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APO-Calypse:Herrschaftsfreie Welt? (Seminar) Reader Basisdemokratie
Begriff:Basisdemokratie[edit]
Basisdemokratie ist eine Form der Volksherrschaft, bei der die Entscheidungsfindung auf dem Konsensprinzip aufbaut. Einmal getroffene Entscheidungen gelten je nach Modell für alle und können auch eingefordert werden. In der Basisdemokratie gibt es den impliziten Anspruch, dass sich alle beteiligen sollen und gemeinsame Entscheidungen von allen getroffen werden sollen. Damit gibt es auch eine gefährliche Vereinheitlichungstendenz, weil eher nach Lösungen, die von allen getragen werden, gesucht wird, als nach solchen, die möglichst viele verschiedene Vorstellungen nebeneinander ermöglichen.
Schon vom Begriff ausgehend steht die Basisdemokratie der Herrschaft nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, sondern fordert nur eine bestimmte Legitimationsebene - die Konsensentscheidung als Folge des basisdemokratischen Prozesses. Dies gibt es natürlich in verschiedenen Variationen und Schattierungen, da unterschiedlichste Subkulturen sich auf basisdemokratische Modelle beziehen. Auch das Problem der Fremdbestimmung wird nicht automatisch per Wirken der Basisdemokratie gelöst - derartige Prozesse können sehr leicht von rhetorisch starken Personen manipuliert, gelenkt werden. Und für die Konsensentscheidung ist immer auch wichtig, was als Status quo angenommen wird und für welche Fragestellung also ein Konsens gefunden werden muss.
Robin Wut (2005): Thesen zu Anarchie und Basisdemokratie:
Neben der Basisdemokratie, zum Teil auch verbunden mit basisdemokratischen Elementen, werden Rätesysteme als Möglichkeit für herrschaftsfreies Entscheiden vorgeschlagen. In den Räten soll ein imparatives Mandat herrschen, d.h. die dort Handelnden sind an die Beschlüsse derer, die sie vertreten, gebunden. Ob das funktionieren kann, ist die eine Frage, denn der Rückfluss an Informationen aus dem Geschehen in den Räten entscheidet darüber, ob die Vertretenen ihre Vorgaben erfüllt sehen. Steuerung über Information ist aber ein Mittel der Herrschaft und wirkt der tatsächlichen Möglichkeit imparativer Mandatierung entgegen. Zum zweiten aber ist schon in der Logik auch des imparativen Mandats die Stellvertretung integriert. Auch das ständige Recht, die Person jederzeit abzuberufen, hebelt Stellvertretung nicht aus, sondern begrenzt sie nur in der zeitlichen Dimension. Die Privilegierung in der Phase, in der die Stellvertretung andauert, ist dennoch vorhanden und sichert sich selbst über die Steuerung der Informationsflüsse ab.
(...)
Demokratie steht immer für eine Totalität des Anspruchs auf Entscheidung. Ob demokratisch gewählte Regierung, Volksabstimmung der direkten Demokratie oder Plenumsbeschluss im Konsens - das Ergebnis gilt für alle, auch die, die sich nicht beteiligen.
Kritische Position zum Plenum (aus dem HierarchNIE!-Reader):
"Alle sollen alles entscheiden" und "Alles wird im Plenum besprochen" führt nicht zu Gleichberechtigung, sondern zur Zentralisierung von Entscheidungen. Soziale Prozesse und Eigeninitiative werden gelähmt. Das ist herrschaftsfördernd, baut Vielfalt und Kreativität ab. Offensichtlich wird das immer wieder in extrem bürokratischen Vorgängen: Plötzlich wird im Plenum darüber geredet, ob eine Veranstaltung oder Aktion gemacht werden kann. Wenn alles vom Plenum verabschiedet werden muss, entsteht eine Hierarchie zwischen übergeordneter Struktur (ob Plenum, Rat oder Deli-Treffen) und einzelnen AkteurInnen und Gruppen. Das raubt Autonomie und auch jedes Feeling von Selbstbestimmung.
Grund für das Festhalten am Plenum ist u.a. die Angst vor Kontrollverlust (zumindest bei den Eliten), häufig verborgen hinter Sätzen wie "wir müssen uns schon koordinieren", mit denen tatsächlich Zentralen gerechtfertigt werden sollen, die alles "abnicken" können sollen. Die Idee, alle Menschen sollten zentral alles entscheiden, hat verschiedene Fehler bzw. erzeugt in der Praxis bestimmte Probleme:
- So richtig das Ziel ist: Gleichberechtigung wird nicht dadurch erreicht, dass möglichst viele Menschen in einer Runde sitzen. Gerade größere Gruppen begünstigen und verschleiern Dominanz.
- Wo das Plenum oder andere zentrale Gremien entscheiden, reicht es aus, dieses zu dominieren, um Gesamtabläufe entscheidend zu prägen. Wenn es keine Zentralen und zentralen Entscheidungen gibt, und überall Teilgruppen und kleine Runden agieren, ist es deutlich schwerer, Zusammenhänge zu dominieren oder zu unterwandern.
- Zentrale Entscheidungen wirken lähmend: Stundenlange Debatten aller, die häufig noch nicht einmal zu Ergebnissen führen (z.B. zum Umgang mit Ausschlüssen, Presse oder Aktionen), sind dazu hochgradig demotivierend. ... Plena verbinden Zentralismus mit Zwangskollektivität, die beide vereinheitlichend wirken. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Konsensgedanke, der nur selten auf seine autoritären Nebenwirkungen "abgeklopft" wird: Alles soll im Plenum besprochen werden - autonome Entscheidungen darf es nicht geben. Wer nicht dabei ist, gehört nicht zur "Familie". Formulierungen wie "Wir alle müssen mal darüber reden" oder "Das Plenum muss das schon entscheiden" verschleiern dabei, dass Themen und Entscheidungen aller dominant durchgesetzt werden. Damit wird die Möglichkeit autonomer Entscheidungen genommen, z.B. individuell zu entscheiden, an welchen Debatten mensch sich beteiligen möchte. Zumal Plena ein völlig unpassender Rahmen sind, über Sexismus oder gar konkrete Übergriffe zu reden. Abstimmungs- und Konsensverfahren verengen Debatten auf ein schwarz-weißes Schema ("ja/nein") oder "Graustufen" (Kompromisse usw.) und führen so insgesamt zur Vereinheitlichung, fördern "Einheitsmeinungen", statt nach Möglichkeiten zu suchen, dass verschiedene Lösungen umgesetzt werden können. Konsenszwang verhindert Selbstbestimmung: Es reicht bereits das Veto einer Person, um Aktionen zu verhindern. Dazu kommen Manipulationen, die jedes Abstimmungsverfahren ermöglicht, wie z.B. wird die Konsensfrage gestellt, was ist dabei der Status quo.
Quellen[edit]
Basisdemokratie:Zitate:APO-Calypse
Kategorie:APO-Calypse:Herrschaftsfreie Welt (Seminar) Reader