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Selbstorganisation

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Selbstorganisation (auch Selbstverwaltung genannt) ist ein wesentliches Prinzip anarchistischen Handelns in der Praxis. Selbstorganisation meint direkten Gegensatz zu hierarchischer Struktur, also Teilnahme aller von der Entscheidung direkt - oder auch indirekt - betroffenen Personen.

Mögliche Formen von Selbstorganisation sind nach offenen Prinzipien, durch Vollversammlungen oder auch rätekommunistisch (bzw. basisdemokratisch) zu realisieren. Die Entscheidungen können von allen Beteiligten vollzogen oder Einzelpersonen zur Umsetzung per imperativem Mandat dazu beauftragt werden.


Selbstorganisation[edit]

ist eine der wesentlichen politischen Aktionsform von AnarchistInnen. Statt sich mit Forderungen nach einem besseren Leben an den Staat, Eltern, Kirche oder sonstige Obrigkeiten zu wenden, bedeutet Selbstorganisation die Suche nach Wegen zur direkten Umsetzung dieser Forderungen.

Beispiel: Statt mehr Geld oder mehr Lehrkräfte für Schulen oder Universitäten vom Staat zu fordern, werden Seminare selbst organisiert und Offene Universitäten (siehe z.B. die Offene Uni BerlinS ) aufgebaut.

Selbstorganisation unterscheidet sich aber wesentlich vom neoliberalen Gerede zur "Übernahme von mehr Selbstverantwortung". Während letzteres zu einer Vereinzelung und zu vermehrter Konkurrenz zwischen Individuen führt, ist Selbstorganisation vor allem durch Solidarität und Freie Kooperation gekennzeichnet. D.h. niemand soll auf sich allein gestellt sein im kreativen Umgang mit den Widrigkeiten dieses Lebens und Strategien der Selbstorganisation sollen allen zugänglich gemacht werden.

Beispiel: Statt sich einzeln mit Kürzung von Sozialhilfe oder ähnlichem rumzuschlagen, bilden Menschen, die einander vertrauen, eine Finanz-Koop. D.h. das Einkommen und das Vermögen der Einzelnen wird zusammen genutzt. Über größere Ausgaben wird gemeinsam entschieden. so können momentane Erwerbslosigkeit, Studien- oder Auszeiten gemeinsam ermöglicht und getragen werden.

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß Selbstorganisation mehr ist als eine politische Aktionsform. Sie ist auch eine Möglichkeit, etwas mehr Freiheit im kapitalistischen Alltag zu erlangen, wie das letzte Beispiel zeigt. Eine ganze Reihe weiterer Idee zur Selbstorganisation im Alltag findet sich auch unter www.alltagsalternative.de.vu. Als Selbstorganisation wird hauptsächlich in der Systemtheorie eine Form der Systementwicklung bezeichnet, bei der die formgebenden gestaltenden und beschränkenden Einflüsse von den Elementen des sich organisierenden Systems selbst ausgehen. Weniger abstrakt gilt im politischen Gebrauch des Begriffes die Gestaltung des Lebens an sich nach nicht festen, von anderen bestimmten Regeln und ähnelt daher dem Autonomiebegriff. Konkret eingesetzt wird es bei sich selbstorganisierende Karten.

Selbstorganisation in der Systemtheorie[edit]

Selbstorganisation ist das spontane Auftreten neuer, stabiler, effizient erscheinender Strukturen und Verhaltensweisen (Musterbildung) in offenen Systemen die sich fern vom thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Das sind System, die Energie, Stoffe oder Informationen mit der Außenwelt austauschen. Es verändert seine grundlegende Struktur als Funktion seiner Erfahrung und seiner Umwelt. Die interagierenden Teilnehmer (Systemkomponenten, Agenten) handeln nach einfachen Regeln und erschaffen dabei aus Chaos Ordnung, ohne eine Vision von der gesamten Entwicklung haben zu müssen.

Ein einfacher Fall von (physikalischer) Selbstorganisation ist z. B. das Auftreten von Konvektionszellen beim Erhitzen von Flüssigkeiten (Bénard-Experiment).

Das Konzept der Selbstorganisation findet man in verschiedenen Wissenschaftsbereichen wie z. B. Chemie (Gerichtete Faltung und Assoziation von Proteinen, Helix-Bildung der DNA, ...), Biologie, Soziologie usw.

