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Anarchismus in Brasilien

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Im 15. Jahrhundert wurde Brasilien von portugiesischen Seefahrern entdeckt und durch die Kraft der Peitsche kolonisiert – auch wenn ihnen die Ausbeutung der Arbeitskraft für ihre Zuckerrohrplantagen nicht gelang (Hunderttausende der ursprünglichen Bevölkerung wurden bei diesen „Versuchen“ getötet) – so gelang durch die Einfuhr afrikanischer SklavInnen der Ausbau ihrer Latifundien – vor allem im Nordosten Brasiliens.

Wer nicht gehorchte, wurde gefoltert und verstümmelt. Wer nach einem Fluchtversuch wieder eingefangen wurde, dem/der wurden Füße oder ganze Beine abgehackt. Es kam regelmäßig zu Aufständen und Revolten. Die SklavInnen, die es schafften, sammelten sich in den „Quilombos“ („Siedlungen der Entflohenen“). Die ersten hielten nicht lange – sie lagen zu nahe an den Siedlungen der Eroberer. Erst in Palmares im heutigen Bundesstaat Alagoas konnten sie längere Zeit überleben – die erste – Macaco – wurde um 1597 errichtet. Viele andere folgten. Heute sind 11 aus dieser Gegend bekannt.

„Wir waren 20 – 30000 in verschiedene kleine Orte aufgeteilt – und im Laufe der Zeit auch von Indigenen und armen Weissen bewohnt. Dort teilten wir uns die gleichen Rechte und Pflichten, Entscheidungen traf die Dorfversammlung. Jedes Dorf hatte einen gewählten Häuptling. Aber das war einmal. Denn Palmares starb in den Flammen, die die Herrschenden gelegt hatten. Was in uns war, war das Gefühl der Freiheit und der Selbstbestimmung. Wir starben dort als freie Menschen.“

Erst 1695 gelang es den Portugiesen, Palmares dem Erdboden gleichzumachen.

„Ich/schwarzer Vogel/schließe/die Brandwunden glühender Eisen/mache den geflohenen Sklaven/unverwundbar/und/halte Wache/am Tor der quilombos“ (Adao Ventura)

Utopie und Experiment[edit]

Nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1822 kam es zu einer Reihe von Revolten und Aufständen. Am 13. Mai 1888 wurde die Sklaverei offiziell abgeschafft und ein Jahr später wurde Brasilien eine Republik. Revolutionäre Ideen kamen mit den Schiffen aus Europa. Sie brachten ArbeitsmigrantInnen mit anarchistischen und anarchosyndikalistischen Ideen, hinein in die entstehende Industrialisierung des Landes und konfrontiert mit einer wirtschaftlichen und politischen Struktur, die immer noch durch die Macht der Kaffeepflanzer und Exporteliten bestimmt war. Auf lokaler Ebene wurde sie durch so genannte Coronels vertreten. In dieser Zeit lernte in Bahia der Arzt Fabio Luz die Schriften Kropotkins kennen. Er wird danach mit seinen Romanen „Ideologie” und „Unsere Emanzipation” zum ersten Schrifsteller in Brasilien, der die soziale Frage in den Vordergrund stellt. Mit den europäischen Arbeitsmigranten kommen viele, die im Aufbruch einer „neuen Welt“ alle Möglichkeiten derselben sehen. So wie Giovanni Rossi, 1856 in Pisa geboren, wurde er dort schon 1873 Mitglied der „Internationalen Arbeiter Association“

In Büchern und Zeitungen trat für er für einen anarchistischen Kollektivismus ein und propagiert die Schaffung kooperativer Kolonien. Mehrmals wegen „antistaatlicher“ Umtriebe verhaftet, verlässt er am 20. Februar 1890 zusammen mit einer Gruppe von Anarchisten von Genua aus Italien und gründet in Palmiras, Parana, die anarchistische Kolonie „Cecilia“.

