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Difference between revisions of "Gilde freiheitlicher Bücherfreunde"

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Zwei Vorträge Rudolf Rockers über Jack London, Upton Sinclair und [[B. Traven]] waren ein Erlebnis! In einer anti-militaristischen Veranstaltung sprach [[Helmut Rüdiger]] über 'Der Krieg und die Literaten'. [[Bruno Vogel]] las aus 'Es lebe der Krieg' und aus dem damals noch ungedruckten 'Alf'. Die aufwühlende Kunst [[Franz Masareel]]s vermittelte uns Helmut Rüdiger durch einen Vortrag mit Lichtbildern. Eine Feier, dem Gedenken [[Gustav Landauer]]s gewidmet, war überfüllt. Rudolf Rocker hielt die Gedenkrede, Lina Carstens rezitierte. An einem anderen Abend sprach Helene Stöcker kluge Worte über die Ehe als psychologisches Problem. Am dritten Autoren-Abend las [[Theodor Plievier]] aus 'Des Kaisers Kulis' und 'Ein Kapitän und zwölf Mann', sowie Szenen aus einem bisher ungedruckten Drama."
 
Zwei Vorträge Rudolf Rockers über Jack London, Upton Sinclair und [[B. Traven]] waren ein Erlebnis! In einer anti-militaristischen Veranstaltung sprach [[Helmut Rüdiger]] über 'Der Krieg und die Literaten'. [[Bruno Vogel]] las aus 'Es lebe der Krieg' und aus dem damals noch ungedruckten 'Alf'. Die aufwühlende Kunst [[Franz Masareel]]s vermittelte uns Helmut Rüdiger durch einen Vortrag mit Lichtbildern. Eine Feier, dem Gedenken [[Gustav Landauer]]s gewidmet, war überfüllt. Rudolf Rocker hielt die Gedenkrede, Lina Carstens rezitierte. An einem anderen Abend sprach Helene Stöcker kluge Worte über die Ehe als psychologisches Problem. Am dritten Autoren-Abend las [[Theodor Plievier]] aus 'Des Kaisers Kulis' und 'Ein Kapitän und zwölf Mann', sowie Szenen aus einem bisher ungedruckten Drama."
  
Über die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde ist bislang nur wenig publiziert worden. Der Leipziger Bericht vermittelt ein anschauliches Bild von der Arbeit einer Gruppe vor Ort. Dabei überrascht doch, dass jeden Monat ein Vortragsabend für die Mitglieder abgehalten wurde. Die Themen konzentrierten sich auf Bücher, Malerei oder Filme, allerdings nicht ausschließlich anarchistischer Tendenz; es ging eher um künstlerische und literarische Bildung und häufig auch um Literatur, die freiheitliche Gedanken oder Elemente enthielt, selbst wenn der Autor, wie z.B. Knut Hamsun, in seinem Gesamtwerk nicht als Sympathisant des Anarchismus gelten kann. Es fanden beispielweise Abende zu August Strindberg, zu [[Armin Wegeners]] Russlandbuch, zu Leo Trotzkis Erinnerungen 'Mein Leben' statt. Es gab Lichtbildervorträge zu Daumier und George Grosz oder zur Nacktkultur. Die neuen Bücher Rudolf Rockers wurden ebenso vorgestellt und diskutiert wie das damals neue Thema 'Proletariat und Film'. Auch die politischen Verhältnisse der Zeit wurden keineswegs ausgeblendet: Vorträge zu 'Ghandi und der Befreiungskampf des indischen Volkes' oder 'Benito Mussolini und der Faschismus in Italien' können dies belegen.
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Über die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde ist bislang nur wenig publiziert worden. Der Leipziger Bericht vermittelt ein anschauliches Bild von der Arbeit einer Gruppe vor Ort. Dabei überrascht doch, dass jeden Monat ein Vortragsabend für die Mitglieder abgehalten wurde. Die Themen konzentrierten sich auf Bücher, Malerei oder Filme, allerdings nicht ausschließlich anarchistischer Tendenz; es ging eher um künstlerische und literarische Bildung und häufig auch um Literatur, die freiheitliche Gedanken oder Elemente enthielt, selbst wenn der Autor, wie z.B. Knut Hamsun, in seinem Gesamtwerk nicht als Sympathisant des Anarchismus gelten kann. Es fanden beispielweise Abende zu August Strindberg, zu [[Armin Wegeners]] Russlandbuch, zu Leo Trotzkis Erinnerungen 'Mein Leben' statt. Es gab Lichtbildervorträge zu Daumier und [[George Grosz]] oder zur Nacktkultur. Die neuen Bücher Rudolf Rockers wurden ebenso vorgestellt und diskutiert wie das damals neue Thema 'Proletariat und Film'. Auch die politischen Verhältnisse der Zeit wurden keineswegs ausgeblendet: Vorträge zu 'Ghandi und der Befreiungskampf des indischen Volkes' oder 'Benito Mussolini und der Faschismus in Italien' können dies belegen.
  