Eigenschaften[edit]

Selbstorganisierte Systeme haben i. d. R. vier Eigenschaften:

  1. Komplexität: Sie sind komplex, wenn ihre Teile durch wechselseitige, sich permanent ändernde Beziehungen miteinander vernetzt sind. Die Teile selbst können sich ebenfalls jederzeit verändern. Komplexität erschwert die vollständige Beschreibbarkeit sowie Vorhersagbarkeit des Verhaltens von Systemen.
  2. Selbstreferenz: Selbstorganisierende Systeme sind selbstreferentiell und weisen eine operationale Geschlossenheit auf. Das heißt „jedes Verhalten des Systems wirkt auf sich selbst zurück und wird zum Ausgangspunkt für weiteres Verhalten“. Operational geschlossene Systeme handeln nicht aufgrund externer Umwelteinflüsse, sondern eigenständig und eigenverantwortlich aus sich selbst heraus. Selbstreferenz stellt aber keinen Widerspruch gegenüber der Offenheit von Systemen dar.
  3. Redundanz: In selbstorganisierenden Systemen erfolgt keine Trennung zwischen organisierenden, gestaltenden oder lenkenden Teilen. Alle Teile des Systems stellen potentielle Gestalter dar. Eine Hierarchie entfällt dadurch.
  4. Autonomie: Selbstorganisierende Systeme sind autonom, wenn die Beziehungen und Interaktionen, die das System als Einheit definieren, nur durch das System selbst bestimmt werden. Autonomie bezieht sich nur auf bestimmte Kriterien, da eine materielle und energetische Austauschbeziehung mit der Umwelt weiterhin besteht.

Geschichte[edit]

Der Begriff der Selbstorganisation wurde in den 50er Jahren von W. A. Clark und B. G. Farley geprägt:

"Sie erkannten, daß sich Operatoren, die in einer geschlossenen Beziehung stehen, irgendwie stabilisieren und beobachteten – noch ohne eine Theorie der rekursiven Funktionen oder des Eigenwertes zu kennen – das Phänomen, daß bestimmte geschlossene Systeme nach einer gewissen Zeit stabile Formen des Verhaltens entwickeln" (Heinz von Foerster und Bernhard Pörksen: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, 1998, S. 92).

In sozialen Systemen lässt sich beobachten, wie Ordnung – unabhängig von den Handlungen eines Organisators – aus dem System selbst heraus entsteht. Diese Erscheinung wird als Selbstorganisation bezeichnet. Die Selbstorganisation ist ein nicht nur in der Systemtheorie populärer Begriff. Ihm kommt sowohl in sozialen als auch in natürlichen, physikalischen, biologischen, chemischen oder ökonomischen Systemen Bedeutung zu. Auch geht das Konzept der Rätedemokratie und ihren sozio-politischen Ansätzen davon aus, daß die zur Selbstorganisation erforderlichen Handlungsspielräume gegen bestehende Formen der Fremdbestimmung erkämpft werden müssen. Diesem Ansatz zufolge können die Menschen nur dann ihr Leben selbst in die Hand nehmen, wenn sie auch die Produktionsmittel kontrollieren und nicht hierarchischen Organisationen unterworfen sind.

Die Vor- oder Urgeschichte der Selbstorganisation umfasst den Zeitraum vom griechisch-römischen Altertum bis etwa zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Schon im alten Griechenland spekulierten Philosophen über Chaos und Turbulenz als Ursache von Ordnung. In den Naturwissenschaften des achtzehnten, neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts dominierten mechanistische Denkweisen, die sich unter anderem auch in Darwins Evolutionstheorie widerspiegelt. Die eigentliche Entstehungsgeschichte der Selbstorganisation beginnt jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der relativ späte Zeitpunkt hat mehrere Ursachen, zunächst verhinderte das vorherrschende mechanistische Paradigma das notwendige Umdenken, außerdem wurden mit Selbstorganisation in Verbindung stehende Phänomene ignoriert. Gegenwärtig kann noch nicht von einer Theorie selbstorganisierender sozialer Systeme oder von empirisch getesteten Hypothesen gesprochen werden.

Der universellen Anwendbarkeit verdankt der Begriff der Selbstorganisation seine breite Resonanz.


