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Machen Sie doch ihren Beruf zum Hobby

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»Machen Sie doch Ihren Beruf zum Hobby!«, sagte ich immer zu den Leuten, aber die hören ja nicht auf mich. Ich bin ja bloß der Trottel vom Amt.


Früher, in der DDR seinerzeit, war das ja so ein Ideal. Da war es andersherum, da versuchte man, sein Hobby zum Beruf zu machen. Das ist wohl bei Gesellschaften mit Vollbeschäftigung so. Wenn da jemand so etwas schafft, sein Hobby zum Beruf zu machen, dann ist das der ganz, ganz große Wurf. Jeder hatte damals einen Beruf. Aber, und darauf waren sie in der DDR besonders stolz, nicht jeder hatte seinen Beruf. Der eine war vielleicht Rockmusiker, das wurde in der Berufsberatung so festgelegt, da konnte man nichts machen, und der konnte dann seinen eigentlichen Neigungen nur in der Freizeit nachgehen, zum Beispiel Leute bespitzeln. Hätte er sein Hobby zum Beruf machen können, wäre er vielleicht Polizist geworden. Wie gesagt, die Menschen wurden durch staatliche Planung und Lenkung in Berufe gedrängt, die ihnen überhaupt nicht lagen. Ihr eigentliches Potenzial entfalteten sie in ihren Hobbys. Der ganze Geheimdienst funktionierte so. Wie gesagt, nur einige wenige schafften es, Neigung mit Aufgabe zu paaren und ihr Hobby zum Beruf zu machen. Meist Pionierleiter, Kosmonauten und Altstoffhändler.


Dann kam die Wende, die Wiedervereinigung und alle wurde arbeitslos. Ich arbeitete damals auf dem Amt, dem Arbeitsamt, ich bin ja der Trottel vom Amt, und versuchte, die Leute in ABM zu stecken, in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, oder sie umzuschulen. Aber was willste machen, mit Pionierleitern, Kosmonauten und Altstoffhändlern, oder zu was willste die umschulen?


Seien wir doch mal ehrlich, Vollbeschäftigung war gestern. Wenn du heute Vollbeschäftigung forderst, das ist doch, als ob Du die DDR wiederhaben willst. »Also, ob Du in den DGB eintrittst oder in die PDS, ist praktisch dasselbe«, sage ich den Leuten immer und: »Machen Sie doch Ihren Beruf zum Hobby!« Aber die hören ja nicht auf mich. Ich bin ja bloß der Trottel vom Amt.


Ich meine, wenn die Leute irgendwas unbedingt machen wollen, können sie das doch genauso als Hobby machen wie als Beruf, oder? Also jetzt 'ne Straße teeren zum Beispiel. Macht ja Spaß, mit der Walze rumzufahren oder Brötchen zu backen oder Schweineohren, nur als Beispiel. Möglicherweise ist der Hobbykonditor oder der Straßenbauverein dann billiger als es die Professionellen sind, und die Professionellen gehen dann ein, und werden arbeitslos. Na und, dann werden sie eben arbeitslos! Wenn sie die Arbeit gerne gemacht haben. Asphalt und Schweineohren, dann können sie das doch auch als Hobby machen. Oder sie machen etwas ganz anderes, wo sie mehr Lust zu haben, Pionierleiter vielleicht, Kosmonaut oder Altstoffhändler.


Ich sage immer: »Nehmen Sie doch das Arbeitslosengeld und machen Sie, worauf Sie Lust haben.« Je mehr Menschen arbeitslos sind, um so schwerer sollte es doch sein, dieses Geld abzuschaffen. Klar, es ist erst mal weniger, das Arbeitslosengeld, die Sozialhilfe. Aber wenn irgendwann alle arbeitslos sind, weil alle einer billigeren Konkurrenz aus dem Hobbysektor erlegen sind, sind alle wieder gleich. Und dann werden die Preise auch schon längst runtergegangen sein, weil ja alle Waren von arbeitslosen Hobbyproduzenten stammen.


»Wo soll denn das ganze Arbeitslosengeld herkommen«, werde ich oft gefragt, »wer soll das denn erarbeiten, wenn keiner mehr arbeitet?« Fragen stellen die Leute! Das Geld wird natürlich, so wie jetzt auch, gedruckt. Gelddrucken ist doch sicherlich auch ein schönes Hobby. Oder natürlich, das geht auch, man schafft das Geld ganz ab, dann hat man auch keine unnötige Arbeit damit.


»Nehmen Sie das Geld«, sage ich immer. »Seinen Sie froh, dass es dieses Geld noch gibt. Hören Sie auf mich! Machen Sie doch Ihren Beruf zum Hobby!« Das sage ich immer zu den Leuten, ich habe das auch immer zu meinen Klienten gesagt, wenn die zu mir aufs Arbeitsamt gekommen sind, aber die hören ja nicht auf mich. Ich bin ja bloß der Trottel vom Amt.


Jetzt heißt es ja nicht mehr Arbeitsamt, Agentur heißt das jetzt. Auf einmal bin ich kein Beamter mehr gewesen, sondern ein Agent. Das hat schon cool geklungen, Agent. Den Frauen hat das mächtig imponiert. Aber geholfen hat es nichts. »Machen Sie doch Ihren Beruf zum Hobby!«, habe ich gesagt, »vertrauen Sie mir, ich bin Agent!« Aber die hörten trotzdem nicht auf mich. Ich war dann eben der Trottel von der Agentur.


Jetzt haben sie mich entlassen, aus dem Amt, ich meine der Agentur. Begründung: Blablabla, auf So was wie mich können sie verzichten, hat der Chef noch gebrüllt. Der Chefagent – hihihi. Hat mich ehrlich gesagt gar nicht interessiert, die Begründung. Hab gar nicht zugehört. Was glauben Sie, was ich stattdessen gemacht habe? Ich habe meinen Beruf zum Hobby gemacht. Stehe ich eben hier, oder am Tresen, erzähle allen, sie sollen ihren Beruf zum Hobby machen, so wie ich. »Machen Sie doch Ihren Beruf zum Hobby!«, sage ich immer zu den Leuten, aber die hören ja nicht auf mich. Ich bin ja bloß der Trottel vom Amt.


Obwohl, wenn ich's mir so überlege – vielleicht hat's ja doch was gebracht. Vielleicht haben ja schon viele ihren Beruf zum Hobby gemacht und suchen gar keinen neuen Beruf, weil ihr Hobby sie ausfüllt. Wäre doch denkbar, dass Deutschland auf dem richtigen Weg ist. Dann bin ich natürlich überflüssig geworden, auf dem Amt, ich meine, in der Agentur. Auf so was wie mich können sie verzichten, jetzt wird mir klar, wie das gemeint war! Natürlich! Und da haben sie mich eben entlassen müssen, unter fadenscheinigen Vorwänden. Also wenn das kein Grund zum Feiern ist!


[Dieser Text hat seinen Ursprung hier: Spider - Im Arbeitslosenpark]