„…. um (dort) ein socialistisches Gemeinwesen zu errichten. In den Einöden Amerikas wollen sie ein Stück Land aufsuchen und – unerfahren und fast alles entbehrend – wollten sie es bebauen, um selbst zu erfahren und all den anderen in der weiten Welt zu zeigen, wie Menschen ohne Gesetze und ohne Herren leben können.“ (Rossi, Utopie und Experiment,1979). In weniger als einem Jahr wuchs die Kolonie auf fast 300 Menschen an, vorwiegend italienische Migranten und in der Hauptsache Männer. Das tägliche Leben orientiert sich anfangs an anarchistischen Entwürfen: “In den internen Beziehungen lebt die Autorität unter keiner Gestalt. Keine Gesetze, keine Statuten, keine freien Verträge, keine Majoritätsoberherrlichkeiten, keine Volksversammlungen, keine Regierungs-oder Verwaltungsorgane, höchstens energisch bekämpfte Verwandschafts-und Befähigungseinflüsse.“ (Rossi, a.a.O.) Anfangs gelingt es, sogar eine libertäre Schule wird eingerichtet, wenn auch „die produktive Arbeit uns fast völlig absorbiert.“ Doch bald beginnen die harten Auseinandersetzungen – anfangs nur von aussen (lokale Verwaltungsbehörden, religiöse konservative Farmer) doch auch der weiter steigende Zustrom neuer Kommunard*innen führt mehr und mehr in die Krise: Wohnraum und Lebensmittel werden knapp, die einen wollen nicht mehr teilen, die „energisch bekämpften Verwandschaftseinflüsse“ sorgen für Ungerechtigkeiten bei der täglichen Versorgung – „Die antisozialen Eigenschaften, die sich notwendigerweise im bürgerlichen Leben entwickeln, sind noch vorhanden“ Und ein anderes bürgerliches Problem sorgt für gehörig Verwirrung – viele Siedler*innen ziehen die Sicherheit einer Familie vor – trotz eindringlicher Appelle von Rossi: “Solange ihr einen Garten, eine Gattin, Kinder und ein Haus habt, werdet ihr auch eine Familie haben, daß heisst eine kleine autoritäre Gesellschaft, eifersüchtig in ihren Privilegien, ökonomisch eine Rivalin der grossen Gesellschaft; werdet ihr kleinere von den Stärkeren tyrannisierte Territorien haben, innerhalb derer sich die Liebe in ihren verirrten zeigt, von der Eifersucht bis hin zum Verbrechen.“(alles aus: Giovanni Rossi, Utopie und Experiment, Berlin 1979)

Letztendlich aber reicht die Produktion nicht aus, um alle satt zu bekommen. Die Kommune löst sich nach vier Jahren auf. Ein Leben in Freiheit – um schlechter zu leben als die versklavten Arbeiter der neuen Republik? In dem Spielfilm von Jean Louis Comolli aus dem Jahre aus dem Jahre 1976 verbrennen die Übriggebliebenen die Hütten und hoffen auf ein neues Land und versprechen sich eine neue Kolonie. Giovanni Rossi bleibt die nächsten Jahre als Tierarzt in Brasilien. 1907 kehrt nach Italien zurück, versucht es weiterhin mit libertären Kommunen – mit 87Jahren stirbt er 1943 in Pisa.

Aber der Anarchismus bzw.der Anarchosyndikalismus wird nun zur massgeblichen Bewegung in Brasilien. 1906 kommt es zur Gründung der „Congresso Operario Brasileria“(COB), die sich nach anarchosyndikalistischem Muster organisiert. Sehr militant die vor allem durch Bauarbeiter in Sao Paulo bestehende „Arbeiterföderation von Sao Paulo „(F.O.S.P). Auch in den Textilfabriken, wo vorwiegend Frauen und Kinder arbeiteten, kam es in den nächsten Jahren wenn auch schwerer zu organisieren, immer wieder zu Streiks. Streiks in den Häfen von Santos und bei der Eisenbahn für kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen werden vor allem von italienischen Anarchosyndikalisten organisiert – die schliesslich in zwei grosse Streikbewegungen 1917 und 1919 quer durchs Land mündet.

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Libertäre Tages- und Wochenzeitungen entstehen, die bekannteste wohl „A Plebe“ (so was wie „ein Pöbel“) , gegründet von Edgard Leuenroth, einem der bekanntesten Anarchisten in Brasilien, verschiedene Bildungseinrichtungen gegründet – von hier aus gehen die Kampagnen gegen den Analphabetismus.

