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Permanente Revolution

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Bei dem Begriff Permanente Revolution muss mensch zwischen zwei unterschiedlichen Bedeutungen unterscheiden, einer eher umgangssprachlichen, welche beinhaltet, dass eine Revolution nie zu einem Ende gelangen kann, sondern dass die weitere Entwicklung einer postrevolutionaeren Gesellschaft durch staendige Wandlungsprozesse gekennzeichnet seien. Der andere, theoretisch ausgearbeitete Begriff der permanenten Revolution stammt aus der marxistischen Theoriediskussion und bezeichnet einen speziellen revolutionstheoretischen Ansatz, zu dessen Ausarbeitung vor allem Leo Trotzki einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, von dieser zweiten Bedeutung des Begriffes soll im weiteren Laufe des Artikels die Rede sein.

Bei der "Permanenten Revolution handelt es sich um einen programmatischen Ansatz, dessen Ursprung in der Analyse der Revolution von 1848/49 durch Karl Marx und Friedrich Engels aus den fruehen 1850er liegt, weiter entwickelt und zu einem Konzept ausgearbeitet wurde dieser in der programmatischen Diskussion der russischen MarxistInnen nach 1905 in der Abgrenzung zu den Ansaetzen Lenins ("demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern") und dem der reformistischen Menschewiki (demokratische Revolution und Errichtung einer buergerlichen Republik) von Alexander Parvus-Helphand und vor allem Leo Trotzki. Unter den AutorInnen, welche den Ansatz nach 1945 weiter entwickelten sind u.a. Tim Wohlforth, Tony Cliff, Raya Dunayevskaya und Michel Loewy zu nennen.

Der "klassische" Ansatz der permanenten Revolution Trotzkis geht von der Grundannahme aus, dass die Welt seit dem 19. Jahrhundert die Gestalt eines zusammenhaengenden, vom Kapitalismus als vorherrschender Form dominierten Systems angenommen hat, wo jedes Land z.B. in den Weltmarkt eingebunden ist, wobei sich die Entwicklung des Kapitalismus in den einzelnen "spaeter entwickelten" Laendern aber zuweilen stark von dem klassischen Vorbild bspw. Englands unterscheidet. Trotzki analysiert dies am Beispiel des russischen Zarenreiches, welches einerseits schon um 1900 im Weltmassstab eine industrielle Grossmacht darstellte, andererseits aber in der politischen Sphaere wie auch im Agrarbereich noch von feudalen oder feudal anmutenden Strukturen dominiert wurde. Das russische Buergertum war politisch schwach und mehrheitlich nicht bereit, die auch im Sinne der kapitalistischen Oekonomie sinnvollen politischen Veraenderungen (buergerliche Revolution) zu bewerkstelligen und lehnte sich - in Frontstellung zur aufstrebenden ArbeiterInnenklasse - eng an die von feudalistischen Formen gepraegte zaristische Staatsmacht an. Trotzki bezeichnet diesen Sachverhalt als Gesetz der ungleichen und kombinierten Entwicklung.

Vor diesem Hintergrund verwarfen Parvus-Helphand und Trotzki das in der damaligen marxistischen Linken dominierende Schema, nach welchem in Russland und vergleichbaren Laendern zunaechst einmal eine buergerliche Revolution (unter Fuehrung liberaler Kraefte, wobei die ArbeiterInnenbewegung hoechstens eine unterstuetzende, nie aber eine fuehrende Rolle spielen duerfe) und die Errichtung einer buergerlich-parlamentarischen Republik stattfinden solle, unter welcher sich dann der die Produktivkraefte, der Kapitalismus "richtig" entwickeln wuerde, was dann wiederum fuer Sozialismus und Kommunismus die Voraussetzung schaffen wuerde. Von der Schwaeche und politischen Orientierung der russischen Bourgeoisie ausgehend, gingen Parvus und Trotzki nach der Niederlage der ersten russischen Revolution 1905/06 davon aus, dass nur das (in den industriellen Zentren konzentrierte, hochgradig politisierte und kaempferische) russische Proletariat - die ArbeiterInnenklasse - in der Lage waere, die zaristische Autokratie zu stuerzen (die BaeuerInnen seien laut Parvus und Trotzki auf Grund ihrer starken geographischen Zersplitterung und ihres im wesentlichen lokalistischen Bewusstseins (oertliche Aufstaende gegen Grossgrundbesitzer, bei welchem sich aber auf den fernen "guetigen" Zaren berufen wurde) tendenziell nicht in der Lage, eine vorantreibende Rolle in der Revolution zu spielen). Nur das Proletariat sei, so Trotzki, in Russland in der Lage und gewillt, die Forderungen und Ziele der buergerlichen Revolution wie bspw. allgemeines und gleiches Wahlrecht, eine Landreform, Entmachtung des Adels und Trennung von Kirche und Staat durchzusetzen.

