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Trialektik

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Mit dem methodologischem Konzept der Trialektik wird versucht, Entwicklungsprozesse wie zum Beispiel eine vielschichtig verstandene Evolution zu begründen.


       verzweigen und verknuepfen von Sandra Uhlitzsch

                                                verzweigen und verknüpfen (von Sandra Uhlitzsch 2010)


Menschen passen sich nicht so an ihre Umwelt an, dass sie sich alternativlos der Umwelt unterwerfen, sondern gestalten sie zum Beispiel mit Hilfe von Werkzeugen. Wer eine vielschichtig verstandene Wirklichkeit und eine so verstandene Entwicklung begründen will, benötigt ein wissenschaftliches Denken mit solchen Erkenntnismitteln, mit denen sowohl eine Kombination von Theorien als auch eine “Metamorphose“ von Theorien gestaltet werden kann.

Die Evolution liefert uns keine Werkzeuge oder Erkenntnismittel, um sie zu begründen. Da die im wissenschaftlichen Denken erzeugten Erkenntnismittel einen endlichen Geltungsbereich besitzen, wird eine Kombination von diesen Erkenntnismittel benötigt, um diese Grenzen bestimmen und aufheben zu können. Auch wenn einzelne Theorien und einzelne Erkenntnismittel einen endlichen Geltungsbereich besitzen, kann mit einer Kombination vom Theorien die Evolution in ihrer Unendlichkeit nachgestellt werden.

Da von den Theorien und von den Erkenntnismitteln, mit denen die Theorien erzeugt wurden, kaum Geltungsbereiche bestimmt werden, nimmt die Zahl möglicher Theorien über die Wirklichkeit immer mehr zu. Die Folge ist, dass viele Studenten und Wissenschaftler nicht mehr erkennen können, wie sich die eine Evolution auf der Erde vollzieht. Zwar können mit den vielen Theorien einzelne Bereiche der Entwicklung gedeutet werden, aber nicht die Entwicklung in ihrer Vielschichtigkeit begründet werden. Das soll in diesem Konzept versucht werden.


Einführung

Eine vielschichtige Herangehensweise zeichnet sich dadurch aus, dass die Suche nach der Wahrheit mit zwei voneinander unabhängigen Theorien und den (indirekten) Beziehungen zwischen diesen begonnen wird. In dem hier vorgestellten Konzept soll gezeigt werden, dass eine vielschichtig verstandene Wirklichkeit nur mit einer Kombination von voneinander unabhängigen Theorien begründet werden kann.

Wer Erkenntnismittel in einer Weise verwendet, dass die Entwicklung in unendlich kleine Teile "zerlegt" wird, für den verändert sich die Natur nur stetig. Wer solche Erkenntnismittel wählt, bei denen Teile zu einem unveränderlichen Ganzen (wie Strukturen) "zusammengeschweißt" werden, der kann, damit eine Darstellung der Entwicklung möglich ist, nur "Brüche" zwischen dem einen Ganzen und dem folgenden Ganzen zulassen. Dann kann sich die Natur nur sprunghaft verändern.

Die verwendeten Erkenntnismittel (und deren Beziehungen untereinander) sind mit den Vorstellungen über Wirklichkeit untrennbar "verkettet". Da dies bislang nicht berücksichtigt wurde, entstanden viele (eindimensionale) Theorien. Anhänger dieser Theorien behaupten direkt oder indirekt, die eine Wirklichkeit allein mit ihren Theorien begründen zu können und stehen deshalb in Konkurrenz zueinander.

In diesem Konzept soll gezeigt werden, dass zum Beispiel weder die Vorstellung des stetigen Verlaufs in der Natur noch die konträre Vorstellung des sprunghaften Verlaufs objektive Aussagen über die Wirklichkeit ermöglichen. Vielmehr verweisen sie darauf, welche Erkenntnismittel die Wissenschaftler verwendet haben. Aber auch umgekehrt ergeben sich durch die Anwendung bestimmter Erkenntnismittel bestimmte Aussagen über die Wirklichkeit.

