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Difference between revisions of "Offene Raeume:Blaue Welt Archiv Magdeburg"

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Vor etwa einem Jahr gab es die Idee, im Blaue Welt Archiv (BWA) einen Offenen Raum [http://www.projektwerkstatt.de/bwa/bwa-debatte.html einzurichten]. Die "alte" BWA-Gruppe hatte sich aufgelöst und es gab eine breitgefächerte Einladung an interessierte Menschen und Gruppen sich Gedanken über die zukünftige Nutzung des BWA zu machen. Bei dem ersten gemeinsamen Treffen kamen viele Leute mit verschiedenen Vorstellungen zusammen. Es gab Ideen für einen Infoladen, ein Antifa-Archiv, Computerpool und mehr.
 
Vor etwa einem Jahr gab es die Idee, im Blaue Welt Archiv (BWA) einen Offenen Raum [http://www.projektwerkstatt.de/bwa/bwa-debatte.html einzurichten]. Die "alte" BWA-Gruppe hatte sich aufgelöst und es gab eine breitgefächerte Einladung an interessierte Menschen und Gruppen sich Gedanken über die zukünftige Nutzung des BWA zu machen. Bei dem ersten gemeinsamen Treffen kamen viele Leute mit verschiedenen Vorstellungen zusammen. Es gab Ideen für einen Infoladen, ein Antifa-Archiv, Computerpool und mehr.
  
Die Utopie einer Gesellschaft, in der Menschen gleichberechtigt miteinander umgehen und es keine Privilegierten gibt, teilten gewiss viele der am BWA Interessierten. Von formalen Vorrechten - z.B. dem Hausrecht - abzusehen und hier Gleichberechtigung zu schaffen, wäre naheliegend. Die politische Praxis ist anders. In den wenigstens linken Freiräumen wird Horizontalität in den Entscheidungsstrukturen geschaffen, meist sind es bestimmte Gruppen, die über den Zugang und die Nutzbarkeit von Infrastruktur entscheiden. Spätestens beim Horrorszenaria "Nazis kommen" werden wieder zentrale Entscheidungen gefordert, sei es über ein Plenum, Grundsatzbeschlüsse oder gar durch einen Vorstand oder anderes elitäres Grüppchen.
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Bis zur Auflösung der alten BWA-Gruppe war das Blaue Welt Archiv in der Praxis ein autonom organisierter Raum. Zwar hatte formal ein Trägerverein, der den Raum zur Verfügung stellte, das Hausrecht, hat sich aber nicht in die Arbeit der Gruppe eingemischt. Jetzt wollten die BewohnerInnen des Hausprojektes ihr formales Vorrecht jedoch wahrnehmen. Im Hausplenum sollte es erst abgesegnet werden, dass hier ein Offener Raum entstehen darf - obwohl die meisten der Leute dort gar kein direktes Interesse am BWA hatten. Dass Leute, die gar nicht direkt betroffen sind, über die Möglichkeiten anderer bestimmen, stellt einen krassen Widerspruch zur Idee Offener Räume dar - dieser Status müsste unbedingt geändert werden, wenn ein solcher Ort entstehen soll. Durch diese Konstellation wurde es wichtig, auch im Hausprojekt die Offener Raum-Debatte zu führen.
  
Im Zusammenhang mit dem BWA entstand eine längere Debatte, bei der sich viele Ängste vor dem Neuen zeigten, aber leider auch wenig Bereitschaft (nur bei einigen) zu experimentieren und der Utopie im eigenen Handeln ein Stück näher zu kommen. Diese Reaktionen auf utopische Projekte wie Konzepte Offener Räume scheinen sich häufig zu wiederholen: Aus Angst vor Veränderungen, die keine Sicherheit bieten Morgen auch noch die Kontrolle zu haben, wird am Alten festgehalten, ohne sich zu fragen, ob der Status quo besser ist. Experimente haben so kaum eine Chance.
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Das fiel aber schwer, da von den "EntscheidungsträgerInnen" kaum Initiative gab. Zwei oder drei aus dem Projekt beteiligten sich an dem Diskussionsprozess, der Rest war uninteressiert oder hatte vage Vorbehalte. Diese zu besprechen scheiterte jedoch am mangelnden Interesse. Um das Thema leichter zugänglich zu machen, wurden Kernpunkte der Debatte in Form von Plakaten, die im Hausflur aufgehängt wurden, visualisiert, Kurzfassungen erstellt, eine Infowand eingerichtet und eine Diskussionsveranstaltung mit einer VertreterIn der Stiftung FreiRäume zu Offenen Räumen organisiert. Inhaltliche Reaktionen gab es darauf nicht, nur vereinzelte Anfeindungen "hinterm Rücken" von Leuten, die sich durch das Thema in der Gemütlichkeit ihrer Hausgemeinschaft gestört fühlten.
  
