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Kraft

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Revision as of 13:49, 25 March 2005 by Elfboi (Talk | contribs) (Macht und Gewalt)

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Das Hauptproblem der Menschheit, gegen das sich der Anarchismus wendet, ist die Macht. Macht kommt daher als Macht über Menschen, als die Macht, einen Menschen etwas tun zu lassen, ihn zu etwas zu zwingen, und die Konsequenzen nicht selbst tragen zu müssen. Nun ist dieses Prinzip so tief in den Menschen verwurzelt, daß man sich fragen muß, wodurch man es ersetzen bzw. wie man es transformieren will.

Eine Antwort könnte die innere Kraft jedes einzelnen Menschen sein. Diese Kraft soll hier einmal definiert werden als die Kraft, Dinge aus eigenem Antrieb zu tun, mithilfe des eigenen Vermögens. Vermögen verwenden wir hier nicht im kapitalistischen Sinne, sondern seiner ursprünglichen Bedeutung nach, als Befähigung, Fähigkeit, vielleicht auch Begabung. Man kann sagen, daß diese Kraft den Menschen angeboren ist, und daß die Macht eine pervertierte Form davon darstellt.

Eigenschaften der Macht

Macht organisiert sich in Hierarchien, in Pyramidensystemen, wo einige wenige Personen ganz oben sitzen, weil sie das Geld haben, eine etwas größere Schicht das Management bildet und im Namen der Personen an der Spitze noch mehr Macht anzusammeln hat, und vielen immer größer werdenden Ebenen darunter, die unter immer größerem Druck von oben stehen, den sie nach unten weitergeben. Teilweise läßt ihnen das System keine andere Wahl, als den Druck weiterzugeben, teilweise ködert es die Menschen auch mit dem Versprechen, mehr Macht zu erlangen und eine Stufe aufzusteigen. Da Macht eine Droge ist, die trotz ihrer nichtphysischen Natur ähnlich wirkt wie Kokain, sind viele Menschen süchtig danach, und ihre Gier hält das System stabil.

Auch der Drang, Dinge zu kaufen, die man nicht braucht, sinnlos zu konsumieren, ist letztendlich eine Form von Gier, die aus dem Machtsystem resultiert.

Eine der besonders zerstörerischen Eigenschaften von Macht ist, daß die Personen, die etwas anordnen, diejenigen, die es ausführen, und diejenigen, die die Konsequenzen tragen, in der Regel nicht identisch sind. Aus diesem Grunde sind Dinge wie Krieg oder Umweltzerstörung möglich.

Innere Kraft

Die Kraft der Menschen, Dinge aus sich selbst heraus zu tun, organisiert sich dagegen in vielfältigen Formen, als flexibles Netzwerk. Zunächst einmal kann jeder Mensch herausfinden, was er selbst tun kann, ohne weitere Hilfsmittel und ohne die Hilfe anderer. Wenn er sich mit anderen Menschen zusammentut, um die Kraft zu bündeln, kann die Gruppe weit mehr erreichen. Dadurch, daß es keine Hierarchie gibt, kann die Information frei fließen, weil niemand einen Vorteil dadurch hat, daß er irgendwas zurückhält, und es können wesentlich bessere Problemlösungen gefunden werden als in einem von der Macht beherrschten System, vor allem, da niemand eine Entscheidung fällen kann, der nicht bereit ist, selbst an ihrer Ausführung mitzuwirken, und niemand etwas tun kann, dessen Konsequenzen er nicht selbst mitzutragen bereit ist.

In einem System, das auf der inneren Kraft beruht, nennen wir es einmal Anarchie, sind bestimmte Arten von Großprojekten natürlich kaum zu verwirklichen: Autobahnen, Talsperren, Atomreaktoren. Andere Arten von Großprojekten, die ungefährlicher und wesentlich nützlicher sind, können zwar verwirklicht werden, brauchen aber ein Vielfaches der Zeit, die sie in einem Machtsystem bräuchten. Dies ist jedoch kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil, denn gerade die Geschwindigkeit des modernen Kapitalismus verursacht ökologische und soziale Katastrophen globalen Ausmaßes, die wir uns als Menschheit nicht länger leisten können, wenn wir überleben wollen.