In „A Plebe“ schreibt auch Maria Lacerda de Moura, Lehrerin und Feministin, die sich um 1910 für die Organisation der Frauen einsetzt, in internationalen Frauenföderation wie auch in Frauen-Antikriegskomitees. Sie gilt als die erste Feministin Brasiliens.

Zeiten des Aufruhrs und der Folter 1922 gründen einige ehemalige Anarchisten (darunter Leuenroth)– inspiriert durch die russische Revolution – die „Kommunistische Partei“ in Brasilien- anfangs durchaus noch den Ideen und Handlungen des Anarchosyndikalismus verpflichtet. Im gleichen Jahr wurde Artur da Silva Bernardes Präsident von Brasilien. Wenn sein Wirken auch gegen die bis dahin herrschende Oligarchie aus Grossgrundbesitzern und Kirche galt, verstärkte er aber auf der anderen Seite die militärische Macht --- die anarchistisch und syndikalistisch organisierten Arbeiter waren die ersten, die der nun einsetzenden Repression zum Opfer fielen. Streiks wurden mit Gewalt unterdrückt, Zeitungsbüros gingen in Flammen auf,Kinder verbrannten in den libertären Schulen. Die neue Bourgeoisie applaudierte Bernardes bei der Errichtung von Konzentrationslagern und Folterzentren – das berüchtigste war in Oiapoque an der Grenze zu Französisch – Guyana.

Aufrührerische Arbeiter, die nicht in Brasilien geboren waren, hatten da noch die „Gnade“ der Deportation in ihre Ursprungsländer. Eine Zeitlang schien es, daß trotz der Gründung der kommunistischen Partei und trotz oder gerade wegen der staatlichen Repression die anarchistische Bewegung eher zunahm. Doch letztendlich siegte die militaristisch-populistische Bewegung des „Tenentismo“

Das Regime unter Vargas 1930 und den von ihr eingesetzten Gewerkschaftsorganisationen versetzte dann der anarchistischen und anarchosyndikalistischen Arbeiter*innenbewegung erst einmal den Todesstoss ---

„Se não houver rebelião, não haverá sobrevivência“ (ungefähr: „Wenn es keine Rebellion gibt, wird es kein Überleben geben“) Während der Regierungszeit von Vargas verschwimmen die Trennungen zwischen demokratischem und faschistischem Denken. Nach dem Muster von Diktaturen etabliert er eine Gewerkschaft, die Augustin Souchy mit dem vonPiludski in Polen und Mussolini in Italien vergleicht.

„ Der Geist des korporativen Staates spukte in den Köpfen dieser Diktatoren. Diesem Zeitgötzen huldigte auch Vargas. Vargas wollte auch in Brasilien einen korporativen Staat errichten. Den Arbeitern wurden gewisse Rechte gewährt, die sie früher nicht hatten, gleichzeitig aber auch Freiheiten genommen, deren sie sich vorher erfreuten. Die Gewerkschaften wurden nicht nur staatlich anerkannt, sondern auch von der Regierung kontrolliert. Die Gewerkschaften Brasiliens sind der Staatsaufsicht unterstellt. Will eine Berufsgruppe ein „sindicato“ gründen, dann muß sie hierzu beim Arbeitsministerium die Erlaubnis einholen. Sie erhält die vorgedruckten Statuten mit einem Anhang, in welchem die Zahl der Mitglieder mit Angabe des Namens, Alters, der Berufssparte usw. eingeschrieben werden müssen. Auf der Gründungsversammlung ist ein Vertreter des Arbeitsministeriums anwesend. Das Arbeitsministerium hat das Recht, unbequeme oder politisch nicht zuverlässige Vorstandsmitglieder abzulehnen. Diese Bestimmung liefert die Gewerkschaften der Willkür der Staatsbehörden aus“. (Souchy)

Ebenfalls aus dem Tenentismo entstand 1932 die „Acao Integralista Brasileira“, die stark von der katholischen Kirche unterstützt wurde. Vargas konnte mit diesen, sich offen am deutschen Nationalsozialismus bekennende Gruppierung gut leben, wenn sie seine Staatsauffassung als Motor einer „kapitalistischen Moderne“ auch nicht teilte, so half sie ihm in seiner nationalistischen und vor allem antikommunistischen Politik.