Interessanterweise warf die Debatte um einen Offenen Raum im BWA sogar Fragen zum Selbstverständnis des Hausprojekts, in dem sich das BWA befindet, auf. In der Diskussion über Utopien und das Ziel einer emanzipatorischen Gesellschaft stellte ein Hausvertreter den politischen Anspruch des Projekts in Frage und meinte, dass er sich da nicht mehr so sicher sei. Eigentlich gehe es ihm mehr um gemeinschaftliches Leben als um Politik. Das sollte im Haus mal diskutiert werden. Mehrere Versuche, diese interne Diskussion anzuregen, scheiterten.
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Das Hauptargument der GegnerInnen eines Offenen Raumes aus Hausprojekt und anderen am BWA beteiligten linken Gruppen waren Ängste vor Kontrollverlusten: was tun, wenn Nazis kommen? Fremde Leute könnten Sachen aus dem Infoladen klauen. Der Raum würde verwahrlost werden, weil niemand mehr aufräumt. Jemand muss "den Hut aufhaben", sonst geht nix. Dass sich kaum eine Bereitschaft zeigte, über diese Probleme und Lösungsansätze zu reden, deutet darauf hin, dass es gar nicht wirklich um diese Punkte geht. Der Offene Raum schreckt möglicherweise einige ab, weil sie damit auch ihre eigenen Kontrollmöglichkeiten verlieren.
 
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Ein Argument der Offener Raum-GegnerInnen war, dass es keinen Bedarf an einem solchen Projekt gäbe. Eine Antifa-Gruppe, die einen Infoladen mit Vertrieb von Klamotten und anderem eröffnen wollte, bangte um ihre Verkaufsmaterialien und sprach sich deswegen gegen diese Idee aus. Allerdings waren diese Argumentationen nicht schlüssig, da die bis dahin vereinbarte Nutzungsform das Risiko unkontrollierter Nutzung der Räumlichkeiten auch in sich trug. Bei vereinzelten Offener Raum-GegnerInnen dominierten Polemiken die Debatte, belastbare inhaltliche Kritik gab es von diesen m.E. kaum.
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Eine Schlüsselstellung bei der Diskussion um den Offenen Raum stellte neben der Aufgabe des Hausrechts der Autonomievertrag dar, der vorgeschlagen wurde, um diese formale Aufhebung von Vorrechten auch formal zu vereinbaren. Um in dieser Auseinandersetzung voranzukommen, wurde vorgeschlagen, dass es erstmal einen Entwurf gibt, der dann miteinander diskutiert wird. Dieser Entwurf wurde erarbeitet, allerdings gab es überhaupt keine Reaktionen darauf. Sowohl von der Hausgruppe aus als auch von den anderen BWA-Gruppen wurde das Thema weitestgehend ignoriert.
 
Eine Schlüsselstellung bei der Diskussion um den Offenen Raum stellte neben der Aufgabe des Hausrechts der Autonomievertrag dar, der vorgeschlagen wurde, um diese formale Aufhebung von Vorrechten auch formal zu vereinbaren. Um in dieser Auseinandersetzung voranzukommen, wurde vorgeschlagen, dass es erstmal einen Entwurf gibt, der dann miteinander diskutiert wird. Dieser Entwurf wurde erarbeitet, allerdings gab es überhaupt keine Reaktionen darauf. Sowohl von der Hausgruppe aus als auch von den anderen BWA-Gruppen wurde das Thema weitestgehend ignoriert.
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Allerdings wurde nicht nur dieser Versuch damit unterbunden, es geschah auch sonst so gut wie nichts mehr. Sämtliche Projektideen einschließlich derer, die angeblich inkompatibel zu einem Offenen Raum gewesen wären und diesen damit erstmal verhinderten, wurden nie begonnen; die Gruppen haben dazu keine Aktivitäten mehr gezeigt. Einzig einige wenige Veranstaltungen fanden in den vergangenen Monaten noch im BWA statt und ein Projekt des Hausvereins nutzte den Raum. Ansonsten ist ein absoluter Stillstand eingetreten.
 