Wenn die Wirklichkeit erkannt werden soll, ist der Aufwand viel größer als bislang, da der endliche Geltungsbereich von Erkenntnismitteln und damit von Theorien bestimmt werden muss. So ist die Herangehensweise, Theorien indirekt und systematisch zu verknüpfen, eine fundamental andere als die, mit der eine in sich widerspruchsfreie Einzeltheorie erzeugt wird.

Dabei ergibt sich aber folgender Vorteil: Mit einem vielschichtigen Denken, bei dem eine unabhängige Theorie die Bedingung für die Entfaltung der anderen voneinander unabhängigen Theorien ist (und umgekehrt), kann zum Beispiel die eine Evolution vielschichtig erkannt werden. Damit können prinzipiell Wandel und Komplexität verstanden werden.


Fragen

Eine vielschichtig verstandene Entwicklung zeichnet sich auch dadurch aus, dass nichts bleibt, wie es ist. Demzufolge kann sie sich weder nur stetig noch nur sprunghaft verändern. Auch der Pluralismus (wie der Dualismus von beiden) ist keine Lösung, da die Gegensätze zwischen beiden Vorstellungen negiert werden. Bedarf deshalb eine vielschichtig verstandene Entwicklung des Wandels, damit nichts bleibt, wie es ist? Wie ist dieser Wandel aufgebaut? Mit welchen Erkenntnismitteln lässt er sich unter welchen Bedingungen nachstellen?

Gewinner-Verlierer-Strukturen, wie sie in Hierarchien umgesetzt sind, grenzen einzelne Theorien über die Evolution unmittelbar aus. Deshalb können mit diesen nur einzelne Momente einer vielschichtig verstandenen Evolution untersucht werden. Aber wie sind Gewinner-Gewinner-Strukturen aufgebaut, bei der die Entfaltung der einen Theorie Bedingung für die Entfaltung aller ist, um eine vielschichtig verstandene Evolution begründen zu können?

Weiter Fragen

Komplexität und Eindimensionalität

Das vielschichtige Verhältnis zwischen Komplexität und Eindimensionalität verhält sich ähnlich wie das zwischen dem Ganzen und seiner Teile.

In diesem Konzept des Wandels wird Komplexität nicht auf Eindimensionalität reduziert (wie in der analytischen Philosophie wissenschaftliches Denken auf Sprache). In diesem Konzept wird nicht die Vorstellung vertreten, wonach Komplexität (als Ganzes) eindimensionale Prozesse wie in holistischen Vorstellungen, wonach das Ganze alles ist, direkt integrieren kann. Auch wird nicht von einem Dualismus zwischen komplex und eindimensional verstandenen Prozessen ausgegangen, der zwar hierarchiefrei aufgebaut ist, aber die Gegensätze zwischen der Eigenentwicklung von komplexen Prozessen und der Eigenentwicklung von eindimensional verstandenen Prozessen vernachlässigt werden.

In diesem Konzept werden komplexe und eindimensionale Prozesse miteinander indirekt verknüpft, ohne dass sie (wie bei holistischen Vorstellungen) direkt integriert werden. Damit unterliegen sowohl komplexe als auch eindimensionale Prozesse einer Eigenentwicklung, wobei sich diese Entwicklungen unter bestimmten Bedingungen gegenseitig bedingen, aber unter anderen Bedingungen ausschließen.

Das bedeutet, dass eindimensionale Prozesse notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für komplexe Prozesse darstellen, so dass eindimensionale Prozesse wichtige Zwischenschritte zum Erkennen der Komplexität sind. Aber auch komplexe Prozesse vermögen es nicht, eindimensionale Prozesse zu integrieren, so dass sich komplexe und eindimensionale Prozesse gegenseitig bedingen.

