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Antifaschistischer Stadtspaziergang Hoyerswerda

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Als vor 20 Jahren, in der Woche vom 17. bis 22. September 1991, Steine und Brandflaschen auf die Unterkünfte von VertragsarbeiterInnen und Asylsuchenden in Hoyerswerda flogen, haben viele BürgerInnen applaudiert. Mehrere hundert Menschen belagerten die Wohnheime fünf Tage lang, skandierten rassistische Parolen und versetzten die BewohnerInnen in Angst und Schrecken. Die Polizei sah sich nicht im Stande, diese Angriffe zu beenden. Schließlich wurden alle BewohnerInnen der Heime mit Bussen aus der Stadt evakuiert, weil ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. Der rassistische Mob hatte gesiegt.

Wenn sich im sächsischen Hoyerswerda im September diesen Jahres an den 20. Jahrestag der Geschehnisse von 1991 erinnert wird, hat das mit einer ernstgemeinten Auseinandersetzung und einer daraus folgenden Aufarbeitung und Gedenkkultur leider wenig zu tun. Seit 20 Jahren ist man sich hier einig, dass die Stadt und ihre BewohnerInnen für diese Debatten noch nicht bereit seien und es „andere Probleme“ gebe, als der Umgang mit dieser unschönen Geschichte, durch die diese Stadt weltweit in Verruf geraten ist. Und dennoch werden sich wohl auch in diesem Jahr wieder einige StadtvertreterInnen auf dem Lausitzer Platz oder einem anderen Ort fernab des Geschehens einfinden, um den „extremistischen Ausschreitungen“, wie es auf einer Stele anlässlich des 15. Jahrestages der Ereignisse hieß, von damals zu gedenken.

Unserer Auffassung nach ist diese Gedenkpolitik nicht nur eine falsche Einordnung der Geschehnisse. Viel mehr scheint jene Praxis eine konstante Weiterführung von Versuchen der Schuldabwehr und Relativierung, wie sie schon damals gebetsmühlenartig von den lokalen Medien und VertreterInnen der Stadt vorgetragen wurden, um den entstandenen Rufschaden wieder wett zumachen.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für dringend notwendig, auch nach 20 Jahren gegen diese anhaltende Verdrehung von Tatsachen Stellung zu beziehen. Unsere Betrachtung der damaligen Ereignisse in Hoyerswerda benennt diese klar als das, was sie waren. Nämlich ein rassistisches Pogrom, wie es bis dahin nach dem zweiten Weltkrieg auf deutschem Boden kein Zweites gegeben hat.

Nach den Angriffen im September 1991 waren in der örtlichen Presse wahlweise die Medien von außerhalb, ein Versagen der bundesdeutschen Asylpolitik oder eine sich verschlechternde soziale Lage durch den fehlenden Aufschwung Ost an allem schuld. Kein Wort vom grassierenden Nationalismus der sich damals aller Orten Bahn brach, kein Wort von den marodierenden Neonazigruppen, die allabendlich neue Opfer forderten und von nicht wenigen BürgerInnen dankend als Ordnungsfaktor „in schwierigen Zeiten“ angenommen wurden.

In Hoyerswerda wüteten eben nicht nur Anhänger der vermeintlichen „extremen Rechten“. Vor den Heimen der GastarbeiterInnen und Asylsuchenden tobte ein rechter BürgerInnenmob, bestehend aus Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft. Darunter jene, die sich als Neonazis verstanden, aber eben auch „ganz normale Deutsche“: NachbarInnen und KollegInnen. Ob mit oder ohne Bomberjacke - in ihrem Ziel waren sich vor den Heimen im September 1991 alle einig: „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ und dabei war ihnen jedes Mittel recht.

Beflügelt durch die erfolgreiche Vertreibung der migrantischen HeimbewohnerInnen aus Hoyerswerda, breiteten sich ähnliche rassistisch motivierte Überfälle auf Unterkünfte von Asylsuchenden und VertragsarbeiterInnen in der ganzen BRD aus und forderten bald erste Todesopfer. Ihren Höhepunkt erreichte diese Welle rassistischer Gewalt schließlich 1992 in Rostock Lichtenhagen.

Gerade weil Hoyerswerda als Ausgangspunkt dieser Entwicklungen betrachtet werden kann, möchten wir einen Beitrag zur mehr als dürftigen Aufarbeitung des Pogroms vor Ort leisten und die bislang vorherrschende städtische „Gedenkpolitik“ in den Fokus unserer Kritik nehmen. Mit seinem öffentlichen Statement „Die Erinnerung an diese 15 Jahre behalten wir Hoyerswerdaer uns selbst vor“ bestätigte der ehemaliger Oberbürgermeister Horst- Dieter Brähmig noch vor fünf Jahren zähneknirschend den vor Ort allgemein vorherrschenden Konsens des kollektiven Verdrängens.

Mit einer Gedenkdemonstration am 17. September in Hoyerswerda wollen wir an die damaligen Ereignisse gedenken und unsere Position in die Öffentlichkeit tragen. Wir haben außerdem eine klare Forderung, mit welcher dem bisherigen Verdrängen und Vergessen der Ereignisse vom September 1991 nachhaltig entgegengewirkt werden soll: ein Denkmal zur Erinnerung an das rassistische Pogrom. Wir fordern die Stadt auf, dieses Mahnmal auf der Freifläche in der Wilhem-Külz-Straße aufzustellen – vor einem der Häuser, in dem sich das Pogrom 1991 ereignet hat. Damit soll in Hoyerswerda ein fester Ort geschaffen werden, der dauerhaft an die Geschehnisse erinnert. Ein Stolperstein, der ein Vergessen unmöglich macht, mit dem wir den Betroffenen des Angriffs organisierter Neonazis und „ganz normaler“ Bürger gedenken wollen, die man aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft als „anders“ wahrnahm und denen man deshalb ein Leben in Hoyerswerda nicht zugestand - es ist die Erinnerung an das rassistische Pogrom von Hoyerswerda.

Lasst uns der Stadt zeigen, dass wir mit ihrer Verdrängungspolitik nicht einverstanden sind und beteiligt euch zahlreich an unserem Stadtspaziergang in Erinnerung an die Opfer des rassistischen Pogroms und den im Nachgang der Ereignisse von lokalen Neonazis ermordeten Maik Zerner und Waltraut Scheffler! An diesem Tag werden wir unser Denkmal bereits zur Probe aufstellen!

Ereignisse beim Namen nennen! Keine Ruhe für Hoyerswerda!

Antifaschistischer Stadtspaziergang in Hoyerswerda am 17. September 2011 Start: 14 Uhr am Bahnhof Hoyerswerda

Initiative “Pogrom 91”