Allerdings wurde nicht nur dieser Versuch damit unterbunden, es geschah auch sonst so gut wie nichts mehr. Sämtliche Projektideen einschließlich derer, die angeblich inkompatibel zu einem Offenen Raum gewesen wären und diesen damit erstmal verhinderten, wurden nie begonnen; die Gruppen haben dazu keine Aktivitäten mehr gezeigt. Einzig einige wenige Veranstaltungen fanden in den vergangenen Monaten noch im BWA statt und ein Projekt des Hausvereins nutzte den Raum. Ansonsten ist ein absoluter Stillstand eingetreten.
  
Um die Diskussion vor allem im Hausprojekt voranzubringen, wurden einige Anstrengungen unternommen. Kernpunkte der Debatte wurden visualisiert, Kurzfassungen erstellt, eine Infowand eingerichtet und eine Diskussionsveranstaltung mit einer VertreterIn der Stiftung FreiRäume zu Offenen Räumen organisiert. Neben dem - mit Ausnahme eines Menschen - konsequenten Ignorieren dieser Thematisierung gab es hinterrücks Anfeindungen allein schon gegen das Ansprechens der möglichen Öffnung des Raumes. Eine offene Auseinandersetzung gab es - abgesehen von vereinzelten von mir gesuchten Gesprächen - nicht mehr.
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Zwischenzeitlich hatte eine AktivistIn das BWA "besetzt", ein satirisches Kommuniqué verfasst und das BWA zum Offenen Raum ausgerufen, um die Debatte wiederzubeleben. Das änderte an der Funkstille und Ignoranz jedoch nichts. Eigentlich könnte es ja ein gutes Zeichen sein, wenn es keinen Widerstand gegen eine Besetzung des Raumes gibt. Ich vermute aber, dass dieses Nichtreagieren darin begründet lag, dass die Person und die "Besetzung" einfach nicht ernstgenommen wurden.
 
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Zwischenzeitlich hatte eine AktivistIn das BWA "besetzt", ein satirisches Kommuniqué verfasst und das BWA zum Offenen Raum ausgerufen. Das änderte an der Funkstille und Ignoranz jedoch nichts. Eine weitere Debatte gab es nicht, das Thema ist sang- und klanglos totgelaufen. Wie vermutlich an vielen anderen Orten auch, ist die Idee "Offener Raum im BWA" schon gescheitert, bevor das Projekt auch nur ausprobiert werden konnte.
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Allein die Vision, der Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft ein Stück näher zu kommen, in dem Vorrechte abgebaut werden und eine horizontale Organisierung versucht wird, scheint nicht genügend zu motivieren. Aber hier geht es auch nicht um abstrakte Theoriediskussionen oder politische Phrasen, sondern um Veränderungen im eigenen Lebensumfeld.  
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Allein die Vision, der Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft ein Stück näher zu kommen, in dem Vorrechte abgebaut werden und eine horizontale Organisierung versucht wird, schien niemanden vom Hocker zu reißen. Welches Potential hinter dem Entwicklungsprozess Offener Räume steckt, wurde nicht erkannt. Lieber bleiben die Leute hinter ihrem gemütlichen Ofen Thiembuktu, hinter dem sie sich nicht hervorlocken lassen. Offener Raum scheint ein Langweiler zu sein, der keine Chancen hat neben Arbeit, Ausbildung, Gemeinschaft und Party hat. Die Entpolitisierung ist an diesem Punkt schon weit vorangeschritten.
  
 
In der linken Praxis dominieren einfache Entwürfe, die nur unter Ausblendung der Komplexität der Gesellschaft und von Herrschaft insgesamt funktionieren. Die Auseinandersetzung um das Blaue Welt Archiv bestätigt m.E. diese These. Von vielen Beteiligten wurde geäußert, dass ihnen die Diskussion zu anstrengend sei, einige haben sich offensiv der Auseinandersetzung mit den Widersprüchen ihrer Parolen und der praktischen Umsetzung verweigert. Wären es nicht zum Teil auch diejenigen gewesen, die damit gleichzeitig ihre Vorrechte bewahren, könnte mensch das auch einfach so akzeptieren.
 