Er revanchierte sich eine Zeitlang damit, daß er der Polizei bei der Unterstützung der Aktionen und Märsche der „Integralisten“ freie Hand liess. Diese, auch wegen ihrer Uniformen„Grünhemden“ genannt, liessen dann auch mal ein Büro einer linken Organisation abbrennen, stürmten anarchistische Zeitungen, um das komplette Mobiliar zu zerschlagen und die Redakteure mal einige Zeit in den Kerker zu werfen. Bis 1935 wuchs sie auf angebliche 400.000 Mitglieder an. Sie hatten zwar intensive Kontakte zur deutschen NSDAP ( viele Deutschbrasilianer wurden eifrigste Mitarbeiter), konnten aber mit der „arischen Überlegenheit“ nichts anfangen – ihr Ideal war der „Cabolco“(europäisch-indianischer Abstammung, auch „Mestico“). 1933 warnte „A Plebe“: „Wie der Faschismus so fesselt und versklavt der Integralismus die Menschen. Lasst uns nun unsere Freiheit verteidigen wie aufrechte Menschen, damit wir nachher nicht wie Irre ein Leben lang weinen müssen.“

1934 und 1935 kam es dann zwischen den Integralisten und einzelnen antifaschistischen Komitees zu gewalttätigen Auseinandersetzungen- hier ein Augenzeugenbericht aus Sao Paulo: „Die Polizisten stellen auch Maschinengewehre an strategischen Punkten auf, um potenzielle Angriffe auf den Marsch der Integralisten zu verhindern. Zusätzlich zu den Polizeieinheiten verfügte Oberst Arlindo de Oliveira über 400 Männer vom l., 2. und 6. Infanterie-Bataillon, der Feuerwehr und dem lokalen Kavallerie-Regiment.

Große Mengen von Zuschauern jedweder politischer Richtung versammelten sich in der Nähe vom Praça da Sé. Als die Integralisten die Kathedrale erreichten, wurden Schreie laut wie ‚Tod den Faschisten‘ ‚Nieder mit dem Grünhemden‘ und Schüsse waren zu hören. Es wird gesagt, dass ein Maschinengewehr zufällig umgestossen sei. Andere erzählen, die Kommunisten hätten aus der Menge der Wartenden mit dem Schiessen angefangen.

Tatsache bleibt, daß die ersten Schüsse fielen, bevor es einen (geplanten) Angriff der Anarchisten auf die Parade gegeben hat. Nun brach die Hölle los. Leute liefen und schrien, andere fielen tot um oder lagen verwundet auf der Strasse. Immerhin fand die Parade mit dem beabsichtigten Treueschwur auf den Führer der Integralisten, Salgado, nicht statt.“

Vargas unternahm nichts, kam dies seinem national-sozialistischem Programm doch sehr entgegen. Auch als er 1938 die Integralisten als eigenständige Partei verbieten liess, distanzierte er sich inhaltlich kaum von ihnen. Viele Aspekte der integralistischen Politik floss in sein „Estado Novo“

