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1984
1984 ist eine Novelle von George Orwell aus dem Jahre 1949. Darin skizziert er das Bild eines totalitären Überwachungsstaates. Der allgegenwärtige Big Brother sieht und weiss alles. Die düsteren Visionen Orwells scheinen aber immer mehr als Inspiration der Mächtigen zu dienen.
Vor dem 11.9.2001 mussten noch Randalierer und Taschendiebe als Ursache herhalten, damit öffentliche Plätze mit Kameras überwacht werden. Dann begann der Kampf gegen den Terror. Heldenhaft warfen sich Regierungsbanausen in Washington, London, Berlin, Wien, Moskau usw... in den Kampf um die bösen Terroristen zu vernichten. Rasterfahndungen und massenweise Hausdurchsuchungen standen auf der Tagesordnung. Internet- und Telefonprovider wurden verpflichtet Datenhalden mit Verbindungsdaten ihrer Kunden anzulegen. Post- und Bankgeheimnis gerieten in Vergessenheit. Terrorist(enjäger) Schäuble erfand den Bundestrojaner, um Privatcomputer durchsuchen zu können, sobald sie sich mit dem Internet verbinden. Biometrische Daten wurden gespeichert, um Ausweise um kleine Chips zu ergänzen. (Nein, die kann mensch nicht essen.) Entwürdigende Abtastorgien an sicherheitsrelevanten Plätzen wie z.B. Flughäfen wurden selbstverständlich.
Doch das alles war nur der Anfang (siehe auch: Thomas Meyer-Falk/Zwangsarbeit in Zeiten von „HARTZ 4“). Die Erfahrungen der Terrorismusbekämpfung wurden nun auf die Zivilebene verlagert. Dass diese nicht mehr existiert, dürfte spätestens seit dem Armee-Einsatz beim G8-Treffen in Heiligendamm klar sein. Mensch hätte das aber schon ahnen können, als ein geisteskranker Minister damals auf Idee kam, Passagiermaschinen auf Verdacht abschießen zu wollen... (Wie hieß er gleich?)
Die Wirtschaft erhielt als erstes ein kleines Geschenk für's Mitmachen. Das waren neben einigen Steuermillionen mehrere Millionen 1-Euro-Jobber, die jetzt offiziell nicht mehr als "arbeitslos" galten, nur seltsam dass die Bewerbungsauflagen der Eingliederungsverträge bestehen blieben. Der historisch in Vergessenheit geratende Tagelöhner wurde plötzlich wiederentdeckt. Die sogenannten Zeitarbeitsfirmen wurden zu diesem Zweck staatlich subventioniert. Hätte Karl Marx sich einen besseren Rehabilitanten als Peter Hartz wünschen können? Als bald schwirrten neue Abstrusitäten durch kranke Berliner Beamtenhirne. Es sollte eine zentrale Datenbank (bis 2012) angelegt werden, die alle für den Kapitalverwertungsprozess zur Verfügung stehenden Personen erfasste. Zu diesem Zweck erhielten Hilfeempfänger schon mal Fragebögen mit scheinbar ganz neutralen Selbsteinschätzungen zu Fähigkeiten, Bewerbersituationen etc. sogar die Abfahr- und Ankunftzeiten öffentlicher Verkehrsmittel, die diese Menschen zum potentiellen Arbeitgeber bringen sollen, waren dabei interessant. (Das Spielchen mit der Selbsteinschätzung ist natürlich raffiniert, stapelt mensch zu tief, so wird dies künftig Bestandteil von Eingliederungsvereinbarungen, stapelt mensch zu hoch, so kann einem mangelndes Bemühen nachgewiesen werden, sagt mensch die Wahrheit, ergibt sich ein schöner Datensatz für die zentrale Arbeitskräftedatei.) Natürlich blieb dies nicht auf "Arbeitslose" beschränkt. Menschen die noch Arbeit hatten, konnten nun sicher sein, dass Kontobewegungen zentral in Berlin registriert wurden, damit die Lohnhöhe auch nachprüfbar ist und der Verwaltungsaufwand bei den Finanzämtern sinkt. Aber auch an die Rentenkassen wurde gedacht. So sollte jeder Kleinstunternehmer verpflichtet werden Stechuhren in seinem Betrieb aufzustellen, damit die Rentenberechnung künftig über die Anwesenheitszeit in den Betrieben erfolgen konnte. Dass auch Krankenversicherer auf die Daten Zugriff haben, weil sie müssen ja prüfen können, ob es wirklich ein Wegeunfall war und dazu brauchen sie schon die genaue Anwesenheitszeit jedes Arbeiters bundesweit, sei nur am Rande bemerkt.
An die Nachgeborenen: Solltest du in einer anderen nachkapitalistischen Zeit zufällig auf diese Seite gelangen, so lass dir gesagt sein, dass dies kein Fortsetzungsscript von Orwells Roman ist sondern eine Zustandsbeschreibung der Verhältnisse in Deutschland anno 2008.