“ – Runde an oder auch die direkte Nachfrage.

Rotierende Moderation an bestimmten TOPs – Die Moderation muss nicht zwingend während der gesamten Tagesordnung in einer Hand liegen. Vielfach bietet es sich eher an, dass sie bei unter­schiedlichen TOPs von denjenigen übernommen wird, die inhaltlich mehr im Thema stecken. Inhaltliche Aufgaben der Moderation sind schließlich:

Einführen in den Gegenstand (Worum geht es? Was ist die Zielsetzung für die Diskussion? Welche Punkte sind möglicherweise besonders konfliktreich? Was ist der gegenwärtige Stand?)

Fokussierung – wenn Diskussionen abschweifen, sie erneut auf den eigentlichen Diskussionsstand zurückführen

Ergebnissicherung – zusammenfassen und Zustimmung dazu abfragen

F) Aufgaben aller TeilnehmerInnen[edit]

Auch die TeilnehmerInnen können natürlich den Sitzungsablauf positiv beeinflussen. Folgende Verhaltens­weisen sind dabei zu empfehlen:

Nicht bluffen lassen und nicht bluffen – Sich bluffen lassen funktioniert so: Ich verstehe in einer Dis­kussion etwas nicht (ein Wort, einen Verweis o.ä.) und frage nicht nach. Damit möchte ich verhindern, dass ich für dumm gehalten werde. Natürlich ist gerade dieses Verhalten dumm und schon die Sesam­straße hat uns beigebracht: „Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm“. Auch kann mensch sich in aller Regel sehr sicher sein, dass es mindestens eine weitere Person gibt, die sich ebenfalls bluffen lässt und sich ebenfalls nicht traut nachzufragen.

Aktiv zu bluffen ist noch größerer Mist. Eine sehr weit verbreitete Form des aktiven Bluffens versteckt sich häufig hinter Aussagen wie „Fast alle ExpertInnen sagen, dass ...“ oder „Wie in Untersuchungen nachgewiesen wurde, ist ...“. Auch „Namedropping“ („Mit Abendroth stimme ich dem zu.“) oder unklare und unerklärtes Theorieverweise zeigen vielleicht, wie klug ich bin, sind jedoch sehr kontra­produktiv für gemeinsames Arbeiten. Damit ist jedoch nicht gemeint, eine – durchaus sehr wertvolle – Quellenangabe für Gedachtes zu benennen.

Verständliches Reden in einer einfachen Sprache ist nicht leicht. Da wir aber sehr unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen ausgesetzt waren und sind, sollte dieses Ziel sein. Bei den einen gab es im Elternhaus massenhaft Bücher, und Konflikte wurden ausdiskutiert. Bei anderen gab es wenige Bücher, und Diskussionen wurden kaum geführt. Das hat Konsequenzen für eine Zusammenarbeit. Eine elabo­rierte (d.h. differenziert ausgebildete) Sprache mag sich für die einen gut anfühlen – andere werden dadurch jedoch ausgegrenzt.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Bluffen unter emanzipatorischer Perspektive fatal ist. Neben der Sesam­straße hat die EZLN (Chiapas/ Mexiko) die emanzipatorische Leitlinie dazu formuliert: „Fragend schreiten wir voran“.

Spezifische Sprache vermeiden oder immer wieder erklären – In fast allen Zusammenhängen bilden sich mit der Zeit spezielle Sprachanteile heraus. Schon so mancher „Antirabüti mit Büchern vom Roten in der Fuzo“ hatte Besetzungsprobleme, weil nicht alle Anwesenden wussten, worum es dabei geht.

Bezug nehmen – Für Diskussionsprozesse ist es hilfreich, wenn ich konkrete Bezüge zu anderen Rede­beiträgen herstelle und einen eigenen Redebeitrag zurückstelle, wenn er einen neuen Diskussionspunkt aufmacht, der aktuelle jedoch noch nicht abgeschlossen ist.

Wiederholungen vermeiden, aber Positionen unterstützen – Bereits gesagtes braucht nicht erneut aus­formuliert werden. Sinnvoll ist es allerdings deutlich zu machen, dass eine Position unterstützt wird. Dazu reicht ein kurzes „Ich schließe mich x an“.

Redende unterstützen – Es ist nicht leicht zu reden, wenn eineR in ausdruckslose Gesichter blickt. Augenkontakt oder leichtes Nicken als Zeichen, dass ich verstehe, was die Aussage des Statements ist, kann hier Abhilfe schaffen.

Moderation unterstützen – Zu moderieren ist keine leichte Aufgabe. Deswegen sollten alle nach Mög­lichkeit bei der Bewältigung dieser Aufgabe die Moderation unterstützen, was allerdings keinesfalls darin münden sollte, der Moderation selbige aus der Hand zu nehmen.

Nicht moderationsfixiert reden – Die Machtposition der Moderation führt des öfteren dazu, dass Redende sich nicht an alle Anwesenden wenden (z.B. den Blick in der Runde herumgehen lassen), sondern ausschließlich ihr Statement an die Moderation richten. Das stärkt nicht nur die Macht der Moderation, sondern belastet diese auch.

Kurz fassen – Sicher ist es zuweilen notwendig, für die Entwicklung mancher Gedanken Zeit zu haben. Dennoch gilt „in der Kürze liegt die Würze“. Ein weiterer Sinnspruch dazu kommt aus der Bildungs­arbeit. Dort gilt: „Du darfst alles sagen, es sollte jedoch nie fünf Minuten überschreiten“.

Zustimmung signalisieren – Sehr häufig wird nach dem Motto „welcheR schweigt stimmt zu“ beim Versuch von Moderation oder Diskussionsleitung ein Ergebnis zu formulieren regungslos verharrt. Sinnvoller ist stattdessen nicht nur Widerspruch, sondern auch Zustimmung zu signalisieren. Ein erprobtes Mittel ist dabei ein Händewedeln der Zustimmenden.

Um diese Sammlung zu erweitern, bin ich für Hinweise, Anregungen und Kritik dankbar.
peter_wolf ÄT jpberlin.de, juni 2006


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Kategorie:Gruppenprozesse