Am 10. November 1937 wurde sie offiziell als „Verfassung“ verabschiedet. Zum einen löste er nun jede noch demokratisch erscheinende Organisation auf und verbot alles, was auch nur im geringsten mit Vereinstätigkeiten zu tun hatte. All dies war nun „unsozial“ und „schädlich.“ Auf der anderen Seite entwickelte sich die Industralisierung und die Wirtschaft florierte, dank vor allem nordamerikanischen Kapitalanlegern wie Standard Oil und die US Stahlvereinigung, die nun Brasilien als stabilen Wirtschaftsfaktor sahen. Glückwünsche kamen auch aus dem faschistischen Deutschland und auf jedem öffentlichen Platz hing nun Brasiliens „grosser Führer“ – Getúlio Dornelles Vargas. Die Anarchist*innen in Brasilien kämpften weiter um ihr Leben. Ihre tägliche Aufgabe bestand „nur“ noch darin, ihre Freiheit so gut wie möglich aufrechtzuerhalten und noch etwas Atem für ihren bis da schon leidenschaftlichen Kampf zu bewahren. A Anarquia José Oiticica Para a anarquia vai a humanidade Que da anarquia a humanidade vem! Vêde como esse ideal de acordo invade As classes todas pelo mundo além! Que importa se a fração dos ricos brade, Vendo que a antiga lei não se mantém? Hão de ruir as muralhas da cidade, Que não há fortalezas contra o bem Façam da ação dos subversivos crime, Persigam, matem, zombem, tudo em vão… A idéia perseguida é mais sublime. Pois nos rudes ataques à opressão, A cada herói que morra ou desanime Dezenas de outros bravos surgirão. (Die Menschheit strebt zur Anarchie/denn die Menschheit stammt aus der Anarchie/Schaut wie dieses Ideal des Miteinanders/die Klassen in der gesamten Welt erfasst/ Was kümmert es, ob die Reichen jammern/wenn die ehernen Gesetze nicht mehr gelten/ Die Stadtmauern zollen zerbröckeln/denn es gibt keine Festungen gegen Güte/Bezeichnet die subversiven Handlungen als Verbrechen/verfolgt sie, tötet sie, es wird alles vergebens sein/die angestrebte Idee ist zu erhaben/ Denn bei jeder brutalen Attacke zur Unterdrückung/werden für jeden Helden, der stirbt oder aufgibt/zehn weitere tapfere Helden aufstehen/)- José Oiticica

Viele aber, inzwischen entmutigt, entschieden sich, Brasilien zu verlassen. WieOreste Ristori, Herausgeber der anarchistischen Zeitung „Der Kampf“ der nach Spanien ging, um dort an der anarchistischen Revolution teilzunehmen.

Am 2. Dezember 1943 wird er in Florenz zusammen mit 4 anderen von Faschisten erschossen.

Im März 1958 gründeten einige AnarchistInnen in Rio de Janeiro das „Studiencenter Jose Oiticica“ (CEPJO), der 1957 gestorben war (siehe Poem „A Anarquia“)

Die Gruppe, die die Gründungsurkunde unterzeichnete, bestand u.a. aus: Edgar Rodrigues und Ideal Peres.

Antonio Francisco Correia („Edgar Rodrigues“) wurde 1921 in Portugal als Sohn des militanten Anarchosyndikalisten Manuel Francisco Correia geboren, der in der Militärdiktatur eines Salazar mehrmals interniert war. Antonio schrieb Artikel in syndikalistischen Zeitungen, spielte Theater und begann 1938 mit seinem ersten Buch. Selber mehrmals verhaftet, flüchtete er zusammen mit Thomas Fonseca und anderen 1951 nach Brasilien. In dieser Zeit nahm er den Namen Edgar Rodrigues an. Er schrieb bis 2007 62 Bücher die vor allem in Brasilien und Portugal erschienen. Die Aktivitäten der CEPJO umfassten Vorträge und Kurse zu vielfältigen Themen zu Kunst, Geschichte, Anarchismus und die Gründung eines Verlages, der anarchistische Literatur von Oitica und Kropotkin herausgab.

Das Centrum wurde im Oktober 1969 durch die Militärdiktatur geschlossen, die Mitarbeiter*innen festgenommen, einkerkert und gefoltert. Ideal Peres gehörte zu den „geistigen Vätern“ der heutigen „Anarchistischen Föderation von Rio de Janeiro“(FARJ). Mit seiner Lebensgefährtin Esther de Oliveira Redes – die schon zu den Mitgründer*innen der CEPJO gehört – schuf er 1985 den Círculo de Estudos Libertários (CEL), der bis 1995 existierte. In diesem Kreis erschien die Zeitschrift „Libera … Amore Mio“, die bis heute existierte.