  
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* Erich Mühsam: Sammlung
 
* Erich Mühsam: Sammlung
 
* Max Nettlau: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880-1886, 1931  
 
* Max Nettlau: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880-1886, 1931  
* Han Ryner: Nelti. Zukunftsroman, übersetzt von Augustin Souchy
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* Han Ryner: Nelti. Zukunftsroman, übersetzt von [[Augustin Souchy]]
 
* Pataud/Pouget: Revolutionsroman, übersetzt von Rudolf Rocker, illustriert von Fermin Rocker
 
* Pataud/Pouget: Revolutionsroman, übersetzt von Rudolf Rocker, illustriert von Fermin Rocker
 
* Fritz Gross
 
* Fritz Gross
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Quelle: [[Wolfgang Haug]]: Zum Thema Anarchismus, Teil 3: Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, in: Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 5, Lübeck, 1994
 
Quelle: [[Wolfgang Haug]]: Zum Thema Anarchismus, Teil 3: Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, in: Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 5, Lübeck, 1994
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Revision as of 21:00, 7 October 2006

Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde

Gegründet wurde die Gilde 1928, also keineswegs zu Hochzeiten der Freien Arbeiter Union, eher im Gegenteil: Man kann feststellen, dass das Interesse der Mitglieder an einzelnen Bereichen der anarchosyndikalistischen Bewegung wuchs, je weniger die FAUD Einfluss auf die konkrete politische Situation nehmen konnte. Trotzdem muss es als beachtlich angesehen werden, was die Gildenmitglieder in den wenigen Jahren vor Hitlers Machtergreifung am 30.1.1933 auf die Beine stellten. 80 Gründungsmitglieder brachten nicht viel mehr "Kapital" in die Gründung ein, als ihr gelebtes Verständnis von "Gegenseitiger Hilfe". Drei Jahre später, 1931, hatte diese kleine Buchgemeinschaft immerhin 1200 Mitglieder gewonnen.

Aus der Satzung des Gilde lassen sich zwei Hauptzielrichtungen erkennen: Die Gilde wollte den Arbeitenden für ihren Kampf um eine bessere Gesellschaftsordnung "wertvolles Schrifttum" zur Verfügung stellen und einen Verlegergewinn ausschalten. Des weiteren bot sie literarische und künstlerische Vorträge an, "um das Interesse für freiheitliche Kunst und kulturelle Erneuerung zu fördern."