In der linken Praxis dominieren einfache Entwürfe, die nur unter Ausblendung der Komplexität der Gesellschaft und von Herrschaft insgesamt funktionieren. Die Auseinandersetzung um das Blaue Welt Archiv bestätigt m.E. diese These. Von vielen Beteiligten wurde geäußert, dass ihnen die Diskussion zu anstrengend sei, einige haben sich offensiv der Auseinandersetzung mit den Widersprüchen ihrer Parolen und der praktischen Umsetzung verweigert. Wären es nicht zum Teil auch diejenigen gewesen, die damit gleichzeitig ihre Vorrechte bewahren, könnte mensch das auch einfach so akzeptieren.
  
Vielleicht hat auch der Versuch Transparenz herzustellen und alle Fragestellungen, die auftreten können, zu berücksichtigen, Leute überfordert und dazu geführt, dass sie sich aus der Debatte ausgeklinkt haben. Ich frage mich allerdings, wie eine emanzipatorische Gesellschaft funktionieren soll, wenn die Menschen, die sie wollen, nicht bereit sind, sich aus den antrainierten Verhaltensmustern zu lösen. Ich glaube nicht, dass die Fähigkeit zum komplexeren Denken nicht vorhanden ist, sondern dass die Konditionierung durch die Gesellschaft ihren Anteil daran hat.
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Vielleicht hat auch der Versuch Transparenz herzustellen und alle Fragestellungen, die auftreten können, zu berücksichtigen, Leute überfordert und dazu geführt, dass sie sich aus der Debatte ausgeklinkt haben. Ich glaube allerdings nicht, dass die Fähigkeit zum komplexeren Denken nicht vorhanden ist, sondern dass die Konditionierung durch die Gesellschaft ihren Anteil an dieser Wahrnehmung hat. Auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Gesellschaft können solche Prozesse wie die Entwicklung Offener Räume helfen, sich aus den antrainierten Verhaltensmustern zu lösen und sich in einer Welt zurechtzufinden, die doch wesentlich vielschichtiger ist, als der Mainstream und auch viele einfache linke Politikansätze behaupten.
  
Für das Blaue Welt Archiv habe ich derzeit keine Ideen, wie ein emanzipatorischer Prozess anlaufen könnte. Genauso wie die Idee dort einen Offenen Raum aufzubauen sind auch nahezu alle anderen Nutzungsvorschläge für das BWA im Sande verlaufen. Es fehlt auch an motivierten Leuten, die bereit wären, die notwendige Energie für dieses Projekt aufzubringen.
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Für das Blaue Welt Archiv habe ich derzeit keine Ideen, wie ein emanzipatorischer Prozess anlaufen könnte. Genauso wie die Idee dort einen Offenen Raum aufzubauen sind auch nahezu alle anderen Nutzungsvorschläge für das BWA im Sande verlaufen. Es fehlt auch an motivierten Leuten, die bereit wären, die notwendige Energie für dieses Projekt aufzubringen. Das ist bei anderen "Alternativprojekten" leider auch nicht anders - die Idee "Offener Raum" hat es hier auch nur nicht geschafft, Leute zu emanzipatorischen Prozessen zu motivieren.
  
 
Bei zukünftigen Projekten könnte es sich lohnen, parallel zur Debatte darüber, ob es einen Offenen Raum geben soll und wie dieser funktionieren könnte, eine Experimentalphase zu starten. Diese sollte nicht durch Vorfestlegungen – z.B. erstmal die üblichen Strukturen aufzubauen und dann zu schauen was passiert – eingeschränkt werden. Durch die "Sicherheit", dass es immer noch möglich ist "das übliche" zu machen, wenn für aufkommende Probleme keine Lösungen gefunden werden, lassen sich vielleicht mehr Leute auf einen Versuch ein.
 
Bei zukünftigen Projekten könnte es sich lohnen, parallel zur Debatte darüber, ob es einen Offenen Raum geben soll und wie dieser funktionieren könnte, eine Experimentalphase zu starten. Diese sollte nicht durch Vorfestlegungen – z.B. erstmal die üblichen Strukturen aufzubauen und dann zu schauen was passiert – eingeschränkt werden. Durch die "Sicherheit", dass es immer noch möglich ist "das übliche" zu machen, wenn für aufkommende Probleme keine Lösungen gefunden werden, lassen sich vielleicht mehr Leute auf einen Versuch ein.

