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Bertolt Brecht/Balladen/Ballade von der Billigung der Welt
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BALLADE VON DER BILLIGUNG DER WELT |
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(1932) |
1 |
Ich bin nicht ungerecht, doch auch nicht mutig |
Sie zeigten mir da heute ihre Welt |
Da sah ich nur den Finger, der war blutig |
Da sagt ich eilig, daß sie mir gefällt. |
2 |
Den Knüppel über mir, die Welt vor Augen |
Stand ich vom Morgen bis zur Nacht und sah. |
Sah, daß als Metzger Metzger etwas taugen |
Und auf die Frage: Freut's dich? sagte ich: Ja. |
3 |
Und von der Stund an sagt ich ja zu allen |
Lieber ein feiger als ein toter Mann. |
Nur um in diese Hände nicht zu fallen |
Billigte ich, was man nicht billigen kann. |
4 |
Ich sah den Junker mit Getreide wuchern |
Hohlwangig Volk zog vor ihm tief den Hut. |
Ich sagte laut, umringt von Wahrheitssuchern: |
Er ist ein wenig teuer, aber gut. |
5 |
Die Unternehmer dort: nur jeden dritten |
Können sie brauchen und verwerten sie. |
Ich sagte den Nichtunternommenen: Die müßt ihr bitten |
Ich selbst versteh nichts von Ökonomie. |
6 |
Sah ihre Militärs, Raubkriege planend |
Die man aus Feigheit frei herumgehn ließ. |
Ich trat vom Gehsteig und rief, Böses ahnend: |
Hut ab! Die Herrn sind technische Genies! |
7 |
Die Volksvertreter, die den hungrigen Wählern |
Versichern, daß es durch sie besser wird |
Ich nenn sie gute Redner, sag: Sie haben |
Gelogen nicht, sie haben sich geirrt. |
8 |
Sah die Beamten, schimmelangefressen |
Ein Riesenjauchenschöpfrad halten sie in Schwung |
Selbst schlecht entlohnt für Treten und für Pressen: |
Ich bitt für sie hiermit um Aufbesserung. |
9 |
Dies soll die Polizisten nicht verstören |
Ihnen und selbst den Herren vom Gericht |
Reich ich das Handtuch für die blutigen Hände |
Damit sie sehen, auch sie verleugn' ich nicht. |
10 |
Die Richter, die das Eigentum verteidigen |
Versteckend unterm Richtertisch die blutigen Schuh |
Will ich, da ich nicht darf, auch nicht beleidigen |
Doch tu ich's nicht, weiß ich nicht, was ich tu. |
11 |
Ich sag: Die Herren kann man nicht bestechen - |
Durch keine Summe! Und zu keiner Zeit!- |
Zu achten das Gesetz und Recht zu sprechen. |
Ich frag: Ist das nicht Unbestechlichkeit? |
12 |
Dort, drei Schritt vor mir, seh ich einige Rüpel |
Die schlagen ein auf Weib und Greis und Kind. |
Da seh ich eben noch: sie haben Gummiknüppel |
Da weiß ich, daß es keine Rüpel sind. |
13 |
Die Polizei, die mit der Armut kämpft |
Damit das Elend uns nicht überschwemmt |
Hat alle Hände voll zu tun. Wenn sie mich |
Vor Diebstahl schützt - für sie mein letztes Hemd. |
14 |
Nachdem ich so bewiesen, daß in mir kein Arg ist |
Hoff ich, daß ihr mir durch die Finger seht |
Wenn ich mich jetzt zu jenen auch bekenne |
Von denen Schlimmes in der Zeitung steht |
15 |
Den Zeitungsschreibern. Mit dem Blut der Opfer |
Schmieren sie's hin: die Mörder sind es nicht gewesen. |
Ich reiche euch die frisch bedruckten Blätter |
Und sag: Ihr Stil ist aber gut, ihr müßt es lesen. |
16 |
Der Dichter gibt uns seinen Zauberberg zu lesen. |
Was er (für Geld) da spricht, ist gut gesprochen! |
Was er (umsonst) verschweigt: die Wahrheit wär's gewesen. |
Ich sag: Der Mann ist blind und nicht bestochen. |
17 |
Der Händler dort, beschwörend die Passanten: |
Nicht meine Fische stinken, sondern ich! |
Braucht selber keinen faulen Fisch zu fressen. So, den |
Halt ich mir warm, vielleicht verkauft er mich. |
18 |
Dem Mann, halb von Furunkeln aufgegessen |
Kaufend ein Mädchen mit gestohlenem Geld |
Drück ich die Hand vorsichtig, aber herzlich |
Und danke ihm, daß er das Weib erhält. |
19 |
Die Ärzte, die den kranken Armen |
Wie Angler den zu kleinen Fisch |
Wegwerfen, kann ich krank nicht missen |
Ich leg mich ihnen hilflos auf den Tisch. |
20 |
Die Ingenieure, die das Fließband legen |
Das den dran Schuftenden die Lebenskraft entführt |
Lob ich des technischen Triumphes wegen. |
Der Sieg des Geistes ist's, der mich zu Tränen rührt. |
21 |
Ich sah die Lehrer, arme Steißbeintrommler |
Formen das Kind nach ihrem Ebenbild. |
Sie kriegen ihr Gehalt dafür vom Staate. |
Sie müßten hungern sonst. Daß sie mir keiner schilt! |
22 |
Und Kinder seh ich, die sind vierzehn Jahre |
Sind groß wie sechs und reden wie ein Greis. |
Ich sag: so ist's. Doch auf die stumme Frage: |
Warum ist's so? sag ich, daß ich's nicht weiß. |
23 |
Die Professoren, die mit schönen Worten |
Rechtfertigen, was ihr Auftraggeber macht |
Von Wirtschaftskrisen sprechend statt von Morden: |
Sie sind nicht schlimmer, als ich mir's gedacht. |
24 |
Die Wissenschaft, stets unser Wissen mehrend |
Welches dann wieder unser Elend mehrt |
Verehre man wie die Religion, die unsere |
Unwissenheit vermehrt, und die man auch verehrt. |
25 |
Sonst nichts davon. Die Pfaffen stehn mir nahe. |
Sie halten hoch durch Krieg und Schlächterei'n |
Den Glauben an die Lieb und Fürsorg droben. |
Es soll dies ihnen nicht vergessen sein. |
26 |
Sah eine Welt Gott und den Wucher loben |
Hörte den Hunger schrein: Wo gibt's was? Sah |
Sehr feiste Finger deuten nach oben. |
Da sagt' ich: Seht ihr, es ist etwas da! |
27 |
Gewisse Sattelköpfe, die vor Zeiten |
George Grosz entwarf, sind, hör ich, auf dem Sprung |
Der Menschheit jetzt die Gurgel durchzuschneiden. |
Die Pläne finden meine Billigung. |
28 |
Ich sah die Mörder und ich sah die Opfer |
Und nur des Muts und nicht des Mitleids bar |
Sah ich die Mörder ihre Opfer wählen |
Und schrie: Ich billige das, ganz und gar! |
29 |
Ich sah sie kommen, seh den Zug der Schlächter |
Will doch noch brüllen: Halt! Und da, nur weil |
Ich weiß: es stehen, Hand am Ohr, da Wächter |
Hör ich mich ihm entgegenbrüllen: Heil! |
30 |
Da Niedrigkeit und Not mir nicht gefällt |
Fehlt meiner Kunst in dieser Zeit der Schwung |
Doch zu dem Schmutze eurer schmutzigen Welt |
Gehört - ich weiß es - meine Billigung. |