Macht und Angst

Angst ist einer der wichtigsten Stützpfeiler der Macht, wenn nicht sogar der wichtigste. Die Angst davor, zurückgewiesen oder bestraft zu werden, die Angst davor, daß der Wert des eigenen Lebens vom System mit Füßen getreten werden kann, sorgt dafür, daß die meisten Menschen sich nicht einmal trauen, die Macht in Formen anzugreifen, welche nicht vom Gesetz verboten sind, und die Angst führt auch dazu, daß sie das System für mächtiger halten, als es ist.

Wer in der Lage ist, seiner Angst ins Gesicht zu tun und nicht ohne Angst, sondern trotz seiner Angst zu tun, was er tun will, was seiner eigenen inneren Kraft entspringt, und dabei bereit ist, trotz seiner Angst den Widerstand des Systems herauszufordern, der kann nicht mehr wirklich besiegt werden. Wer bereit ist, sich verprügeln, ins Gefängnis stecken, vielleicht sogar foltern, verstümmeln oder ermorden zu lassen, ohne sich dabei von seiner Angst dazu treiben zu lassen, die eigenen Überzeugungen zu verleugnen und gegen den eigenen Willen zu handeln, der kann nur noch vernichtet werden. Wenn eine ganze Gemeinschaft von Menschen ihre Angst überwinden und die Stärke des Willens vereinigen kann, um mit gemeinsamer Kraft das System herauszufordern, dann können sie nicht mehr vollkommen besiegt und unterdrückt werden.

Die wirksamste Waffe des Systems ist die Angst in uns selbst. Jeder von uns hat seinen inneren Polizisten, der irgendwo in der Tiefe des Unbewußten aufpaßt, daß wir nichts denken oder tun, das nicht den Regeln des Systems entspricht. Diese Regeln sind nicht unbedingt identisch mit den Gesetzen, die auf dem Papier stehen; es sind eher verinnerlichte Regeln, die sich aus dem ableiten, was wir im täglichen Leben beobachten können, in der Art und Weise, wie Menschen sich uns und sich gegenseitig gegenüber verhalten, wie sie auf bestimmte Dinge reagieren. Die Angst, nicht geliebt zu werden, die Angst, zurückgewiesen zu werden, die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, die Angst, obdachlos zu werden, die Angst, ins Gefängnis geworfen zu werden, all diese Ängste sind Nahrung für den inneren Polizisten. Der innere Polizist verkörpert unseren Selbsthaß, unsere Angst vor der eigenen Courage, die Waffe, die wir auf uns selbst halten, um uns zu beherrschen, um zu verhindern, daß wir die Macht selbst angreifen. Um den inneren Polizisten zu überwinden, hilft es nicht, die Angst zu verleugnen oder vor ihr wegzurennen - stattdessen sollte man sich die Angst bewußt machen und trotz der Angst weitermachen.