Latest revision as of 19:42, 24 April 2006

<< Überblick: Offene Räume


Kein Offener Raum im Blaue Welt Archiv[edit]

Vor etwa einem Jahr gab es die Idee, im Blaue Welt Archiv (BWA) einen Offenen Raum einzurichten. Die "alte" BWA-Gruppe hatte sich aufgelöst und es gab eine breitgefächerte Einladung an interessierte Menschen und Gruppen sich Gedanken über die zukünftige Nutzung des BWA zu machen. Bei dem ersten gemeinsamen Treffen kamen viele Leute mit verschiedenen Vorstellungen zusammen. Es gab Ideen für einen Infoladen, ein Antifa-Archiv, Computerpool und mehr.

Bis zur Auflösung der alten BWA-Gruppe war das Blaue Welt Archiv in der Praxis ein autonom organisierter Raum. Zwar hatte formal ein Trägerverein, der den Raum zur Verfügung stellte, das Hausrecht, hat sich aber nicht in die Arbeit der Gruppe eingemischt. Jetzt wollten die BewohnerInnen des Hausprojektes ihr formales Vorrecht jedoch wahrnehmen. Im Hausplenum sollte es erst abgesegnet werden, dass hier ein Offener Raum entstehen darf - obwohl die meisten der Leute dort gar kein direktes Interesse am BWA hatten. Dass Leute, die gar nicht direkt betroffen sind, über die Möglichkeiten anderer bestimmen, stellt einen krassen Widerspruch zur Idee Offener Räume dar - dieser Status müsste unbedingt geändert werden, wenn ein solcher Ort entstehen soll. Durch diese Konstellation wurde es wichtig, auch im Hausprojekt die Offener Raum-Debatte zu führen.

Das fiel aber schwer, da von den "EntscheidungsträgerInnen" kaum Initiative gab. Zwei oder drei aus dem Projekt beteiligten sich an dem Diskussionsprozess, der Rest war uninteressiert oder hatte vage Vorbehalte. Diese zu besprechen scheiterte jedoch am mangelnden Interesse. Um das Thema leichter zugänglich zu machen, wurden Kernpunkte der Debatte in Form von Plakaten, die im Hausflur aufgehängt wurden, visualisiert, Kurzfassungen erstellt, eine Infowand eingerichtet und eine Diskussionsveranstaltung mit einer VertreterIn der Stiftung FreiRäume zu Offenen Räumen organisiert. Inhaltliche Reaktionen gab es darauf nicht, nur vereinzelte Anfeindungen "hinterm Rücken" von Leuten, die sich durch das Thema in der Gemütlichkeit ihrer Hausgemeinschaft gestört fühlten.

Das Hauptargument der GegnerInnen eines Offenen Raumes aus Hausprojekt und anderen am BWA beteiligten linken Gruppen waren Ängste vor Kontrollverlusten: was tun, wenn Nazis kommen? Fremde Leute könnten Sachen aus dem Infoladen klauen. Der Raum würde verwahrlost werden, weil niemand mehr aufräumt. Jemand muss "den Hut aufhaben", sonst geht nix. Dass sich kaum eine Bereitschaft zeigte, über diese Probleme und Lösungsansätze zu reden, deutet darauf hin, dass es gar nicht wirklich um diese Punkte geht. Der Offene Raum schreckt möglicherweise einige ab, weil sie damit auch ihre eigenen Kontrollmöglichkeiten verlieren.

Eine Schlüsselstellung bei der Diskussion um den Offenen Raum stellte neben der Aufgabe des Hausrechts der Autonomievertrag dar, der vorgeschlagen wurde, um diese formale Aufhebung von Vorrechten auch formal zu vereinbaren. Um in dieser Auseinandersetzung voranzukommen, wurde vorgeschlagen, dass es erstmal einen Entwurf gibt, der dann miteinander diskutiert wird. Dieser Entwurf wurde erarbeitet, allerdings gab es überhaupt keine Reaktionen darauf. Sowohl von der Hausgruppe aus als auch von den anderen BWA-Gruppen wurde das Thema weitestgehend ignoriert.