Die Jahre 1930 -1964 erscheinen in der Geschichte Brasiliens wie der permanent gleiche Mist. Durch die Präsidentschaft von Vargas und anschliessend seiner Anhänger Kubitschek und Goulart gab es ein sich weiter ausbreitendes korporatistisches System und anschliessend ein sich demokratisch nennenden Populismus. Die Drahtzieher blieben Vargas und seine Anhänger – und vor allem das Militär. Führende Militärs waren es dann auch die zusammen mit kirchlichen Gruppen, vielen Gouverneuren und vor allem dem Botschafter der USA am 31.März 1964 einen Staatsstreich begannen – „seguranca e desenvolvimento“ („Sicherheit und Entwicklung“) wurde ihr Motto.

In dieser Zeit baute der Staat seine Stellung in der Wirtschaft aus, die Einkommensverteilung wurde immer ungleicher. Der politische Soldat siegte über den Bürger, der Staat über die Gesellschaft. Es entwickelte sich ein bewaffneter Widerstand, der sich vor allem aus den Spaltungen innerhalb der Kommunistischen Partei entwickelte. Mehrere Stadtguerillagruppen, darunter eine unter Carlos Marighela (Vorbild für solche Gruppen wie die marxistische „RAF“) bestand vor allem aus StudentInnen, dazu viele ehemalige Militärangehörige.

„Ich reiste auf den Strömen der Verzweiflung/bis zum Herz der Erde/Ich wusch meine Müdigkeit/im Wasser gefesselter Flüsse/ Ich trank die Seele der Flüsse/Wasser des Aufruhrs/Entfesselte Adern der Erde/Wasser des Aufruhrs/ Bewaffnete Hoffnung des Volkes/Wasser des Aufruhrs“ (Pedro Terra) Dies diente der Militärregierung, ihren Repressionsapparat auszubauen und jedwede Opposition zu bekämpfen. „ Zwischen den Kasernen und den Instituten der höheren Bildung herrschte Krieg. Ein Krieg, der nicht nur die marxistischen Student*innen in einen gnadenlosen Kampf trieb“ Erschiessungen und Folter wurden alltäglich. Todesschwadrone (esquadrao da morte) beherrschten die Strasse.

In die nachfolgende grausame Stille des ATO Institucional („Institutionelle Handlungen“ – eine Reihe von Militärdekreten) baute die US Wirtschaft ihre Ideologie in Brasilien aus, der Neoliberalismus bestimmte über den unterirdischen Schreien der Gefolterten die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes. „Mit Blut tränkt sich ihr Speichel./ Schwanger/ Wird die Frau gefoltert/ Dem Meer vergehen die Wasser/ Dem Wind das sanfte Streicheln./ Der Zeit, jede Hoffnung/ Auf eine zukünftige./ Schwanger / Wird die Frau gefoltert.“ (Paulo César Fonteles de Lima)

In der Zeit der Militärdiktatur hörten die Kontakte zwischen den Anarchist*innen der verschiedenen Ort auf. Von der Gruppe um Ideal Peres wissen wir, daß auch sie verhaftet und viele mit Elektroschocks gefoltert wurden. Ideal selber in Isolationshaft gehalten, in bewusster (Hör)-Nähe der Folterzellen. 1972 wird ihm, Esther und anderen der CEPJO der Prozess gemacht.


Nie den Kontakt zu den sozialen Bewegungen aufgebend, gehört er zu denjenigen, die die ersten Experimente in der „sozialen Einfügung“ für den Anarchismus versuchten. „Soziale Einfügung“ gehört zu den Konzepten des „Especifismo“, der vor allem in den Ländern Latein-und Südamerikas eine breite Basis gesfunden hat. Es geht hier um eine aktive Teilnahme von Anarchist*innen in und die Bildung von autonomen und sozialen Bewegungen.

Seit den achtziger Jahren gibt es wieder neues Leben in der anarchistischen Landschaft. Neue Generationen bringen neue Elemente in die Szene und mit ihnen auch Differenzierungen und Spaltungen.

Vieles spielt sich in den Städten ab, wobei es die Anarchist*innen der FARJ mit ihrem „sozialen Anarchismus“ sind, die auch zu Bewegungen wie Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra(Bewegung der Landlosen) haben, die als reformistisch eingeschätzt werden, aber innerhalb ihrer Bewegung sehr stark an den Erfahrungen der mexikanischen Revolution eines Magón oder Zapatainteressiert sind.