(mehr dazu unter Komplexität und Eindimensionalität)

spezifisches Konzept der Trialektik

Strukturähnlichkeit

Wer einen Hammer zum Einschlagen eines Nagels verwendet und eine Zange dazu nutzt, um den Nagel herauszuziehen, verwendet bezogen adäquate Werkzeuge. Damit wird sein Handeln einer Strukturähnlichkeit zwischen der jeweils verfolgten Absicht und der verwendeten Mittel bestimmt. Wer die Länge einer Katze mit Hilfe eines Längenmaßes wie Meter und nicht in Sekunden oder Kilogramm misst, dessen Handeln unterliegt der Strukturähnlichkeit zwischen Wirklichkeit und Denken.

Diese Strukturähnlichkeit wird in diesem Konzept auf der Weise umgesetzt, dass:

  • 1.) die Selbstbewegung der Wirklichkeit nur mit einer Selbstbewegung in Denken,
  • 2.) die Selbstentfaltung der Wirklichkeit nur mit der Selbstoptimierung im Denken und
  • 3.) die Selbsterzeugung der Wirklichkeit nur mit einer Selbsterzeugung im Denken nachgestellt werden kann.

Drei Momente der Entwicklung

Zu 1.) Die Selbstbewegung tritt in der Evolution auf, wenn neutrale (und damit keine neuen) Veränderungen zwischen Mutter- und Tochtergeneration entstehen. Dabei zeigt sich, dass die meisten Funktionen und Eigenschaften zwischen Mutter- und Tochtergeneration fast identisch sind und sehr geringe Veränderungen auftreten. Um diese neutralen Veränderungen zwischen Mutter- und Tochtergeneration bestimmen zu können, werden im Denken zum Beispiel (sehr geringe) Unterschiede innerhalb einer Gemeinsamkeit benötigt. Damit kann die Strukturähnlichkeit zwischen Denken und Wirklichkeit umgesetzt werden. Innerhalb der fast identischen Reproduktion sind die Zyklen zur nächsten Generation zu kurz, um die Entstehung neuer Merkmale oder Funktionen begründen zu können.

Zu 2.) Typisch für die Selbstentfaltung in der Evolution ist, wenn noch nicht dagewesene Veränderungen innerhalb einer bestehenden Struktur – wie zum Beispiel das Wachsen der Funktionen oder Funktionswechsel in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren – herausbilden (sich ausdifferenzierende Reproduktion). Für diese verschiedenen Abhängigkeiten in der Wirklichkeit werden, wenn eine Strukturähnlichkeit zwischen Denken und Wirklichkeit umgesetzt werden soll, verschiedene Hierarchien im Denken benötigt. Damit bedingen sich reale Abhängigkeiten und Hierarchien im Denken gegenseitig (eineindeutige Zuordnung).

Zu 3.) Die Wechselwirkungen zwischen Strukturen und Funktionen der Organismen zeigen sich darin, dass mit jeder Veränderung der Funktionen die Struktur erhalten wird, die den Veränderungen der Funktionen Grenzen setzt (strukturelle Reproduktion). Die Selbsterzeugung tritt auf, wenn eine Struktur über diese Wechselwirkung einerseits immer wieder neu erzeugt wird (oberflächlich betrachtet erhalten bleibt) und andererseits über diese Wechselwirkungen eine neue Struktur mit neuen Grenzen entsteht. Diese realen Wechselwirkungen können aufgrund der Strukturähnlichkeit zwischen Denken und Wirklichkeit nur über hierarchielose Denkprozesse, wie die Zweck-Mittel-Umkehrung begriffen werden. Damit bedingen sich reale Wechselwirkungen und hierarchielose Denkprozesse gegenseitig.

Zusammenfassung

Die drei Momente einer vielschichtig verstandenen Entwicklung sowohl in der Evolution als auch im Denken zeigen sich wie folgt:

  • 1.) Die neutralen Veränderungen der fast identischen Reproduktion werden mit der Selbstbewegung im Denken (wie zum Beispiel den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen dem Ganzen und seinen Teilen) erfasst (These 15).
  • 2.) Die verschiedenen Abhängigkeiten des Funktionswachstums innerhalb der sich ausdifferenzierenden Reproduktion werden mit verschiedenen Hierarchien der Selbstoptimierung im Denken gedeutet (These 16) und
  • 3.) die Wechselwirkungen, die innerhalb der strukturelle Reproduktion beim Erhalt der Strukturen und beim Wechsel von einer Struktur zur nächsten auftreten, werden innerhalb der Selbsterzeugung mit hierarchielosen Prozessen im Denken begriffen (These 17).