Wer sich mit Meditation, Trance oder ähnlichen Psychotechniken auskennt, kann sich auch in einer Traumreise vorstellen, daß er sich in einer inneren Landschaft befindet, die angefüllt ist mit Orten, Personen und Gegenständen, die eine Bedeutung für ihn haben, und dann in die Richtung geht, die ihm besonders unheimlich ist, um sie zu erforschen. Irgendwann wird er oder sie auf etwas treffen, das den inneren Polizisten verkörpert, wird dagegen kämpfen und verlieren, wird fürchterliche Ängste durchleiden und Alpträume haben. Davon darf sich der Sucher aber nicht entmutigen lassen, stattdessen muß sie oder er die Erfahrung wiederholen und jedesmal darauf achten, welche Symbole, welche Vorstellungen ihr oder ihm Kraft geben, ein wenig länger dem inneren Ordnungshüter zu widerstehen. Wenn er irgendwann vor einem liegt, wehrlos und besiegt, kann man ihn nach seinem Namen fragen, um die Quelle der eigenen Angst zu kennen (oft sind dies Überreste von Kindheitserinnerungen). Wer diese Stufe gemeistert hat (was allerdings nur wenigen gelingt), der kann fortan nicht wie ein Soldat durch die Macht berauscht und gegen die Angst betäubt in die Schlacht ziehen, sondern wie ein wilder Krieger, der sich seiner Angst voll und ganz bewußt ist, die Angst jedoch als eine Quelle seiner Stärke, seines Willens, seines Überlebenstriebes nutzt.


Macht und Gewalt

Im Anarchismus ist die Gewaltdebatte ein großes Thema. Hier soll nun geschildert werden, warum Gewaltlosigkeit bis zuletzt der Anwendung von Gewalt vorzuziehen ist, und was Gewalt denn nun eigentlich ist. Wenn wir von Gewalt reden wollen, dann müssen wir wissen, wovon wir reden - sicherlich wollen wir nicht die Definition verwenden, welche die Systeme der Macht anzubieten haben. Als Beispiel möchte ich nur einmal einen Bericht des Verfassungsschutzes über den Linksextremismus anführen, in dem unter anderem Sabotageakte, Sachbeschädigung, Befreiung von Versuchstieren und sogar die Zerstörung von gentechnischen Versuchspflanzungen als Beispiele für das "linksextreme Gewaltpotential" genannt und in dem Profiteinbußen der Wirtschaft als "Schäden durch linksextremistische Gewalt" bezeichnet werden.

Wir können zunächst einmal betrachten, wodurch sich Gewalt auszeichnet: Gewalt zeichnet sich durch Verletzung aus, durch Schmerzen, die zugefügt werden, durch Zwang. Gewalt ist Erniedrigung, Gewalt ist Brutalität. Damit ist bereits klar, daß Gewalt nur empfindungsfähige Lebewesen betreffen kann. Zerstörung von Gegenständen ist nur dann Gewalt, wenn sie darauf abziehlt, Menschen indirekt psychisch oder physisch zu verletzen.

Gewalt kann aber auch gesehen werden als eine Grundbedingung von Macht. In diesem Sinne ist jede Ausübung von Macht eine Form von Gewalt. Macht stellt sich dar als potentielle Form von Gewalt, als unterschwellige Androhung von Gewalt, und jeder Akt konkreter Machtausübung ist eine (oft kleine, unbemerkte) Anwendung von Gewalt. Macht und Gewalt sind also ebenso zwei Seiten einer Medaille wie Energie und Arbeit in der Physik, wo physikalische Arbeit als Freisetzung von Energie erscheint und Energie als potentielle Arbeit.

Wer sich nun der Gewalt widersetzt, ohne selbst Gewalt anzuwenden, der entzieht sich der Verlockung der Macht. Gewalttätige Auseinandersetzungen mit Vertretern der Herrschaft sind berauschend, weil sie selbst ein Gefühl von Macht vermitteln, der Macht, Mollis oder Steine zu schmeißen, der Macht, Angst und Schrecken zu verbreiten. Andererseits ist Gewalt genau das, was die Gegenseite will, was sie erwartet, und sie gefährdet das System nicht wirklich. Gewaltloser Widerstand ist jedoch keine Manifestation von Macht, sondern von der inneren Kraft, die jedes Individuum hat, der Kraft, nein zu sagen. Gewaltloser Widerstand fordert die Macht auf eine viel subtilere Art und Weise heraus, als Gewalt es tun könnte. Streiks, Besetzungen, Sitzblockaden, all diese Dinge können dem System zeigen, daß man sich nicht von der Angst beherrschen läßt, und sie haben auch Vorbildfunktion.