Kriterien[edit]

Um von Selbstorganisation sprechen zu können, müssen folgende (nicht voneinander unabhängige) Kriterien erfüllt sein:

  1. Die Evolution eines Systems in eine räumlich/zeitlich organisierte Struktur ohne äußeres Zutun
  2. Die autonome Bewegung in immer kleinere Regionen des Phasenraumes (sogenannte Attraktoren)
  3. Die Entwicklung von Korrelationen oder raumzeitlichen Mustern zwischen vorher unabhängigen Variablen, deren Entwicklung nur unter dem Einfluss lokaler Regeln steht


Selbstorganisation in der Betriebswirtschaftslehre[edit]

Bedeutung[edit]

Die in selbstorganisierenden Systemen herrschende Ordnung kann nicht einfach als Resultat eines gestaltenden Teils verstanden werden. Sie entsteht vielmehr ganzheitlich, das heißt weder ausschließlich als Ergebnis individueller Eigenschaften, noch durch Tätigkeiten einzelner Personen, sondern durch die Interaktionen aller Systemteile. Ordnung bedeutet Gesetzmäßigkeit, die uns erlaubt, Fehlendes zu erkennen, oder zu erahnen und zu ergänzen, Fehlerhaftes zu definieren usw. Ordnung erlaubt somit Menschen, Sinn zu finden, gewährleistet Sicherheit und erlaubt die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten einzuordnen. Selbstorganisation erzeugt eine gewachsene, keine geplante oder bewusst gestaltete Ordnung. Sie ergibt sich zwar infolge menschlichen Verhaltens, jedoch ohne besondere organisatorische Gestaltungsabsicht. Friedrich A. von Hayek bezeichnet eine gewachsene Ordnung auch als spontane Ordnung.

Spontane Ordnung wird als informales Phänomen angesehen und galt eher als Störquelle, da sie von der formalen Organisation, die von der Unternehmensführung vorgegeben wird, abweichen und eine Eigendynamik entwickeln kann. Einer Umorientierung zur Folge wird die „Grundvorstellung über Organisation“ nicht durch die vom Management geplanten Unternehmensstrukturen bestimmt, sondern von denjenigen Strukturen, welche sich in Abhängigkeit vom Verhalten vieler Mitarbeiter permanent bilden und verändern.

Ein wichtiges Merkmal der Selbstorganisation ist ihr prozessualer Charakter. Im Vordergrund stehen Prozesse, nicht Strukturen. Ordnung befindet sich in permanenter Entwicklung, Strukturen sind dagegen nur Momentaufnahmen. Selbstorganisation bewirkt durch „interaktive Selbststrukturierung ausgelöste organisatorische langfristige Veränderung“. Selbstorganisatorische Systeme bilden ein „geschlossenes Ganzes“. Die Beteiligten lenken ihre Blicke grundsätzlich ins Innere des Systems. Selbstorganisation entspringt keinen individuellen oder sonstigen Zwängen, sondern stellt „generell eine Eigenschaft von Systemen“ dar.

Nach E. Göbel kann zwischen autonomer und autogener Selbstorganisation unterschieden werden.

  • Autonome Selbstorganisation liegt dann vor, wenn Ordnung in Unternehmen selbstbestimmt entsteht. Ordnung wird dabei als Ergebnis absichtlicher und geplanter Gestaltungshandlungen betrachtet. Voraussetzung ist, dass die Mitglieder oder Gruppen genügend Handlungsspielraum erhalten, um selbst an der sie betreffender Ordnung mitwirken zu können.
  • Autogene Selbstorganisation bedeutet, dass Ordnung aufgrund der Eigendynamik komplexer dynamischer Systeme von selbst entsteht. Der autogenen Selbstorganisation liegt demnach kein bewusster Gestaltungsakt zugrunde.


  • Konflikte

Das Konfliktpotential ist grundsätzlich höher, wenn Verteilungs- und Kompetenzregelungen fehlen und selbst ausgehandelt werden müssen.


  • Zeitaufwand und Kosten

Häufige Strukturänderungen, welche auch noch konfliktgeladen sind, erfordern Zeit. Daher kann die Lösungs- und Entscheidungsfindung in selbstorganisierten Systemen länger dauern als bei klaren Vorgaben von Oben.

Weitere Anwendungen[edit]

Anwendung findet die Selbstorganisation z.B. in Entbürokratisierungsprozessen, Abbau von Hierarchien, Entwicklung innovativer Strukturen, Gruppenentwicklung und Gruppenarbeit, Schaffung von humanen und effizienzfördernden Arbeitsbedingungen usw.


Fremdorganisation ist das Gegenteil zu Selbstorganisation. Dabei haben die Beteiligten in den jeweiligen Systemen keine Möglichkeit sich oder ihre Handlungsprozesse selber zu gestalten. Es wird nach strengen, unflexiblen und unveränderbaren organisatorischen Regeln verfahren. Beispiele und Vertreter; Der Bürokratieansatz von Max Weber, Das Scientific Management von Frederick Winslow Taylor.


Literatur[edit]

Weblinks[edit]

Kategorie:Selbstorganisation