Sehr früh wurde in Berlin eine gildeneigene Zeitschrift "Besinnung und Aufbruch" im A-5-Format herausgegeben, der Start lag im Mai 1929, so dass die Jahrgänge immer im Mai mit Heft 1 begannen. Gelegentliche Veranstaltungshinweise darin, veranschaulichen uns heute die Umsetzung ihres kulturpolitischen Anspruchs. So finden wir in Nr.7 von 1929 der Gildenzeitung die Veranstaltungshinweise für Berlin, wo am 31. Oktober Bruno Vogel aus seinem Roman "Alf" las und musikalisch von Bernd Sander begleitet wurde; am 14. November fand ein Lichtbildervortrag statt, der durch ein Violinsolo aus- und eingeleitet wurde. Am 28.November sprach Erich Mühsam über "Revolutionäre Kunst" unter der Mitwirkung der Volks-Kunst-Gemeinschaft Wedding. In Nr.12 vom April 1930 wurde beispielweise in der Stadt Heilbronn ein Vortrag eines Dr. Stockbürger über die "Krise der Weltwirtschaft" und in Heft 1 vom Mai 1930 wurde in Heilbronn der Vortrag des Ulmer FAUD-Mitglieds Karl Preiß über "Der Arbeiter und seine Literatur" angekündigt. In Heft 7 findet sich der Hinweis auf Rudolf Rockers Vortrag in Braunschweig "Maxim Gorki und die russische Literatur", in Heft 9 vom Januar 1931 wird auf seinen Berliner Abend zu "William Godwins Roman Caleb Williams" hingewiesen.

Die Ortsgruppe Leipzig vermittelt in ihrem Tätigkeits- und Gründungsbericht für "Besinnung und Aufbruch" ein anschauliches Bild der politisch-kulturellen Absichten und der der konkreten Umsetzung, zudem wird deutlch, dass auch hier eine dezentrale Organisation und Arbeitsweise selbstverstäündlich war, so hatte sich die Leipziger Gruppe bereits ein Jahr vor der offiziellen Gründung der Gilde selbst gegründet. Der Autor des Berichts war Arthur Holke, der selbst mit dem "Verlag Der Anarchist" einen kleinen Verlag betrieb und auch Zeitschriften verlegte. Arthur Holke starb 1940 im KZ.

"Im April 1928 schlossen sich eine Anzahl Genossen zu einer Ortsgruppe der Gilde freiheitlicher Bücherfreunde zusammen, unabhängig von der in Berlin gegründeten Gilde, mit eigenen Satzungen und Marken. Der Berliner Verwaltungs-Apparat war der Sache nicht gewachsen, das Werbematerial unbrauchbar. Die von der Berliner Leitung offerierten 1,65- und 1,95-Mark-Bücher (Warenhausausgabe) waren zur Mitgliederwerbung nicht geeignet. Wir boten unseren Gildenfreunden neben den besten Werken aus dem Verlag Der Syndikalist nur gute Literatur freiheitlicher Autoren. Unsere Gilde wollte mehr sein als ein Büchervermittler. Wir wollten teilnehmen an der Kulturarbeit der Leipziger Arbeiterschaft. Ist doch das Kapitel Kulturarbeit keineswegs erhebend! Die Zerissenheit des Proletariats, verursacht durch die politischen Drahtzieher, läßt es nicht zu größzügigem Wollen kommen. Das von den Zentralgewerkschaften und der Partei unterhaltene Arbeiter-Bildungs-Institut maßt sich auf kulturellem Gebiet eine Monopolstellung an. Besoldete Bildungssekretäre bestimmen die Tendenz! Versuche, in Leipzig eine Volksbühne auf breitester Grundlage zu schaffen, die Kulturzentrum sein könnte, mussten an der Engstirnigkeit der sozialdemokratische Parteihuber scheitern. Eine von der KP aufgezogene Volksbühne konnte nicht leben. Für freiheitliche Elemente, denen der Parteipferch zu eng war, gab es keinen Raum der Betätigung! Ende 1928 traten wir an die Öffentlichkeit. Auftakt war ein Vortrag Rudolf Rockers über Maxim Gorki. Der Erfolg war vielversprechend. Wohl selten hat ein Redner eine andächtigere Hörerschaft aller Richtungen gefunden. Die 'berufenen' Vertreter der Leipziger Arbeiterschaft trafen Gegenmaßnahmen. Unsere weiteren Veranstaltungen wurden bis auf eine totgeschwiegen! Die SP- und KP-Presse lehnte Redaktionshinweise und Inserate ab. Doch unsere fernere Tätigkeit konnte dadurch nicht unterbunden werden. Im August sprach Erich Mühsam temperamentvoll über das Thema "Künstler und Rebell". Ein Genosse las aus seinen Werken. Zwei Vorträge Rudolf Rockers über Jack London, Upton Sinclair und B. Traven waren ein Erlebnis! In einer anti-militaristischen Veranstaltung sprach Helmut Rüdiger über 'Der Krieg und die Literaten'. Bruno Vogel las aus 'Es lebe der Krieg' und aus dem damals noch ungedruckten 'Alf'. Die aufwühlende Kunst Franz Masareels vermittelte uns Helmut Rüdiger durch einen Vortrag mit Lichtbildern. Eine Feier, dem Gedenken Gustav Landauers gewidmet, war überfüllt. Rudolf Rocker hielt die Gedenkrede, Lina Carstens rezitierte. An einem anderen Abend sprach Helene Stöcker kluge Worte über die Ehe als psychologisches Problem. Am dritten Autoren-Abend las Theodor Plievier aus 'Des Kaisers Kulis' und 'Ein Kapitän und zwölf Mann', sowie Szenen aus einem bisher ungedruckten Drama."