Für das Nachstellen einer vielschichtig verstandenen Entwicklung, die auf unterschiedlichen Momenten wie die der Reproduktion aufbaut, ist ein Nebeneinander (Kombination von Theorien) und ein Nacheinander (“Metamorphose“ von Theorien) notwendig.

Kriterien für die Darstellung der Komplexität

Eine komplexe Methode oder Herangehensweise beruht nicht allein auf analytischen, konstruktiven oder dialektischen Methoden. Die verwendeten Erkenntnismittel und deren Beziehungen untereinander sind mit den Vorstellungen über Wirklichkeit untrennbar "verkettet". Auch in der Quantenphysik können nach der Heisenbergschen Unschärferelation zum Beispiel Ort und Impuls nicht voneinander getrennt bestimmt werden. Folgende Kriterien einer komplexen Herangehensweise sind für das Begründen einer vielschichtig verstandenen Evolution wichtig:

  • Eine komplexe Herangehensweise geht von der Vorstellung aus, dass es auf einer Ebene Gegensätze zwischen den Momenten der Komplexität gibt und auf einer anderen Ebene diese Gegensätze indirekt verknüpft oder aufgehoben werden. Dies lässt sich am besten in einer gestalteten Kombination von Theorien umsetzen.
  • Ein Wandel vollzieht sich von einem begrenzten Wirkungsradius zum nächsten. Das Bestimmen der begrenzten Geltungsbereiche von Theorien und Vorstellungen erfolgt auf der Basis der Strukturähnlichkeit zwischen Denken und Wirklichkeit sowie einer eineindeutigen Zuordnung von Strukturen des Denkens zu denen der Wirklichkeit.
  • Unendlichkeit zeigt sich in dem sich gegenseitigen Bedingen von fast identischer, sich ausdifferenzierender und struktureller Reproduktion. Jedes dieser Momente der Reproduktion für sich besitzen nur eine scheinbare Unendlichkeit, die jeweils durch den begrenzten Wirkungsradius noch im Endlichen "gefangen" ist.
  • In der Evolution entwickeln sich das Nebeneinander (Raum) und das Nacheinander (Zeit) sowohl gleich als auch verschieden. Es kann mit Hilfe einer komplexen Herangehensweise nicht nur das Nacheinander sondern auch das Nebeneinander - zum Beispiel in Form von mehreren unabhängigen Funktionswechseln - begründet werden.
  • Erkenntnisse wandeln sich nicht nur vom Erfassen des Einzelnen über das Deuten des Besonderen zum Begreifen des Allgemeinen (Induktion), sondern auch umgekehrt vom Begreifen' über das Deuten' zum Erfassen' (Deduktion). Die Erkenntnisse im Begreifen und im Begreifen' sind die gleichen. Aber die im Deuten und Deuten' als auch die im Erfassen und Erfassen' verändern sich (siehe Abbildung 5.3).

Die Methode von Klaus Holzkamp "fünf Schritte der Analyse des Umschlages von Quantität in Quantität im phylogenetischen Prozeß" (1985, 78 - 81) erfüllt zum Beispiele nicht alle diese Kriterien. Mit dieser Methode können zwar Begriffe begründet werden, aber sie kann nicht als komplexe Herangehensweise genutzt werden.

Literatur

  • Otto, Stefan: Eine vielschichtig verstandene Evolution - 24 Thesen zum systematischen und indirekten Verknüpfen von Evolutionstheorien. Jena 2011

Weblinks

Kategorie: Trialektik (Wandel der Erkenntnismittel) Kategorie: Eine vielschichtig verstandene Evolution