Dieser Sachverhalt wuerde jedoch dazu fuehren, dass die Revolution nicht (wie Lenin in "Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution" behauptete) auf die Durchsetzung buergerlich-demokratischer Ziele unter proletarischer (bzw. proletarisch-baeuerlicher) Fuehrung beschraenkt bleiben wuerde (die ArbeiterInnen wuerden sich nicht damit abfinden, eine Revolution fuer die Weiterentwicklung des Kapitalismus gemacht zu haben), das Proletariat muesse die revolutionaere Moeglichkeit nutzen um von der buergerlichen zur proletarischen Revolution ueberzugehen, dass heisst, die Bourgeoisie politisch und oekonomisch enteignen und entmachten und mit der Transformation der Gesellschaft vom Kapitalismus hin zu Sozialismus und Kommunismus beginnen. Da hierfuer wiederum aber die Produktivkraefte in peripheren kapitalistischen Laendern wie dem zaristischen Russland nicht ausreichen wuerden und eine isolierte Revolution den Gefahren einer internen wie externen Konterrevolution (und somit der Gefahr der kapitalistischen Restauration) kaum adaequat entgegentreten koenne, muesse die Revolution in einen weltrevolutionaeren Prozess einmuenden, welcher zumindestens in einigen bedeutenden "entwickelten" kapitalistischen Laendern (USA, Frankreich, Deutschland, Britannien, etc.) erfolgreich sein muesste, ansonsten wuerde die Revolution, welche, so Trotzki, zunaechst das schwaechste Kettenglied - Russland - ergriff, isoliert bleiben und nicht in eine sozialistische Gesellschaft muenden sondern zu einer instabilen, von Not und Unterdrueckung gepraegten Uebergangsgesellschaft fuehren. Diesen Prozess des Hinueberwachsens einer auf ein Land begrenzten "buergerlichen Revolution" hin zur proletarischen Weltrevolution bezeichneten Trotzki und die sich auf beziehenden Stroemungen und Gruppen als permanente Revolution. Spaeter, nach dem Scheitern der revolutionaeren Versuche in China gingen Trotzki und seine AnhaengerInnen auch davon aus, dass erfolgreiche Revolutionen in kolonialen und halbkolonialen Laendern sich durch die selben Charakteristika auszeichnen wuerden, die Parvus und Trotzki zunaechst nach 1905 fuer Russland herausgearbeitet hatten.

Literatur[edit]

  • Tony Cliff: Umgelenkte permanente Revolution.
  • Raya Dunayevskaya: Algebra der Revolution. Philosophie der Befreiung von Hegel bis Sartre und von Marx bis Mao.
  • Raya Dunayevskaya: Rosa Luxemburg, Frauenbefreiung und Marx' Theorie der Revolution.
  • Michael Löwy, Revolution ohne Grenzen. Die Theorie der permanenten Revolution.
  • Karl Marx/Friedrich Engels: Ansprache der Zentralbehörde an den Bund (März 1850) (im Internet unter [1])
  • Leo Trotzki: Ergebnisse und Perspektiven. Die treibenden Kräfte der Revolution (im Internet unter [2])
  • Leo Trotzki: Die permanente Revolution (im Internet unter [3])
  • Eric Wegner: Marxistische Revolutionstheorie in der Arbeiterbewegung der letzten 150 Jahre
  • Tim Wohlforth: The Theory of Structural Assimilation (liegt in deutscher Sprache nicht vor)