Allerdings wurde nicht nur dieser Versuch damit unterbunden, es geschah auch sonst so gut wie nichts mehr. Sämtliche Projektideen einschließlich derer, die angeblich inkompatibel zu einem Offenen Raum gewesen wären und diesen damit erstmal verhinderten, wurden nie begonnen; die Gruppen haben dazu keine Aktivitäten mehr gezeigt. Einzig einige wenige Veranstaltungen fanden in den vergangenen Monaten noch im BWA statt und ein Projekt des Hausvereins nutzte den Raum. Ansonsten ist ein absoluter Stillstand eingetreten.

Zwischenzeitlich hatte eine AktivistIn das BWA "besetzt", ein satirisches Kommuniqué verfasst und das BWA zum Offenen Raum ausgerufen, um die Debatte wiederzubeleben. Das änderte an der Funkstille und Ignoranz jedoch nichts. Eigentlich könnte es ja ein gutes Zeichen sein, wenn es keinen Widerstand gegen eine Besetzung des Raumes gibt. Ich vermute aber, dass dieses Nichtreagieren darin begründet lag, dass die Person und die "Besetzung" einfach nicht ernstgenommen wurden.

Allein die Vision, der Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft ein Stück näher zu kommen, in dem Vorrechte abgebaut werden und eine horizontale Organisierung versucht wird, schien niemanden vom Hocker zu reißen. Welches Potential hinter dem Entwicklungsprozess Offener Räume steckt, wurde nicht erkannt. Lieber bleiben die Leute hinter ihrem gemütlichen Ofen Thiembuktu, hinter dem sie sich nicht hervorlocken lassen. Offener Raum scheint ein Langweiler zu sein, der keine Chancen hat neben Arbeit, Ausbildung, Gemeinschaft und Party hat. Die Entpolitisierung ist an diesem Punkt schon weit vorangeschritten.

In der linken Praxis dominieren einfache Entwürfe, die nur unter Ausblendung der Komplexität der Gesellschaft und von Herrschaft insgesamt funktionieren. Die Auseinandersetzung um das Blaue Welt Archiv bestätigt m.E. diese These. Von vielen Beteiligten wurde geäußert, dass ihnen die Diskussion zu anstrengend sei, einige haben sich offensiv der Auseinandersetzung mit den Widersprüchen ihrer Parolen und der praktischen Umsetzung verweigert. Wären es nicht zum Teil auch diejenigen gewesen, die damit gleichzeitig ihre Vorrechte bewahren, könnte mensch das auch einfach so akzeptieren.

Vielleicht hat auch der Versuch Transparenz herzustellen und alle Fragestellungen, die auftreten können, zu berücksichtigen, Leute überfordert und dazu geführt, dass sie sich aus der Debatte ausgeklinkt haben. Ich glaube allerdings nicht, dass die Fähigkeit zum komplexeren Denken nicht vorhanden ist, sondern dass die Konditionierung durch die Gesellschaft ihren Anteil an dieser Wahrnehmung hat. Auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Gesellschaft können solche Prozesse wie die Entwicklung Offener Räume helfen, sich aus den antrainierten Verhaltensmustern zu lösen und sich in einer Welt zurechtzufinden, die doch wesentlich vielschichtiger ist, als der Mainstream und auch viele einfache linke Politikansätze behaupten.

Für das Blaue Welt Archiv habe ich derzeit keine Ideen, wie ein emanzipatorischer Prozess anlaufen könnte. Genauso wie die Idee dort einen Offenen Raum aufzubauen sind auch nahezu alle anderen Nutzungsvorschläge für das BWA im Sande verlaufen. Es fehlt auch an motivierten Leuten, die bereit wären, die notwendige Energie für dieses Projekt aufzubringen. Das ist bei anderen "Alternativprojekten" leider auch nicht anders - die Idee "Offener Raum" hat es hier auch nur nicht geschafft, Leute zu emanzipatorischen Prozessen zu motivieren.

Bei zukünftigen Projekten könnte es sich lohnen, parallel zur Debatte darüber, ob es einen Offenen Raum geben soll und wie dieser funktionieren könnte, eine Experimentalphase zu starten. Diese sollte nicht durch Vorfestlegungen – z.B. erstmal die üblichen Strukturen aufzubauen und dann zu schauen was passiert – eingeschränkt werden. Durch die "Sicherheit", dass es immer noch möglich ist "das übliche" zu machen, wenn für aufkommende Probleme keine Lösungen gefunden werden, lassen sich vielleicht mehr Leute auf einen Versuch ein.


Kategorie:Offene Räume