Über die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde ist bislang nur wenig publiziert worden. Der Leipziger Bericht vermittelt ein anschauliches Bild von der Arbeit einer Gruppe vor Ort. Dabei überrascht doch, dass jeden Monat ein Vortragsabend für die Mitglieder abgehalten wurde. Die Themen konzentrierten sich auf Bücher, Malerei oder Filme, allerdings nicht ausschließlich anarchistischer Tendenz; es ging eher um künstlerische und literarische Bildung und häufig auch um Literatur, die freiheitliche Gedanken oder Elemente enthielt, selbst wenn der Autor, wie z.B. Knut Hamsun, in seinem Gesamtwerk nicht als Sympathisant des Anarchismus gelten kann. Es fanden beispielweise Abende zu August Strindberg, zu Armin Wegeners Russlandbuch, zu Leo Trotzkis Erinnerungen 'Mein Leben' statt. Es gab Lichtbildervorträge zu Daumier und George Grosz oder zur Nacktkultur. Die neuen Bücher Rudolf Rockers wurden ebenso vorgestellt und diskutiert wie das damals neue Thema 'Proletariat und Film'. Auch die politischen Verhältnisse der Zeit wurden keineswegs ausgeblendet: Vorträge zu 'Ghandi und der Befreiungskampf des indischen Volkes' oder 'Benito Mussolini und der Faschismus in Italien' können dies belegen.



Herausgegebene Bücher

  • Erich Mühsam: Staatsräson (Drama zu Sacco und Vanzetti]]), Gilde Freiheitlicher Bücherfreunde, Berlin, 1928
  • Bruno Vogel: Alf, Berlin, 1929
  • Erich Mühsam: Brennende Erde. Gedichte. Kurt Wolff Verlag, München 1920; 2. Auflage Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, Berlin 1930
  • Erich Mühsam: Sammlung
  • Max Nettlau: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880-1886, 1931
  • Han Ryner: Nelti. Zukunftsroman, übersetzt von Augustin Souchy
  • Pataud/Pouget: Revolutionsroman, übersetzt von Rudolf Rocker, illustriert von Fermin Rocker
  • Fritz Gross
  • Theodor Plivier: Der Kaiser ging, die Generäle blieben (Lizenzausgabe aus dem Malik-Verlag)
  • Ernst Ottwald: Ruhe und Ordnung, Aus dem Leben der national gesinnten Jugend
  • Ilja Ehrenburg: Die Verschwörung der Gleichen (über das Leben von Babeuf),




Literatur

Quelle: Wolfgang Haug: Zum Thema Anarchismus, Teil 3: Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, in: Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 5, Lübeck, 1994


wird fortgesetzt